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Noch stehen wir mitten im reißenden Strom der Dinge Noch ahnen oder fühlen wir erst, wissen nur weniges darüber, daß Deutschland zu Beginn der zweiten Juliwoche wieder am Rande des uns nur allzu gut bekannten A b - grundes stand. Für den Sonntagabend war eine Sitzung des Generalrais der Neichsbank, also ihrer höchsten, entscheidenden Instanz anberaumt, — schon diese außergewöhnliche Lagungszeit ließ daraus schließen, wie ernst, wie überaus kritisch die Situation war. Vielleicht — später werden wir wohl auch hierüber genaueres er- fahrsn — ist auch diese zweite Krise entscheidend dafür ge wesen, daß der Hoover-Plan nun endlich zur Wirklichkeit wurde, ebenso wie die erste Krise den unmittelbaren Anstoß dazu gegeben hat, daß Hoover seine Botschaft in die Welt hinaussandte. Damals wie jetzt wieder, wußte man in Deutschland einfach nicht mehr, wie man weiterkommen sollte. Der Kredit, den nach der Überwindung der ersten Krise die Reichsbank im Auslande erhalten hatte, war bis auf den letzten Tropfen ausgeschöpft. Es ist an- zunehmen, daß man in Washington — leider auch in Parts — hierüber sehr genau unterrichtet war. so daß sich Hoover genötigt sah, die Schönheitsfehler zu akzeptieren, » franröstiche Regierung in seinen Plan hineingeklext Eg nicht länger möglich, sich über die Art ?",Uinzusttxtten wie dem Patienten geholfen werden sollte, Werl . todkranke inzwischen verstorben wäre, die Kur Ujg . Aber weil bei dem Patienten die Fieberkurve r» hoch gestiegen war, kann er selbst und können seine Nrrte nun auch nicht damit rechnen, daß diese Kurve nun sofort auf den normalen Stand hinunterstnki und der Kranke geheilt und gesund aus dem Bette springt Vielmehr müssen die Ärzte dafür sorgen, daß er erst wieder Zu Kräften kommt. Noch immer leidet er an schwerer Kapital-- und Kreditanämie, an Blutarmut, da man ihm in den vergangenen zehn Monaten so nach und nach, in der ievicn Zeit ober überschnell etwa vier Mlllardev Kredite, Gold und Devisen abgczapft hat. Dafür strotzen die anderen von Kapital,nassen und eine Bluttransfusion in den ausgesogenen Körper der deutschen Wirtschaft hin. ein würde ihnen durchaus nichts schaden, sie vielmehr vor einem Schlaganfall bewahren. Die Furcht hiervor war schließlich auch der Hauptgrund für Hoovers Eingreifen. Kluge Ärzte wissen, daß bei einem Kranken auch die besten Heilmittel versagen können, wenn man ihn nicht vor Aufregungen, vor Gemütserregungen bewahrt. Das Heilmittel des „Schuldenfeierjahres" ist zweifellos sehr gut und dem Kranken zuträglich, wenn es außerdem seine Ergänzung in ausgiebiger Kapitalstransfusion findet, dann könnte des Patienten Fieberkurve auch wirklich zurückgehen. Aber statt dessen attackiert man ihn durch Aufreizung seines Ehrgefühls, verlangt von ihm „Erklärungen" und Zusicherungen solcher Art, daß sich in ihm der durchaus berechtigte Stolz emporbäumen muß Außerdem ist dieses Verlangen selbst ganz über flüssig, ist nur ehrkränkend durch seine Wiederholung. Daß Deutschland die Ersparnisse des „Hoover-Jahres" zu allem andern als zu einer Steigerung seiner Ausgaben für Reichswehr oder die Marine verwenden wird, ist so selbstverständlich, daß ein Argwohn des Auslandes nach dieser Nrchlung hin jedenfalls in Deutschland geradezu erscheint. Eine ausdrückliche Zusicherung hat Präsidenten lick' ^^"iI^ukreich sich die Berechtigung zu- sprechen lteß em solches Verlangen an Deutschland noch !übi verleb', eine Schikane, die unser Ehrgefühl verletzt. Und man ist sich in allen politischen Parteien Deutschlands darüber einig daß eine solche Ver- letzung ""^«pj^'kanr, beabsichtigt war. Das schnellen Entschluß verhindert, dem franz» fischen Ministerpräsidenten einfach sozusagen eme Abschrift lener Zusicherung an Coover und des Satzes aus dem letzten Regieru m^ reichen, in dem auch die Verwendu^ ^„ sparnisse" allein für wirtschaftlich-finanzielle Zwecke rugc- sag, wird. Dieser Schritt Dr. Brünings nahm dem L zösischen Vorhaben die „Pmme" fort. Aber jetzt werden auch in England maßgebliche Stimmen laut — Baris schreit schon seit den Verhandlungen mii den Amerikanern danach —, die an die Kapitaltransfusion für das kranke Deutschland ähnliche „politische" Bedingungen knüpfen wollen? Wir sollen d i e P l ä n e e i n e r Z Union mit Österreich " u s g e b e n Das würde bedeuten eine wirtschaftliche heilsame Medizin dem Kranken wea- nehmen, der doch am besten wissen muß, was ihm wirklich hilft. Aber diese Forderung entspringt ja nur poli- tischen Gründen; England will den Franzosen für ihre — lang verzögerte und vieles verzögernde — Zustim mung zum Hoover-Plan ein Geschenk machen, das Deutschland zu bezahlen hätte. Ferner soll Deutschland den Weiterbau des Panzer- kreuzers k einstellen. Für diesen sind im Reichshaus hali etwa zehn Millionen eingesetzt. Auch das ist nur eme politische Schikane, denn die Engländer selbst haben m Kiel bei ihrem Besuch seststellen können, wie es mit der Welt„bcdrohung" durch die deutsche Flotte aussteht. Weil wir uns an die Bestimmungen, des Versailler Dik» Mittigkeiten beim HWer-Kn Schwere Kreditwerbung. Politische Störungsversuche. Als Vorbereitung auf die entscheidenden Verhandlun gen über einen großen internationalen Kredit an Deutsch land, die in Basel bei der Bank für die internationalen Zahlungen stattfinden werden, hat Dr. Luther eingehende Besprechungen erst in London mit dem Gouverneur der Bank von England, Sir Montague Norman, gehabt und dann in Paris mit dem Leiter der Bank von Frankreich, Herrn Moret. So glatt, wie man noch vor einigen Tagen annahm, scheint es zur Einigung über eine große Kredit gewährung an die Reichsbank doch nicht zu kommen, ob wohl man heute wohl wenigstens damit rechnen kann, daß der bisherige 100-Millionen-Dollar-Kredit über den 16. Juli — dem Termin seiner Fälligkeit — hinaus ver längert werden wird. Dr. Luther hat die Reise nach Paris nicht zusammen mit Sir Montague Norman unternommen, sondern dieser ist direkt nach Basel ge fahren; offenbar liegt der Schwerpunkt der Verhandlungen jetzt wohl im französischen Außen- bzw. Finanz ministerium. Über den Empfang, den dort der deutsche Neichsbank Präsident gefunden hat, wird nichts mitgcteilt, doch ist es kein Geheimnis, daß er hier auf Schwierigkeiten „poli- tischer" Art gestoßen ist. Nach wie vor werden von der französischen Presse die beiden Bedingungen offen bezeichnet, die an die Kredit- Hergabe für die deutsche Reichsbank geknüpft werden sollen: Gänzliche Aufgabe der Zollunionspläne mit Österreich und Einstellung des Weiterbaues am Pan- zerschiff L, zu dem die erste Baurate vom Reichstag bewilligt worden ist. Teilweise geht man in der fran zösischen Presse noch weiter und verlangt eine „Änderung der innenpolitischen Haltung der Reichsregierung", oder, deutlicher gesagt, einen scharfen Regterungskurs gegen den „Nationalismus". Selbstverständlich dürfte Dr. Luther es abgelehnt haben, seine rein kreditpolitisch- finanziell-wirtschaftlichen Absichten mit solchen politischen Forderungen verbinden zu lassen, für deren Behandlung er sich zudem gar nicht zuständig erklären mutz. Dem gemäß hat er einem französischen Finanzblatt folgende Erklärung abgegeben: „Ich komme nach Parts nur als Reichsbankpräsident. Ich habe eine langfristige Kreditoperation im Auge, deren Umfang ausreichend sein würde, um Deutschland zu gestatten, sein normales finan zielles Gleichgewicht wiederzufinden. Vor langen Monaten habe ich bereits der Bank für Internationale Zahlungen die Notwendigkeit entwickelt, auf die Politik der lang fristigen Kredite zurückzukommen. Diese Politik ist heute wichtiger denn je." In England und in Amerika kennt man diesc den Absichten Dr. Luthers entgegenwirkenden französischen Schwierigkeiten, ist trotzdem wenigstens grundsätzlich zu einer Kredithergabe an die Neichsbank in Höhe von ein bis zwei Milliarden Mark bereit. Hemmend wirkt aller dings noch die Unsicherheit über den Verlaus und die Er gebnisse der bald beginnenden Sachverständigen- konferenz, aus der die technischen Nestfragen des Hoover-Plan behandelt werden sollen. Außerdem ver langt man in London ebenso wie in Newyork eine Ver stärkung der Krediteinschränkungs-Matznah men der Reichsbank, weil man der — übrigens falschen Ansicht ist, die Kredit- und Devisenabzüge stammten vor allem aus deutschen Kreisen selbst, nicht so sehr aus dem Ausland. Dem widerspricht die Reichsbank ebenso ener gisch wie der ausländischen Befürchtung, durch einen so großen Kredit an Deutschland die eigene Geldflüssigkeit zu gefährden; vielmehr wisse man an den ausländischen Geldplätzen gar nicht, wie und wo man die kurzfristigen Geldmassen unterbrinaen soll. lats halten, dann heißt es, selbst diesem „Frieden" nichi dienen, wenn man uns zu einem Verzicht aus die wenigen Rechte zwingt, die uns dieser Vertrag ge währt. Man schauspielert denn doch allzu schlecht. Das Pan zerschifs als das „Gespensterschisf" hinzustellen, durch da- die See-Abrüstung verhindert, Frankreich und England zur See-Ausrüstung „gezwungen" werden, ist mehr als naiv und heißt an die Leichtgläubigkeit der Amerikaner allzu große Anforderung stellen. Und von dort her rücki die Forderung einer allgemeinen Abrüstung mit jedem Lag näher heran, der uns noch von der großen Abrüstungskonferenz trennt. Amerika nimmt gar keine Rücksicht aus das europäische Rüstungsfieber, das ein biß- chen allzusehr nach Simulantentum aussieyt. Hoover Plant hiergegen eine „Roßkur". Er erklärt einfach: »Wenn Europa nicht ab rüstet, dann denk» Amerika nicht daran, auch nur einen Ceni "n den interalliierten Schulden zu strei ch e n." Dann mag Europa bluten. Aber leider — bluten wir Deutsche dann am meisten. Dr. Pr. Luther verhandelt mit Flandm. Rückkehr nach Berlin am Sonnabend nachmittag. Reichsbankpräsidem Luther, der in Paris den ganzen Vor mittag mit einer Unterredung mit dem Gouverneur der Bank von Frankreich ausgesülli halte, begab sich in den Nachmittags stunden in Begleitung des Gouverneurs der Bank von Frank reich in das Finanzministerium, wo er Besprechungen mit dem französischen Finanzminister Flandin hatte, die zwei Stunden dauerte. Dr. Luther begab sich daraus zur deutschen Botschaft und erklärte lediglich, daß er am Sonnabend nachmittag in Berlin eintressen werde. Am Abend hatte der Reichsbank präsident eine Unterredung mit dem deutschen Botschafter von Hösch. * Die Pariser Presse zu Luthers Besuch. Paris, 10. Juli. Die Pariser Presse widmet den Bespre chungen Dr. Luthers eine Aufmerksamkeit, wie nur Kei ganz gro ßen Ereignissen. Unter Ueberschristen wie „Deutschland fordert 25 bis 30 Milliarden" oder „Dr. Luther sucht fieberhaft nach Kre diten" weisen die Blätter darauf hin, daß der Augenblick für Frankreich gekommen sei, positive Garantien von Deutschland zu Verlangen. Diese Garantien, die sich im wesentlichen auf die Ein stellung des Panzerkreuzerbaues und den Verzicht auf das Zoll abkommen beziehen sollen, werden vom Paris Soir noch dahin erweitert, daß man von Deutschland auch den Abschluß eines Ost locarnos verlangen müsse. — Der Temps widmet der Bespre chung der deutschen Finanzlage einen längeren Artikel. Er schreibt u. a.: Deutschland sei allein für seine schlechte Finanzlage verant wortlich. Es habe von jeher über seine Mittel gelebt und befinde sich nun vor dem Bankrott. Ein großer Teil von Verantwortung falle aher auch den Rechtskreisen in Deutschland zu, die durch ihre Propaganda jedes Verstauen untergraben hätten. Wenn man deutscherseits betone, daß das deutsche Volk niemals Zuge ständnisse wie die Ausgabe des Panzerkreuzerbmies und den Ver zicht auf den Anschluß annehinen werde, so könne man dem nur gegenüberh alten, daß Brüning absolut Herr der Lage sei und bei seinen Entschlüssen sicherlich von allen gesunden Elementen unter stützt werde. * Französische Börseumanöver. An der Berliner Börse hielten die Devisenanfordc- rungen unvermindert an. Man schätzt sic insgesamt aus etwa 50 Millionen Marl. Es herrscht setzt in deutschen Bank kreisen nur noch eine Meinung darüber, daß die weiteren Ab ziehungen aus französische Maßnahmen zurückzu führen sind. Es ist bekannt und die internationale Festigkeit des französischen Frank bringt den Beweis dafür, daß Frank reich ganz allgemein und insbesondere in London Kredit kündigungen vorgenommen Hai und vorntmmt Die Haltung der Pariser Presse, die die Forderung aufstellt, daß eine fran zösische Finanzhilfe von der Erfüllung politischer Forde rungen abhängig zu machen sei, läßt deutlich die inneren Zu sammenhänge erkennen. * Frankreichs Druck auf die Londoner Börse. In der zunächst zuversichtlichen Stimmung an der Börse hinsichtlich der Lage in Deutschland trat ein Um schlag an der Börse ein, als Verkaufsauslräge aus Brüssel Vorlagen und der französischeFranken von 124,lO aus 123,07 für ein englisches Pfund stieg. ES wurden sofort Befürchtungen laut, daß bei Fort setzung dieser Franlenbewcgungen das alte Spiet von Goldankäufen der Bank von Frankreich auf dein Londoner Markte wieder beginnen werde. An der Börse wurden auch viel die politischen For derungen Frankreichs besprochen, jedoch wurde immer wie der beiont, daß die Bank von England grundsätzlich die Verquickung von finanziellen mii polilischen Fragen ab lehne, wie es schon im Falle Österreichs geschehen war. * Manchester Guardian lvarvlSentschland vor Mischen Zusagen. London, 10. Juli. Nachdem der Manchester Guardian anfänglich die Wünsche der englischen Diplomatie unterstützt und zusammen mit der Tims und dem Daily Herald Deutschland die Einstellung seiner Kriegsschisfbmtten und die Verschiebung der österreichisch-deutschen Zollabkommen auf unbestimmte Zeit nahe gelegt hatte, scheint er sich jetzt doch anders besonnen zu haben und weist aus die Gefahren hin, die der deutschen Negierung ent stehen würden, wenn sie diese Vorschläge annimmt und damit ihre Politik vollständig der französischen Hegemonie unterordnet. Dies würde eine neue Krise in Europa mit sich bringen. Deutsch land habe eigentlich nur Amerika zu danken, und das Schulden- Moratorium sei nicht etwa aus reiner Großherzigkeit erfolgt. England täte bester daran, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Deutschlands Beitrag zur Abrüstungskonferenz könn te nur gering im Vergleich zu dem fein, was England tun könnte