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Wilsdruffer Tageblatt 2 Blatt Nr.6S - Mittwoch, üe«18. Marz 1931 Am Ziel. Ich hab nichts mehr zu tragen, Weil alles mir vom Herzen fiel. Ich weiß von Rad und Wagen Nichts mehr, ich bin am lieben Ziel. Ich soll nun weilen dürfen Wo Sehnsucht vor mir lang geweilt, Dom reinen Tranke schlürfen, Zu dem ich lechzend hergeeilt. Nicht mehr ein Mühegeben In einem fort und überall! Nicht Da-sein nur, nein Leben Da, wo mein Leben ist im Al! Kardinal Masst 1*. Zwölf rote Hüte sind frei. Kardinal Pietro Maffi ist in Rom gestorben. Maffi ist am 12. Oktober 1858 geboren und im April 1907 zum Kardinal kreiert worden. Er stand dem italienischen Königshause besonders nahe. Maffi hatte auch die Trauung des italienischen Kron prinzenpaares in Rom vollzogen und wurde dafür mit dem italienischen Annunciatenorden und mit dem Groß kreuz des belgischen Ordens .Leopold II. ausgezeichnet. Karvinal Maffi -st. Maffi war Mitglied der Zeremonialkongregation der Kurie und unter anderem auch Präsident der vatikanischen Sternwarte. Mit dem Lode Maffis sinkt die Zahi derKardinäleaus58 (davon 30 Ausländer). Zwölf rote Hüte sind also frei. Es verlautet, daß Pius XI. in einem nach Ostern abzuhaltenden Konsistorium das Kar dinalskollegium wieder ergänzen will. Von den von Pius X. kreierten Kardinälen sind nach dem Tode Maffis nur noch zehn am Leben. Kultusminister und B. D. A. Finanzielle Ausfälle infolge des Schulerlasses. -> Frühjahrshauptausschußsitzunq des Vereins für das Deutschtum im Auslande stand im Zeichen gesteigerter An- forderungey von draußen und Nachlassen der finanziellen Er gebnisse stn Reich. Der Vorsitzende, Freiherr bon dem Bussche- Haddenhausen mußte ein beträchtliches Nachlassen der finanziellen Ergebnisse gegenüber dem Vorjahre Mitteilen. Ungefähr 700 000 Mark 'M vergangenen Jahre ausgefallen, und zwar vor allem »urch den zsi sehr ungünstiger Auswirkung gelangten Erlaß "ks Preußischen Unterrlchtsministcrs. Begrüßenswert seien die Erklärungen des Kultusministers Trimme, die die Bestrebungen des V. D. A. für eine An- «elegenbeii ves ganzen Volkes erklären und die Politik und Schule Minister Grimme über Erziehungsfragen. n. Berlin 17 März. Der Preußische Landtag beschäftigte sich um dem Haushalt des Kultusministeriums Vom Ausschuß liegen Beschlüsse vor, oie u a stärkere Vermittlung der Kenntnis der deutschen Grenzmarken in den Schulen. Ausbau der preußischen Hoch schulen, Beibehaltung der Reifeprüfung und Vorbereitung eines neunten Volksschuljahres sowie Maßnahmen gegen die Verächtlichmachung der Kirchen und Förderung der Landschulen verlangen. Kultusminister Dr Grimme spricht über die Abhaltung von Reichsgründungsseiern In den preußischen Schulen. Er betont, daß zwar kein all gemeiner Runderlaß aus solche Feiern an die Schulen ergangen sei. Aber die Schulen hätten schon aus der Flaggenanordnung und aus der Tatsache der Teilnahme der preußischen Minister an den Berliner Feiern entnehmen müssen, daß sie selbstver ständlich in irgendeiner Art dieses Tages gedenken müßten Es stehe außerhalb aller Parteipolilik, daß die Reichsgründung ein bedeutsames Ereignis der deutschen Geschichte war Ein selbstbewußter Staai werde auch keine Sorge um seinen Bestand haben, wenn er den Kräften der Tradition und der Leistung der Vergangenheit Respekt erweist. Der Zwischenfall in Frankfuri a d O gehe auf Kompetenzstreit zwischen der dortigen staatlichen und der städtischen Schulverwaltung hin aus. Zur politischen Betätigung der Schüler erklärt der Minister, daß sich zwischen Schulleben und übrigem Leben keine Brandmauer ziehen lasse Keiner politischen Richtung werde es gelingen, die Politik wieder aus der Schule binauszukomplimentieren Mehr als früher sei die Schule heule gegenüber der Jugend nur eine formende Kraft und sogar die schwächere neben 'Elternhaus, Presse, Bünden, Kameradschaft Straße usw Deshalb dürfe der Lehrer zwar den Schülern nicht nach dem Munde reden Die Politik habe aber in der Schule überall da ein Daseinsrecht, wo sie zum Mittel der politischen Urieilsbildung benutzt werde, nicht aber zur politischen Beeinflussung Hierbei komme alles aus den Taki des Lehrers an Er siehe zu dem Erlaß des früheren Ministers Bülitz wonach der Lehrer politische Probleme mii den Schülern so besprechen soll, daß er sie von verschiedenen Seilen unparteiisch vorführ! und die Schüler mit allen beacht liehen Antworten und Lösungen bekannt gemacht, nicht nur mu seinem eigenen Werturteil Das Zeitalter der politischen Un duldsamkeit könne genau so überwunden werden, wie wir aus der religiösen Unduldsamkeit des 17 Jahrhunderts heraus- gewachsen sind Als Mittel zu diesem Zweck gehöre die Politik auch in die Schule über das Verhältnis von Politik und Hochschule führt der Minister u a aus, daß es immer nur kleine Gruppen von Studenten waren, die gehetzt, gelärmt und sich unqualist zierbar rüde benommen hätten Die große Masse der Studcn- rerucycur pepe oyne Zweifel dem unverantwortlichen Treiben einer Minderheit innerlich fern und sorge lieber für eine Klärung des Gehirns durch ernstes Studium, als daß sie eine Politik der losen Schnauze treibe Sowohl der Polizeiminister wie er empfänden tiefste Beschämung darüber, daß deutsche Wissenschaft dem Auslande das Schauspiel gibt daß der Gummiknüppel gegen randalierende Studenten eingesetzt werden muß Wir sollten uns. gleichgültig, wo wir politisch stehen, mit den Hochschullehrern und dem besten Teil der akade mischen Jugend in eine Front einreihen, um zu erreichen, daß unsere Hochschulen wieder inmitten der politischen Verwilde rung eine Insel der Sachlichkeit und eine Hochburg für die Freiheit des Menschen vom Fluch und von der Last der Vor urteile werden In der allgemeinen Aussprache wendet sich Abg. Meyer- Magdeburg iDtn.) gegen die Ausführungen des Ministers. Heute wisse kein Schulleiter mehr, ob er nationale Feiern veranstalten dürfe oder nicht. Abg König.iSoz.f betont, daß man die Schule heute doch nicht einfach von der Politik abschneiden könne Der Redner billig! den Plan aus Verkürzung der Schulzeit für die höhere Schule und wünscht schärfere Auslese sowie Abbau des über handnehmenden Berechtigungswesens. Abg Tr Lauscher iZtr.) meint, die Anträge der Kommu nisten aus völlige Trennung von Staat und Kirche, Aushebung des Konkordats mit Bayern und des Gotteslästerungspara graphen zeigten, daß es sich hier um einen Kulturkampf' größten Ausmaßes handle. Was anderen Menschen heilig sei, dürfe von der äußersten Linken nicht mit Kot beworfen werden. Das zügellose Treiben der Freidenkerverbände könne nicht weiter geduldet werden. Abg. Dr. Ausländer tKomm.) weist die Aussührungen des Vorredners gegen kommunistische Freidenkerorganisationen schars zurück. Wegen des Ausdrucks „ZenlrumSpfafsen" wird er zur Ordnung gerufen. Ein rechter Christ könne zwar keinen Kommunisten leiden, aber die fetten Aufträge Rußlands nehme man an Abg. Dr. Bülitz (D. Vp.) vermißt m der Rede des Ministers die Erörterung der sozialistischen Kulturpolitik Die nunmehr einjährige Tätigkeit des Ministers Grimme habe im Volke große Unruhe hervorgerufen Das gelle besonders von dem Plan aus Abschaffung der Reifeprüfung und Abbau der neun- lährigen höheren Schule Man solle nicht unnötige Experimente machen Nicht durch Lockerung der Anforderungen, sondern durch wirkliche Siebung müsse die höhere Schule dem gesteiger- len Massenbesuch gerecht werden Der Minister müsse dafür sorgen, daß die antireligiösen Tendenzen nichi in die Schule Hineinkommen Der Redner verlangi Zurückziehung des Er lasses beireffs Verbales von Schutsammlnngen für den Ver ein für das Deutschtum im Ausland und Aushebung des Kolonialerlasses. Daraus wird die Weilerberamng auf Muiwoch, !2 Uhr, vertagt Außerdem Abstimmungen. Vertrag mu der Volks bühne, Berliner Gesetz. alllve Betätigung der Jugend an der NDA.-ArbeU pädagogisch als ein Positivum bezeichnen Um aber alte Mißverständnisse zu beseitigen und die frühere volle Auswirkung der Schul tätigtest wieder zu erreichen, halte es der V D. A. für nötig, daß der Erlaß selbst eine solche Fassung bekomme, daß keine Zweifel mehr möglich seien. Oie Ursachen -es belgischen Todesnebels. Bericht der wissenschaftlichen Untersuchungskommission. Die wissenschaftliche Kommission, die die Ursachen des Lütticher Giftnebels aufklären sollte, hat ihre Arbeiten zum Abschluß gebracht. Aus dem Berichte, den sie jetzt dem Ministerium unterbreitet hat, gehl hervor, daß die Nebel katastrophe auf das A tsströmcn von giftigen Gasen aus den im Maaslal befindlichen Hütten und chemischen Werken zurückzufübren ist. Entgegen den gesetzlichen Be stimmungen hatten die Werke nicht für die Unschädlich machung der Gase Sorge getragen. Infolge der starken Feuchtigkeit wurden die Gase zu Boden gedrückt. In Ver bindung mit dem Nebel haben sie dann die giftigen Wir kungen verursacht. Bomben zu „NemonstraSionszwecken". Explosion vor einem Belgrader Ministeriumsneubau. Vor dem im Bau befindlichen Gebäude des Ministe riums für öffentliche Arbeiten in B e l g r a d ereignete sich eine Explosion. Nachforschungen ergaben, daß ein Paket mit Sprengstoffen auf einen Haufen von Baumaterialien gelegt worden war. Etwa 200 Meter davon wurde ein weiteres Paket mit Sprengstoffen aufgefunden. Den Er mittlungen der Polizei gelang es dann, in einer Ent fernung von weiteren 100 Metern ein drittes Paket mit Sprengstoffen zu finden. Dieses Paket wurde einem Sach verständigen, dem Major Relakowij, zur Unter suchung vorgelegt. Dabei explodierte der Sprengstoff, so daß der Major schwere Verletzungen erlitt. Neben dem dritten Paket wurde auch eine Tasche gefunden, mit der die Sprengstoffe herbeigeschafft worden waren. Materialschaden ist nicht entstanden. Man nimmt an, daß die Täter einen „Anschlag zu Demonstrations- zweüen" geplant hatten. Sericht Der die Katastrophe des LuMiffes „A. 101". Das vorläufige Untersuchungsergebnis. Der „Daily Herald" veröffentlicht den authentischen Inhalt des Untersuchungsberichtes über das Unglück des englischen Luftschiffes „R. 101", der Bericht selbst soll erst in einigen Wochen der Öffentlichkeit übergeben werden. Es wird sestgestellt, daß den Luftfahrtminister keine Schuld an dem Unglück treffe. Auch der Führer des Luftschiffes, Irving, habe alles getan, um das Unglück zu MeLochteedes^pielers Noman von Anny von Panhuys. 31. Fortsetzung Nachdruck verboten von Nora von Stern am Tisch ? Nora faßen die Kinder, damit ße die.Clemen beim Frühste bedienen konnte. Der Graf trank einen schluck Kaffee, erklärte dann: „Ich werde mor gen nach Parrs reisen, ny hort zu tun, doch bleibe ich nur einige Tage fort. Nora von Stern wunderte sich ^in wenig. Schon wieder reiste der Graf nach Er war doch erst im Juni dort gewesen. Soviel sie wußte, vcwß er in Paris keine so beson ders große Geschäftsvervmoungen, er selbst Hinreisen mußte. Doch sie wagte nicht, ihn zu befragen, es war leider nicht so leicht, an seine Verschlossenheit heranzukommen. Vor seiner Ehe und auch während derselben sprach er oft über Geschäftliches vor ihren Ohren, setzt aber, seit seine Frau gegangen, hatte er meist so Schweigen. Sie fürchtete sich manchmal davor da^ mißmutig, sie hatte sich wohl doch ein unerreichbares Ziel gestellt, der Graf würde sie niemals fragen, ob sie seme Frau werden wollte. Aber schließlich tröstete sie sich immer wieder damit, ihr fester Wille mußte siegen. Sie wollte weiter vorbildlich die Kinder betreuen, vor bildlich das Hauswesen leiten nnd so. huvsch wie möglich ausschen; eines Tages, wenn er die Enttäuschung mit der jetzigen Frau Pierre Dinants ein wenig überwunden, wür- Et seine Augen klarer blicken und erkennen, wie sehr sie sich zur Mutter seiner Kinder eignete. Die Heirat des be- Sangers mit der geschiedenen Gräfin von Brietz- kow hatte za m vielen Blättern gestanden. und ^sagt, morgen früh," fuhr der Graf fort, Sie ia sobald es mir möglich ist. Ich brauche I ) zu bitten, besonders auf die Kinder acht zu geben während meiner Abwesenheit, denn Sie lieben ja die Kleinen, davon habe ich mich längst überzeugen können." Nora empfand Herzklopfen vor Ueberraschung und Zu friedenheit. Also beobachtete er ihr Verhalten zu den Kin dern doch ganz genau. Ihr Mut reckte sich nach dem Lob auf wie eine schon ein wenig matt gewordene Blume nach erquickendem Regen. Am nächsten Tage reiste Lothar von Brietzkow ab und knapp eine Woche darauf war er wieder zurück. Am näch sten Tage wurde von Mainz eine große Kiste gebracht und Nora fragte sich verwundert, was wohl darin sein könne, denn sie wurde in einen der Parterreräume gestellt, und als sie einmal flüchtig hineinschaute, sah sie an den Aufschriften und Zollvermerken, die große Kiste kam aus Paris. Es mochte irgendein Möbelstück oder eine umfangreiche Uhr darin fein. Sonderbar fand sie es aber, daß der Graf mit keinem Wort die Kiste berührte, deren Transport er selbst geleitet zu ha ben schien. In der Nacht war es ihr, als höre sie draußen auf dem Gang mehrmals verhaltenes Schreiten. Sie wagte es, ganz leise ihre Tür zu öffnen und da sah sie den Grafen, der eine Gestalt im Arme trug. Sie biß sich krampfthaft auf die Lippen, um den Schrei des Erstaunens und Erschreckens zurückzuhalten, der sich aus ihrer Kehle lösen wollte. Wen trug der Graf auf den Armen in den wunderschönen Salon seiner geschiedenen Frau? Es war eine weibliche Gestalt, soviel hatte sie erkennen können auf dem nur schwach beleuchteten Gang. Sie war ganz wirr. Wen trug der Graf nachts auf seinen Armen in den Salon, darin sich die blonde Frau so gerne aufgehalten? Oder hatte ihr die Phantasie einen Streich gespielt, war es gar keine Gestalt gewesen, die er getragen, sondern ein Gegenstand, der in der Stille der Nacht und der unzuläng lichen Beleuchtung die Umrisse einer weiblichen Gestalt an genommen? Am nächsten Morgen glaubte sie zuerst geträumt zu haben. Sie wartete dann beim Frühstück ab, ob der Gras irgend etwas sagen würde, doch vergebens, er war wie immer, nur schien es ihr, als ob seine Gedanken nicht ganz in seiner Umgebung weilten. Gewöhnlich unterhielt er sich nach dem Frühstück immer noch ein Weilchen mit den Kindern, heute aber hielt er sich kaum auf, und als Nora ein wenig spio nierte, sah sie ihn in dem Zimmer verschwinden, in das er gestern nachts mit seiner Last gegangen. Sie hatte die Kinder der Obhut ber Pflegerin übergeben und suchte nun vor allem den Raum auf, in den gestern die große Kiste gebracht worden war. Richtig, es war der Inhalt der Kiste gewesen, den der Graf nach oben geschafft, als er alle in der Burg schlafend wähnte, denn die Kiste war jetzt geöffnet. Der Graf hatte das wohl selbst getan, Zangen und Hümmer lagen noch an der Erde. Die Kiste mußte kostbaren Inhalt gehabt haben, man sah es an dem guten weichen Verpackungsmaterial. Eine große Neugier bemächtigte sich Noras und als der Graf gegen Mittag in den Ort hinunterging, beeilte sich Nora, den Salon, der Ditas Prunkgemach gewesen, aufzu suchen. Sie blickte sich suchend darin um, doch bemerkte sie keinen Gegenstand, der neu hinzugekommen wäre. Das Zim mer befand sich in dem Zustand wie immer. Sie ging neben an in das Schlafzimmer. Auch darin war nichts verändert worden. Sie faßte sich an die Stirn, sie konnte doch keine Hal luzination gehabt haben, zu deutlich hatte sie doch den Gra fen gesehen mit seiner Last, die einer weiblichen Gestalt glich- Am nächsten Abend beim Nachtessen sagte Lothar von Brietzkow zu ihr: „Ich möchte mein Schlafzimmer wechseln und nebenan das der Gräfin beziehen, nebenan der Salon soll mir als Wohnzimmer dienen. Veranlassen Sie, bitte, morgen, Fräulein von Stern, daß meine Gebrauchsgegen stände in die Zimmer geschafft werden und man das Bett für mich zurecht macht." (Fortsetzung folgt.)