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Stein. 1. Kor. 16, 13: Wachet, steh: tm Glauben, seid männlich und seid stark! Jetzt feiern wir den Tag, an dem vor hundert Jahren einer der größten und besten Deutschen gestorben ist, der Freiherr vom Stein. Nur ein Jahr etwa Hal er als wirk licher Leiter den Staar gelenkt, aber in dieser kurzen Spanne hat sich die Wiedergeburt Preußens durchgesetzt. Nicht von seinen äußeren Werken soll hier die Rede sein Uns kommt es hier vielmehr auf die Grundkräfte an, aus denen heraus er sein Werk ge schaffen Hai. Und das sind religiöse und sittliche Kräfte. Ihm ging's ja nicht bloß um politische Erfolge. Dar über war er sich ganz klar, der so lief in den Kern der Dinge eingedrungen war, daß hohe sittliche Ziele das Eigentliche sein müssen, um das es sich zu kämpfen aber dann auch zu leiden und zu opfern lohnt. Es ist wunderbar, wie er und die Großen mit ihm, Fichte, Schleiermacher, Scharnhorst, alle Menschen voll tiefer Gläubigkeit und reinster Sittlichkeit, gewesen sind. Darum allein konnten sie das so tief gedemütigte, verarmte und auch innerlich zerrüttete Polk so rasch wieder emporführen, weil sie, selbst demütig vor Gott und tapfer und rein vor den Menschen, das eine festhielten: erst die sittliche Freiheit und Gesundung, dann die äußere Freiheit und Gesundung. Mahnend steht dieser herrliche Mensch gerade jetzt vor uns, in unserer Zeit, ihm nachzueifern, um mitzuhelsen an der Wiedergeburt auch unseres Geschlechts. Gewiß: wir können nicht in gleichem Maßstab wirken wie er. Wohl aber sollten wir und könnten wir mit gleicher Treue in unserem kleineren Kreis das Unsere tun; wachsam tm Glauben, mannhaft und stark im Leben des Berufs und des Hauses unser Bestes hineingeben in die Gegenwart, um so die Grundlage zu schaffen, auf der das kommende Geschlecht wieder froh und frei voll neuen Geistes der Frömmigkeit und reiner Sittlichkeit schaffen kann. Nur durch bessere Menschen wird eine bessere Welt geschaffen. Das war Steins Losung — das soll unsere Losung sein, und feder soll, wie Stein, das Schwerste und das Beste von sich selbst verlangen. Freiherr vom Stein, -er Reformator Preußens. Zur 1W Wiederkehr letnes Todestages <29. Juni). In Preußens höchster Nor, nach den schweren Ntederlagen bei Jeno und Auerstedt und nach dem Frieden von Tilsit, den der Geltende Minister des Landes, Hardenberg, mit seinem Amte haue bezahlen müssen, erstand dem zu Boden gestreckten Siaate Friedrichs des Großen em Retter in der Person des Freiherrn oom und zum Stein, erstand ihm m der Person dieses Reichssretherrn der Staatsmann, der das große Wert oer Betretung anbahnie, nicht durch militärische Taten, ivnoern durch gründliche Reformen im Innern, durch Re- ,armen, die den Neubau des Preußischen Staates zum Ziele hatten. Ironie des Schicksals möchte man es nennen, ^daß ketn anderer als der Eroberer Napoleon den Freiherrn vom Siem als einen „geistreichen Mann" zum Nachsolger Harden- vergs empsohlen haue Napoleon sprach damit denselben Namen aus, der auch ln Preußen aus aller Lippen schwebte, aus den alle Patrioten ihre Hoffnung setzten. König Friedrich Wilhelm Kl freilich mußte vieles vergessen, ehe er den Mann an die Spitze der Geschäfte stellte, den er wenige Monate zu vor ungnädig enilasjen hatte, weil Stein, der schon fett längerer Zeit m preußischen Diensten stand, „sich erkühnt halte", die Entlassung der dem Staate verderblichen, dem Könige aber bequemen Männer, der „an getst und leib kranken Faulthtre", wie Blücher sie nannte, zu fordern. Wie gesagt, diese ganze erste Periode der Steirischen Tätig keit tm Dlaaie mutzte als „nlchi gewesen" betrachtet werden, ehe Stein die Slaoisgeschäfte übernehmen konnte Nlcht bloß die ganze Zivilverwaliunp wurde in seine Hände gelegt; auch an den Beratungen des militärischen Ausschußes nahm er teil, and m den Konferenzen für die auswärtigen Angelegenheiten lührie er den Porsitz Sogar die Bank und die Seehandlung unterstanden seiner Leitung — „wie aus einem Atlas ruhte aus ihm der gesamte Slaal" Stein setzt« sosori mit seinen Reformen ein Er führte den Grundsatz der Selbst verwaltung und Selbstveranlwortung durch und begann den Umbau des Smales an seinem Fundament, dem Bauernstand indem er für die ganze vreutzifche Mon- archte Vie allmähliche Beseitigung der Erbuniertänlgkett be- lahl Zwei Drittel der Bevölkerung erhielten die persönliche Frechen mn dem Rechte der Freizügigkeit, der freien Berufs- mahl und der Eheschließung Die Schranken zwischen den einzelnen Ständen wurden niedergelassen Jeder Preuße, ob von bürgerlicher oder adeliger Herkunft, konnte Grundbesitz erwerben oder ein Geschäft betreiben Am 19 November 1808 erschien die S l ä d i e o r d n u n g. die den Grundsatz der Lelbstverwaliunp in das städtische Leben hinelmrug und da durch Burgersinn und Gemelnyeist förderte Wenige Tage später beseitigte Stein den „Kabinettsrai" und ersetzte ihn durch etn verantwortliches Staaismintsterium. Er plante die Einführung von Provtnziallandtagen und fatzte sogar Retchs- itände als eine Ari Bolksvertreiung ins Auge Ader ehe er diesen Gedanken durchführen konnte, war er ein gestürzter Mann: ein Bries an den Fürsten Wittgenstein, in dem er Pläne zur Befreiung Deutschlands besprach, fiel in die Hände iranzösischer Spione, und derselbe Napoleon, der Stein einst so angelegentlich empsohlen hatte, ließ ihn jetzt „als Feind Frankreichs und des Rheinbundes" ächten Und nun begann Siems „dritte Periode", die der Vor bereitung der Erhebung Preußens galt Er war nach Ruß- iand gegangen und stand „offiziell" im Dienste des Zaren, wirkte aber ausschließlich als deutscher Patriot, knüpfte Ver bindungen mii Gneifenau und Port an und beries den palrio- itfchen Dichter Ernst Moritz Arndi zu sich nach Petersburg In der Umgebung des Zaren machte er den Befreiungskrieg mit und leistete nach der Schlacht bei Leipzig Hervorragendes m der Verwaltung der eroberten deutschen Länder und dei rranzösischen und belgischen Gebiete links vom Rhein 1815 oom Zaren und von Hardenberg nach Parts berufen, wo er iür eine erheblichere Schwächung Frankreichs elnirai, kehrte er unzufrieden nach Deutschland zurück, um sich iorian ganz der Bewirtschaftung seiner Güter in Nassau — aus der Burg zum Stein bei Nassau an der Lahn war er am 26 Oktober 1757 geboren — und Westjalen, wo er die Domäne Kappen verg im der kürzlich ein Stein-Museum eingerichtet wurden nejatz, und seiner Familie zu widmen Jede politische Stel lung ablehnend, beteiligte er sich nur regelmäßig an den Ver handlungen des Westfälischen Prorünztallandmaes als Land lagsmarjchall Die meiste Besriedlgung aber iand er m der Förderung von Kunst und Wissenschaft: er wirkte für die Wiederherstellung der Marienburg, für die Erhaltung schöner kirchlicher Gebäude in den Rheinlanden und gründete mit be deutenden Geldopsern die „Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde" Am 29 Juni 1831 ist er zu Kappen verg gestorben Aus der Stammburg zu Nassau und in Berlin lind ihm Standbilder errichtet worden Siem war ein wirklich großer Mann, frei von leder Schul- melnung, nicht schmiegsam glatt, sondern herb und unbeug >am, gewohnt, Personen und Verhältnisse zu beherrschen, nichi sich von ihnen beherrschen zu lassen Zu solcher Herrschaft war er berufen durch den Relchium seines Geistes, durch di« Schärfe und Welte seines Blickes, durch die Kraft setnec- Wtllens Preußen und mit ihm das gesamte Deutschland Hai mehr als einen Grund, das Andenken dieses Mannes zu ehren! Steins Geburtshaus. das Stammschloß in Nassau a. d Lahn, ln dem die große offizielle Gedenkfeier stattiindel. Veutseben Lieäertag. Ich bin das Lied. — Der mich erschuf, gab mir -den herrlichsten Beruf: Ich soll mit meinem süßen Klingen mich in das Herz der Menschen singen. Ich tröste sie im tiefen Leid und künde ihre Seligkeit. Am trauten Herd zur Feierstunde erklinge ich von Mund zu Munde, als treuer Liebe Herzenssprache bald hell zur Lust, bald bang zur Klage. Ich ziehe mit auf fremden Wegen als Mutterklang, als Heimatsegen. Ich gehe nimmermehr verloren, da ich im Volke bin geboren- so leb ich auch im Volke fort' -als seiner Seele treuer Hort. Wo sommerselig Drosseln fingen, wo Blumen blühn und Bächlein springen, im grünen Walde ist mein Reich als frisches Kind komm ich ^ch. So nehmt mich auf und meine Klänge in eures Alltags Not und Enge, baß ihr ein Stündlein seid entrückt von allem, was den Sinn bedrückt! Schließt euer Herz mir auf und wißt, baß heute mein Geburtstag ist! Den feiert man im Sängerbund just auf dem ganzen Erdenrund. Vom Fels Zum Meer, von Land zu Land schlingt heute sich em Liebesband um alle, die in meiner Hut von einem Mutterlaut und Blut, von einem Geist und Herzensschlag, zum deutschen Volks- und Liedertag! E r i ch L a n g e r. Zum Kamps der Gesänge am 28. Zum. Es ist ein schöner Brauch, baß alljährlich ln deutschen Landen ein Tag der Lteder veranstallei wird. Wenn am 28. Juni unter Beteiligung aller Vereine des Deutschen Sängerbundes des In- und Auslandes, deren Zahl etwa 15 000 beträgt, auf Straßen und Plätzen, in Hallen und Hainen des deutschen Liedes Wohlklang dahinströmen wird, dann wird es wie weihevolles Rauschen durch alle demschen Herzen gehen, Venn was wohl verdiente größere Bewunderung, was wohl könnte uns mit größerem Stolze eriüllen als unserer Lteder Schatz, der so einzig ist in seiner An, daß ketn Land, ketn Volk der Erde ihm auch nur einen annähernd gleichen an die Sette zu stellen vermöchte. Mit aufrichtiger Liebe hängen wir Deutsche, und lebten wir auch noch so fern von der deutschen Heimat, am deutschen Liede, sei es Kunst-, sei es Volkslied, sei es Gesellschafts» oder Tanzlied, und aufrichtigen Dankes wissen wir allen denen, welche seil vielen Jahrzehnten dieses deutsche Liev hegen und pflegen, wissen wir vor allem den Hütern und Bewahrern der Singtradtiion, den Sänger bünden, den Liedertafeln, den Pflegern des Männerchor gesanges Der Gesang war eine der frühesten Künste des Menschengeschlechtes, der beständige Bealeiler und Vie Seele aller Dichtungen des Altertums; denn was wir jetzt Rhythmus und Versmaß nennen, war ursprünglich nichts als oer meist mt, Tanz verbundene Gesang, der den Worten des Dichters eine künstlerische Form verlieh. Des deutschen Volks tteves besondere Zeichen waren von Anfang an Einfachheit. Schlichtheit und Eindringlichkeit In die Kunstmusik drang bas Volkslied sofort mii ihrer ersten Entwicklung ein, zunächst derart, daß als leitende Themen für Meßen und andere Ktrchengesänge Melodien von bekannten Volksliedern ent nommen wurden Im 16. Jahrhundert wurde dann das Volkslied für den mehrstimmigen Gefang umgebildet. Als spärer, im Anfang des 17 Jahrhunderis, mit Oper, Orato rium Und Kaniale vas Problem einer organischen Verbindung von Vokal- und Jnstrumenialmusik gelöst war, wurde alsbald auch das Lied aus den Boden dieser neuen Kunst verpsianzl es entstand das einstimmige Lied mii Begleitung Bis zur Gegenwart haben aus diesem Gebieie die Devlschen die Füh rung behauptet und emen Liederschatz ausgebildet, der in manchen Perioden das höchste musikalische Gui des Volkes darstellte Die ganze Entwicklung der Gattung Hai sich dann immer wieder um ven Gegensatz zwischen Kunstlied und Volks lied bewegl, um Verlassen und Wiederaufsuchen der einfachen Formen auf höherer Siufe In der Odcnkompostfton des 18. Jahrhunderts, tn dem vurchlomponierten Ltede unferei Zeit Hai sich das Lied der Kaniale und anderen reicheren Formen genähert, Formen, gegen die die ursprüngliche, ein fache Natur des Liedes verteidigt werden mußte Ltedkom- ponlsten wle Neese und Rust traten die Schultz und Reichard, Vie Schöpfer des neuen Gesellschastslieves. diesen wieder Zeller, Mozarl und Beethoven entgegen Bis dann tm 19 Jahrhundert dieser Kamps der Lieder endlicli zur Ruhe kam. Schon die Klassiker der deutschen Musil und mit ihnen der Romantiker Karl Marta von Weber der Schöpfer des „Freischütz" und des „Oberon" behandeln Kunstlied und Volkslied als gleichberechtigt, ebenso Franz Schubert, der größte Meister des Liedes. Dem Volkslied« neigen Curschmann, Mendelssohn und Robert Franz zu, dem Kunstlteve Roben Schumann, Johannes Brahms und Franz Liszi linier den hervorragenden Ltederkompontsten neuerer Zeit seien Sommer, Bungert, Richard Strauß, Hugo Wolf usw genannt Wir haben den Namen Zeller erwähnl, und wir müssen unbedingl bet diesem Namen ein wenig verweilen, wenn von- deutschen Ltede die Rede ist: war doch Karl Friedrich Zellei oer ursprünglich Maurer gewesen war und später dem engeren Freundeskreise Goethes angehörte, der Begründer und Lette, der Berliner Singakademie, die das Musterbild für ähnliche private Gesangvereine wurde, so daß Zelter mit Recht als der Vater der Gesangvereine bezeichne' werben konnte Von lhm rührte auch vas letzt allgemein ver brettere Wort LIeverlasel her, unv er war es ver 1805 >n Berlin ven ersten Vieser Männergesangverelne gegründet Hai Es folgten 1815 Vie Liedertafeln m Leipzig und in Frankfurt a d O Von diesen Stadien aus eroberte der deutsche Männergesang in den nachfolgenden Jahrzehnter dle Well Und wen müßre man — von den ganz großen Meistern wie Schubert, Brahms, Schumann u a., deren oft genug ge dacht wird, ganz abgesehen — nicht noch alles erwähnen, wo lmmei vom deutschen Ltede die Rede ist! Aber zweie- wenigstens soll noch gedacht werden: Johann Friedri ü> Reichardts «nicht zu verwechseln mit Gustav Reichardi