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Wilsdruffer Tageblatt 2 Blatt. Nr. 89 - Freitag, den 17. April 1931 frieäe! Du, Friede, bist das höchste Gut: Der Mensch erkämpft dich nur durch Mut, Durch ernste Hebung bitt're Pflicht, — Er hat dich, und fein Auge bricht. Natur! Wie anders ists bei dir! Wie weilt der Friede ewig hier, Wie senkt er seinen Hermesstab Auf dich, du ewig offnes Grab! Verwesung, wo mein Auge späht. Und Leben, wo mein Atem weht; Der Fels verwittert: samtnes Moos Ringt sich auf ihm zum Aether los. An längst zerbröckeltes Gestein Schlingt sich des Efeus Grün hinein, Und wo der See den Quell verschlang, Furcht jetzt der Pflug das Tal entlang. Ein glücklich Hüttchen ragte dort, Der Bergstrom riß es mit sich fort; Und an des Stroms verlass'nem Lauf — Da baut man neue Hütten auf. Und schaust du auf den Kirchhof nun, Wo dieses Dorfes Ahnen ruh'n: Was zittert ums Gemäuer hin? Wie schon auf Gräbern Blumen blüh'n! Betrübt es dich? Wie mag es nur? Ein Friedensring ist die Natur. Betrachtend, wie er ewig kreist, Erhebe sich des Menschen Geist. An aller Wesen Lust und Schmerz Vertröste sich des Menschen Herz — Und schlage liebend sonder Ruh' Dem Ozean der Gottheit zu. E. v. Feuchtersleben. Kür und wider das Volksbegehren. Die Beschwerde gegen das Verbot der Stahlhelmzeitung. Die vom Verlag des Stahlhelm bevollmächtigten Rechts anwälte Schaper-Magdeburg und Everling-Berlin haben zur weiteren Begründung der von dem ersten Bundesführer er hobenen Beschwerde gegen das Verbot des Bundesorgans des Stahlhelm dem Berliner Polizeipräsidenten eine eingehende Begründung zukommen lassen. Die Begründung der Be schwerde setzt sich mit den Einzelvorwürfen auseinander und bemerkt, daß die fraglichen Stellen sämtlich Weltanschauungs- Unterschiede und deren Auswirkung kennzeichneten; wollte man deren Darlegung zum Verbotsgrund machen, so käme das aus Verbot bzw. Bestrafung der einer augenblicklichen Regierung nicht genehmen Weltanschauung hinaus. Damit aber habe jeder geistige Kampf der Weltanschauungen ein Ende. Preußische Regierung und Volksbegehren. Die Praxis der preußischen Staatsregierung bei der Durch führung des Volksbegehrens wird von zuständiger preußischer Stelle nochmals wie folgt umrissen: Die Tät.gleit der preu ßischen Regierung könne nach allen Richtungen hin kritisiert werden. In zwei Punkten aber werde die preußische Regierung alle verfassungsmäßig und rechtlich vorgesehenen Möglichkeiten erschöpfen: dazu gehörten einmal alle Fälle, in denen der Staatsregierung lanvesverräterische Arbeit vorgeworfen werde Und zum anderen die Fälle in denen behauptet werde, daß die Mitglieder der Staatsregierung für ihre eigene Tasche ar beiteten. Anspruch Dingcldeys gegen mißbräuchliche Polizcimaßnahmcn. -^ie Nationalliberalc Korrespondenz teilt mit: Der Partci- silhu-r der Deutschen Volkspartei. Abgeordneter Dingeldeh, Hai alsbald nach seiner Rückkehr nach Berlin .in Telegramm 'N den Reichskanzler Dr Brüning gerichtet, m dem er nach brücklickst Einspruch gegen die Polizeimaßnahmen erhebt die sich aeaen Wortlaut und Sinn der Notverordnung richten. Wenn die Praxis der preußischen Behörden sich nicht ändern soll e würden politische Komplikationen unausbleiblich sein. Unruhen in Spanien Kein Thronverzicht König Alfons'. Die Fahne der Republik auf dem Königsschlotz. Der Weiterentwicklung der Dinge in Spanien steht man mit einiger Besorgnis entgegen. Der Kampf um die Republik hatte eine gewisse Einigkeit geschaffen zwischen den Sozialisten und den bürgerlichen Republi kanern, aber jetzt, nach erreichtem Sieg, scheinen die radi kalen Elemente sich gegen die gemäßigten zu wenden, um der p o l i t i s ch e «'Revolution eine soziale folgen zu lassen. Auch die K o m m u n i st e n regen sich, und es kommen bereits aus verschiedenen Orten Nachrichten über blutige Unruhen. Eine dritte Gefahr ist die einer Zer splitterung der Bewegung durch separatistische Ten denzen, die die Gründung einer eigenen Republik Kata lonien erstreben. Die republikanische Fahne auf dem Königsschlotz. Auf dem königlichen Palais in Madrid brachte die Feuerwehr ein großes Plakat an mit der Auf schrift: „Volk, respektiere dieses Gebäude, denn es gehört dir." Daraufhin wurde das königliche Wappen mit der republikanischen Flagge überdeckt. Gleichzeitig ging auf dem königlichen Palais die republikanische FlaggeindieHöhe. Drei große Staatsprozesse. Der erste vollzählige Ministerrat der neuen Regierung hat beschlossen, sofort drei Prozesse über die Verant wortlichkeit der Monarchie anzustrengen. Bei dem ersten handelt es sich um die katastrophale mili tärische Niederlage in Melilla im Jahre 1921, die dem Laude über 10 000 Menschenleben gekostet hat. Der zweite Prozeß richtet sich gegen die Handlungen sämtlicher Mitglieder der Diktatur Berenguer, der dritte bezweckt die Revision des Kriegsgerichtsurteils über die Revolte von Jaca. Die Abschiedskundgebung Alfons' XIU. Der Wortlaut der Abschiedskundgebung Alfons XIII. an sein Volk ist jetzt eingetroffen. In ihr heißt es: „Die Wahlen zeigen mir klar, daß ich heute die Liebe meines Volkes verloren habe. Meine Über zeugung sagt mir, daß diese Abneigung nicht end gültig ist, weil ich alles, was ich tat, im Dienste Spaniens tat. Ich bin König aller Spanier und selbst Spanier. Ich hätte verschiedene Mittel anwenden können, um die königlichen Vorrechte zu behalten und meine Gegner wirksam zu schlagen. Aber ich möchte alles vermeiden, was meine Landesgenossen gegeneinander in einen Bruderkrieg Hetzen könnte. Ich verzichte auf keines meiner Rechte, denn sie ge hören mir nicht allein, sondern sind ein durch die Ge schichte zusammengetragenes Depot, und ich werde eines Tages genaue Rechenschaft über ihre Erhaltung abzu- leaen baden. Die erste Fahne der Republik in Madrid. Ein Bildtelegramm, das ein Madrider Straßenbild vom Tage der Revolution übermittelt: die erste Fahne der soeben ausgerufenen Republik wird entfaltet. Bis das Volk gesprochen Hal, gebe ich die Ausübung der königlichen Gewalt aus und entferne mich aus Spa nien, um dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß das Volk alleiniger Herrscher über sein Geschick ist." Das Königspaar in Frankreich. Der Kreuzer „Principe Alfonso", aus dem sich König Alfons eingeschifft hatte, traf in Marseille ein. Die Vertreter der Präfektur und andere hochstehende Per sönlichkeiten erwarteten den König. Der König bestieg sofort ein Auto und begab sich ins Hotel. Die Königin ist in Paris eingetroffen. Auch sie wurde von zahlreichen Freunden und Anhängern begrüßt und war Gegenstand einer herzlichen Ovation. Tas könig liche Paar hat in einem Hotel ein Stockwerk für sich ge mietet. Wie verlautet, soll die Königin ihren Kronschmuck, der auf etwa 250 Millionen Frank geschätzt wird, mitgenommen haben. Dieser Schmuck besteht aus einer Krone in Gold und einem goldenen Diadem, das mit Diamanten besetzt ist und gelegentlich großer offizieller Zeremonie getragen wurde. Kein Thronverzicht. Der Sonderberichterstatter einer französischen Zeitung hatte im Zuge nach Paris mit der Königin von Spa nien eine Unterredung. Die Königin, die durch die letzten Ereignisse stark mitgenommen schien, erklärte immer wieder, daß sie die Umwälzung als ein furchtbares Er eignis ansehe. Wenn der König aber Widerstand geleistet hätte, so würde man sicherlich die ganze Familie ermordet haben. Die Königin wandte sich energisch gegen die Behaup tung, daß König Alfons auf den Thron verzichtet habe. Er habe weder verzichtet noch überhaupt die Regierungs- geschäftc übergeben, sondern er sei einfach abgereist. Große RegürungSsorgen. Aus Barcelona, wo der 24stündige Proteststreik von den Arbeiterführern abgeblasen worden ist, wird gemeldet, daß in den Provinzen schwere kommunistische Unruhen ausgebrochen sind. In Malaga wurde das Gebäude der freikonservativen Zeitung „La Union Mercantil" von der Volksmenge angezündet und die Maschinen vernichtet. In Ruelva ereignete sich ein Zusammenstoß zwischen Kommu nisten und der Polizei, bei dem ein Arbeiter getötet und mehrere verletzt wurden. In Sevilla ist der Belagerungs zustand erklärt, um weitere Störungen durch kommuni stische Elemente zu verhindern. Der Kriegsminister gibt die Ernennung des Flieger majors Franco zum Chef der Abteilung „Militärflug wesen" im Kriegsministerium bekannt. Gleichzeitig wer den sämtliche ausgewiesenen früheren Offiziere auf gefordert, wieder bei ihrer Waffe anzutreten. Gtne basttsche Repudltl. Dem Beispiel von Katalonien folgend, haben sich die baskischen Provinzen zur selbständigen Republik erklärt mit einer eigenen Verfassung, die sich aus ihre historischen Privilegien stützt. Aus -er Flucht. Prinzen und Hoch adel verlassen Spanien. Die letzten Mitglieder des königlichen Hauses sind nunmehr ins Ausland abgereist. Nur die Infantin Isa bella, eine Tante des Königs, ist in Madrid zurückgeblie ben, da sie krank ist. Auch der spanische Hochadel schickt sich an, das Land zu verlassen. Der Drang, von Madrid sortzukommen, ist so stark, daß die Schlafwagen bereits aus Tage hinaus ausverkauft sind. Hand in Hand mit dieser Flucht aus Madrid gehen die Abhebungen an den Banken die einen derartigen Umfang angenommen haben, daß die Geldinstitute zeitweise nur ein Viertel der verlangten Beträge auszahlen konnten. Urbeberscüutr ckurcU L. -XckermLnn, Komsnreatrsle Ltuttxsrt. 25f Ich lasse Sie rufen, lieber Rainer." Langsam ging er hinaus. Draußen hielt er sich den Kopf. So ungefähr hatte er sich die Sache mit Evelyn ge dacht: daß er nun noch hier den Trottel abgabl Na, er hatte die wunderschöne Rolle übernommen, so wollte er sie wenigstens auch zu ende führen. Wenn es ihm doch gelänge, Evelyn zu bewegen, Rainers Frau zu werden. Er wfjro rechte Mann für sie. Dann hatte er, Jackson, wenigstens Ruhe. Vorsichtig steckte er den Kopf zur Tür hinein. "Evelyn, bist du hier?" fragte er. bekam keine Antport, doch er hatte sie erspäht. Leise zog er die Tür hinter sich zu. Evelyn lag auf einem herrlichen Tigerfell. Ein Schluchzen schüttelte sie. D« wußte Jackson, daß Evelyn sich in einem schweren K<"nps befand- sie weinte sonst nie. "Evelyn!" Das Mädchen hob das verweinte Gesicht. Dann stand sie langsam auf. Er war ihr behilflich. „Evelyn, Mister Rainer hat bei mir um deiüe Hand angehalten. Was soll ich ihm antworten." An Evelyns Wangen erstarrten plötzlich die Tränen, ^reilwn haste und verabscheue, daß ich ihm nie ^Stuic^ er mich mit anderen Frauen auf er aar er brauNu^ glaubt er von Mir? Und jetzt denkt wartet? Wenn d kommen! Ich hätte darauf ge- bättekt du dick n ck? H wirklich lieb hättest, Papa, dann Gemacht." Vermittler dieser Gemeinheit Jetzt wurde es Jackson wirklich zu viel. „Sag mal, Evelyn, seit wann ist denn das eine Ge meinheit, wenn ein ehrenwerter Mann einer Frau einen Heiratsantrag macht?" Evelyn krampfte die weißen Hände ineinander. „In diesem Falle doch. Denn du vergißt, daß es Be rechnung von ihm ist. Er ist arm und es ist da wohl kein Opfer für ihn, wenn er dein einziges Kind heiratet. Zu dem, ich muß für die Ehre danken, mich mit jener Gru benschönheit in meinen Mann zu teilen." „Aha, das ist es." Der Grubenkönig bekam einen roten Kopf und machte sich selbst die unglaublichsten Grobheiten, weil er es gewe sen war, der Evelyn die Sache hinterbracht hatte. Zudem, er hatte nicht einmal einen Beweis dafür gehabt. Er schüttelte den Kopf. „Liebe Evelyn, so ist das nicht. Sollte er wirklich etwas mit der schwarzhaarigen Hexe gehabt haben, jetzt wird er so etwas nicht fortsetzen, da kenne ich 'hn zu gut. Und was das andere anbetrifft, das stimmt auch nicht. Berechnung ist das nicht. Sieh, Evelyn, deine Mutter war auch arm. Eine deutsche Offizierswaise. Ich hab' nicht fünf Minuten lang gedacht, daß es Berechnung sein könn te, als sie mich nahm, weil ich der reiche Jackson und dabei sehr häßlich war. Wir haben sehr glücklich gelebt." Er stockte. Es würgte ihm etwas in der Kehle. Evelyn trat zu ihrem Vater. Still legte sie den blon den Kopf an seine Schulter. Er streichelte sie. „Evelyn?" Da wußte Evelyn, daß sie einen Herzenswunsch ihres Vaters erfüllte, wenn sie Rainer zum Mann nahm. Ihr alter guter Paulus täuschte sich nie in einem Menschen. Er würde auch diesmal recht behalten. Leise sagte sie: „Er soll kommen, Vater." 10. Kapitel. Rainer ging unruhig im Zimmer auf und ab. Wie würde Evelyns Antwort lauten? Es konnte ja nie sein. Und wenn? Rainer fiel es plötzlich wie Zentnerlast auf die Brust. Etwas Unrechtes stand zwischen ihm und Evelyn. Wie verächtlich mußte er sich in ihren Augen machen, wenn er ihr jetzt offen bekannte, wer er war. Würde sie ihn dann nicht doch für einen Abenteurer und Glücks sucher halten, für einen von denen, die sie so sehr verach tete? Sie würde ihm nicht glauben, daß er freiwillig drü ben seine Zelte abgebrochen, daß nichts Unehrenhaftes ihn gezwungen hatte, die alte Heimat zu verlassen. Und wem war denn überhaupt damit geholfen, wenn er den Schleier lüftete? Jackson liebte den einfachen Mister Rainer doch wie einen Sohn! Und wenn Evelyn ihn liebte, würde er das Glück fassen können? Doch es war ja ausgeschlossen. Er warf den Rest seiner Zigarette zum Fenster hin aus. Wieder lief er im Zimmer auf und ab. Da klopfte es und auf sein „Herein" trat ein Diener über die Schwelle. „Mister Rainer wird von den Herrschaften im Salon erwartet," sagte er mit tiefer Verbeugung. Alles Mut schoß Rainer zum Herzen. Er krampfte die Hand um die Stuhllehne. „Es ist gut, ich komme," sagte er endlich so ruhig, als es ihm irgend möglich war. Schweigend ging der Diener hinaus. Hastig kleidete Rainer sich mit Hilfe seines Kammerdieners an. Endlich war er fertig. Er sah noch einmal in den Spiegel. Man sah ihm die innere Aufregung nicht an. Nur seine Hände waren heiß und in den Augen zuckte fiebernder Glanz. Mit raschen Schritten ging er davon. Der Diener öffnete weit die Tür zum Salon. Rainers Figur überragte Jack son, der ihm entgegenkam und ihm die Hand reichte. Rai ners Augen aber brannten auf dem blassen Gesicht Eve lyns, hingen an dem kleinen Munde. Ein paar Schritte und er stand dicht vor ihr. „Evelyn, ich liebe Sie mehr als mein Leben, wollen Sie meine Frau werden?" Die blauen Mädchenaugen sahen ihn an. Ernst, for schend. „Ja, mehr als mein Leben", wiederholte er. (Fortsetzung folgt.)