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MdmfferTageblatt für Äürgerium, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Nr. 44 — 90. Jahrgang Sonnabend, den 21. Februar 1931 Wilsdruff-Dresden Telegr.-Adr.: »Amtsblatt' Postscheck: Dresden 2640 Anzeigenpreis: die »gespaltene Ranmzeilc 20 Rxsg., die 1 gespalten« Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Aieich.. psennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichenfennige. Bor. geschriebene Erscheinung-. „ .. tage und Platzvarschristeu werden nach Möglichkeit FerNlvkLMLr: Amt 2Bilsdrnff Nr. 6 beröcksichtigt. Anzeigen. annabmedisvarm.ioUhr. - —' För die Richtigkeit drr durch FernrufLbermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wen» derBetragdrrrch . - , , Klage eingezogen werden muh odcrder Auftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Ä^eblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstreniamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nationale Tageszeitung für die Landumtschast, NLWSL Wochendlatt!»r WII,druff u Umgegend Aber noch mehr als von diesen Unzuträglichkeiten wird die Öffentlichkeit in Anspruch genommen von der Agrarkonferenz der Neichsregierung, die sich in diesen Tagen mit dem Hilfsprogramm des Ernährungs- ministers Schiele für die Landwirtschaft lebhaft beschäftigt. Schon Mittwoch rief der Reichskanzler seine Getreuen zu sammen, abermals am Donnerstag und den folgenden Tagen. Nicht leicht ist der Kampf, der sich innerhalb des Kabinetts abspielt. Daß der deutschen Landwirtschaft auf diese oder jene Weise geholfen werden mutz, ist zweifellos, und bei keiner Partei macht sich in dieser Beziehung Wider spruch bemerkbar. Aber w i e das geschehen soll, darüber sind die Ansichten verschieden. Auch die I n dnstrle und ihre leitenden Kreise sind durchaus der Meinung, die Land wirtschaft dürfe in ihrem Perzweislungskampf nicht allein gelassen werden. Denn in einer lebensfähigen Landwirt schaft sicht das deutsche Volk noch immer die beste Gewähr für seine Zukunft. Aber die Industrie meint, daß man über die Sanierung der Landwirtschaft nicht ihre Jntcr- U" a°nz vergessen dürfe. Zu den wichtigsten Voraus- b?r ^ eine glückliche Innen- und Außenpolitik ge- vusir e ^ -ine enge Zusammenarbeit zwischen Jn- lbreNe^ Diese letzte muffe unbedingt so meint die ^^"iederhaben, aber aus keinen Fall dürfe, durch gefährdet ^'iirie, die Möglichkeit des Exports da- »enckcbe Fndi,sti?"den Auf ihm beruhe nun einmal die loÄ^ die Hilfe beim Arbeits- Handlungen schwebe^!" g u t e r G e i st "i'er den ^cr- biet der sonst so gesüi^?"'"" wenigstens auf diesem Ge- vczahlen muß. dete innere Frieden nicht die Kosten Das ist in starkem M „ wo die Faschingswochc T^e m Spa nie n der Fall, raschungen reiches Spiel der an bizarren Über ¬ mal regten sich die Krafte^Eik brachte Wieder em- Monarchie Habsburg-Bonrbo ""ruftle^ wider die -ML^ blikaner, die zum ^eu noch ninier schloß „ ' Mcacl üben zum obersten Vertrauen mann ""d nc<,e„ ^binettschef z» berufen. Dagcgeii erhoben sich die Monarchisten und drückten kurzerhand die Verabschiedung des Republikaners durch. Einer der Jbrigcn trat """"mitten an seine Naht die Entscheidung? Die iMerpolitische Lage hat sich weiter Mgespißt. Alle poij. Ujchen Parteien entfalten eine gewaltige politische Tätigkeit mcht mir die radikalen Flügelparteien, sondern auch die Mittel «ie jetzt ebenfalls in Anruhe geraten ist. Es hat den Anschein, als wenn sich bei den Regierungsparteien im Reich und in Preußen wm auch allmählich die Erkenntnis durchsetzt, daß sie zu schwach mr., um sich gegenüber den gegenwärtigen politischen Strömun- Runen. Deshalb wird in Len letzten Tagen v'e ^rage immer mehr erörtert, ob nicht Neuwahlen bester wären Ruhe und Besinnung. Graue Wirklichkeit. — Landwirtschaft und Industrie. Spanische Überraschungen. Karneval und Aschermittwoch liegen hinter uns, die vierzigtägige Fastenzeiit hat begonnen und die Gläu bigen der katholischen Kirche nahmen das Zeichen der ge weihten Palmenaschc — die Zeit der Buße ist angebrochen. Ach, wir brauchten gar kein äußeres Zeichen, und das Summen der Geigen kam nur schwach an unser Ohr. Die lustige Faschingszeit traf diesmal auf eine traurige Welt, der Aschermittwoch war da, ehe das Treiben sich entfalten konnte. Wir standen längst in einer grauen Wirklichkeit, und nur gedämpft konnte durch den Nebel, der über allem Land und allen Leute lastete, sich das fröhliche Gebimmel des Schalksnarren durchringen. Zurückhaltender und be scheidener als früher gingen denn auch diesmal die Fest lichkeiten vor sich und wo ehedem wilde Ausgelassenheit herrschte, traten diesmal Ruhe und Besinnung an ihre Stelle. Die Stunden sind nicht dazu angetan, in trunkener Heiterkeit über die Abgründe hinwegzutanzen, die uns täglich bedrohen. Die Sorgen sind zu schwer, um hintangestellt zu werden, wir dürfen sie nicht übersehen, selbst wenn wir uns des tröstenden Wortes erinnern, daß doch einmal Frühling werden muß. Die ersten leichten Vorzeichen davon bringt uns die Natur. Aber noch drohen mit voller Tücke die schwarzen Wolken, ttnd viel Heil versprechen sie nicht. War denn auch dort, wo der Karneval von alters her auf deu schem Boden seinen Glanz in voller Stärke zu entsaften vtteat viel von Heller Freude zu bemerken? In K ö l n hielt sich der Trubel in durchaus mäßigen Grenzen, und in München stellte die Besitzerin des Deutschen Theaters, die auch einige Kleinkunstbühnen umfaßt und die berühmten Faschingsbälle veranstaltet, kurz nach dem Abschluß der Tage ihre Zahlungen ein. .. * MsWM m WWMMe Schreckschüsse auf den neuen Dresdner SSeMrsemeister. In der Wandelhalle des Reichstags kam es zu einem aufregenden Zwischenfall. Ein älterer Herr, der sich dort schon seit längerer Zeit aufgehalten hatte, gab plötzlich auf den neben ihm stehenden Reichstagsabgeordneten Külz (Dt. Staatspt.) drei Schüsse ab. Dr. Külz ging auf den Mann zu, darauf legte dieser nochmals an und gab einen weiteren Schuß ab. Dr. Külz übergab darauf den Mann den herbeieilenden Dienern. Es wurde ihm der Revolver abgenommcn und dte Kriminalpolizei verständigt. Der Festgenommene war schon seit mehreren Tagen in der Wandelhalle erschienen, wie er sagte, als Vertreter der bayerischen Reichsrentner. Durch sein merkwürdi ges Wesen ist er d»m Abgeordneten Külz aufgefallen, dieser beobachtete deshalb den Mann in unauffälliger Weise. Durch die Schüsse wurde nach den bisherigen Fest stellungen niemand verletzt. Der Schütze ließ sich ohne Widerstand abführen. Es handelt sich scheinbar um die Tat eines Geistesgestörten. Nach wcireron Meldungen soll es sich um eine Schreckschuß pistole gehandelt haben, durch deren Schüsse der Festgcnommene die Aufmerksamkeit auf sich richten wollte Angeblich Hal er längere Zeit vergeblich auf Rücksprache mit Abgeordneten ge wartet und wollte auf diese Weise seiner Ungeduld Ausdruck geben. Schmidt mit der Schreckschußpsstole. Zu dem Vorfall in der Wandelhalle des Reichstags wird bekannt: Der Täter heißt Georg Schmidt aus Wurzburg, der sich zurzeit in einem Berliner Hospiz aufhält. Die Waffe, die er benutzte, war eine S ch r e ck s ch u tz p i st o l e. Bei der Festnahme bat Schmidt den Abgeordneten Dr. Külz wegen seiner Tat flehentlich um Entschuldigung. Reichstagsabgeordneter Dr. Külz. Der PMeiMMer Wer hie mrchige Lage. Die Bekämpfung der „Gottlosen". Gegen das Gerede vom Bürgerkrieg wandte sich Reichsinnenminister Dr. Wirth bei der innenpolitischen Debatte im Haushaltsausschuß des Reichstages. Er er klärte, ein Bürgerkrieg st ehenichtvorderTür. Es werde hier und da wohl einige Raufereien geben, die vielleicht bezirksmäßig eine gewisse Ausdehnung erfahren könnten, doch würden diese allein mit polizeilichen Mitteln niedergeschlagen werden können. Die Reichsregierung ebenso wie dte preußische Staats regierung werde nicht eine Minute zögern, das Notwendige zu tun. Im übrigen könne man der Meinung sein, daß die radi kalen Wellen bereits einen gewissen Höhepunkt erreicht hätten, doch müsse man sich vor Augen halten, daß auf eine Welle eine zweite folgen kann. Bei der steigenden wirt schaftlichen Not sei es nicht allzu schwer, die Bevölkerung auf zureizen und für parteipolitische Zwecke auszubeuten. Über die Absichten der Nationalsozialisten, so erklärte der Minister, sei er genau unterrichtet. National sozialisten hätten sich selbst bei ihm gemeldet und sich bereit er klärt, gegen Bezahlung Mitteilungen an ihn gelangen zu lassen. Ferner erklärte der Minister, daß organisatorisch alles nur mögliche geschehen sei, um dem geistigen Rechtsradikalismus auch geistig zu begegnen. Er denke nicht daran, hier mit dein Gummiknüppel vorzugehen. Er sprach seine Verwunde rung darüber aus, wiewenig Widerstand der geistige Radikalis mus heute in Deutschland finde. — In der Aussprache wurde ferner vom Zentrum scharfer Einspruch gegen die Gottlosenpropaganda erhoben. Rcichsiunenminister Wirth gab eine aussührliche Darstellung über die Schriftenpropaganda der russischen Kom munisten in Deutschland. Er erklärte, die bolschewistische Pro paganda bedeute einen nur schwer erträglichen Einbruch in die westeuropäische Kultur. Sie stelle die vollendetste Roheit dar, die vorstellbar sei. Es handele sich um einen Einbruch der Barbarei und der Un kultur in ein Kulturland und in einen Kontinent, der der Träger der Kultur durch Jahrtausende gewesen sei. Die Berusung des Angeklagten Heidrich, der vom Schnell schöffengericht in erster Instanz wegen Körperverletzung, Be leidigung und Bedrohung des ehemaligen Polizeipräsidenten Zörgiebel fünf Monate Gefängnis ^halten hatte, wurde dann kostenpflichtig mit der Maßgabe verworfen, daß die Strafe auf vier Monate eine Woche Gefängnis ermäßigt wurde. Äs die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen unsicheren Zustan des in Deutschland. Die Unsicherheit ist auch im politischen Le ben Las gefährlichste, ebenso wie natürlich Lie Wirtschaft außer ordentlich unter diesen Verhältnissen leidet. Niemand will mehr Geschäfte unternehmen, niemand Arbeiter und Angestellte ein stellen, kein Geschäftsmann geht an ein Geschäft heran, weil er nicht weiß, wie die Dinge morgen stehen wenden. Da helfen auch keine Polizeimaßnahmen, wie sie Herr Severing für zweckmäßig hält. Mit polizeilichen Mitteln äst bei heutigen Verhältnissen nichts mehr zu erreichen. Gegenwärtig verhandelt Herr Seve ring mit den preußischen Oberpräsidenten und den zuständigen Pvlizeigewalthabern. Darüber, welche polizeilichen Mittel man zur Unterdrückung Ler radikalen Agitationen auf der Rechten und auf der Linken in Anwendung bringen kann. Aber auch der preußische Pvizeidiktator, Herr Severing, sollte sich sagen, daß der Glaube an Lie Allmacht Ler Polizei schon oft getrügt hat. Die Nationalsozialisten und Kommunisten imponiert der Poli zeiknüppel wenig oder gar nicht mehr. Polizeiliche Verbote wer den immer wieder umgangen, denn schließlich finden Lie radi- Schmre GrubeMW-he Sei Aachen. 14 Tote geborgen — 70 Bergleute «och eiogeschlossen. Aachen. Sonnabend morgen gegen 7,30 Uhr hat sich auf der Grube „Eschweiler Reserve" in Nothberg auf der 600- Meter-Svhle in der 3. Abteilung des Südflügels eine örtliche Schlagwetterexplosion ereignet. Betroffen sind hiervon 3 Re viere mit insgesamt 80 Mann Belegschaft. Nach den bisherigen Nachrichten ist der Unglücksherd begrenzt geblieben. Rettungs mannschaften der Ncchbargrube „Maria" sind sosort eingesetzt worden. Sie haben bisher 14 Tote bergen können. Die letzte Nachricht lautet, daß weitere Rettungsmannschaften nicht be nötigt werden. Demnach ist zu hoffen, dafz das Unglück keinen größeren Umfang annimmt. kalen Parteien immer neue Mittel und Wege, um der Polizei ein Schnippchen zu schlagen. Zu all' den Schwierigkesten, die wir schon bisher hatten, kommt jetzt noch eine Regierungskrise hinzu, Lie von sehr weit gehenden Folgen sein kann. Tritt der Reichsernährungsminister aus Lem Kabinett aus, dann würde auch die Landvolkpartei end gültig Lie Regierung verlaffen, was eine große Verschärfung des innerpolitischen Kampfes und eine weitere Schwächung des Kabinetts Brüning bedeuten würde. Die Verhältnisse jm Reichs tag wenden immer unklarer und unübersichtlicher. Die SoziaI- Lemokraten haben wohl in allen wesentlichen Punkten Brüning nachgegeben, sie haben aus Streichung im Reichswehretat ver zichtet, wollen nicht gegen Len.Panzerkreuzer stimmen, haben den weitgehenden Streichungen im Sozialetat zu gestimmt, aber trotz dem ist die Lage verworrener denn je. Au den innerpvlstischen Schwierigkeiten sind erhebliche Mei nungWerschicLenheiten über Lie zukünftige deutsche Außenpoli tik getreten. Die außenpolitische Einheitsfront zwischen Sozial demokraten und Deutscher Bolkspartei ist nicht mehr vorhanden, ganz abgesehen davon, Laß man innerhalb der Deutschen Volks partei überhaupt nicht weiß, was man tun soll. Man ist aus innerpolitischem wie aus außenpolitischem Gebiet vollkommen ratlos. Der Führer der Deutschen Volkspartei, Herr Dingeldey. hat in letzter Zett verschiedene Reden gehalten, in denen er sich einmal vor den Nationalsozialisten, auf der anderen Seite aber ebenso tief vor der Regierung Brüning verbeugte. Was will die Deutsche Volkspartei überhaupt? Man denke nur an die außenpolitischen Ansichten des Herrn von Seeckt und des ge genwärtigen Reichsaußenmimsters Dr. Curtius, um die Gegen sätze innerhalb der Partei würdigen zu können. Auch auf in nerpolitischem Gebiet weiß man nicht, was die Volkspariei be ginnen will, wenn sie überhaupt ein festes Ziel äm Auge hat. Man weiß, daß der Jndustrieflügel der Deutschen Volkspartsi starr nach rechts hinüberneigt, während der überwiegende Teil der Reichstagsfraktion entschieden zur Regierung hält, -ln Preußen ist die Haltung der Vvlkspartei ebensowenig geklärt. Sie will sich zwar an dem Volksbegehren gegen die Preußische Regierung beteiligen, aber wie ist Las möglich, wenn die Volkspartsi im Reich gleichzeitig die Regierung Brüning deckt, Lie Loch vollkom men von Len Sozialdemokraten abhängig ist- Hm Reich arbeitet die Vvlkspartei aufs engste mit dem Zentrum zusammen,, das in Preußen in Ler Regierung sitzt und die Landtagsauflosung un ter allen Umständen verhindern will, d-amit keine andere preu- ßische Regierung gebildet werden kann.