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I Um heimischen fierd i z Unterhaltungsbeilage rum „rUttsttrutter Lageblatt" — Amtsblatt, j Die Kaffeesintflut. Humoreske von Franz Nebernigg. „Hier der Kaffee, Herr Direktor", lächelte die Verkäuferin und überreichte dem Kunden mit zierlichen Fingern das saubere Päckchen. „Es freut mich, daß Sie sich doch zu dieser Sorte entschlossen haben. Und ich hoffe, Sie werden an mich denken, wenn Sie morgen Ihren Kaffee nehmen." „Und ob ich das werde, Du Schlange!" dachte Herr Borne mann bei sich. Laut aber sagte er: „Ich werde nicht verfehlen, Fräulein Anny." Bei der Rückgabe des Wechselgeldes glitten ihre Fingerspitzen leicht über die seinen und verweilten, wie es schien, länger als nötig. „Was bedeutet das alles?" fragte sich Herr Bornemann, als er auf die Straße hinaustrat. Was ging hier auf Geschäfts- und was auf Privatkonto? War das alles noch dienstliche Pflicht? Unmöglich. Schon seit einiger Zeit fiel ihm auf, daß Fräulein Anny jedesmal errötete, wenn er den Laden betrat. Lächeln kann vertraglich vorgeschrieben sein, aber Erröten... Er betrachtete sich im Spiegel des benachbarten Friseurladens. Warum eigentlich nicht? Er war elegant, gut gewachsen, und niemand konnte ihm seine Fünfundfünfzig änsehen. Halb unbewußt fand er sich abends wiederum bei Maher L Co. ein. Er kaufte eine Flasche Ananaslikör. Ob Anny er röten würde? Ja, sie errötete. Und nun errötete er auch ... „Du bist in der letzten Zeit wirklich recht aufmerksam", sagte Frau Gertrud, als er ihr daheim die guten Dinge übergab. „Ja, meine Liebe", entgegnete er und küßte sie zer streut auf die Stirne. Als dann Herr Bornemann, bereichert um eine Photo graphie, die Anny zufällig auf dem Ladentisch liegen gehabt hatte, das Geschäft von Hayer L Co. verließ, schwanden die letzten Zweifel, und er schritt nun an das Problem, die Be ziehungen zu dem Fräulein zu erweitern. Im Laden ging es nicht, das stand fest. Entweder störten die anderen Kunden oder, wenn keine da waren, das Personal, das voll Verehrung an den Lippen Seiner Majestät des Kunden hing, jeden Augen blick bereit, ganze Breitseiten von Höflichkeit auf ihn abzu feuern. Er wartete also abends den Ladenschluß ab, um dann so zu tun, als ob er ganz zufällig vorüber käme und sich freue, Fräulein Anny ebenso zufällig zu begrüßen. Endlich schlug es sieben. Und einige Zett darauf erschien Anny im dunklen Rahmen des Haustores. Leider kam sie nicht allein. Das ganze Personal schwärmte ringsum heraus, sie unbewußt beschützend wie Torpedoboote ein Handelsschiff in Kriegszeiten. Sie er widerte seinen Gruß mit sichtlichem Bedauern. Dann bestieg sie mit mehreren Kolleginnen die Straßenbahn. Ging es nicht am Abend, dann vielleicht am Morgen. Herr Bornemann wartete also am nächsten Tag früh an der Ecke der Augustenstraße. Anny kam frisch und lächelnd wie ein Sonnenaufgang um die Ecke. Sie hatte es sehr eilig. Ob sie nicht doch einmal ein wenig Zeit habe, nur ein Viertel stündchen? — In den nächsten Tagen leider nicht... in zwei Wochen vielleicht., aber wenigstens in den Laden möge der Herr Direktor kommen, wie immer. Nicht böse sein. — Dann verschwand sie im Portal von Mayer L Co. Und abends brachte der Herr Direktor seiner Frau außer Kaffee von der besten Sorte fünf Päckchen verschiedener Keks, kandierte Früchte und eine Flasche Himbeersaft. „Du verwöhnst mich aber jetzt, Adolf", sagte Frau Ger trud. „Wie wäre es übrigens, wenn wir auf einige Tagx nach Waldheim fahren würden, wo es immer so schön war?" Forschend spähte sie ihm dabei ins Gesicht. Er zwang sich zu einem Lächeln und sagte: „Ach, wo denkst Du hin. Ich bin jetzt viel zu sehr beschäftigt." , Die Zeit verging, und die Vorräte des Hauses Borne mann an Kaffee und Süßigkeiten mehrten sich. Vierzehn Tage waren um, und als Herr Bornemann mahnenden Blickes aus der Hand Annys fünf Pfund San Paolo Exquisit übernahm, flüsterte sie ihm zu: „Bitte, morgen, Herr Direktor, Schiller- Denkmal, vier Uhr, Pünktlich sein." „Es ist erreicht!" dachte Herr Bornemann, voll Dank an das Geschick. Und telephonierte seiner Frau, daß ihn eine dringende Vorstandssitzung wahrscheinlich länger festhalten werde. Dann legte er den letzten Schliff an sein Aeußeres, kaufte einen Strauß roter Rosen und begann das Schiller- Denkmal zu umkreisen. Endlich kam Anny. Sie wandten sich dem Park zu, und Anny begann sogleich: „Ich habe Sie gebeten, hierher zu kommen, Herr Direktor, um Ihnen zu danken und mich gleich zeitig zu verabschieden. Ich reise morgen ab." „Oh!" machte er verblüfft. „Ja, ich bin mit der Leitung unserer Filiale in Baden- Baden betraut worden" — fuhr sie nicht ohne Stolz fort — „und diesen Erfolg verdanke ich auch Ihnen, Herr Direktor. Unsere Firma hat unter ihrem gesamten Personal ein Preis ausschreiben veranstaltet, mit Preisen für jene Verkäufer, deren Verkaufstechnik die besten Erfolge erzielt. Sie waren so liebenswürdig, mich in meinen Bemühungen bestens zu unterstützen, so daß ich den ersten Preis, tausend Mark in bar und die Stelle in Baden-Baden, bekam. Ich bin sehr glücklich, und es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen dafür zu danken." „Bitte, bitte sehr..." stammelte er maßlos verwirrt. Sie -Ächte ihm die Hand und sah ihm dabei tief in die Augen. Er wußte nichts mehr zu erwidern und fühlte, wie ihre seine Hand sich loslöste. Dann sah er sie die Straße über queren und verschwinden, Richtung Goethe-Denkmal. Unter wegs durchstrich sie etwas in einem kleinen Notizblock. „Du bringst mir Blumen?" rief Frau Gertrud freudig erstaunt. „Ja, Liebste. Und wenn Du willst, fahren wir morgen nach Waldheim. Gute Nacht. Ich bin ein wenig müde." Und als es ganz dunkel war, trat er aus seinem Zimmer auf den Balkon hinaus, zerriß eine kleine Photographie und streute die winzigen Stückchen in den kühlen Nachtwind. Das Gleiche taten an diesem Abend weitere einunddrcißig Herren, in jenen Jahren, die man die besten nennt, weil die guten vorüber sind. Das Kind mit den drei Müttern. Skizze von John C. Waters-Chicago. Der Chronist fühlt sich verpflichtet, vorauszubemerken, daß nachstehende, Peinlich genau der Wahrheit entsprechend geschilderte Ereignisse sich in Nordamerika abgespielt haben, woraus etwaige ängstliche Gemüter die beruhigende Gewiß heit schöpfen können, d8ß diese Geschichte mit einem „happy end" schließt. Das Vorspiel war durchaus traurig. Wohnte da in Los Angeles ein junges Ehepaar, Allen und Berta Higdon, das einander zwar sehr liebte, dem aber der Himmel das ersehnte Kind versagte. Die junge Frau wäre über diese Enttäuschung schließlich hinweg gekommen, hätte ihr der geliebte Gatte nicht eines Tages mit echt männlicher Brutalität die Eröffnung gemacht, daß er innerhalb eines Jahres mit einem Erben beschenkt zu werden wünsche, widrigenfalls er sich von ihr trennen würde. Begreiflicherweise bereitete diese hartherzige Drohung der armen Frau lebhaften Kummer, umso mehr als ihr ein Arzt alle Hoffnung auf die Erfüllung des Wunsches ihres Mannes nehmen mußte. In ihrer Verzweiflung fuhr sie zu Mutter und Schwester nach San Franzisko, die beide schon manchen guten Rat gewußt hatten. Gladys Hatfield, die Schwester, war Schauspielerin und auch sonst ein phantasiebegabtes Gemüt, dank welcher Eigen schasten sie nach kurzem Nachdenken den rettenden Ausweg wnd. Da sie aber der Verschwiegenheit ihres armen Schwesterleins aus Los Angeles nicht recht traute, so empfahl sie ihr, sofort wieder heimwärts zu fahren und das meiste ihr und der Mutter zu überlassen. Bertas ganze Aufgabe sollte nur darin bestehen, dank Süßigkeiten, Nudeln und an- Serer nahrhafter Lebensmittel eine kleine Mastkur durchzu machen, um ihre in Zukunft nicht mehr zu ihrer Mutterrolle passende „Girlfigur" langsam zu verlieren. Das tat Frau Berta denn auch so wacker, daß ihr so brutaler Mann ihr -inst einen dankbaren Kuß auf die Stirn hauchte: „Wann?" — „In vier Monaten", log die Aermste und wurde rot, was ihr Gatte, der schon einmal in einem Roman von einem „süßen Geheimnis" gelesen hatte, zu dem solche Verfärbungen gehören, falsch verstand. Als die Zeit beinahe gekommen war, traf eines Tages gänzlich unerwartet ein Telegramm aus San Franzisko ein: „Komme sofort hierher! Bruder liegt schwer krank, Gladys." — „Natürlich muß ich dem Rufe folgen", sagte Berta zu ihrem Manne, und Allen ließ sie ziehen, wenn auch ein wenig schweren Herzens und um den Erben besorgt. In San Franzisko angekommen, erfuhr Berta, daß Mutter und Schwester gut vorgearbeitet und kurz vorher !mrch eine Anzeige ein kleines Kind gesucht hatten, worauf sich ein junges Ehepaar mit dem klassischen Namen Smith meldete, das mit dem in nächster Zeit bei ihm zu erwartenden Himmelsgeschenk nichts anzufangen wußte, weil es rm be- ichcidenen Haushalte kaum für zwei, geschweige denn für drei hungrige Mäuler reichte. Gladys Hatfield, die teils zum lesseren Gelingen des Planes, teils zum Spaß — als „Frau Zrank" auftrat, eigens für diese Gelegenheit eine möblierte Wohnung mietete und einen für diese Komödie von ihr als Statisten benutzten Freund als „Mister Frank" ausgab, er klärte sich sofort zur Adoption bereit, versprach, dem Kinde üne gute Mutter zu sein, zerquetschte ein paar ausgezeichnet gelungene Tränen, und die Sache war abgemacht. Ein Paar Tage nach Bertas Ankunft — der „schwer kranke" Bruder war natürlich kerngesund — erhielt „Frau Krant" Vie retepyoniscye Mitteilung, das erwartete Creigni-c sei eingetreten, und der neue Erdenbürger harre der Ab holung. Gladys kletterte sofort in den nächsten Kraftwagen, !rat in die bescheidene Wohnung der Smiths, hüllte das Kind sorgfältig ein, beachtete den bedrückt aussehenden jungen Vater nicht weiter — die Mutter schlief — und eilte hocher freut zu ihrer im Glück schwimmenden Schwester zurück: „Hier ist Dein Kind!" Natürlich wurde das freudige Ereignis dem beruflich an Los Angeles gefesselten glücklichen „Vater" Higdons tele graphisch mitgeteilt: „In zehn bis vierzehn Tagen kommen wir nach Hause." Nun hatte aber die von Gladys so schön inszenierte Komödie einen wunden Punkt, Bertas etwas aus der Form gegangene und durch die „Geburt" nicht im ge ringsten beeinflußte Figur. Doch auch hier wußten Mutter und Schwester Rat. Bertachen durfte zehn Tage lang nichts essen, mußte Dampfbäder nehmen, wurde massiert und von der hilfreichen Familie auf dem Fußboden hin- und her- gerollt, bis sie zwar halbtot, aber schlank wie ein „Girl" war. Und dann setzte die Familie Hatfield sie mit vielen Segens- Wünschen nach Los Angeles in Marsch. „Vater" Higdon empfing Frau und Kind mit offenen Armen, und Berta war der glücklichste aller Menschen. Allen interessierte sich natürlich sehr für sein „eigen Fleisch und Blut", so sehr, daß er sich selbst um die Ernährungsfrage kümmerte und über die von Berta hierbei befolgte Methode etwas erstaunt war. „Ich dachte, Ihr machtet das so", I meinte er mit entsprechender Armbewegung, worauf ihm Berta einen längeren Vortrag halten mußte, um ihm klar zu machen, daß es auch Flaschenkinder gebe. Damit war Allen schließlich auch einverstanden, umso mehr als die jetzt in Massen eintreffenden Taufgeschenke seine Gedanken in Anspruch nahmen. Ein paar Tage später erhielt das Mädchen den Namen Leta Joyce Higdon, und im Hause der „Eltern" war alles eitel Wohlgefallen. Die ganze Geschichte wäre sonnt für die Familie Higdov aufs Beste ausgelaufen, hätte Mister Smith nicht in der» Augenblick, da „Frau Frank" das Kind fortholte, einen Blick auf das Würmchen getan. Da war es ihm so gewesen, als sähe ihm aus den Zügen des Kindes sein eigenes Gesicht ent gegen, und er mußte den Kopf abwenden, um nicht zu rufens „Nein, lassen Sie es hier!" Jetzt aber quälte ihn die Er innerung an dieses Gesicht, und er wollte sein Kind wenig stens noch einmal Wiedersehen. So suchte er schon in de» nächsten Tagen die Wohnung der „Frau Frank" aus. Er traf die zweite „Mutter" seines Kinoes allein und in sehr übler Laune an, weil sie gerade Anstalten traf, ihr „ehelichet Heim" wieder aufzulösen, und außerdem einen kleinen Dispu mit „Mister Frank", ihrem Freund, gehabt hatte. So an» wartete sce dem Nater nur, das Kind iei nicht mehr da, unt Warf ihm die Tür vor der Nase zu. Das war ein entschiedener Mißgriff ihrerseits und paßt, nicht in die klug ausgedachle Komödie. Smith erzählte seiner Frau den Vorfall, und diese, die sich schon längst nach den verschenkten Kinde gesehnt Hatte, suchte selbst „Frau Frank' auf und verlangte Aufklärung über den Verbleib des New geborenen. Gladys mußte Farbe bekennen: „Meine Schwester hat es mitgenommen. Ein Wort gab das andere, und schließ lich erfuhr Frau Smith, daß ihre „Nachfolgerin" gar nich verheiratet war, sondern ihr nur eine Komödie vorgespiel hatte. Daraufhin lief sie empört zur Polizei und bat, ihr uw jeden Preis ihr Kind wieder herzuschaffen. Die Heilige Her- mandad von San Franzisko betrachtete die Sache als sehr ernst. So kam es, daß eines Lages die finsterblickende Po lizeibeamtin Sullivan aus San Franzisko an die Tür de: Higdonschen Wohnung klopfte und die sofort in Tränen zer fließende junge „Mutter" wegen Kindesraubs verhaftete. Be greiflicherweise fiel Allen Higdon aus allen Wolken, und sein, Wut war so groß, daß er die arme Berta und das Würmcher Leta Joyce von der Polizeibeamtin ohne ein Wort des Wider spruches nach San Franzisko vor den Kadi schleifen ließ. Dieser entschied mit Hilfe einer eigens aus Müttern zu sammengesetzten Jury, daß Frau Higdon sich zwar nicht des Kindesraubes schuldig gemacht habe, daß aber Leta Joyce ar ihre erste und einzig richtige Mutter zurück zu geben war Unter einem reichlichen beiderseitigen Tränenerguß fand di« Rückgabe vor Gericht statt. Frau Smith jauchzte vor Freude und die arme Berta kam doch noch mit einem blauen Ang, davon, da die Oeffentlichkeit von ihren durchaus edlen Ab sichten derartig überzeugt war, daß Mister Higdon nicht gegen die Stimme des Volkes anzukämpfen wagte und seiner armer Frau großherzig verzieh. lllWWMWMWMlMWllllW WIilllillt VeMti Sie da; Wilsdruffer Tageblatt Bild links- Die amerikanische Staatsjacht verbrannt und gesun- I delphia in Brand geraten und gesunken. — Bild rechts: Die Bei- i glückten (die drei anderen wurden in ihren Heimatorten beige- ken. Die Jacht „Mayflowe r", die Mr Verfügung des Prä- setzung der Opfer der Tölzer Lawinen-Katastrophe, bei der sieben setzt) wurden am Sonnabend auf dem MünchenerWest- sidenten der Vereinigten Staaten steht, ist im Hafen von Mila- > bayerische Mlizei-Skiläufer ums Leben kamen: vier der Verun- I friedhof von ihren Kameraden zu Grabe geleitet.