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Wilsdruffer Tageblatt : 08.07.1931
- Erscheinungsdatum
- 1931-07-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193107086
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19310708
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19310708
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1931
-
Monat
1931-07
- Tag 1931-07-08
-
Monat
1931-07
-
Jahr
1931
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 08.07.1931
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poMMe kunalAau j Deutsches Reich Am Donnerstag Rcichsrat. Der Reichsrat ist zu einer Vollsitzung für kommenden Donnerstag einberufen. Auf der Tagesordnung stehen u. a. der Gesetzentwurf über das Abkommen zur Ver besserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Heere und das Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen sowie der Entwurf einer dritten Durch führungsverordnung zum Osthilfegesetz. Unter den Vor lagen befindet sich auch der Entwurf einer Verordnung über die Förderung des freiwilligen Arbeitsdienstes. Zwei neue Reichstagsabgeordnete. An Stelle des Abgeordneten Dr. Georg Bellmann, der sein Mandat niedergelegt hat, tritt der Volksschullehrer Alfred Baum, Brunndöbra im Pogtl., (Deutsche Volks partei) in den Reichstag ein. — An Stelle des Abgeord neten Ernst Reinke, der ebenfalls sein Mandat nieder gelegt hat, tritt Frau Hanna Sandtner, Stenotypistin, Berlin (Kommunistische Partei), in den Reichstag ein. Verhaftung in der Kieler Ortsgruppe der NSDAP. In Kiel wurde der Ortsgruppenleiter der NSDAP, in seiner Wohnung verhaftet. Anschließend besetzte die Polizei die Geschäftsstelle der Ortsgruppe und versiegelte die Räume. Später wurde auch der Geschäftsführer der Ortsgruppe verhaftet. Kundgebung gegen Versailles verboten. Der Rektor der Königsberger Universität hatte Dozenten und Studenten zu einer großen Kundgebung vor der Universität gegen das Diktat von Versailles ein geladen. Der sozialdemokratische Polizeipräsident von Königsberg hat nunmehr dem Rektor das Verbot dieser Kundgebung mitgeteilt, und zwar mit der Begründung, daß die öffentliche Ruhe und Sicherheit gefährdet werden könnte. Aus In- und Ausland Berlin. Der berühm.. Agrarforscher und Politiker Geheim- rar Seering feierte sein goldenes Doktorjubiläum. Die Glück wünsche der Universität sprach während der Gratulattonscour sei Rektor. Professor Deißmann, aus. Paris. Die in Berlin umlaufenden Gerüchte nach denen Briand die Absicht habe, ach 8. August nach Berlin zu kommen, werden hier von amtlicher französischer und deutscher Stelle aus das entschiedenste dementiert. Siedlungssragen im preußischen Landtag. tt. B e r l t n, 7. Juli. Der Preußische Landtag trat zu einem letzten kurzen Sitzungsabschnitt vor der Sommerpause zusammen. Vor Eintritt in die Tagesordnung gibt Abg. Klein-Halen- see eine persönliche Erklärung ab, in der er bestreitet, aus der deutschnationalcn Fraktion und Partei ausgeschlossen zu sein. Er sei aus der Partei ausgetreten, nicht aus Gegensätzlichkeit zur Sozialpolitik der Parier, sondern lediglich aus Grund von internen Vorkommnissen im Landesverband Potsdam H. Aus der Tagesordnung sieht die Beraiung der Verord nung über die Beteiligung Preußens bei der Deutschen Siedtungsbank. Mit der Beratung verbunden werden die Gesetzentwürfe zur Änderung des Landesrentenbankgesetzes, zur Förderung der Ansiedlung und über das Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem preußischen Staat wegen des Kreditwesens für die ländliche Siedlung. Abg. Ponfick (Landvolk) erstattet den Bericht des Sied lungsausschusses. Der Berichterstatter gibt der Erwartung Ausdruck, daß mit der Durchführung der neuen Gesetze eine Entbureaukratisierung der Siedlungsfinanzierung erfolge. Der Ausschuß empfehle eine Entschließung, wonach die Regierung ersucht werden soll, alle Anträge von Siedlern auf Stundung der fälligen Renten wohlwollend zu prüfen und nach Möglichkeit zu genehmigen. In der Aussprache begrüßt Abg. Jürgensön (Soz.), daß jetzt die Voraussetzung für eine Zusammenarbeit von Reich und Preußen auf dem Gebiet des Siedlungswesens geschaffen worden sei. Preußen habe mit seiner Siedlungspolttik in den letzten Jahren beachtliche Erfolge erzielt. Abg. Dr. Kaufhold (Dtn.) wünschte die Siedlungsfragen unter Ausschaltung parteipolitischer Gesichtspunkte zu behan deln. Die Deutschnationalen hätten sich in der Fürsorge für die Landarbeiter auch große Verdienste erworben und Wünschten Prüfung der Frage der Einstellung ausländischer Landarbeiter. Alles hänge aber davon ab, daß die Landwirtschaft wieder rentabel werde. Abg. Schmelzer (Ztr.) begrüßte die Vorlagen. Die Landes- rentenbank habe die wichtige Ausgabe zu erfüllen, Zwischen kredite in Dauerkredite umzuwandeln. Bei Stundung von Renten müsse von Fall zu Fall eine Prüfung erfolgen. Der Redner trat für Verbesserungen der Transport wege auf deni Lande ein. Abg. Kerff (Komm.) wendet sich gegen die übereilte An nahme der aus der Notverordnung hervorgehenden Agrar entwürfe. Abg. Dr. Rose (Dl. Vv.) erklärt, die Siedlung vom Hofe aus bedürfe der größtmöglichen Erleichterung durch den Staat. Die Ansiedlungsbehörden sollten nur solche Siedlungen zu lassen, die an einem öffentlichen Wege lägen. Abg. Dr. Ponfick (Landvolk) begrüßte die Beteiligung der Siedlungsbank an der Durchführungsarbeit der preußischen Siedlungsgesellschaften. Nicht immer hätten die zuständigen preußischen Stellen Siedlungspolitik objektiv betrieben. Abg. Wachhorst de Wente (Staatspartei) begrüßt die Ent würfe und besonders die Mithilfe des Reiches am preußischen Siedlungswerk. Abg. Leonhardt (Wirtschaftspt.) betont, daß seine Freunde einer Neuregelung des Siedlungswesens grundsätzlich zu stimmten, aber mit gewissen Bedenken nicht zurückhalten könnten. Abg. Wende-Winzig (Dtn.) betonte, daß nur solches Land für Siedlungszwecke verwandt werden dürfe, das auch unter den ungünstigsten Verhältnissen eine gewisse Rentabilität ge währleiste. Hierauf wurden die Siedlungsgesetze in der Ausschutz fassung in zweiter Lesung angenommen. Schließlich nahm das Haus die Gesetzentwürfe durch eu- blov-Abstimmung an. Die Schlußabstimmungen finden am Donnerstag statt. Das Haus vertagte sich auf Mittwoch: Mitteilung des Staatsmimsteriums über das Volksbegehren des Stahlhelms auf Auflösung des Landtages. Das ÄrieiL im LlraSzeW-Mro^sß. Drei Jahre Gefängnis für den russischen Betrüger. Das im Dresdener Uralzew-Prozetz verkündete Urteil lautete gegen den Angeklagten Uralzew wegen gemeinschaft lichen Betruges, vollendeten und versuchten Betruges und schwerer Urkundenfälschung in mehreren Fällen auf drei Jahre Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungs haft, gegen Dr. Steinmetz wegen gemeinschaftlichen Betruges ans sechs Monate Gefängnis unter Anrechnung der Unter suchungshaft, gegen Schrade wegen Beihilfe zur schweren Urkundenfälschung in Tateinheit mit vollendetem und ver suchtem Betrüge auf ein Jahr drei Monate Gefängnis, gegen Bedenk wegen schwerer Urkundenfälschung in Tateinheit mit Rückfallbctrug und Beihilfe zur Urkundenfälschung ans ein Jahr drei Monate Gefängnis unter Anrechnung der Unter suchungshaft, gegen Rifczek wegen Urkundenfälschung aus sieben Monate Gefängnis, die durch die Untersuchungshaft als verbüßt gelten, gegen Dr. Türk wegen Betrugsversuches und Untreue in mehreren Fällen aus zehn Monate Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungshaft. Wer ist Uralzew? Mehrere Wochen lang wurde in Dresden der Betrugs- vrozeß gegen den Russen Uralzew und seine Komplicen — unter denen sich, wie der Staatsanwalt mit tiefstem Bedauern be tonte mehrere Akademiker befanden — verhandelt. Uralzew prä sentierte sich als Schwindler von ganz großem Format, als Mann von großer Intelligenz und nicht minder großer Ge rissenheit. Man hat rhn, wie er behauptet, in Deutschland viel fach getäuscht. Aber Uralzew hat sich dann in seiner Weise gerächt, indem er die, welche ihn um Geld gebracht haben sollen, recht kräftig betrog, wobei er nicht leicht vor etwas zurück schreckte. Man har den Dresdener Prozeß den „kleinen Uralzew-Prozetz" genannt, aber er war gerade grotz genug, und der zweite Uralzew-Prozeß, der in kurzem in Berlin vonstatten gehen soll, und den man schon vor seinem Beginn als den „großen Uralzew-Prozetz" bezeichnet hat, kann auch nicht mehr viel größer werden als die Sache in Dresden. Was in Berlin noch folgen soll, ist Uralzews BetruggegendieRatfseisenbank,der zwar zahlen mäßig umfangreicher ist als die Dresdener Schwindeleien und Fälschungen Uralzews, aber an einzelnen Straftaten nicht das erreicht, was der geriebene Russe und seine Genossen sich in und um Dresden herum geleistet haben. Allzu große Überraschungen dürfte der Berliner Prozeß nicht mehr bringen, da man schon jetzt ziemlich gut weiß, worum es sich handelt. Uralzew will mit einem Paket Aktien übers Ohr gehauen worden sein; als er dann geschäftlich zu- sammenaebrocyen war, drohte er zu „enthüllen". Es soll nun ein einflußreicher Mann sich mit dem Russen in Verbindung gesetzt und ihm 250 000 Mark angeboten haben, wenn er das belastende Material, das er zu haben behauptete, ausliefere. Er will auch tatsächlich Material heraeaeben haben, darunter zwei angeblich sehr wichtige Briese. Von der Gegenseite wird das alles bestritten. Nicht sehr glaubhaft war Uralzews Behauptung, daß er, um Millionenkredite zu erlangen, mehreren Persönlichkeiten mit Geschenken unter die Arme gegriffen habe, und daß man ihn dann habe ins Ausland schicken wollen, um ihn mundtot zu machen. Eine der von Uralzew bezichtigten Persönlich keiten beschwor, daß sie keine nennenswerten Geschenke er halten habe. Vielleicht wird sich das erst in dem bevorstehenden- den Berliner Prozeß aufklären lassen. Wie das alles aber auch enden mag: Uralzew: dessen Ver gangenheit ziemlich dunkel ist, dessen „Gegenwart" aber ins hellste Licht gerückt werden konnte, ist gerichtet, und es ist ihm zum Schluß nichts anderes übrig geblieben, als angesichts der überwältigenden Beweise, die gegen ihn vorlagen, seine vielen Fälschungen und Schwindeleien glatt zuzugeben. Giaatsanwali gegen Siaatsanwali. Ein Zwischenfall im Mordprozeß Jonas. In dem in Güstrow verhandelten Mordprozetz gegen deu angeblichen Erfinder Jonas, der im Mai d. I. in Malchow, wo er in Untersuchungshaft saß, den Justizober wachtmeister Gläsel erschlagen Hal, um mit seinen Helfers helfern auf dem Motorschiff „Bubi" nach Amerika entfliehen zu können, ereignete sich ein sensationeller Zwischenfall. Oberstaatsanwalt Tiemann wandte sich in seinem Plädoyer gegen die in vielen Kreisen vertretene Auf fassung, daß die von Jonas (der sich Graf von Hohenau nannte) ausgeführte Tat einen Mord darstelle. Jonas und seine Hel fer hätten den Gläsel nur für eine gewisse Zeit unschädlich machen wollen. Der Oberstaatsanwalt beantragte daher gegen Jonas wegen Totschlages eine Zuchthaus st rase voo 12 Jahren. Sofort erhob sich der Generalstaatsanwalt Siegfried-Rostock und beantragte Aussetzung der Verhandlung auf zehn Minuten. Dann führte er aus, daß nach seiner Überzeugung die Tat des Jonas mit voller Überlegung ausgesührt worden setz Es handele sich um Mord, und auf Mord stehe die Todes strafe, die er hiermit beantrage Das Urteil im Jonas-Prozeß. Güstrow (Meckl.). Im Mordprozetz gegen den Erfinder hochstapler Friedrich Jonas wurde folgendes Urteil verkündet: Es werden irteilt: Jonas wegen Freiheitsberaubung mit Togeserfolg einer Zuchthausstrafe vonachtJahren und sechs Jahren Ehrverlust, Kaselitz gleichfalls wegen Freiheits beraubung mit Toveserfolg unter Zubilligung mildernder Um stände zu fünf Jahren Ges-üngnis, Juras wegen der selben Verbrechen zu drei Jahren Gefängnis, Frau Jonas we gen Begünstigung nach der Tat zu drei Monaten Gefängnis unter Anrechnung von einem Monat Untersuchungshaft. Sechs Jahre Zuchthaus für das Nachtgespenst. Die Erste Strafkammer beim Landgericht III in Berlin ver urteilte den Buchdrucker Johann Janoschka, der als sogenanntes „Nachtgespenst" eine ganze Anzahl von Einbrüchen in Wilmersdorf und Charlottenburg verübt hatte, wegen fort gesetzten schweren Einbruchsdtebstahls, teilweise in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, wegen unbefugten Waffenbesitzes und wegen versuchter Notzucht in einem Falle zu sechs Jahren Zuchthaus und sechs Jahren Ehrverlust. Das erstinstanzliche Urteil hatte aus drei Jahre sechs Monate Gefängnis gelautet. Neues aus aller weit Mordversuch an einem zwölfjährigen Mädchen. Die zwölfjährige Tochter des Bürgermeisters Lüber aus Rans bach bei Waldshut wurde in der Nähe der elterlichen Woh nung von einem Wanderburschen überfallen und an einem vorspringenden Felsen aufs schwerste verletzt. Es besteht Lebensgefahr. Vom Täter fehlt jede Spur. Familientragödie. Im Hause des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes in Karlsruhe hat der Haus meister Ernst Hinz sich selbst, seine Ehefrau und sein 3 jähriges Söhnchen mit Gas vergiftet. Zwei andere Kinder des Ehepaares Hinz, Knaben im Alter von neun und elf Jahren, fand man in ihrer Schlafkammer bewußt los in ihren Betten. Man hofft, sie am Leben erhalten zu können. An der Außenseite der Korridortür hing ei« Zettel mit der Aufschrift „Vorsicht! Gas!" Die Fami lientragödie soll aus verfehlte Spekulationen des Haus meisters zurückzuführen sein. Ein abgestürztes italienisches Flugzeug aus franzö sischem Gebiet gefunden. Alpentouristen fanden in der Nähe von Chamonix ein italienisches Jagdflugzeug etwa 20 Kilometer von der schweizerischen Grenze entfernt auf ss N ckt mi r lsäivf Roman von kr? . (20. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) VIII. „Ich bin überrascht, Sie zu sehen, Herr von Toop! Ich glaubte Sie auf dem Wege nach Salzburg," sagte Hortense „Nein, Gnädigste, meine Reise hat sich um einige Tage verschoben! Und ich bin froh darüber. So ist mir doch das Glück beschieden, Sie heute abend noch zu begrüßen." Mit einem feurigen Handkuß begleitete der elegante Mann seine letzten Worte, während seine Augen mit einem be redten Blick die ihren suchten. „Wollen Sie auch den „Ro senkavalier" genießen?" „Ja, Herr von Toop, und ich freue mich aus die Vor stellung!" Zu seiner Verwunderung schien ihm die schöne Frau, die ihm sonst so freundlich gelächelt, ein wenig zurück haltend; doch des Rätsels Lösung wurde ihm bald, denn sie trat auf einen großen, schlanken Herrn zu, der sich ge rade von dem Logenschließer einen Theaterzettel geben ließ „Denke, Maurus, dieser Zufall, Herrn von Toop sehe ich soeben. Da können die Herren ihre Bekanntschaft vom Felde erneuern." Maurus von Amthor wandte sich Hortense zu. „Wirk lich nur Zufall?" mußte er denken und schall sich im näch sten Augenblick, daß er ihr nicht mehr so ohne weiteres glauben konnte, und jetzt erst recht nicht, da ihre Augen so blank waren, als Herr von Toop näher trat und, sich verbeugend, seinen Namen nannte. „Wenn Herr Major sich meiner noch erinnern —?" Maurus erinnerte sich sehr gut; Anknüpfungspunkte hatte man sofort, und man plauderte angeregt, bis das Glockenzeichen zum Beginn der Vorstellung ertönte; der Architekt verstand ein Gespräch zu führen. Während der Vorstellung beobachtete Maurus Hortense, und es entging ihm nicht, wie sie im Dunkel des Zu schauerraumes häufig nach Herrn von Toop blickte, der einige Parkettreihen schräg vor ihnen saß und sich mehrere Male umwandte In der Pause traf man sich selbstver ständlich, und Maurus konnte die liebenswürdige, dring liche Bitte des Architekten nicht abschlagen, nach Schluß der Vorstellung noch irgendwo ein Stündchen zusammen zusitzen. Man suchte ein elegantes Weinrestaurant aus Prickelnde Mufikklänge übertönten das Geklapper der Tel ler; lautlos huschten die Kellner hin und her, und ge dämpftes Plaudern und Lachen erfüllte den vornehmen, getäfelten Raum. Hortense zeigte sich von ihrer verführerischsten Seite; sie war sehr gut aufgelegt. Warum aber ihr fortreißendes Temperament heute so gar nicht den Zauber aus Maurus ausübte wie sonst? Kühl und kritisch saß er da, sie beob achtend — wie war sie doch kokett, berechnend in jedem Blick, jedem Wort, jeder Bewegung! Der große, schwarze Tüllhut mit dem beinahe bis auf die Schulter herab hängenden Reiher beschattete ihr Gesicht aus pikante Weise, gab den dunklen Augen erhöhten Glanz, so daß es wohl der leichten Untermalung nicht bedurft hätte. Er sah zum ersten Male ganz deutlich, mit welchem Raffinement ste sich zurechtgemacht hatte, mit einem Raffinement, das gar weit vom Damenhaften entfernt war! So viel Kunst war LR ihr! Aber das alles war doch schon vorher gewesen; weshalb störte es ihn nur heute? Vielleicht, weil sie nach seinem Gefühl in der Unterhaltung um einen Ton zu laut war, der nicht so ganz in dieses normale Lokal paßte; ihr Tisch war mehrere Male der Gegenstand erhöhter Auf merksamkeit der anderen Gäste, was ihn peinlich berührte. Und dann: sie nahm es mit der Wahrheit nicht genau! Das war noch zu gelinde gedacht, von einer anderen würde er glatt gesagt haben: sie lügt! Denn aus ihrem Plaudern hörte er allerlei, was mit dem, das ste ihm vorher erzählt hatte, ganz im Widerspruch stand Und wie ste dem Archi tekten in Wort und Blick entgegenkam, in förmlich heraus fordernder Koketterie! Sie schien großen Eindruck auf ihn gemacht zu haben; seine Huldigungen waren ja entschuld bar, da sie offiziell als Verwandte des Majors galt ade? ste hätt? Rücksicht auf ihn, Maurus, nehmen und gegen andere Herren zurückhaltender sein müssen! Merkwürdig, daß er dennoch keine Eifersucht spürte Nur ein großes Staunen war in ihm. daß eine so heiße Leidenschaft ein so alltägliches Ende nehmen. -- er dem nächst durch einen anderen abFelöst würde! DeutM mit einem leisen Geschmack des Lächerlichen, fühlte er es Hor tense war ihm innerlich längst entglitten, ach. hatte si-- ihm innerlich eigentlich gehört'' Nein, niemals! Gar kein" solchen zarten, höheren Beziehungen hatte es zwischen ihnen gegeben — diese Erkenntnis dämmerte in ihm aus Und nun er ihr langweilig oder alltäglich geworden war. strehte ste von ihm fort, einem andern zu! Bildete er sich das nicht nur ein? Es war doch nichts Greifbares da Warum durfte Hortense denn nicht lachen und scherzen? Ihre fröhliche Unterhalrunasgabs ihr Tem perament hatten ihn doch früher entzückt und mit kort- gerissen, warum wurde er jetzt kleinlich, würde ste gesagt haben, kleinlich und spießig? Vielleicht lag ihm seine Krankheit doch noch etwas in den Gliedern, und er war ein wenig müde und angegriffen! Er mahnte zum Auf bruch, für Hortense zu früh! Sie gab sich kaum Mühe, ihr? Verstimmung darüber zu verbergen. Sonst war es selbstverständlich gewesen, daß ste nach gemeinsamem Theater- und Konzertbesuch ihn begleitet hatte, um in seinem gemütlichen Heim noch den Tee zu trinken oder eine Kleinigkeit zu essen! Und die Fahrt im Auto war immer fast das hübscheste gewesen, er hatte sie fest im Arm gehalten, und unter Küssen und Kosen hatten sie ihr Ziel erreicht. Heute lehnte sie verdrossen in einer Ecke des Wagens, in ihren Pelz gehüllt, ohne einen Versuch der Annäherung. Und er gewann es nicht über sich, auch nur nach ihrer Hand zu greifen Merkwürdig, wie kühl ihn heute die Nähe der schönen Frau ließ, die ihm doch sonst das Blut unruhig machen konnte, obwohl er sie solange nicht im Arm gehalten! (Fortsetzung folgt.)
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