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Wilsdruffer Tageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend P°stb°ienÄÜ'^ Na»srund Dejchaftsstellen —— — U , U-ll nehmen zu jeder Z-tt Be> xx— Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlrcherseits bestimmte Blatt. ft-llun,«, entgegen. Im Falle höherer Lewa», Krieg oder sonstiger BelriedsstSrungen deftchl kein Anspruch aus Lieferung »er »ettung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandtcr Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Äürgertum, Äeamle, Angestellte u. Arbeiter. Fernsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 Tageblatt' erschein, an -Len Werktagen nachmittags s Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in 2 und den Ausgabesteüen 2 RW. IM Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,3» AM., bei Postbcftcllung Nr. 99 — 90. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Telegr.-Adr.: „Amtsblatt Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch, den 29. April 1931 Immer langsam voran! „Warum Venn etwas auf einfachem Wege machen, wenn es kompliziert auch geht!" — an diese heutzutage nicht mehr ungewöhnliche Redensart darf man wohl denken, wenn man Hörl, daß wegen der geplanten deutsch-österreichischen Zollunion — man kann auch sagen: gegen diesen Plan — noch ein dritter Ausschuß zusammentreten und verhandeln soll. Für den Völkerbundrat ist solch eine Behandlung angemeldet, für das vorher noch tagende Europakomitee hat der deutsche Außenminister jetzt schon das Gleiche verlangt und nun beißt es, daß auch noch jener K o n 1 r o l l a u s s ch u ß, der für die österreichische Völkerbundsanleihe von 1922 als Überwachungsinstanz gebildet war, aus einem englischen, einem italienischen und einem französischen Delegierten besteht, im übrigen bisher ein Dasein im Verborgenen führte, nun mit der üblichen Prüfung der Frage beauf tragt werden soll, ob denn der deutsch-österreichische Zoll plan mit dem damaligen „Protokoll vom Oktober 1922" zu vereinbaren ist oder nicht. Das wären dann also glücklich drei Instanzen, wozu aber gegebenen falls noch als vierte — die überhaupt allein ein wirkliches Entscheidungsrecht hat — der Internationale Schieds- gerichtshos im Haag treten würde, von dem die Berufung dann wieder an die Vollversammlung des Völkerbunds selbst gehen könnte. Da darf man dann auch wohl das bekannte englische Soldatenlied zitieren: „It is s. lang, lvo§ w Dipsrar^", was man hier am besten mit „Nur immer langsam voran . . .!" übersetzen kann. Weder Deutschland noch Österreich können und wollen jenen Kontrollausschuß in seinem Vergnügen stören, wenn er wirklich diese „Arbeit" des Nachprüfens in Angriff nimmt Denn was er dabei produzieren würde, gleich gültig ob es ein Ja oder ein Nein wäre, entbehrt jeder Rechtsverbindlichkeit. Und man geht wohl auch nicht ganz fehl in der Annahme, daß die Anregung zu dieser neue st en Zwischen Untersuchung aus Paris st a m m t, weil die englischen Kronjnristen die Nichtver- letzung des Protokolls von 1922 durch den Zollunionsplan und seine Durchführung sestgestellt haben sollen. Also wird schleunigst nach einem anderen Strohhalm gegriffen, besonders da man außer dem aus der sranzösisch-tschcchisch-polnischen Gegenseite ausdrücklich daran festhält, daß in Genf die deutsch-öster reichischen Vereinbarungen durchaus nicht nur vom juri stischen, sondern gerade und vor allem vom politischen Standpunkt aus behandelt werden sollen. Das hat der tschechische Außenminister Benesch vor kurzem in seiner vierstündigen Rede vor dem Ausschuß des Prager Parlaments wieder einmal scharf und wieder holt unterstrichen. Er hat aber noch viel mehr geredet. Aber er beschränkte sich nicht nur auf Kritik und Ab lehnung des deutsch-österreichischen Vorvertrages nebst der Einladung an die Tschechoslowakei, selbst dieser Zollunion bcizutreten. Auch der ist nicht der wichtigste Hinweis, die Rechte der Meistbegünstigung würden ebenso von fran zösischer wie tschechischer Seite auch gegenüber einer deutsch-österreichischen Zollunion geltend gemacht werden, weil und so lange die im Vorverträge vorgesehenen Zwischenzölle zwischen Deutschland und Österreich bestehen. Sondern Benesch produziert nun in Grundzügen auch den Gegenplan seines „großen Freundes" Briand. Die Beziehungen zwischen Paris und Prag sind ja jetzt sehr intim; gerade hat die Tschecho- flowakei eine Anleihe von 40 Millionen Dollar aus Frank reich erhalten und zum Dank dafür hat nun jene besondere Abteilung im Prager Außenministerium eifrig und brav gearbeitet, wo man mit größter Sorgfalt alles registriert, was irgendwie nach „Anfchluß" riecht. Dort ist so etwas Wie die Zentrale der Offensive, die man von Paris, Prag, Warschau aus gegen Berlin-Wien eingeleitet und energisch vorwärtsgetrieben hat. Mit dem Gegenplan sieht es im Hinblick auf die ihn behandelnden Darlegungen Beneschs aber mehr als dürftig aus. Es sind wirklich nur „olle Kamellen", die da ^gebracht werden: Präferenzzölle gegenüber den südost- eurypäischen Agrarstaaten — aber ohne Gegenkonzessionen auf industriellem Gebiete —, Verständigung zwischen den Industriestaaten über Nichterhöhung bzw. Angleichung der Zölle, zwischenstaatlicher Ausgleich in der industriellen Er- reugung und in der Absatzvcrteilung, dann Abbau der Alle von Bordeaux bis Bukarest und von Hammerfest Messina — kurz das gleiche, was unter dem Namen „Vereinigte Staaten Europas" nicht mehr ist 'und bei seinem ersten Schritt als „Zollwaffen- Mllstand" bekanntlich in Genf vollkommen hoffnungslos die Arine Peine brach. Wenn die Ausführung eines Wortes aus der Benefiz soll, „die Regierungen von Berlin . no Wien hab^ ein Recht darauf, zu verlangen, daß man a einer konstr^tivcn Weise an eine europäische Zusam- Aenarbe.it b.eran^ehe/ so ist der Gegenplan ungefähr das drÄr'Ett dieser Forderung. Und daran kann selbst eine „Behandlung" der deutsch-österreichischen Ver- ändern, weil man auf der Gegenseite BkkiÄeil Sie im MÄrHer TWIM HMMW m EWW MW NM »it dWMscne SßMslszenen. Das Rednerpult umgestürzt — Abbruch der Sitzung. <39. Sitzung.) Dresden, 28. April. Die Osterserien des Landtages sind vorüber: die Verhand lungen wurden heule mittag wieder ausgenommen. Zunächst liegt dem Landtage die Vorlage über den' Austausch von Land aus Anlaß der von der Stadt Dresden geplanten Errichtung einer neuen Großmarkthalte vor. Fmanzuunister Dr. Hedrich bat, da das Ergebnis der Verhandlungen als befriedigend bezeichnet werden kann, dem Abschluß dieses Tauschverlrages zuzustimmen, und zwar um so mehr, als mit der Genehmigung der geplanten Projekte eine große Anzahl von Arbeitern Be schäftigung finden wird. Abg. Siegert (Dnat.) wünscht Überweisung der Vorlage an den Haushallausschuß A mit dem Ersuchen um schleunige Erledigung. Dieser Antrag wird, angenommen. Weiler lagen eine Reihe von Etatkapileln zur Beratung vor, doch wurde bei den meisten nicht einmal der Bericht des Haus- haltausschusfes A erstattet. Die Abstimmung über die Kapitel Kunstzwccke, Sammlungen für Kunst und Wissenschast, Bota nischer Garten, Hauptstaatsarchiv, Oberverwaltungsgericht, Versorgungsbezüge, Alters- und Landeskulturrenlenbank, Ver- messungswcsen, Staalsbauschulen zu Dresden, Leipzig, Plauen und Zittau, Eichwescn, Veterinürwesen, Landeswettcrwarte, Landstallamt, Landwirtschaftliche Versuchsanstalten und Höhere Staatslehranstalt für Gartenbau zu Pillnitz wird in der näch sten Sitzung des Landtages erfolgen. Zu einer kurzen Aus sprache kam es bei dem Kapitel Staatszeitung, von der anscheinend noch nicht feststcht, ob man sie in ihrer bisherigen Form weiter leben lassen, oder einen organisato rischen Umbau mit ihr vornehmen soll. Die Fraktion der Deut schen Volkspartei will aus ihr ein amtliches Mitteilungs-, Ver- vrvnungs- und Jnformationsorgan des sächsischen Staates ge macht wissen. Ein sozialdemokratischer Antrag fordert Aufhebung der Verbote der Versammlungen und Umzüge in Leipzig und Zwickau. In gleichem Sinne liegt ein kommunistischer und ein national sozialistischer Antrag vor. Abg. Liebmann <Soz.) begrün det einen Antrag seiner Fraktion und betont, daß die Verbote eine starke Beeinträchtigung des in der Reichsversassung ge währleisteten Rechts aller Deutschen, sich ohne Anmeldung oder besondere Erlaubnis friedlich und unbewaffnet zu versammeln darstellten. Der Redner erhebt starke Vorwürfe gegen eine Reihe von Leipziger Polizeioffizicrcn, die häufig mit zweierlei Matz gemessen und die National sozialisten ofsensichtlich schützten. Abg. Breitenborn ,Kom.) behauptet, der Leipziger Po- lizeipräsidcut ziehe mit seinen Maßnahmen den Faschismus arotz Die ganzen Klagen der Sozialdemokraten seien nichts als Heuchelei. Die Polizei des sozialdemokratischen Polizeipräsi denten Fleißner sei gegen das Publikum wiederholt wie die Kosaken vorgegangen. . Trotz allen Dcmonstrationsverboten werde tue Arbeiter schaft am 1. Mai demonstrieren. Abg. Studen 1 kowski jNatsoz.) weist die Vorwürfe gegen die Leipziger Polizeioffiziere zurück. Als der Redner zum Schluß von Bürgerkriegsabsichten der Marxisten sprach und dabei erklärte: „Wir halten zwar nicht jeden Marxisten für einen Verbrecher, aber das wissen wir, daß jeder Verbrecher ein Marxist ist!", spielen sich Szenen ab, die in diesem Hause doch noch nicht dagewesen sind. Die Kommunisten Sindermann und Breitenborn stürzen auf den Abgeordneten Stu- dcnlkowski zu, packen ihn an der Gurgel, würgen ihn und Mcttig <Kom.) schlägt ihn ins Gesicht. Es begann dann ein Hin- und Hergezerre, ein Kampf um das Rednerpult, das schließlich mit großem Gepolter vor die Füße der Stenographen siel und die Treppe hinunter kollerte. Gleichzeitig wurde auch die Zuschauertribüne le bendig, es kam zu derart erregten Auseinandersetzungen, daß der Landtagspräsident Weckel die Sitzung aufhob und die Tribünen räumen liest. Zu diesen unerhörten Vorgängen nahm sofort der Ältesten- ausschuß Stellung. Kurz vor 6 Uhr eröffnet Vizepräsident Bretschneider die Sitzung und teilt mit, daß aus dem unkorrigierten Steno gramm des Landtages sestgestellt worden sei, daß der Abgeord nete Studentkowski sich schwerwiegender Beleidigungen gegen über einem Teile der Mitglieder des Hauses schuldig gemacht habe. Nach ß 50 Abs. 5 der Geschäftsordnung werde der Abg. Studentkowski von der heutigen Sitzung aus geschlossen, ebenso der kommunistische Abg. Sinder mann, der als erster auf den Abg. Studentkowski zu ging, und weiter auch der nationalsozialistische Abg. Schlegel, der angeblich als erster zugeschlagen haben soll. Vizepräsident Bretschneider betonte, daß mit solchen Mitteln der politische Kampf nicht weitergesührt werden könne und daß das Präsidium des Landtags in Zukunst mit den schärf sten Mitteln vorgehen werde. Auf Vorschlag des Altestenaus- schusscs wurde die Sitzung abgebrochen, ohne daß der Termin der nächsten Landtagsfitzüng festgelegt wurde. Reichstag im Ium? Auf Antrag der Sozialdemokratie. In unterrichteten parlamentarischen Kreisen nimmi man, wie berichtet wird, an, daß der Reichstag nun doch vor dem Herbst noch einmal zu einer kurzen Tagung zu sammentreten wird. Der von den K o m m u n i st e n vor einigen Tagen eingebrachte Antrag auf sofortige Ein berufung des Reichstages werde allerdings keine praktische Wirkung haben, da die Regierungsparteien und die Sozial demokraten entschlossen seien, diesen Antrag abzulehnen. Es sei aber anzunehmen, daß Mitte oder Ende Mai die Sozialdemokraten selbst einen Antrag auf Ein berufung des Reichstages stellen würden, der dann natür lich eine Mehrheit finden werde. Man glaubt, daß die bevorstehenden neuen Not verordnungen für die Sozialdemokraten die äußere Veranlassung zu diesem Schritt sein würden, da die neuen Notverordnungen Bestimmungen enthalten sollen, die, wie man behauptet, die Sozialdemokraten nicht hin nehmen könnten, ohne wenigstens den Versuch zu machen, sie durch eine Entscheidung des Reichstages zu beseitigen. Die Lage für sie Sozialdemokraten sei gegenwärtig sehr schwierig, da der sozialdemokratische Parteitag, der zum 31. Mai nach Leipzig einberufen worden ist, vor der Tür stehe. Auf diesem Parteitag werde die sozialdemo kratische Reichstagsfraktion ihre Haltung rechtfertigen müssen, ebenso wie die neun sozialdemokratischen Reichs- tagsabgeordneteu, die in der Panzerkreuzerfrage gegen ihre Fraktion gestimmt haben, ihre Gründe vor tragen würden. Der sozialdemokratische Parteivorstand werde daher, um der radikalen Stimmung in weiten Kreisen der Sozialdemokratischen Partei nachzugeben, auf Einberufung des Reichstages dringen. Man nehme an, daß der Reichstag dann im Juni zu einer kurzen, etwa einwöchigen Tagung zusammentreten werde. Für diesen Zusammentritt würden sich auch die Deutsch nationalen, die Nationalsozialisten und die Kommunisten erklären, vielleicht sogar auch die Vertreter der Wirtschafts partei und des Landvolks. * Das Zentrum für die Regierung. Sitzung der Zentrumssraktion des Reichstages. Der Vorstand der Reichstagssraktion des Zentrums hielt eine Sitzung ab, an der u. a. Reichskanzler Dr. Brüning sowie die drei Kabinettsmitalieder des Zentrums teilnabmen. Der Reichskanzler gab einen Überblick über die gegenwärtige Lage. In der Aussprache berichteten die Vorstandsmitglieder über ihre Erfahrungen im Lande. Die westdeutschen und schlesischen Abgeordneten teilten u. a. die dringlichen Wünsche der Bevölkerung in den West- und Ostgebieten mit. Lebhaft bedauert wurde, daß die Aussührunasbestimmungen vom Ost Hilsegesetz noch nicht erlassen seien. Die schwebenden agrarpolitischen Fragen waren Gegenstand sachlicher Erörte rung. Der Vertrag mit O st erreich wurde als im Interesse einer gesunden europäischen Ent- wacklnng liegend gebilligt. Nach der parteiamtlichen Mitteilung herrscht in allen be rührten Fragen völlige Übereinstimmung der Vor standsmitglieder mir der klar erkannten und zielbewußten Haltung des Reichskanzlers. Der Fraktionsvorstand wird am 20. Mai erneut zusammentreten, um in Fortsetzung der poli tischen Erörterungen die notwendiaen Maßnahmen zu beraten. Oie Michsiagssraktion der NGOAP. gegen die Notverordnung. Ermahnung an den Reichspräsidenten. In München fand eine Sitzung der vollzählig versam melten Reichstagssraklion der NSDAP, statt. Die Fraktion beschloß eine Erklärung, in der es u. a. heißt: Der Versolgungsfeldzug gegen die NSDAP. Hai nach Erlaß der Notverordnungen des Herrn Reichspräsidenten Formen angenommen, die jeder Beschreibung spotten. Die Retchstagsfraktion erhebi gegen diese unerhörten Verfassungs brüche vor der ganzen deutschen Öffentlichkeit einstimmig und feierlich Einspruch. Sie versichert und gelobt, nicht zu ruhen und zu rasten, bis diesem Terrorregiment durch Urteil des Volkes legal ein Ende gemacht wird. Sie ermahnt den Herrn Reichspräsidenten im Namen von Millionen unterdrückten und terrorisierten Deutschen, entsprechend seiner Pflicht die Grundrechte der Ver fassung gegen die Gesetzesbrüche der parlamentarischen Mehr heitskoalition zu verteidigen, oder aber, wenn er das nicht kann oder will, zurückzutreten und den Schutz seiner ehemaligen Wähler einem neu zu bestimmenden nationalen Reichspräsidenten zu überlasten. Vor der Kabrnettsenischeidung über die Agrarfragen. Amtlich wird mitgeieilt: „Das Neichskabinett nahm in seiner letzten Sitzung unter dem Vorsitz des Reichs kanzlers und in Anwesenheit des Reichsbankpräsidenten den Bericht über die Ergebnisse der gestrigen Verhand lungen zwischen den beleilialen Ministerien entgegen, die