Volltext Seite (XML)
Wilsdruffer Tageblatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meisten, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittags s Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in s^A^°lt-stclle und den Ausgabestellen 2 AM. im Monat, bei Zustellung durch di« Boten 2,30 AM., bei Postbcftellung zuzüglich Abtrag- er- —„ .. ' gebühr. Einzelnummern ISRpfg.AllePostanftalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten und unsereAus. ragerund Geschäftsstellen - — ' — — -—' nehmen zu jeder Zeit Be- entgegen. ImFalle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung oer Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gespaltene Aaumzeile 20Npfg., die 4gespaltene Zeile der amtlicher: Bekanntmachungen 40Reichs- Pfennig, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgcbühr 20 Reichspfennige. Vor geschriebene Erscheinungs- tage und PlatzvUrschriften ^werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis vorm.10 Uhr. Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabat, ansprn ch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden mutz oderderAuftraggeberin Konkurs gerat. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Nr. 131 — 90. Jahrgang Telestr.»'stdr l „Amtsblatt" Wilsdrusf-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 9. Juni 1931 Oie nächste Aufgabe. In der amtlichen Verlautbarung, die auf Grund beiderseitigen Einverständnisses über die Zusammenkunft der deutschen und der englischen Minister in Chequers herausgegeben wurde, ist das Verzeichnis der Teilnehmer an diesen Besprechungen nicht uninter essant; es läßt Rückschlüsse auf das zu, was hinter den fest verschlossenen Türen dieses Weekendsitzes Macdonalds hauptsächlich besprochen worden ist. Zu den Anwesenden gehörte auch der Gouverneur der Bank von England, außerdem ein hoher Beamter des Schatz amtes — Minister Snowden selbst ist bekanntlich seit langem ein schwerkranker Mann — und schließlich auch noch der Privatsekretär des Königs Georg. Daraus dürfte doch wohl zu entnehmen sein, daß eben vor allem „die Schwierigkeiten der augenblicklichen Lage in Deutschland und die Notwendigkeit der Schaffung von Erleichterun gen", wie es in der amtlichen Verlautbarung heißt, durch aus im Mittelpunkt der Erörterungen gestanden haben. Wenn man ohne Übertreibung und voreilige Hoff nungen sagen will, was diese Zusammenkunft in Chequers „historisch" bedeutet, so darf man das wohl auf die kurze Formulierung bringen: die im Young-Plan festgelegten deutschen Zahlungen sind zu einem „Problem", sind frag lich geworden. Die Dinge scheinen in Bewegung gesetzt Korden zu sein. Einer unserer Gläubigerstaaten ist dazu gekommen, die Erfüllbarkeit des Planes zur Diskussion zu stellen. Mehr war natürlich auch nicht zu erwarten und die Notwendigkeit einer inter nationalen Zusammenarbeit", also auch der Teilnahme der anderen Mächte, wird ausdrücklich betont. Gemeint sind dabei Amerika und Frank reich als die politisch bzw. finanziell maßgebenden Gläubiger Deutschlands. Vermieden ist auch, von den Young-Planverpflichtungen selbst in dem amtlichen Kom munique zu sprechen. Nur von der Weltwirtschaftskrise ist hier die Rede. Und sie geht nicht allein etwa auf die Ver schiebung des natürlichen Wirtschafts-Gleichgewichts durch die einseitige Zahlungsverpflichtung Deutschlands zurück. Nur Würde es eine weitere in ihren Folgen ganz unübersehbare, sicherlich äußerst schwere Störung bedeuten, wenn Deutschland etwa zu einer Moratoriums-Erklärung schreiten müßte, wenn die in Chequers vereinbarte „enge Zusammenarbeit Englands und Deutschlands mit andern beteiligten Regierungen" er gebnislos bleiben würde. An und für sich ist eine „Zu sammenarbeit" Deutschlands und der Gläubigermächte im Young-Plan selbst als Voraussetzung für seine Durchführ barkeit vorgesehen, nur haben wir davon nichts gespürt; eher können wir mit dem Beweis des Gegenteils auf warten und hoffentlich hat Dr. Brüning bei seinem Besuch in Chequers daraus auch hingewiesen. Das krasseste Bei spiel hierfür ist ja die Art gewesen, wie man in Genf das österreichisch-deutsche Zollabkommen abgewürgt hat. Wie weit die Gerüchte das Richtige treffen, die von einer „Revisionskonferenz" im Herbst wissen wollen, und die über das Wort von der „engen Zusammen arbeit" zum praktischen Handeln hinausgehen, ist im Augenblick etwas zu sagen noch nicht möglich. Immer wie der darf aber betont werden, daß die Dinge zunächst einmalinFlußgekommen sind und selbst der Vor sitzende des Auswärtigen Ausschusses im amerikanischen Senat, Borah, auf Befragung des Präsidenten Hoover er klärt hat, eine Regelung der Reparationsfrage scheine ihm wirtschaftlich und auch sonst eine in ihren Grundlagen ge sunde Maßnahme zu sein; denn niemand werde einen Vor teil davon haben, wenn man Deutschland durch Zwangs maßnahmen in den vollkommen wirtschaftlichen Zusammen bruch hineintreibe. Daß hierbei die Rüstungskosten der europäischen Staaten sich dem Revisionsgedanken entgegen stellten, ist ein Hinweis von amerikanischer Seite, der leider nur allzu richtig ist und wohl auch den Hintergrund für die Reise des Staatssekretärs Stimson nach Europa abgibt. Sein Kollege vom Schatzamt, Mellon, wird in der nächsten Woche gleichfalls eine Europareise machen, die ihn auch mit den Leitern der englischen und französischen Staatsbanken zusammenführen wird. In ihrem Aufruf an das deutsche Volk bei Erlaß der Notverordnung hat die Reichsregierung erklärt, sie sei „sich bewußt, daß die auf äußerste bedrohte wirtschaftliche und finanzielle Lage des Reiches gebieterisch zur Ent lastung Deutschlands an untragbaren Repara tionszahlungen zwinge und auch die wirtschaftliche Ent lastung der Welt hierdurch mit bedingt sei". Das war nicht nur an die Adresse Deutschlands gerichtet, sondern auch an die unserer Gläubiger. Man darf wohl hoffen, daß es ge lungen ist, zunächst England von der Notwendigkeit zu überzeugen, daß der Youn g-P laneinerNevision unterzogen werden muß; auch die andern Gläubiger Deutschlands zu „bekehren", wird die nächste Aufgabe der deutschen Politik in „enger Zusammenarbeit" mit der eng lischen Staatsleitung sein. Frankreich und Italien über Chequers informiert London.«. Juni. Außenminister Henderson hat am Mon tag den französischen und den italienischen Botschafter im Foreign Dssice empfangen und iknen den Inhalt der Chequers-Bespre- chung mitgeteilt. TMsserMmtoriM M WMO? Berlin. Der Reichskanzler Dr. Brüning wird, wie in politischen Kreisen verlautet, sofort nach seiner Rückkehr das Neichskabinett zusammenberusen, um über das Ergeb nis der Besprechungen in Chequers zu berichten. Diese Kabinettssitzung wird voraussichtlich bereits am Mittwoch abend stattfindcn. Entgegen anderslautenden Meldungen kann in diesem Zusammenhang fcstgcstellt werden, daß ein Beschluß der Reichsrcgierung, ein Transfer-Moratorium zu erklären (d. h. den als aufschiebbar bezeichneten Teil der laufenden Jahrcszahlungen auszuschieben), selbstverständ lich zur Zeit noch nicht vorliegt. Es ist aber mit Sicher heit zu erwarten, daß das Kabinett die Londoner Be sprechung eingehend erörtern wird. In politischen Kreisen hat man keinen Zweifel darüber, daß das Neichskabinett nicht darum kommen wird, einen derartigen Beschluß zu fasse«. Jedoch dürfte der Reichskanzler vor der Veröffent lichung eines derartigen Beschlusses dem Reichspräsidenten in Neudeck Vortrag halten. Nach Lage der Dinge kann man also bis spätestens Ende dieser Woche damit rechnen, daß die deutsche Reichsregierung die entsprechenden Be schlüsse gefaßt hat, um alle Möglichkeiten des Young- Planes auszuschöpfen. Was in Chequers besprochen wurde. Die Minister sind zufrieden Das Ergebnis von Chequers — soweit nach bis heriger Kenntnis der Dinge bereits von einem Ergebnis gesprochen werden kann — entspricht nach Auffassung amtlicherKreisein Berlin durchaus den vor Beginn der deutsch-englischen Besprechungen gehegten Erwartun gen. Der Besuch habe den Aweck erfüllt, den man an ihn gestellt habe. Neben der Abrüstungssrage hätten die deut schen Minister die volle Möglichkeit gehabt, über alle unsere Lebensfragen zu sprechen, nicht nur mit Macdonald und den übrigen englischen Ministern, sondern auch mit an deren sehr maßgeblichen Persönlichkeiten des englischen öffentlichen Lebens, so mit Montague Norman, dem Gou verneur der Bank von England. Chequers sei ein Anfang. Die Engländer hätten keine Haltung ein genommen, die eine weitere Entwicklung ausschlietze. An zuständiger Stelle wird aber außerordentlicher Wert auf die Feststellung gelegt, daß die deutsche Regie rung jetzt volle Handlungsfreiheit haben müsse, die nicht eingeschränkt werden dürfe durch unfruchtbare Kritik. Die Einberufung des Reichstages widerspreche demgemäß auch den ganzen Dispositionen der Neichsrcgie- rung. Es sei eine dringende Forderung der Stunde, daß die Arbeit der Regierung von jeglichen Störungen un- belästigt bleibe, über die weiteren Entwick lungsmöglichkeiten in der Tribuifrage wird an zuständiger Stelle Zurückhaltung geübt und gleich zeitig darauf hingewicsen, daß die Reichsrcgierung sich alle Entscheidungen in dieser Frage Vorbehalten müsse. Zu den Angriffen der oppositionellen Presse wegen Chequers wird darauf hingewiesen, daß immer davor gewarnt wor den sei, irgendwelche konkreten Ergebnisse zu erwarten. Das Neichskabinett dürfte sich voraussichtlich schon im Laufe dieser Woche versammeln, um den Bericht des Reichskanzlers und des Reichsaußenministers über die Be sprechungen in Chequers entgegenzunehmen. Reichskanzler Brüning und Dr. Curtius treffen be reit am Mittwoch nachmittag wieder in Berlin ein. Audienz beim englischen König. Brüning und Curtius bei König Georg. Der Reichskanzler und der Reichsautzenminister wurden am Montag vom englischen König empfangen. Den üblichen Gepflogenheiten entsprechend, werden Einzel heiten über den Verlauf der Audienz nicht bekannt- gegeben. Die Teilnahme des Privatsekretärs des Königs, Sir Clive Wigram, an dem Essen in Chequers am Sonntag ist ein Beweis für das große Interesse, das der Hof an den englisch-deutschen Besprechungen nimmt, wie man überhaupt in der Umgebung des Königs auf die Wiederherstellung der guten Beziehungen Englands zu Deutschland stets großen Wert legte und damit in vieler Hinsicht der politischen Führung Englands voraus war. An die Audienz schloß sich ein Essen an, das die Englisch-Deutsche Gesellschaft den deutschen Gästen gab. An dieser Veranstaltung nahmen insgesamt 61 Personen teil. Man sah unter anderen Lord d'Aber- non, Major Church, einen Freund des Reichskanzlers, der vor einiger Zeit auch in Deutschland war, um, wie offiziell gesagt wurde, die deutsche katholische Gewerk schaftsbewegung zu studieren, während sich in Wirklichkeit mit seinem Besuche wohl auch andere Zwecke verbanden, ferner den Generalstaatsanwalt Sir William Jowitt, der das juristische Gutachten über das österreichisch-deutsche Zollabkommen verfertigt Hai, den Schatzkanzler Snowden, Lord Derby, Lord Astor und eine größere Anzahl von Abgeordneten, die Mitglieder der Gesellschaft sind. Von deutscher Seite nahmen teil Dr. von Simson und Graf von Bismarck, ein Brüder des Fürsten Bismarck. Außer dem war natürlich auch der deutsche Botschafter und der erste Botschaftsrat Graf Bernstorff anwesend. * Das ArieÜ des Auslandes. Sieht man sich eie Stimmen des Auslandes darauf hin an, was wir von dem Ministerbesuch in England zu erwarten haben, werden die an sich sehr geringen Hoffnungen noch mehr gedämpft. Die englische Presse, dir sicher aus guter Kenntnis über den Lauf der Verhandlungen spricht, sagt nichts Erfreu liches. Die amtliche Mitteilung über die Besprechungen wird als „unbestimmt und nichtssagend" bezeichnet, besonders wird betont, daß darin das Wort „Reparationen" nicht vorkomme. Ausdrücklich weisen die Londoner Blätter dar auf hin, daß keine festen Vorschläge gemacht wurden, und daß England sich in keiner Weise verpflichtet habe, Deutschland zu unterstützen, wenn es sich wegen der Repara tionen an A m e r i k a wenden wolle. Daraus geht deutlich her vor, woraus die ganze Sache hinausläuft. Deutschland soll mit Amerika verhandeln! Die amerikanische Presse sagt aber in ihren Be sprechungen schon setzt recht deutlich, daß man drüben gegen jeden Schuldcnnachlaß ist Man gibt Deutschland den guten Rat, noch einmal eine „heroische Zahlungsanstrengung" zu machen und meint, der Rus nach Revision entspringe weniger einer finanziellen Notlage Deutschlands als politischen Erwä gungen! Die französische Presse stellt befriedigt fest, daß Mac donald mit den deutschen Ministern nichts vereinbart habe, und daß England von sich aus keinen Drück auf Amerika zu gunsten Deutschlands üben werde Mines Gen ans -er deutschen Sotschast. Fortsetzung des Meinungsaustausches. MacDonald und seine Tochter Jfubel waren Ehren gäste bei einem intimen Essen in der deutschen Botschaft in London, das sich den Zeitläuften entsprechend in ein fachem Rahmen hielt. An ihm nahmen außerdem teil: Außenminister Henderson und Frau, Schatzkanzler Snow don, der Arbeitsminister Miß Bonfield, der Lordkanzler Sir Robert Vansittart und der Staatssekretär Dalton, Baldwin mit Frau, Sir Austen Chamberlain mit Frau, Lord Cecil und der österreichische Gesandte Varon Fran kenstein. Die Veranstaltung gab den beteiligten Herren Ge legenheit, ihren Meinungs- und Ansichtenaustausch fort zusetzen. Die deutschen Herren brachten nochmals ihren Dank für die erwiesene Gastfreundschaft zum Ausdruck. Zu dem anschließenden Empfang war das gesamte Londoner Diplomatische Korps eingeladen. * ,/Beseiiigung internationaler Mißverständnisse". Eine Teevcranstaltung in London. Nach dem Essen in der Deutsch-englischen Vereinigung waren ^Dr. Brüning und Dr. Curtius Gäste aus einem Tee, den das königliche Institut für auswärtige An gelegenheiten seinen Mitgliedern im Chatamhaus gab. In einer kurzen Ansprache dankte der Präsident des In stituts für den Besuch der deutschen Minister. Er sehe ihre Anwesenheit als eine Billigung der Arbeit des Instituts an, durch wissenschaftliches Studium der internationalen Beziehungen einen kleinen Teil zur Beseitigung von internationalen Mißverständnissen beizutragen und auf diese Weise die Wohlfahrt der Welt zu fördern. Bisher seien zwar keine großen Erfolge zu verzeichnen gewesen. Trotz der wirtschaftlichen Depression ließe er sich aber nicht ent mutigen. Es bliebe noch viel zu tun übrig, und die An wesenheit der deutschen Minister gebe ihm neue Hoffnung. Rückkehr auf der ^Europa". Auf der „Europa" des Norddeutschen Lloyd, die am 10. Juni in Bremerhaven erwartet wird, werden sich am ß. Juni in Southampton Reichskanzler Dr. Brüning, Außenminister Dr. Curtius und die in ihrer Begleitung befindlichen Herren nach Bremen einschiffen. Die „Europa" wird gegen acht Uhr vormittags in Bremerhaven erwartet. An Bord der „Europa" befinden sich auch deramerika - Nische Botschafter in Berlin, Sackett, mit seiner Gattin. * Gegenbesuch Hendersons in Berlin? Weitere Verhandlungen in Sicht. Zu den Chequers-Besprechungen meldet der Evening Standard auf Grund von besonderen Informationen, daß doch etwas erreicht sei. Das Zusammensein habe Brüning die Gelegenheit gegeben, mit aller Offenheit die Sache Deutschlands darzulegen. Man habe andererseits Hender son und MacDonald die Möglichkeit gegeben, sich eine ernste Ansicht über die europäische Lage zu bilden. Beide Teile hätten auf diese Weise zn.der Entscheidung kommen