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Wilsdruffer Tageblatt 2 Blatt. Nr. 161 — Dienstag, den 14,Juli 1981 Tagesspruch. Von kleinen Dingen nur den Kopf Von groncn sich das Herz erfüllen lasten! Das Glück mit keckem Griff beim Schopf, Das Unglück an der Gurgel fasten! * Wer keinen Willen hat, ist immer ratlos, Und wer kein Ziel noch hat. ist immer pfadlos, Und wer nicht Früchte hat, ist immer saatlos, Und wer kein Streben Hot, ist immer tatlvs. Agrarwünsche zum neuen Wirtschaftsjahr Der Reichslandbund an den Reichsernährungsminister. Der Retchslandbund Hai an den Reichsminister für Ernährung und Landwirrschasl ein Schreiben ge richlel, in dem u a daraus hingewiesen wird, daß trotz der Erklärungen des Ministers über die in Aussicht genommenen Regterungsmaßnahmen aus dem Getreidegebiet die Preis entwicklung nach wie vor weichende Tendenz zeige. Die Terminnotierungen für neue Ernte zeigten ebenfalls sinkende Tendenz, so daß die größten Befürchtungen für die Verwertung der kommenden Ernte gerechtfertigt seien. Der 97prozentige Weizenvermah lungszwang solle nach neuerlichen Pressemitteilungen erst am 15. August in Kraft treten. Dieser Termin sei reichlich spät, so daß der Reichslandbund eine Erhöhung der Vermahlungs quote für den 1. August beantrage. In dem Schreiben wird ferner die Forderung auf sofortige Wiederinkraftsetzung der Einfuhrscheine, auch stir Roggen zur Vermeidung des zweifellos bevorstehenden Saisondrucks gefordert. Das gleiche gelte für Hafer und Hafererze u'g nisse. Auch für den völlig ungenügenden Gerstenpreis seien Siche rungsmaßnahmen zu ergreifen. Hinsichtlich der Bevorschussung und Lombardierung dürfe nicht auf den Abschluß irgendwelcher Kreditverhand lungen im Auslande gewartet iverden. Um die Bevorschussung einzuleiten, sollten daher ungesäumt Summen aus den Mitteln eingesetzt werden, die bereits jetzt schon im Haushalt zur Ver fügung ständen. Die angedeuteie Magazinterungspolitik dürfe nicht wiederum seitens der öffentlichen Hand in sichtbarer Form erfolgen, da erfahrungsgemäß hierdurch eine Lähmung der Handelsinitiative und ein Preisdruck eintrete. Weiter wird in dem Schreiben sofortige Klarstellung der Absichten der Reichsregierung hinsichtlich der Handelsverträge mit Rumänien und Ungarn gefordert, desgleichen die Dortige Bekanntgabe der Absichten der Reichsregierung in der Kagc der K a r t o s s e l p r e i s e. Unverständlich sei, daß die meichsregieruna noch immer nicht zu der erforderlichen starken Ahöhunn vcr Beimischung von Spiritus zu Treibstoffen ge- schritten set Breche der Roggen- und Kartofselpreis in diesem Jahre wiederum zusammen, so schwinde jede Hoffnung aus Wiederherstellung der Rentabilität der bäuerlichen Schweinehaltung. Rindviehpretse und Preise für Molkereierzeug. Nisse seien katastrophal gesunken. Die Reichsregierung tue auch nichts zur Behebung dieses Notstandes. Wo bleibe z. B die in Aussicht gestellte Erhöhung des Butterzolles und die ergänzenden Maßnahmen der starken Ersassung auslän discher tierischer und pflanzlicher Fette und Ole. Die Landwirtschaft sehe der Entwicklung des neuen Wirt- schaftsjahres mit allergrößter Sorge entgegen. Die letzten Erklärungen des Reichsernährungsministers könnten die Erregung und das allgemeine Mißtrauen der Landwirtschaft zur Reichsreyterung. die nicht einmal den ersten Teil des ihr Lurch die Hindenburg-Botschaft vom 18 März 1930 erteilten Auftrages erfüllt habe, nichi beschwichtigen. Die letzten Äuße- rungen des Retchsarbeitsministers hätten im Gegenteil den Eindruck hervorgerusen, daß in diesem Wirtschaftsjahr für die Landwirtschaft wiederum nichts Durchgreifendes geschehen solle. Der Reichsernabrungsminister müsse dafür Sorge tragen, daß die Reichsreglerung von den Äußerungen des Reichs, arbeitsministers öffentlich abrücke und ungesäumt Maß nahmen zum Schutze der Landwirtschaft in klarer Form be- kanntaebe. Der Waffentaq der deutschen Kavallerie in Dresden. Die große Parade, die Generalfeldmarschall von Mackensen ab naluu. politische kunalcbsu Deutsches Reich Rückkehr Hindenburgs Ende der Woche. Wie von zuständiger Stelle erklärt wird, sind die bis herigen Dispositionen, die die Rückkehr des Reichspräsi denten nach Berlin fürEndederWoche vorsahen, bis her nicht geändert worden. Kommunisten fordern Einberufung des Reichstages. Mit Rücksicht auf die katastrophale Zuspitzung der wirtschaftlichen Lage hat die kommunistische Fraktion die Einberufung des Reichstages für den 16. Juli gefordert. Sandesabstimmungsleitcr für den Stahlhclmvolksentfchcid. Rach einer Bekanntmachung des preußischen Innen ministers wurde der Präsident des Preußischen Statisti schen Landesamtes, Geheimer Oberregierungsrat Dr. Sänger, zum Landesabstimmungsleiter und das Mitglied des Statistischen Landesamtes, Vizepräsident Dr. Höpker, zum Stellvertreter des Landesabstimmungsleiters ernannt. Die Bäckergesellen protestieren. Der Bund der Bäckergesellen Deutschlands protestiert in einer scharfen Entschließung gegen die Bestimmungen der letzten Notverordnung, durch die das Nacht backverbot in den Großstädten gelockert werden soll. Disziplinarverfahren gegen den Staatssekretär Hagedorn gefordert. Von deutschnationaler Seite ist die Einleitung eines - Disziplinarverfahrens gegen den Staatssekretär Hage- l dorn wegen seiner Rolle bei der Roggenstützungsaktion beantragt worden. Jugoslawien. Südslawien außerhalb des Hoover-Planes. Nachdem bereits von halbamtlicher Seite der Hoover- Plan für Südslawien abgelehnt worden war, erklärte die offizielle „Breme", daß auch die Beratungen der am 17. Juli in London beginnenden Konferenz der Sachver ständigen für die südslawische Negierung unverbindlich seien. Aus In- und Ausland Köln. Auf Grund des Artikels 123 Absatz 2 der Reichs- Verfassung hat der Regierungspräsident ab sofort alle Maß nahmen unter freiem Himmel einschließlich aller Umzüge für das Gebiet des Regierungsbezirks Köln bis aus weiteres ver boten. Mährisch-Ostrau. Die Direktion der Witkowitzer Eisen werke unterschrieb die Kündigung von 2000 Arbeitern und 100 Beamten. Die Kündigung ersaßt alle Abteilungen. Warschau. Nach einer amtlichen Zusammenstellung haben die ersten drei Monate des lausenden Rechnungsjahres im polnischen Haushalt mit einem Fehlbetrag von 76,8 Millionen Zloty abgeschlossen. Das Handwerk unter dem Sruä der Notverordnung. Die Unmöglichkeit der Uvung-Zahlungen. Der Deutsche Mechanikertag in Stettin hatte zu einer großen öffentlichen Kundgebung eingeladen. Die Ver sammlung nahm eine Entschließung an, in der es u. a. heißt: „Durch die Notverordnung vom 5. Juni 1931 sind Hand werk und Handel mit neuen untragbaren Steuern belastet worden, die anstatt zur Belebung, zu einer katastrophalen Ver schlechterung der Wirtschaft führen müssen. Mit Erstaunen mutz festgestelll werden, datz die Regierung auf der einen Seite vom Handwerker einen Abbau der Preise verlangt, aber andererseits durch die Einführung der Krifensteuer, durch Er höhung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge dem Handwerk weiteres Kapital entzogen wird. Die Einstellung der Zahlungen nach vem Voung-Plan ergibt sich aus der Unmöglichkeit, sic zu leisten. Wir haben genug geblutet und können nicht mehr zahlen." Nach dieser Entschließung sandte der Mechanltertäg noch ein Telegramm an den Reichspräsidenten. Geheimnisvoller Tod eines südslawischen Generalkonsuls. Mord oder Selbstmord? Der frühere südslawische Generalkonsul Dr. Barck- hauseninBerlin wurde in seiner Wohnung tot auf gefunden. In der Nähe der Leiche lag ein Revolver. Ob es sich um einen Mord handelt oder ob der Generalkonsul selbst seinem Leben ein Ende.gemacht hat, konnte noch nicht einwandfrei ermittelt werden. Es spricht aber mancherlei dafür, daß Dr. Barckhausen Selbstmord be gangen hat. Heues aus aller wett — - Dammbruch an einem Jsarkraftwerk. Am Haupt kanal des Jfarkraftwerkes Pfrombach ereignete sich ein Dammbruch. Die Wassermassen, die aus der 60 Meter breiten Lücke herausschossen, unterspülten die Straßen und setzten die umliegenden Bauernhöfe unter Wasser. Die Felder wurden verschlammt. Die Getreide- und die Kar toffelernte ist völlig vernichtet. Die überraschten Bewohner der Bauernhöfe konnten nur mit Mühe ihr Leben retten. Eine Jacht mit vier deutschen Seglern untcrgegangen. An der südschwedischen Küste wurde das Wrack der deut schen Segeljacht „Windspiel" geborgen. Mil dieser Jacht hatten am 4. Juli vier Altonaer Segler eine Segelfahrt in die Ostsee angetreten. Es mutz damit gerechnet werden, daß die vier Segler, sämtlich Mitglieder des Segelvereins Altona-Oevelgönne, den Tod gesunden haben. Neue Sowjetmarken für den Polarflug des Zeppelin. Im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Fluge des „Graf Zeppelin" nach dem Nordpol hat das sowjetrussische Postkommissariat beschlossen, besondere Briefmarken mit den Bildern des Grafen Zeppelin und Dr. Eckeners her auszugeben. Die Briefmarken sollen nach dem Auslande gebracht nnd dort verkauft werden. Mazedonisches Dors durch eine Brandlalastrophe ver nichtet. Das mazedonische Dors Artschuri wurde von einer Brandkatastrophe betroffen, bei der 24 Häuser in Flammen ausgingen. Das Feuer brach auf den Dresch plätzen aus, die sich am Rande des Dorfes befinden. Auf diesen Plätzen war die gesamte Getreideernte der Um gebung zusammengebracht worden. Der Brand breitete sich rasch auf das Dorf aus, daß es nur mit Mühe gelang, die Kinder und die Greise, die in den Häusern zurück geblieben waren, zu retten. Das Vieh ist zum großen Teil verbrannt. Ein amerikanisches Klcinluftschiff explodiert. Das amerikanische Kleinluftschiff „Maiflower" ist bei Kansas City durch eine Explosion vollkommen zerstört worden. Der Führer erlitt schwere Brandwunden, ein Passagier wurde ziemlich schwer verletzt. DresSe/k, öcheMs/k'sFe S/ -o—zo S>oAe/r/ S/MkiMkM Iosen- st Mül, miptNlsick Roman VON kl- I »nrrs, ErLt7^ (Nachdruck verbot^ Hortense zückte Architekt schnell. Achseln. Z einem vielsagenden Lächeln die jeden^FallVNÜ vielleicht - vielleicht auch nicht! Aus hm in einem mein Geschmack! Hab' es r^ en w°lft?Ä Moment, als sch ihm einen Korb Weihnachten^ S" verstehen gegeben! Es war vor das Starre, Strenge, das Militä rische nicht! Freie, frohe Künstlernaturen liegen mir mehr!" Schelmisch lächelnd sah sie ihn dabei an Er ickob seinen Arm unter den ihren und drückte ibn kV/ud keinen Anlaß an ihren Worten zu zweifeln ünd tt dÄ auch gar Nicht weiter daran, sie auf ihre Sie zeigte sich von ihrer unwiderstehlichsten Seite, um den Mann ganz zu betören, im Versagen und Gewähren' Spät am Abend besuchten sie eine Var Schmachtende, aufreizende Weisen klangen gedampft durch den vom Stim mengewirr einer fröhlichen, lachenden Menge erfüllten Naum. Sie suchten und fanden den Blatz in der Nähe der kleinen Musikkapelle an einem runden Tischchen. Der Kell ner stand, des Auftrages harrend um dann geschäftig da vonzueilen und das Bestellte zu bringen Bald schäumte der Sekt in den Gläsern. Von einem mageren abgezehrten Blumenmädchen erstand Ewald ein paar glutrote, schwül duftende Nelken. „Wie deine Lippen, mein Schatz, so süß und rot, jagte er zärtlich und verliebt, während er ihr die Blumen über reichte. Sie trank ihm zu mit einem Lächeln, das ihm das Blut beiß machte. Er drückte seine Lippen aus ihre weiße, bril lantenüberladene Hand. „Hortense!" flüsterte er, seinen Blick ties in den ihren senkend, und lächelnd nickte sie, und sie dachte: es ist immer dasselbe! Mit wie vielen schon hatte sie Sekt getrunken, wie viele hatten sie umworben; es langweilte sie allmählich, immer dasselbe Spiel zu spie len, und doch war es ihr unentbehrlich. Der Architekt von Toop gefiel Hortense von Schöning ausnehmend, seine Verhältnisse waren sehr gut, und sicher würde er ein bequemerer Ehemann als der Major sein, der so langweilig und korrekt war. Sie wollte von dem Architekten geheiratet werden, da sie jetzt des ungemütlich werdenden Lebens in den Pensionen überdrüssig wurde Und wenn man den Vierzigern näher war als den Dreißi gern, wurde es Zeit, in einem sicheren Hafen zu landen Trotz aller Sinnlichkeit war sie eine sehr kühle, berechnende Natur, die sich stets in der Gewalt hatte. Zu dem Sekt knabberte sie Schokoladenwasseln, die Ewald für sie gekauft. Allerlei nichtiges, törichtes Zeug plauderte sie, dazwischen die Melodien mitsummend, die die Kapelle spielte. Ihre Augen schweiften umher; sie fühlte sich beobachtet, bewundert. Ihrer Eitelkeit schmei chelte dieses Angestarrtwerden, das sie als Tribut ihrer Schönheit forderte und auch gewohnt war. „Die Leute spielen ganz gut," meinte Ewald. „Sehr gut," nickte sie. „Ich liebe diese Musik, man kann so schön dabei träumen!" Sie sang leise mit der Musik: „Hab' ich nur deine Liebe, die Treue brauch' ich nicht," dabei den Kopf nach dem kleinen Podium wendend, auf dem die Musiker saßen. Da war ihr, als grisfe eine eiskalte Hand in ihren Nacken, der Herzschlag setzte ihr aus — wie gebannt saß sie, und ihre Augen hafteten in denen eines der Musiker, der sie in grenzenloser Ueberrafchung anstarrte. Sie sah das Erbleichen oes Mannes, dem die Hände so zitterten, daß er kaum die Violine zu halten vermochte. Dann hatte es den Anschein, als ob er aufspringen wollte. Da kam Leben in ihre reglose Gestalt. Durch ihren Körper lief ein Beben, und ihr Gesicht verfärbte sich so, daß es Ewald trotz der Puderschicht, die ihre Wangen deckte, auffiel. Eine unheimliche Trockenheit fühlte sie im Munde, daß sie hastig ein ganzes Elas Sekt leerte. So heftig setzte sie es aus die Marmorplatte des Tisches zurück, daß es zerbrach und die Scherben ihr die Hand leicht ritzten, daß sie blutete. In einer plötzlichen Schwäche lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück. Besorgt nahm Ewald ihre Hand und betupfte die kleine Schnittwunde mit seinem Taschen tuch. „Ist dir nicht gut, Liebste?" fragte er besorgt. „In der Tat, es ist so heiß hier, die Luft so schleckst und verbraucht. Ein momentaner Schwindel faßte mich Ich glaube, es ist besser, wir gehen. Draußen wird es mir wohler " Ewald von Toop winkte dem Kellner, um zu zahlen Wie aus Kohlen saß sie; sie fühlte die unheimlichen, großen, glühenden Augen jenes Mannes förmlich auf ihrem Nacken brennen, als ob ein Tiger hinter ihr lauere, sprungbereit, sich aus sie zu stürzen. Wären sie nur erst fort, ehe das Musikstück zu Ende gespielt war. Sie fürchtete irgend etwas Unbestimmtes, Drohendes, Gewalttätiges Um sich abzu- lenken, zu betäuben, brannte sie sich eine ihrer starken, parfümierten Zigaretten an; doch nach den ersten Zügen schon verspürte sie eine Uebelkeit, daß sie die Zigarette in die Aschenschale zurücklegte. Hatte Ewald noch nicht mit dem Kellner fertig abgerechnet? Mein Gott, wie lange das doch dauerte. Wie durch einen Schleier sah sie all die Vorgänge um sich, mechanisch erhob sie sich, ließ sich von Ewald in den Mantel Helsen — da verstummte auf einmal die Musik. Man ging. Unbehelligt, unangesprochen von irgend je mand durchschritt sie den Raum der Gaststätte. Ihre Angst vor etwas Schrecklichem schien unbegründet. Doch zwischen Windfangtür und der Tür, die ins Freie führte, stand die hagere, übergroße Gestalt des Geigenspielers. Mit einem Schrei fuhr sie zusammen. Ganz ruhig sagte dc Künstler: „Guten Abend, Fanny!" (Fortsetzung folg:.)