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Tagesspruch. Die groß geschaut uwd groß gebautz sic schlummern in -den Särgen, Aus ihren Gräbern kriechen wir als ein Geschlecht von Zwergen. Nichts blieb uns als die schlimme Kunst, zu zweifeln und zu richten, Und wenn sich ein Gigant erhebt, so ist er's im Vernichten. Geibel. Aeues Ausstellungsgebäude sm München. Zwei Kassenschränke aus den Trümmern des Glaspalastes geborgen. Der Stadtrat von München faßte nach einer Bei- lcidskundgebung zur Glaspalastkatastrophe den Beschluß, 5V 000 Mark für die Durchführung der Ersatzausstcllung und für die Sammlung zum Besten der durch den Brand geschädigten Künstler bcreitzustcllen. Die Ersatzausstellung in der Neuen Pinakothek dürfte am 15. Juli eröffnet wer den und auf drei Monate bemessen sein. Im übrigen denkt die Münchener Künstlcrschaft schon daran, durch einen großen Wettbewerb, der für alle deutschen Architekten ausgeschrieben werden soll, sich in den Besitz eines neuen Ausstellungsgebäudes zu bringen. Sobald das Finanzministerium die Gelder genehmigt haben wird, werden am Glaspalast die Aufräumungs arbeiten einsetzen; sie dürfte eine Zeit von sechs bis acht Wochen in Anspruch nehmen. Die Kosten für diese Arbeiten werden sich auf mindestens 100 000 Mark be laufen. Aus den Trümmern an der Brandstätte wurden zwei Kassenschränke geborgen, von denen der eine bereits aufgeschweitzt wurde. Er enthielt wichtige Dokumente und Verträge, die vollständig erhalten waren. Außerdem waren in ihm 800 Mark in "bar aufbewahrl, auch sie sind unversehrt geblieben. Kirche und Arbeiislosigkeii. Vorträge aus ver evangelischen Arbeitertagung. Aus dem Internationalen Kongreß evange lischer Arbeitnehmer in Essen sprach Dr. Schön feld-Gens über Vie „Die Kirchen und die Wcltarbeitslosigkeit." Er hob hervor, daß die Kirchen durch das Internationale So- zlalwissenschaftliche Institut ui Gens sich an der wichtigen Aus- gäbe beteiligten, die letzten Ursachen der Arbeitslosigkeit und die Gründe für die Erfolglosigkeit der Maßnahmen zu ihrer Be- kampsung aufzudecken. Die Kirchen der Stockholmer Bewegung bereiten nationale Studienkonserenzen über Arbeitslosigkeit vor. aus denen neben Vertretern der Kirchen Sozialwissenschaft ler, Unternehmer, Arbeiisvertreter und Finanzleute über die entscheidenden Ansatzpunkte für eine umfassende Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beraten würden. Zentralsekretär Haas- Zürich erörterte das Thema: „Die Weltarbeitslosigkeit, ihre Ursachen, ihre Wirkungen und ihre Bekämpfung als Ausgabe der evangelischen Arbeitnehmerbewe- gung". Der Redner trai ein für sofortige Einführung der Vierzigstundenwoche, sofortige Ratifizierung der Übereinkommen über Kinderarbeit, Nachtarbeit der Frauen und Jugendlichen, für Maßnahmen, um die Arbeitnehmer durch soziale Versicherung zu schützen, wenn aus irgendwelchen Gründen die Arbeitskraft nicht betätigt werden kann, besonders bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit, für eine Kontrolle der Jndustrieaesellschaften, Kartelle usw. und für Sicherung des Rechts auf Zusammenschluß der Arbeitnehmer zum Zwecke der Wahrung ihrer wirtschaftlichen Lebensrechte. Ser MAenvertraa angenommen. Der Hauptausschuß des Preußischen Landtags hat den Vertrag zwischen dem Preußischen Staat und den evangelischen Kirchen bei Enthaltung der Sozialdemokra ten gegen die Kommunisten angenommen. Annahme fand auch das Pfarrerbcsoldungsgesetz. Zmücldrängung der ausländischen Ardeiter. Präsident Dr. Syrup über Arbcitsmarlt und Arbeitsbeschaffung. Aus der öffentlichen Kundgebung anläßlich der General versammlung des Neichsverbandes für Herren- und Knaben kleidung sprach Dr. Syrup, Präsident der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, über „Aktu elle Probleme des Arbeilsmarktcs und der Arbeitsbeschaffung": Die Weltwirtschaftskrise habe heute etwa 20 Millionen Men schen in der Welt arbeitslos gemachr und vas Jahr 1931 werde in seinem ganzen Verlauf ein großes Notjahr für den Arbeits markt werden. Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit müsse eine Aurückdrängung ausländischer Arbeiter und Doppel verdiener vom Arbeitsmarkt, die Verlängerung der Schul pflicht, eine zweckmäßige Verteilung der vorhandenen Arbeitsgelegenheiten und die Beschaffung zusätzlicher Arbeit durchgesühn werden. Was die Herabsetzung der Arbeitszeit betreffe, so müsse jeder Arbeitgeber selbst entschei den, ob er in der Lage sei, die Arbei szeit herabzu setzen, um ohne gesetzliche Bindung in freiem Willen etwas zur Erleichterung des Arbettsmarktes zu tun. Den Gedanken der Arbeitsdienstpslicht bezeichnete der Redner als utopisch, aber die Frage des freiwilligen Arbeitsdienstes werde in nächster Zeit eine große Rolle spielen. Wir brauchen aber vor allem eine wesentlich deutlich fühl bare Erleichterung der Kriegslasten, damit wir dem nächsten Winter mit Zuversicht entgegensetzen könnten. Nach diesen schweren Eingriffen und Opfern, die DeMschland entsagungs voll durch die letzte Notverordnung gebracht habe, müsse jetzt auch die Stunde Europas und Amerikas kommen. Oie Beibehaltung der Reifeprüfung. Der Unterrichtsausschuß des Preußischen Landtages nahm einen deutschnationalen Antrag an, in dem das Staatsministerium ersucht wird, die neun jährige Unterrichtsdauer bei den höheren Lehranstalten und die Reifeprüfung beizubehalten. Blutige Zusammenstöße, planmäßige Überfalle. In Hamburg, in Bremen, in Limbach. über die Zusammenstöße tn Hamburg veröffent licht die Hamburger Polizei einen amtlichen Bericht, aus dem sich ergibt, daß Erwerbslose und Kommu- nisten tn den Abendstunden in den Stadtteilen Eims büttel und Hammerbrook und in der inneren Stadt Demonstrationsversuche unternahmen, die bis gegen Mitternacht dauerten. Die Polizei mußte an verschiedenen Stellen mit Gummiknüppeln vorgehen. Im Gängeviertel und in einten Straßen der inneren Stadl hauen die Un ruhestifter Straßenlaternen ausgelöscht. In der Mühlen- straße war ein Kohlenwagen auf Vie Stratzenbahnschienen gekippt worden. Im Laufe der Nacht wurden 45 Personen fest genommen. Auch in Altona rotteten sich Kommunisten auf den Straßen zusammen. Mehrere LadeFfcheiben wurden zertrümmert. Die Mülleimer, die auf den Straßen standen, wurden über die Straße geworfen. 25 Personen wurden verhaftet. In Bremen wurden in verschiedenen Stadtteilen Nationalsozialisten von Kommunisten überfallen. So fielen etwa 20—25 Kommunisten in Walle über sechs Nationalsozialisten mit Gummiknüppeln und Handkeulen her. Alle sechs wurden mehr oder weniger schwer verletzt. Ein zweiter Überfall ereignete sich in der Nähe von Dovenstorspost. Hier fielen 16 Kommunisten über acht Nationalsozialisten her und ver letzten sie durch Faustschläge und Gummiknüppel. Die Täter sind in beiden Fällen unerkannt entkommen. In Limbach in Sachsen kam es zu blutigen Zusammenstößen zwischen National sozialisten und Kommunisten. Ein SS -Mann wurde von fünf Kommunisten überfallen, und mit einem eisernen Fuß abstreicher bearbeitet. Der SS.-Mann erhielt Beistand von lös Die große Liebe. Roman von Emmi Lewald. «Nachdruck verboten.) Draußen rüttelte Herbstwind an den Läden. Im Kamin toderten die Flammen, warfen zuckende Lichter über die Wand. Die Jagdgesellschaft, angenehm hungrig und müde, genoß das Festmahl mit jeder Stunde mehr. Die jungen Hoffräulein lachten zuweilen lauter, als es eigentlich am Tische mit dem Herzog gestattet war. Dann schoß die alte Leeven einen scharfen Blick hinunter zu ihrer dicken Nichte, die so gern mit dem jungen Adjutanten tuschelte, obzwar sein Herz anderweitig engagiert war, hinter den Kulissen des neueröffneten Theaters, das der eingeborenen weib lichen Jugend eine schwere Konkurrenz zu schassen begann. Der Intendant saß an Karens rechter Seite und unter hielt sie eifrig über moderne Literatur. los zr?^' Unbelesene, hörte höflich und gedanken- mmLlm un° UM G,°». ^obachtete dauernd das Paar. ttschen Genü c,^ -inen der höchsten ästhe- in eine xranck ÜLE der alten A°7"m """ M "7s- will im Grun«- „„„ Ettnn-rnng-n,- sagte Karen. „Ein einsames Leben, das Sie hier führen," sagte er teilnahmsvoll. „Ich möchte es nicht anders," versetzte Karen „Sie? So jung? Neunzehnjährig, wie ich hörte« Das Alter, in dem man noch keine Erinnerungen hat um von ihnen zu leben? Die Herzogin hat mir selbst manch mal gesagt, Sie wären ein etwas obstinates Hoffräulein und versäumten manchmal den höchsten Dienst ohne plau sible Gründe." „Ich bin kein Mensch für Geselligkelt, ich gehe viel lieber allein hier auf den Deichen." „Nein, nein," protestierte der Nachbar. „Wer so aus- steht wie Sie, darf sich dem Anblick der Mitwelt nicht em- ziehen — das ist etwas für die von der Natur Verkürzten und nicht für die Auserwählten und Begnadeten. Gristede sah vor sich hin und spielte an seinem Sekt glas. Er hörte nur halb, was die alte Leeven ihm von imposanten Hosgrößen der Vergangenheit erzählte; halb hörte er jedes Wort, das Karen sprach und das zu ihr gesprochen wurde. „Sie sind ja wie ein Schiff mit matten Segeln," fuhr der immer mehr für seine Nachbarin erwärmte Intendant fort, „und Sie könnten doch als leuchtende Gallione aus dem hohen Meere fahren. Sie verschwenden Ihre Juqend in Einsamkeit." „Sie sind sehr uneigennützig, Gräfin Karen." Gristede wandle sich plötzlich zu ihr hin. „Ich glaube das auch," sagte er. „Sie fahren mit falschem Kompaß, Gräfin Karen." „Nach einem Ziel, das ich nicht erreiche, meinen Sie?" „Nach einem Ziel, das vielleicht gar nicht begehrens wert ist." Der Herzog fragte den Intendanten nach seinen Plänen. Die alte Gräfin hörte gespannt auf den Dialog. Gristede senkte die Stimme. „Ich will nach Weihnachten eine große Reise an treten," begann er leise. „Ich sage es niemand vorher — nur Ihnen, damit Sie zeitig fragen können, was so an wirtschaftlichen Verständigungen bei zwei Nachbarn viel leicht zu sagen wäre. Ich will den Neujahrsball noch mit Kameraden, die des Täters habhaft zu werden versuchten. Bei der Schlägerei, die" sich nun entspann, wurden sechs Nationalsozialisten verletzt, davon zwei schwer. Auch mehrere Kommunisten wurden verletzt; einer von ihnen soll eine schwere Kopfverletzung davongctragen haben. Das Chemnitzer Überfallkommando war bis in die späten Abendstunden mit der Wiederherstellung der Ruhe be schäftigt. politische jZunchchau Qeunches Reich Starke Erregung im Industriegebiet. In den Kreisen der 35 000 Angestellten im Industrie gebiet Nordwest macht sich in steigendem Maße die Ver bitterung darüber bemerkbar, daß der Reichsarbeits minister noch immer nicht über den Antrag der tarif beteiligten Angestelltenorganisationen entschieden hat. Dieser Antrag fordert die Einleitung eines neuen Schlichtungsverfahrens mit dem Ziele einer Revision des durch den staatlichen Schlichter gemein sam mit den Arbeitgebern gefällten Schiedsspruches. Die Verbitterung dere Angestellten erfahre eine weitere Steigerung durch die Notverordnung und schaffe eine Stimmung, die einer bedenklichen Radikalisierung der Angestellten den Weg bereite. Der Gesamtverband deutscher Angestelltenverbände hat darum den Reichsarbeilsminister nochmals dringend ersucht, die Entscheidung über den Antrag nicht mehr länger hinauszuschieben. Bayern gegen die Reichsreform. Aus der Tagung des Arbeitsausschusses „Reich und Heimat" warnte der bayerische Ministerpräsident Dr. Held die maßgebenden Instanzen, die Frage der Reichs reform aufzurollen. Der Kampf werde geführt um die Be herrschung der gesamten deutschen Finanz- und Wirt schaftskräfte von einer Zentrale aus. Es gebe nichts Demoralisierenderes als diese Art der Organisation. Wir hätten unser Finanzwesen verreichlichi und die Wirkung sei, daß die Verarmung des Volkes unter dieser Ver einheitlichung größer sei als vorher. So teuer seien dem deutschen Volk die Steuern noch nicht aus der Tasche geholt worden wie in der Gegenwart. Wer heute die Selbständigkeit der Länder antaste, sei ein Umstürzle r. Es bestehe der Verdacht, daß in den letzten Kabinetts- sitz ungen erwogen worden sei, ob man nicht im Rah men der Notverordnung die Reichsresorm in Angriff neh men sollte. Es habe aber doch keiner den Mut gefunden, die Reichsreform durch eine Notverordnung einleiten zu wollen. Aus In- und Ausland London. Dle Bank von England erhielt am Montag 1011000 Pfund «rund 20)4 Millionen Mark) tn Gold, das aus Deutschland gekommen sein soll. Man rechnet damit, daß m den nächsten Tagen weitere Goldverschiffungen aus Deutsch land eintresfen. Königsberg. Der Oberpräsideni der Provinz Ostpreußen hat die Zeitung Die schwarze Fahne tn Königsberg t. Pr. aus die Dauer von drei Wochen verboten. Das Verbot erfolgte wegen des Artikels „Wer ist der größere Betrüger?" Es handelt sich um den gleichen Artikel, um dessenttvillen der Berliner nationalsozialistische Angriff verboten wurde. Die Spionage tm Leunawert vor dem Reichsgericht. Die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Vor dem Vierten Strafsenat des Reichsgerichts be gann die Verhandlung des Leunaer Spionage prozesses. Angeklagt sind neun Personen. Die Angeklagten sollen in den Jahren 1927 bis 1930 in Saar brücken, Mainz, Ludwigshafen, Straßburg, Weißenfels, Hannover und in anderen Orten in fortgesetzten Hand lungen Schriftstücke und andere Gegenstände sowie Nach ¬ machen und dann verschwinden. Vielleicht für ein Jahr oder mehrere." „Nach Athen zurück?" fragte sie erschreckt. „Nein. In keines Menschen Dienst und Sold. Ganz frei und auf eigene Hand. Ich habe einen Freund in Ägypten. Mich verlocken Forschungsexpeditionen, Aus grabungen. Wer in Griechenland gelebt hat, kennt den Zauber dieser Dinge. Und wer einmal über die südlichen Meere fuhr, den verlocken die jenseitigen Küsten." Er spielte mit dem Zweig der Edeltanne, der auf der seidenen Stickerei zwischen roten Disteln lag; er strich über die grünweiße Innenfläche der Nadeln und schien in Gedanken weit fort zu sein von allem, was ihn umgab. Karen erblaßte. Aber sie faßte sich sogleich. „Gewiß ist die weite Welt verlockender als dieser stille Strand," versetzte sie. „Und Ihre Siebaths sind ja so vortreffliche Leute." „Ja," sagte er. „Wer Meerwarfen nach mir bekommt, soll es in gutem Zustande haben. Die weite Welt ist ein wenig unsicher. Man könnte zugrunde gehen irgendwie. Dann würde ein wohlversorgtes Erbteil in die Hand meiner Nachfolgerin hinübergleiten." „Sie haben seltsame und überflüssige Gedanken!" rief Karen unwillig. „Etwas so Furchtbares sollten Sie nicht mit Worten nennen." „Sie sind sehr uneigennützig, Gräfin Karen." Sie war blutrot geworden vor Groll. Warum das alles? dachte Gristede beklommen. Der Herzog erhob sich und brachte einen Toast auf die Hausfrau aus. Ihre Augen leuchteten. Ihr seidener Fächer ging beinahe kokett hin und her in den kleinen Händen, die heute fast ohne Runzeln zu sein schienen. Die Gäste erhoben sich. Hochaufgerichtet standen Karen und Gristede neben einander. Er fühlte ihre Nähe. Er zwang seine Augen fort von ihr. Es war gut so. Sie wußte nun, daß er ging. Aber fast haßte er sich dafür, daß er diesem schönen, blonden Geschöpf soeben einen spitzen Dolch in die zarte Brust gestoßen hatte. «Fortsetzung folgt.)