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Nr. 13 — 90. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Freitag, den 16. Januar 1931 Telegr.-Adr.: „Amtsblatt' Postscheck: Dresden 2640 für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die Zerspaltene Raumzeile 20Rpfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40Reichs- Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, ?°^!/?-?drufser Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittag-LUHr. Bezugspreis: Bei Abholung in 2 «M ch^s'.rUe und den Ausgabestellen 2 AM. IM Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,ZV MN., bei Poftdkstellung IS«ps,.AllrPo'stanstalt?n Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postb!tenun"dunst«Au" träger und Geschäftsstellen ! ^il zze- ftellungen entgegen. ImFallc höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch aus Lieferung der Zeitung oder Kürzung de- Bezugspreises. — Abcksendung eingesandter Schriftstücke ersolgt nur, wenn Porto deiliegt. I I Pfennig, die 3gespaltene Aeklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. 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Der preußische Ministerpräsident von Bismarck sagte 1865, als sich die Beziehungen zwischen Preußen und Österreich immer schärfer angespannt hatten, in seiner ganz „undiplomatischen", weil offenen Weise zum Grafen Karolyi, dem damaligen Gesandten Österreichs in Preußen, das Verhältnis zwischen Berlin und Wien müsse entweder besser oder ganz schlecht werden; denn so, wie es augenblicklich damit stehe, sei es unerträglich. Diese Offenheit führte dann bald zu einer Verständigung. Eben so ist's heute mit den d e u t s ch-p g t n i s ch e n Be ziehungen, die den einen der beiden wichtigsten Beratungspunkte auf der Tagung des Völkerbundrates in Genf ausmachen. Daß man in Polen nicht bloß aus national-, sondern auch aus innenpolitischen Gründen gegen alle dortigen Minderheiten in geradezu asiatisch an- ,nutenden Formen vorging, gegen die Deutschen, Ruthenen und Weißrussen, hat zunächst einmal daran denken lassen, daß von hundert Bewohnern dieses 1919 geschaffenen Staates vierzig gar nicht polnischer Volkszugehörigkeit sind. Allerdings sind von diesen vier Volksgruppen eben in der Lage, von einem „auswärtigen" Erlangen und erhalten zu können, von mit den Polen einen Minder- schlossen hat; den anderen bleibt nichts ^^„^Eervund selbst zu wenden. Wenn Deutschland sem Sonderrecht geltend macht und es verteidigt, so ist das ebensowenig eine Einmischung in innenpolitische Verhältnisse Polens, als wenn, wie es ja geschehen ist, der Vorsitzende der Gemischten Kommission, Präsident Calonder, die Beschwerden und Klagen Deut scher in Ostobcrschlesien persönlich untersuchte. Unterbaut wird das Beschwerderecht Deutschlands gerade vor dem Völkerbund übrigens noch durch die Minderheitenschutz- Verträge, die 191Ä in Paris zwischen den Alliierten und den neugegründeten Staaten abgeschlossen wurden und die im Falle der Verletzung ihrer Bestimmungen aus drücklich ein Eingreifen des Völkerbundrats v o r s e h e n. Ist also derrechtltche Boden eigentlich unbestritten — der polnische Einwand, Deutschland wolle sich in die inneren Verhältnisse Polens mischen, ist denn doch allzu lächerlich —, so erfüllt ein Blick aus die allgemeine Lage beim Pölkerbundrat selbst, eine Prüfung der dort an gesammelten politischen Atmosphäre uns Deutsche schon jetzt mit stärkstem Pessimismus. Daß der französische und der englische Außenminister nach langer Unterredung „vereint zu löblichem Tun" nach Gens gefahren sind, ver stärkt diesen unsern Pessimismus noch. Und Polen hat in die Genfer Atmosphäre schnell noch eine Stink bombe hineingeworfen: Was Deutschland in Genf eigentlich beabsichtige, sei letzten Endes gar nicht so sehr die Aufrollung des Streits um die Minderheiten, sondern "die seiner Ostgrenzen, also — der Bestimmungen von Versailles. Das ist so seltsam überraschend, daß man wohl nicht zu Unrecht die Geburtsstütte dieser Parole gegen Deutschlands Forderungen nirgends anderswo als aus dem französischen Auswärtigen Amt am Quai d'Orsay in Paris zu suchen hat Da auch den polnischen Außen minister die Reise nach Genf erst noch zu einem kleinen Abstecher nach dem Quai d'Orsay geführt hat wird der vielgewandte und sich oft „wendende" Herr Briand schon den richtigen „Dreh" für Genf gefunden und mit den andern vereinbart haben. Man braucht kein großer poli tischer Prophet zu sein, um Voraussagen zu können, daß früheren Erfahrungen gemäß der Völkerbundrat zunächst einmal eine Untersuchung beschließen wird, also eine Kommission, deren Arbeitsfreudigkeit kaum übertrieben groß sein dürfte, man in Genf „entsprechend der vor gesehenen Prozedur vorzugehen habe", wie jetzt schon in Paris angckündigt wird. Es herrscht also „dicke Luft" in Genf. Neben der uns unbedingt als Gegner gegenüberstehenden fran zösisch-polnisch-tschechischen Front'schlendern in mehr oder weniger markierter Gleichgültigkeit für den deutsch-pol nischen Streit die Vertreter Englands und Italiens her um. Auch sie werden sich Deutschlands wegen „kein Bein ausreißen", am wenigsten der englische Außenminister Henderson, der ganz andere Sorgen hat als die um das Feuer an der Weichsel. Er wird der deutschen Vertretung in Gens den „guten Rat" geben, sich zu „mäßigen", wird vielleicht auch hinsichtlich der Gründe für das bisherige Verhalten der deutschen Regierung es auch nicht an aller- band Andeutungen über innenpolitische Rücksichtnahme fehlen lassen, wie wir Derartiges überall in der fran zösisch-polnischen Presse lesen mußten. Mit den innen politischen Verhältnissen Deutschlands hat das alles nicht das geringste zu tun, vielmehr sind die Blicke aller Deut schen jetzt auf Genf gerichtet in Hoffnung oder Befürch tung darüber, ob der Völkerbund sich diesmal als das erweisen wird, was er seiner Zweckbestimmung nach sein soll: Hüter des Rechts zu sein und demgemäß zu handeln, — oder ob Deutschlands Vertretung auch jetzt wieder mit leeren Händen aus Genf zurückkehrt. Una wieckr einmal USIKelbunü! Vorschau auf Genf. Gegenspieler und Sekundanten. Zu der Genfer Ratstagung, die am Montag ihren Anfang nimmt, haben 2 2 Staa 1 en ihre Außenminister persönlich entsandt, ein Zeichen dafür, daß man den Ver handlungen dort die größte Bedeutung beimißt. Deutschland muß, wie leider schon so oft, auch dies mal wieder alsAnkläger auftreten, und das von ihm wegen seiner Terrorakte den Deutschen gegenüber ver klagte Polen hat seine Freunde und Bundesgenossen im Völkerbund mobil gemacht und sich seine Sekundanten gesichert. Der polnische Außenminister Zaleski hat auf seiner Reise nach Genf in Paris bei Briand vorgesprochen und Briand seinerseits fährt mit dem englischen Kollegen zusammen von Paris nach Genf, nachdem er mit ihm am Quai d'Orsay eine längere Unterredung hatte. Man mißt dieser Zusammenkunft um so größere Be deutung bei, als Henderson an Stelle des deutschen Reichsäußenministers den Vorsitz der kommenden Tagung übernommen hat. Die französische Presse macht darauf aufmerksam, daß eine günstige Entwicklung der deutsch-polnischen Angelegenheit in hohem Matze von der Haltung Englands abhänge. Wie diese Haltung sich äußern wird, glaubt ein gewöhnlich gut informiertes französisches Blatt zu wissen, das erklärt, im englischen Außenministerium vertrete man die Auf fassung, daß die deutschen Forderungen einen ungewöhnlich weitgehenden Charakter trügen. Der englische Außenminister soll Briand die Versicherung gegeben haben, daß er sich bemühen werde, auf eine Mäßigung dieser Forderungen hinzuwirken. Dieser Hinweis auf die „ungewöhnlich weitgehenden" deutschen Forderungen läßt die Besorgnis besonders Polens und Frankreichs erkennen, daß sich aus der Forde rung Deutschlands auf Garantien des Genfer Ab kommens über Oberschlesien, der Bloßstellung und Niederringung des polnischen Terrors, der Weiterführung des auf der Madrider Tagung begonnenen Minder h eiten kampfes eine peinliche Diskussion über die Grcnzrevision, die an Artikel 19 des Versailler Vertrages anknüpft, ent wickeln wird. Unter der „Mäßigung" der deutschen Forderungen, die Henderkou anraten will, versteht man Ncichsaußcuminister Dr. Curtius. Der polnische Außenminister Zaleski. offenbar eine Zurückhaltung Deutschlands von diesem wunden Punkte, an dem man nicht gern rührt. Pom deutschen Standpunkt aus scheint es zunächst unbedingt erforderlich zu sein, daß der Völkerbund grund sätzlich die Verantwortung der polnischen Negierung für die Vorgänge in Oberschlesien feststellt und hierbei seine Mißbilligung ausspricht. Der Vorschlag zur Bildung eines Untersuchungsausschusses steht nach wie vor im Vordergrund, jedoch gehen die Auf fassungen über Art der Bildung noch weit auseinander. Die Ratstagung soll ferner den Termin der Allgemeinen Abrüstungskonferenz festlegen. Über diese Terminfestsetzung hinaus hat die Ratstagung eigentliche Arbeit für die Abrüstung nicht zu leisten. Ferner soll das Studienkomitee für die Paneuroparegelung den Arbeitsplan aufstellen. Der deutsche Standpunkt ist hier dahin bereits fest aufgezeigt, daß lediglich wirt schaftliche Gesichtspunkte für eine Paneuropa-Arbeit entscheidend sein können. Die Lösung des Problems der „Gleichheit der Sicherheiten" ist ferner eine unerläßliche Voraussetzung für eine Mitarbeit Deutsch lands an den Vorbereitungen eines wirtschaftlichen Zu sammengehens der europäischen Staaten. Allzu große Hoffnungen wird man auf den Ausgang der Ratstagung nicht setzen dürfen, aber wir sind ja auch in dieser Beziehung durch die früheren Konferenzen des Völkerbundes nicht verwöhnt worden. Curtius im Europäischen Ausschuß. Nach den bisher getroffenen Dispositionen werden die Verhandlungen im Völkerbundrat über die deut schen Beschwerden gegen Polen am nächsten Diens- t a g beginnen. Reichsaußenminister Dr. Curtius und die Herren der deutschen Abordnung sind zu der Tagung des Europäischen Ausschusses in Genf ein« getroffen. * Englands Marschroute im deutsch-polnischen Konflikt. London, 15. Januar. Es hat in Londoner zuständigen Kreisen befremdet, daß der polnische Außenminister Zaleski an läßlich des Protestes über die Behandlung der Deutschen in Oberschlesien und Polen, der deut chen Regierung weitgehende politische Absichten unterstellte, die auf eine Revision der Grenz- srage Hinzielen sollen. Als sicher kann angenommen werden, daß Henderson allse versuchen wird, um die Frage der deutschen Min derheiten in rein sachlichen Grenzen zu halten. London neigt da zu, Deutschland nahe zu legen, sich bei den kommenden Verhand lungen lediglich auf die Darlegung der reinen Tatsachen zu be schränken. Sollten jedoch entgegen den von Henderson gehegten Hoffnungen in Verbindung hiermit politische Probleme ange schnitten werden, so wird sich die englische Politik streng an die rein rechtliche Auslegung der vorhandenen Verträge und Ab kommen halten. Sollten Abänderungen der Genfer Konvention und im Zusammenhang damit Probleme der weiteren Entwick lung Ober'chlesiens angeschnitten werden, so würde die englische Politik zunächst direkte Verhandlungen zwischen Polen und Deutschland für angebracht halten, um Mittel und Wege zu einer Verständigung zu finden, sich selbst aber eine starke Reserve auf erlegen. Haushaltsausschuß des Reichstages. Der sozialdemokratische Redner, Abg. Dr Hilferding, er klärte, der Fehlbetrag im neuen Haushall werde sich etwa in Höhe von 1200 Millionen Mark bewegen. Dabei würden die Länder und die Gemeinden einen Ausfall von 400 Millionen und die Knappschaften einen solchen von 125 Millionen haben, so daß besonders die Knappschaften in einer schwierigen Lage seien. Es sei auch fraglich, ob die Gemeinden den für 1931 zu erwartenden großen Ausfall vertragen könnten, zumal mit einem Rückgang der Gemeindesteuern von etwa 10 Prozent zu rechnen sei. Man werde wohl nicht umhin können, einen Teil der Lasten der Wohlsahrtssürsorge den Gemeinden ab zunehmen und aus Reich und Länder zu verteilen. — Für die Bäuerische Volkspartei sprach der Abg Dr Schlittenbauer, der betonte, das Reich könne nicht den Finanzvormund für die Länder und die Gemeinden spielen. Reichssinanzminister Dietrich meinte, die Angelegen heiten des Reichshaushalts dürsten im Interesse der Volks wirtschaft nicht sensationell behandelt, sondern müßten objektiv angesehen werden. Die Sicherung der Finanzlage der Ge meinden werde Sorge der Reichsregierung bleiben. In erster Linie hätten dafür aber die Länder zu sorgen,, und wenn diese in AusnahmesäUen nicht helfen könnten und später einmal eine Reichshilfe in Frage kommen sollte, so müßten die Gemeinden zuvor alle Sparmöqlichkeiten ausgeschöpft haben Er sehe zu nächst keine Möglichkeit, weitere 300 Millionen abzusetzen, wie es die Deutsche Volkspariei verlange Von den 400 Mil lionen Doung Anleihe haben die Reichsbahn 240 und die Post 160 Millionen erhalten. Der Hugenbergsche Ptan einer 15pro- zentigen Reparationsabgabe stehe ini Widerspruch zu der ganzen deutschen Handelsvertragspolitik und sei technisch nicht durchführbar. Zcmrumsavgeordneter Erstna verlangte von der Regie rung eine Klarstellung der tatsächlichen Kostenverhältntssc der öffentlichen Verwaltung in Reich, Ländern und Gemeinden, über die vielfach unrichtige Ansichten herrschten. Daraus wurden die Verhandlungen vertagt. Der Heichsrai. Härten sollen beim Steuereinzug vermieden werden. Der Reichsrat stimmte einer Verordnung über die Ab führung der Bürgerstcuer zu. Diese Verordnung will Härten vermeiden, die bei der Einbehaltung der Bürgersteuer auf- trelen könnten. Es soll vermieden werden, daß dem Lohn- steuerpflichtigen durch die Einziehung der Bürgerstcuerrate nur noch ein Betrag verbleibt, der zur Bestreitung des Lebensunter halts bis zur nächsten Lohnzahlung kann, ausreicht Außer dem will die Verordnung auf die Lohnsenkung Rücksicht nehmen, die gegenwärtig viele Arbeitnehmer trifft. Die Ver ordnung sieht deshalb vor, daß der Abzug leder der zwei Raten vom 10. Januar und 10. März aus mchrereLohn- zahlungstermine verteilt werden kann. Neue Enifchechungen durch neue S^uernussälle? Staatskommissare sind nicht immer Sparkommissare. Im Haushaltsausschuß des Reichstages wurde die Aussprache über die finanzpolitische Lage fort gesetzt. Zunächst nahm für die L. V. P. Dr. Cremer das Wort. Er erklärte, die Ministerrede Labe seine volitikcken