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Wilsdruffer Tageblatt : 16.01.1931
- Erscheinungsdatum
- 1931-01-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193101160
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19310116
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19310116
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1931
-
Monat
1931-01
- Tag 1931-01-16
-
Monat
1931-01
-
Jahr
1931
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 16.01.1931
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«ibt es heute noch Abenteuer? Interessante Mitteilungen namhafter Persönlichkeiten. Solange Menschen den Erdball bevölkern, wird es auch Abenteuer geben, zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Auch die Romantik des Abenteuers wird nicht aussterben, trotz aller Fortschritte der modernen Technik. Im folgenden äußern sich bekannte Persönlichkeiten über die Frage, ob es „heute noch" Abenteuer gibt. sven Hedin, der bedeutendste Forscher: Unter schwierigsten Umständen wurde die letzte große Expedition nach den Wüsten Jnnerasiens im Jahre 1926 begonnen. Erbitterter Widerstand der chinesischen Regierung war zu überwinden, doch trugen diplomatisches Geschick und der unbedingte Wille den Sieg davon. Aus den Gegnern wurden Freunde und Helfer. In drei Jahren wurden 2500 Kilometer Weg überwunden. Monate stärkster Strapazen, fast unüberwindliche Hindernisse und Mühsale, Erlebnisse voll dramatischer Spannungen, dazwischen köstliche Idyllen — das war unsere Forschungsreise. Jeder mußte sein Letztes für dieses große „Abenteuer" hergeben. Aber was könnte herr licher sein als das Erlebnis eines Tempelfestes in der heiligen Stadt, großartiger als die heftigen Sandstürme auf dem Wege nach der schwarzen Stadt, aufregender als Kamelrevolten und Diebesjagden, wie sie uns auf dieser ereignisreichen Expedition begegneten? vr. vr. INA. e. k. Hugo Eckener: Leider verbieten mir die laufenden Geschäfte, mich aus führlich aus Ihre Frage zu äußern, und ich möchte mich darauf beschränken, Ihnen zu sagen, daß mir das ganze Leben in dieser Zeit höchst abenteuerlich vorkommt. Hanns Heinz Ewers, der bekannte Schriftsteller: Gibt es noch Abenteuer? Welche Frage! Wenn die Phi lister der ganzen Welt von dem großen Napoleon nur als von dem „Korsischen Abenteurer" sprachen, wird man heute diesen Ehrennamen Mussolini absprechen wollen? Natürlich erlebt der Mensch der Masse — und die Masse erstreckt sich vom Minister bis zum ungelernten Arbeiter — nie ein Aben teuer oder nur einmal eines durch blinden Zufall, und dann weiß er kaum etwas damit anzufangen. Der Abenteurer ist, oben wie unten, stets asozial; im tiefsten Grunde lebt er stets sein eigenes Leben, fern und feind jedem Zugehörigkeitsgefühl zu irgend einer Gesellschaftsklasse, besonders zu der, aus der er hervorgegangen: er steht immer über oder neben der Gesell- schaft. Ferne Länder — exotische Gegenden? Freilich, es treibt ihn hinaus; Fernweh hat er. Aber das „Abenteuer" w a riet überall auf ihn: jede große oder kleine Stadt, jedes Dorf, ftd? Landstraße mag es ihm bescheren — zu jedem zu jeder «stunde. Dasselbe kleine Geschehnis, an dem der Mensch ^i: Menge vorbeiläuft, das er nicht achtet und nicht begreift schon stirbt, ehe es noch geboren, wird zu starkem Leben erwachen, wenn es dem Menschen begegnet, der zu leben weiß eben dem Abenteurer. Zum Sehen ist er geboren — darum gefällt ihm die Welt, die ihm unendlich reich erblüht. Doch begreift das keiner, dem die Natur nicht das Schönste mit auf den Weg gab: die Lust am Phantasieren. Carl Hagenbeck, der Organisator der zoologischen Gärten: Abenteuer bestehen für mich in irgendwelchen Erlebnisfen mit meinen Tieren. Da allerdings gibt es so viel zu erzählen, daß man Bände damit füllen könnte. Eine besonders gefähr liche Situation entstand einmal in München während des Festzuges im Juli 1888. Ein unglücklicher Zufall war die Ursache. Wir hatten unsere Elefanten dem Festzuge zur Ver fügung gestellt, und die Tiere benahmen sich auch vollkommen ruhig, bis eine Figur, die einen Drachen darstellte, sich in Bewegung setzte und Feuer zwischen die Elefanten spie, die erschraken und mitten im Menschengewühl durch gingen. Die Treiber hakten zwar sofort ein, aber die wild gewordenen Tiere trabten durch ein Seitengäßchen weiter, durchbrachen die Menschenmenge und riefen eine entsetzliche Panik hervor. Alles flüchtete schreiend. Pferde rissen aus, selbst Gendarmerie und Militär hielten nicht stand. Einige Elefanten verliefen sich zwischen den Säulen des Residenz theaters und stürmten dann den Vorbau des Hoftheaters, wo sie einige Gebirglerinnen zu Boden rissen. Mit Hilfe von Kavallerie wurden vier Elefanten wieder eingebracht, während ich mich mit den andern vier bis zur Erschöpfung herum schlug. Schließlich bekamen wir sie auch wieder, unversehrt, während ich immerhin einige Tage brauchte, um mich von meinem „Abenteuer" wieder zu erholen. vr. Werner-Otto von Hentig, deutscher Generalkonsul in San Franzisko (führte im Weltkrieg eine diplomatische Mission nach Afghanistan und dann mitten durch Asien nach Schanghai). Gewiß, mindestens im gleichen Maße wie zu allen Zei ten; nur ist es schwerer, auszuziehen, um sie zu suchen. — Die Abenteuer kommen heute und finden den, der sie an- nimmt. Der so Gefundene ist auch kein Abenteurer, sondern ein Mann, der Geschicken zu begegnen, mit ihnen zu kämpfen und oft sie zu meistern versteht. Bernhard Kellermann, der bekannte Schriftsteller: Das größte Abenteuer, das Menschen jemals unter nahmen, scheint mir die erste Weltumseglung Magalhaes' zu sein. Dieser Magalhaes war Wohl ein ganz verwegener Bursche! Er wollte bekanntlich die Gcwürzinseln (Molukken) aus dem westlichen Seeweg erreichen, mußte aber vorher erst die Magalhaesstraße entdecken. Dahinter lag dann zu seiner großen Neberraschung ein völlig unbekanntes Meer, der Pazi fische Ozean, zu dessen Durchquerung di'' Flotte volle drei Monate brauchte, bevor sie die Ladromn erreichte. Hier zeigte Magalhaes den Eingeborenen höchst einfach eine Handvoll Relken, die Eingeborenen deuteten dann über das Meer nach Süden. Die Flotte hat in der Tat die Gewürzinseln erreicht, and das Schiff „Viktoria" kam nach dreijähriger Abwesenheit wieder nach Spanien zurück. Abenteuer von diesem ungeheuren Ausmaße sind natürlich in unserer Zeit nicht mehr möglich. Aber Abenteuer etwas kleineren Formats kann man immerhin noch auf dieser Erde erleben, zum Beispiel im östlichen Tibet, auf Borneo, in der Mongolei, in Südamerika und an den beiden Polen. In dreißig bis fünfzig Jahren wird es Wohl auch mit dieser Herrlichkeit ein Ende haben. Aber der Mensch, der von Natur aus abenteuerlich ist, hat sich selbst schon andere Möglichkeiten geschaffen: die Luft, die Rennbahn, und er wird wohl noch auf ganz andere Einfälle kommen. Lola Kreuzberg, die deutsche Filmexpeditions-Regisseurin: Meine Filmexpeditionen haben mir genug Gelegenheit gegeben, Außergewöhnliches zu erleben. Wohl mutz es sich eine Frau sehr überlegen, ob sie es wagen will, in ein frem des Land einzudringen. Hat sie aber den Entschlutz einmal gefatzt und sich damit abgefunden, auf die Vorzüge unserer Zivilisation zu verzichten, dann bieten sich ihr ungeahnte Möglichkeiten des Erlebens. Freilich muß sie gesunde Nerven haben, unzeitgemäße Nervosität kann unter Umständen alles verderben. Ein Abenteuer auf meiner Expedition auf Bali kostete mich beinahe das Leben. Ich hatte mit vieler Mühe den indischen Fürsten so weit gebracht, daß er mir persönlich gestattete, den heiligen Tempeltänzen zuzusehen. Allerdings lehnte er jede Verantwortung ab, für den Fall, daß man uns entdeckte. Denn der Inder betrachtet es als eine Entweihung, wenn ein Ungläubiger diesen Zeremonien beiwohnt, und pflegt das mit sofortiger Vollstreckung der Todesstrafe zu ahnden. Und nun nicht nur zuzusehen, sondern außerdem die Kamera zu bedienen, um das ganze unerhört schöne Bild noch im Film festzuhalten... das ist ein wirkliches Abenteuer nach meinem Geschmack. Korvetten-Kapilän Felix Graf Luckner, der Weltumsegler: Für mich gibt es nur ein Element im Guten wie im Bösen: Eine richtige Sturmsahrt ist etwas so Grandioses, wie man es nie aus festem Boden wird erleben können. Ich er innere mich an solche Fahrten, die Himmel und Hölle gleich zeitig für uns gewesen sind. Auf der See wird das Abenteuer nicht aussterbcn. Wie ungewöhnlich es auch heute noch sein kann, soll ein kleines Erlebnis zeigen. Ich träumte im Liegestuhl vor mich hin, mitten in Hitze und Sonnenschein, als plötzlich der Ruf ertönte: Das Schiff brennt! Im Nu war ich wach, der Gedanke an meine Verant wortung riß mich hoch. Und dann brannte unser Schiff garnicht. In meinem Dämmerzustand zwischen Wachen und Schlafen hatte ich das wohl irgendwie falsch aufgefaßt. Ju etwa 1000 Meter Entfernung sah ich die drei Masten eines Schoners, der schon bis zur Reling im Wasser lag. Kein Mann war mehr an Bord. Nun mußten wir natürlich hin über, uns das Schiff aus der Nähe ansehen. Wie hätte mau sich ein solches Abenteuer entgehen lassen können? Wir nah men dann mit, was nicht niet- und nagelfest war, denn nach den Seegesetzen gehört ein verlassenes Schiff dem, der er zuerst betritt. Gleichzeitig aber erlebte ich zum erstenmal, daß ein Schiss kein totes Ding, sondern beinahc ein eigenes Wesen, ganz von Leben erfüllt ist. Und um dieses für mich neuartigen Gefühles willen werde ich diese ganz sonderbare Situation niemals vergessen. Kapitän zur See Lothar v. Arnauld de la Periörc, der erfolg reiche Unterseeboots-Kommandant: Natürlich gibt es noch Abenteuer! Darüber besteht kein Zweifel. Und zwar soviel Sie haben wollen. Nur kann ich sic hier nicht erzählen. Wie wohl jeder Kriegsteilnehmer habe auch ich als U- Boots-Kommandant Abenteuer von unerhörter Einzigartig keit erlebt, aber auch nach dem Kriege gab es solche, nur das sich das Geschehen da etwas ruhiger abspielte. Ganz allgemein bin ich der Ansicht, daß das Erleben vor Abenteuern individuell ist. So erleben manche Menscher überhaupt keine Abenteuer, andere wieder solche täglich bei jeder Gelegenheit, während es schließlich auch Menschen geber soll, die Abenteuer zwar nicht erleben, sie aber umso packen der erzählen. Hans Schombnrgk, der berühmte Afrikaforscher: Mir, der ich Polizeireiter in Süd-Afrika, Polizeioffizie: in Nord-Rhodesia, Elefantenjäger und Forschungsreisender war, der ich drei Feldzüge mitgemacht habe, erscheint diese Frage eigentümlich. Wer Freude an Abenteuern hat, kau« sie heute noch zur Genüge erleben. Anders die Frage: Was sind Abenteuer? Wer in allen lebensgefährlichen Situationen Abenteuer erblickt, braucht nur eine Zeitlang berufsmäßigei Elefantenjäger zu werden. Dieser Beruf ist ein einziges Abenteuer. Im Gegensatz zum Nur-Sportjäger muß der Be rufsjäger den Elefanten oft tagelang verfolgen und ihn dort angreifen, wo er ihn gerade findet, fast immer in einem für den Jäger ungünstigen Gelände. Zweimal habe ich unter einem angeschweißten, wütenden Elefantenbullen gelegen. Einmal erlebt, daß einer meiner Leute von einem Elefanten in Stücke gerissen wurde. Das sind Abenteuer, an die ich nicht gerne zurückdenke. Das schönste Abenteuer für mich ist immer wieder, als erster ein unbekanntes Gebiet zu betreten, als erster mit Ein geborenen zusammen zu treffen, die noch nie einen Europäer gesehen haben, ein der Wissenschaft unbekanntes Tier zu ent decken oder in Afrika eine Szene im Film festzuhalten, von der ich bestimmt weiß, daß sie der zivilisierten Welt unbekannt ist. Für den, der sie sucht, ist auch heute noch unsere alte Erde Zoller Abenteuer, die sich aber nur dem offenbaren, der wirk- ich Abenteurerblut in den Adern hat. Irr Ängste seinesgleichen. Jugend und Alter im Deutschen Reichstag. — Vier zehn weibliche Reichstagsabgeordnete über 50 Jahre. Von Herbert Langenscheidt. Angeblich hören es die Frauen nicht gern, wenn man von ihrem Alter spricht. Die Frauen, die von der Wählerschaft in den Reichstag berufen worden sind, geben aber alle 39 ihr Alter auch in den Fällen an, in denen Frauen äußerst drin gend zu ersuchen pflegen: Fragen Sie mich nicht, wieviel Jahre ich zähle, sondern freuen Sie sich mit mir darüber, wie jung ich noch bin. Bei den 39 Frauen gehört die kommu- uistische Fraktion zu der sämtliche Alter umspannenden Gruppc As Aeichstages. Zwei Kommunistinnen stehen im Alter unter ^-0 Zähren, eine, die älteste Frau des Reichstages, rückt aber 80 heran. Die zweitälteste Frau sitzt bei den ^eutschnatronalen. Neun Frauen stehen im Alter zwischen '."/üb 40 Jahren zwölf zwischen 40 und 50 und vierzehn »iw Po. Und von diesen 14 ältesten Frauen des oceichstaa.s aehoren allein rebn zur Sozialdemokratischen Parten Diefe stellt uoeryaupl oie a u s g e s p r o cy e n e rar- t i o n der älteren Männer. Von den 54 Reichstagsabgeordneten im Alter von 60 bis 70 gehören allein 21 zur Sozialdemo kratie. Genau die gleiche Zahl von Abgeordneten steht im Alter unter 30 Jahren, davon ist einer Deutschnationaler, 8 sind Kommunisten und 12 Nationalsozialisten. Der Ben jamin des Hauses ist mit 25 Jahren der Kommunist Becker, der Methusalem der Zentrumsabgcordnete Herold im Alter Von 82 Jahren. Abgesehen davon, daß die Sozialdemokratie mit der größten Masse der mehr als Sechzigjährigen im Parlament sitzt, steht auch die weitaus größte Hälfte von ihnen im Alter von über 50 Jahren. Obwohl sie die stärkste Partei des Hauses ist, gehören ihr nur 17 Dreißig- und Vierzigjährige an. Dieses Alter wird weitaus am stärksten besetzt durch 59 National sozialisten und 45 Kommunisten. Jenseits des fünfzigsten Jahres stehen bei den Nationalsozialisten immerhin noch 13, bei den Kommunisten nur zwei. Würde die Mehrheitsbilduno im Reichstage nach Altersgruppen erfolgen, dann stünden 239 über Fünfzigjährige einer Mehrheit von 338 Jüngeren gegenüber, ein Verhältnis, das sich noch sehr wesentlich zu gunsten der Jüngeren verbessern würde, wenn die Riesenmcisft der fünfzigjährigen Reichstagsabgeordneten bei der sozial demokratischen Partei, die man sich landläufig als jugend lich vorstellt, das Gesamtalter des gegenwärtigen Reichstages nicht so bedeutend nach oben rücken würde. Abgesehen von der Sozialdemokratischen Reichstagsfraktion verfügen wir gegen wärtig also über ein Parlament im besten reifen Mannes- alter. Hauptstützen dem Alter nach liegen auch bei den Deutsch- nationalen, dem Zentrum, der Volkspartei und der Wirt schaftspartei im erfahrenen Alter zwischen 50 und 60 Jahren, wenngleich bei allen diesen Fraktionen die jüngeren Jahres klassen einen erheblichen Einfluß haben, der anteilsmäßig stärker ist als bei der Sozialdemokratie. Vergleicht man de« gegenwärtigen Reichstag mit dem von 1928, dann ergibt sich daß der Reichstag des 14. September erheblich jünger ist all seine Vorgänger. Ueber 80 Jahre alt sind im neuen Reichs tag 2 Abgeordnete (in dem von 1928 waren es ebenfalls 2), zwischen 70 und 80 stehen 5 (1928: 9), 60 bis 70 Jahre zähle« 54 (52), 50 bis 60 -- 178 (73), 40 bis 50 ---- 171 (174), 30 bil 40 — 146 (77!), unter 30 Jahre alt sind 21 (3) Abgeordnete Bei diesen Ziffern ist zu beachten, daß die Mitgliederzahl del neuen Reichstages über die des letzten ganz bedeutend Hinaul gegangen ist. Wenn wir einmal die Leistungen des neuen Reichstagel betrachten, werden wir also nicht die Ueberlegung anstelle« können, daß er für seine Aufgabe zu alt gewesen ist. Es Hai in der Geschichte des deutschen Parlaments bisher überhaupt noch keinen Reichstag gegeben, in dem die Generation zwische« dem 30. und 40. Jahre auch nur annähernd so stark ver treten gewesen wäre, wie in dem von 1930. Mit Ausnahnn des Reichstages 1928, dem ältesten in der deutschen Par lamentsgeschichte, in dem die Jahrgänge zwischen 40 bis 5i! und 50 bis 60 sich mit 174 und 173 Abgeordneten fast gena« die Waage hielten, lag das Altersschwergewicht bis zurück zuni Reichstag 1912 ausschließlich bei den Vierzig- und Fünfzig jährigen. Im Reichstag von 1907 standen die beiden führende« parlamentarischen Altersklassen mit 137 (40 bis 50) und 131 (50 bis 60) nahezu gleich. Bis 1903 hatte das ältere Jahr zehnt den Vorrang vor den jüngeren gehabt. In diesem Reichstag von 1903 mit seinen 399 Mitgliedern gab es noch 88 Abgeordnete über 60 Jahre. Dieses Alter ist selbst im heutigen Reichstag mit seinen 577 Mitgliedern nur noch mit 61 Abgeordneten vertreten. Daraus kann man folgern, daß die deutschen Parlamente, abgesehen von dem Rückschlag des alten Reichstages von 1928, eine ausgesprochene Neigung haben, sich beständig zu verjüngen. Jugend, der Zug der Zeit, hat also auch vor der goldenen Kuppel nicht halt gemacht. Eine große Anzahl der heutigen Reichstagsabgeordneten hat diese Einwirkung der Jugend mit eigenen Äugen erleben können. Nicht weniger als 41 gegenwärtige Reichstags abgeordnete gehörten auch den Parlamenten der Kaiserzeit an, davon allein 22 Sozialdemokraten und 8 Zentrumsleute. Die dienstältesten Mitglieder des gegenwärtigen Reichstages sind der Zentrumsabgeordnete Herold, der dem Reichstag seit 1898 angehört, der Deutschnationale von Oldenburg, der aller dings nach einer Parlamentsdienstzeit von 1902 bis 1911 einc lange Pause eingelegt hat, ehe er in den Reichstag zurückkehrte, ferner die Sozialdemokraten Hildenbrand, Scheidemann Stücklen, Schöpflin, Lipinski (ab 1903) der Zentrumsmann mann Giesberts (1905) und der Sozialdemokrat Brey (1906). Für die Fraktionen ist es natürlich vorteilhaft, erfahrene Par lamentarier unter ihren Mitgliedern zu wissen, weil sie daun die komplizierte, ränkereiche parlamentarische Technik durch routinierte Fachleute ausüben können. Als Parlamentarische Neulinge, die auch in der Nachkriegszeit noch nicht Abgeord nete waren, sind 233 Reichstagsmitglieder in den Wallotbau eingezogen, das sind 233 Schüler des Parlamentarismus, die von den erfahrenen Parlamentariern Wohl kaum immer in Schach gehalten werden können. Vermischtes Militärische Übung im Reichstag. Der Reichstag ist bekanntlich noch in den Ferien, so daß man nichts Schlimmes zu befürchten brauchte, als man Donnerstag mittag plötzlich 75 Mann vom Wachregiment Berlin nebst den dazugehörigen Offizieren vor dem Eingänge zum Sitzungssaale aufmarschieren sah Was war hier bloß los? Wer sich erkundigte, erfuhr, daß die Truppe für die am 18. Januar im Plenarsitzungssaale des Reichstages stattfindende Reichsgründungsfeier mobil gemacht worden war. Mannschaften sollen bei der Feier rechts und links vom Präsidentenstuhle sich aufstellen, andere sollen mit alten Fahnen des Reiches im Saale postiert sein usw. Und damit am Sonntag das alles klappe, hatte man eine Generalprobe veranstaltet. Das war der Zweck der Übung. — Der Generalpostmeister bedient die Postkundschaft. Als kürzlich der hundertste Geburtstag des Generalpost meisters Stephan gefeiert wurde, wurden natürlich auch zahlreiche Stephan-Anekdoten erzählt, was schon darum gut anging, weil Stephan ein witziger Herr mit einem großen Anekdotenschatz gewesen ist. Wie dieser Generalpostmeister für die Kunden der Reichspost bis ins kleinste zu sorgen pflegte, ersieht man aus einer kleinen Geschichte, die jetzt, gewissermaßen zum Abschluß der Stephan-Feiern, von einem „alten Kunden" erzählt wird. Der Herr sollte im Auftrage feiner Mutter bei einem aus wärtigen Gerichte einen bestimmten Betrag hinterlegen, hatte das Geld aber von Berlin aus an eine falsche Stelle geschickt. Die richtige Stelle mahnte dringend, aber der Herr hatte kein zweites Geld zu versenden und hätte seine Mutter beinahe in große Schwulitäten gebracht. Auf dem Absendepostamt in Berlin, an das er sich um Rat wandte, wies man ihn schroff ab: er müsse eben warten, bis seine Geldsendung als „nicht bestellbar" zurückkomme, und dann könne er darüber verfügen. Da kam der Mann in seiner Not auf die Idee, sich an Stephan persönlich zu wenden; auf einer Postkarte teilte er ihm den Sachverhalt mit. Und siehe da — am nächsten Morgen — es war der Neujahrsmorgen — brachte ein „Stephansbotc" dem Manne das falsch adressierte Geld zurück. Der Direktor des Berliner Absendepostannes aber, oem der Mann die Sache brühwarm mitteilte, sagte vorwurfsvoll: „Oh, warum haben Sie das getan! Dreimal hat er mich in ver Silvesternacht Herausklingeln lassen!" Stephan nämlich! und Wissen Eberhard Königs 6tt. Geburtstag. Am 18 Januar tvkrd oer Dramatiker Eberhard König 60 Jahre alt. König, der aus Grünberg in Schlesien stammt und ictzi in ^rohnau m der Mark lebt, hat zahlreiche Dramen, Operndichtungen und Er zählungen geschrieben und mehreres aus den Werken Friedrichs des Großen aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt. Von seinen Dramen wurden besonders bekannt: „Gevatter Tod", „Wiclant der Schmied", „Stein", „Tenkros", „Albrecht der Bär" und die Trilogie „Dietrich von Bern".
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