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MsdmfferTageblatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Stadt rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und erscheint werktags nachm. 4 Uhr. Dezugrpr. monaft 2RM. frei Kaus, bei Postbcstellung I,8N RM. zuzügl Bestellgeld. Einzelnummer lv Rps. Alle Poftanstalten, Postboten, unsere Austräger u. Geschäftsstelle Falle höherer Gewalt o^cr Wochenblatt für Wilsdruff u. Utngeaend s'onstiger"Bct^ gen besteht kein Anspruch Lieferung der Zei. tung oder Kürzung des Bezugspreises. 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In der Reihe der Gesetze, die das Reichskabinett in seiner letzten Sitzung bekanntgegeben hat, sind drei, die ^bon größtem Interesse für die Allgemeinheit und in ihren Auswirkungen für die gesamte Wirtschaft sind. Wir denken dabei an das Gesetz betreffend Auflösung der Zwecksparunternehmen, an das Energie- wirtschaftsgesetz und schließlich an das Gesetz zur Verlängerung des H y p o t h e k e n m o r a t o - rium s. Durch den Beschluß, die Zwecksparunternehmungen aufzulösen, wird einer unerfreulichen Erscheinung des Wirtschaftslebens ein Ende gemacht. Als nach dem Schwarzen Freitag 1931 die Kreditmittel für Einzelper sonen so gut wie völlig erschöpft waren, gründete man die sogenannten Zwecksparkassen. Ihr Zweck war, die Kredit not am Personalkreditmarkt zu beheben. Aber die Hoff-' nungen, die auf diese Einrichtungen gesetzt wurden, er füllten sich nicht. — Es find hauptsächlich drei Gründe, die die Reichsregierung veranlaßt haben, diese Unter nehmungen zu verbieten. In erster Linie waren die Kosten dieser von den Zwecksparunternehmen gegebe nen Kredite viel zu hoch. Sie schwankten sage und schreibe zwischen 22 tt-nd 50 Prozent der ganzen Darlehnssumme. Nur einige wenig« Unternehmungen gaben sich mit einem, Kostenbeitrag von 12 Prozent zufrieden. Selbstverständ lich waren gerade für die ärmeren Volksgenos sen, für die die Kredite in Frage kamen, die Kosten viel zu hoch. Hinzu kam als zweiter Grund die ungewöhnlich lange Wartezeit, die zumeist der Kreditauszghlnng voransging. Oft mußten Sparer noch auf die Kredit zuteilung warten, wenn sie schon die Hälfte der abge schlossenen Summe angespart hatten. Unter diesen Um ständen entstanden den Sparern, die sich meist dann um einen Kredit bewarben, wenn sie sich von einer anderen Schuld frei machen wollten, Schwierigkeiten über Schwie rigkeiten. Weiterhin gab di« Tatsache, daß die Wer ber der Zwecksparunternehmungen, die, nm zn einem Abschluß zu kommen, ost genug nicht ganz stichhaltige und zuverlässige Auskünfte gaben, zum Verbot Anlaß. Unter dieses Verbot fallen 51 Unternehmungen. Eine Reihe öffentlicher Sparkassen wird die Auflösung und Auszahlung der Sparguthaben übernehmen. Da die Ver bindlichkeiten der Zwecksparunternehmnngen durch ihr Vermögen reichlich gedeckt sind, besteht keinerlei Gefahr für die übernehmenden Sparkaffen und die Sparer. Trotzdem bat das Reich für alle Fälle ausnahmsweise für die Sparkassen eine A u s f a l l b ü r g s ch a s t in Höhe von zwei Millionen Mark übernommen. Das Gesetz überdieEnergieversorgung war im September dieses Jahres auf der Tagung der Elcktrizitätswirtschaftler in Saarbrücken vom Reichsbank- Präsidcnten Dr. Schacht bereits angekündigt worden. Zwei Grundgedanken sollten nach seinen Ausführungen dieses Gesetz beherrschen: möglichste Billigkeit und möglichste Sicherheit der Versorgung des deutschen Volkes mit Energie. Verwirklicht werden diese Gesichts punkte durch die jetzt vom Reich übernommene Aufsicht über sämtliche deutschen Energiewirtschafts- Unternehmungen. Diese Aufsicht erstreckt sich auf Preis bildung, Anlage des Kapitals und Ausbreitung bzw. Vergrößerung oder Verkleinerung der Unternehmungen. Wie groß der Kreis der von diesem Gesetz erfaßten Unternehmen ist, geht ans der Tatsache hervor, daß allein die Elektrizitätswirtschaft in 4400 Unternehmungen über 70 000 Volksgenossen und die Gasversorgung in rund 900 Gasanstalten über 30 000 Volksgenossen beschäftigt. Erzeugt wurden im letzten Jahr an elektrischem Strom 30 Milliarden Kilowatt «iw an Gas 5,35 Milliarden Kubikmeter. Gerade in den letzten Jahren ist der elek trische Stromverbrauch durch die elektrischen Herde und durch die Heißwasserspeicher gewaltig gestiegen. Die Zahl der elektrischen Herde hat sich von 27 500 im Jahre 1929 aus 232 000 im Jahre 1934, die Zahl der Heißwasser speicher in derselben Zeit von 20 500 ans 85 500 erhöht. Da sich hi«r noch ungeheure Zukunftsmöglichkeiten bieten, ist das Interesse jedes Verbrauchers an den Tarifver- forgungen verständlich. Ma« wird nicht wenig über rascht sein, zu hören, daß es allein in der Elektrizitäts wirtschaft heute noch 800 verschiedene Tarife in Deutsch land gibt. Auch bei dem Gas Weiche« die Tarife stark voneinander ab, wodurch häufig schärfst« Wettbewerbs- kämpfe entstanden sind. Das Gesetz über die Verlängernng des Hypothekenmoratoriums knüpft an di« durch die Brüningschc Rotverordnung bestimmte Stundung der Hpothekenschulden an. Die Verlängerung dieses Mora toriums für Hvpotheken, also die Stundung der Rück zahlungspflicht auf weitere drei Jahre, war unumgänglich notwendig, da das Kündigungsverbot Ende dieses Jahres ablief und nun infolge der allgemeinen Kapitalkuappkeit kaum ein Hausbesitzer die für die Ablösung notwendigen Mittel hätte auftreiben können. Da es sich bei den fällia- werdenden -swvotb-kxn um Milliarde»b>'träae Hand"' wäre der Kapitalmarkt fraglos dem Riese,mnstnrm der aeldjuchenden Kreise nicht gewachsen gewesen. Jnjolge- Jn Genf hat man mit der Einsetzung des Dreizehnerausschusses, also des Völkcrbunds- rats ohne Italien, gewissermaßen einen Friedens ansschuß eingesetzt, der im alleinigen Auftrage des Völkcrbundsrats die Friedensmöglichkriten im Abessinicn- krieg weiter prüfen soll. In London hat das englische Parlament der Regierung Baldwin nach einer dramatischen Aussprache über den Pariser Fricdensplan des darüber gestolperten Außenministers Hoare das Vertrauen ausgesprochen und damit sestgcstellt, daß der Pariser Plan völlig erledigt ist und England sich ans seine frühere Völkerbundspolitik wieder zurückzicht. Das bedeutet, daß England zwar dem Völker bundsrat in allen seinen Maßnahmen, die im Zusammen hang mit dem Abesfinienkricg getroffen werden, voll und ganz unterstützen wird, andererseits aber dem Völ - kerbundsrat die alleinige Verantwor- tuns überläßt. Der in nächtlicher Stunde nach Ablehnung des Miß trauensantrages der Arbeiterpartei mit 390:165 Stim men angenommene konservative Nbändernngsantrag lautete: „Dieses Haus ist der Ansicht, daß alle Bedingun gen für eine Regelung des italienisch-abessinischen Kon fliktes hergestellt sein müssen, daß sie der Völkerbund an - nehmen kann, und versichert gleichzeitig die britische Regierung seiner vollen Unterstützung in der Verfolgung der Außenpolitik, die im Negiernngsmanifeft dargelegt und vom englischen Volk bei den kürzlichen Neuwahlen angenommen wurde." Die Möglichkeit eines italienischen Angriffes. Die Aussprache im Unterhaus hätte im Namen der Negierung Schatzkanzler Neville Chamberlain abgeschlossen, der die Behauptung der Opposition, daß die Regierung Hoare zum Sündenbock für ihre Fehler gemacht habe, als unfair bezeichnete. Chamberlain ging besonders auf die Frage ein, ob England andere Mächte außer Frankreich gefragt habe, welches ihre Stellung nahme im Falle eines italienischen Angriffes gegen Eng land sein werde. besten wurden die Gläubiger durch Gesetz veranlaßt, mit der Rückforderung ihrer als Hypothek gegebenen Kredite zu warten. Schon bisher konnte trotz des bestehenden Hypothekenschutzes der Gläubiger in gewissen Fällen Rück zahlung seines Geldes verlangen. Er mußte in solchen Fällen nachweisen, daß ohne Rückzahlung seine Existenz gefährdet war. In Zukunft wird es umgekehrt sein, das heißt, jetzt muß der Schuldner, nämlich der Hausbesitzer, von dem der Gläubiger die Rückzahlung verlangt, nachweisen, daß er ohne Gefährdung seiner Existenz feine Schuld nicht zurückzahlen kann. . .. England habe von den Mächten, die es befragte, und insbesondere von Frankreich, die vollständigste und loyalste Versicherung erhalten, daß sie England zu Hilfe kommen würden. Zu beachten sei aber dabei folgendes: Im Unterhaus sei gefragt worden, ob England Versicherungen der soforti gen und unmittelbaren Unterstützungen erhalten habe. Die Antwort kante: England hat Versicherungen von Frankreich erhalten, daß es uns zu Hilfe eilen wird. Hierauf behandelte der Schatzkanzler die Frage, ob England bereit sei, sofort eine Slsperrc gegen Italien zu beschließen. Wenn der Völkerbund die Anwendung von Llsawk- tionen beschlösse, die wirksam Umren, und wenn wir ferner überzeugt wären, daß ave Völkcrbundsmit- glieder, die in Frage kommen, nicht nur Versicherun gen abgeben, sondern tatsächlich bereit sind, ihr« Rolle bei der Abwehr eines Angriffs zu spiele«, der vielleicht plötzlich und unerwartet sein könnte —, so find auch wir bereit, unsere Rolle zu spielen und der Anwendung von Llsanltionen zuzustimmen. - Anschließend erklärte Chamberlain in energischer Form das Gerücht als unbegründet, daß Verhand lungen zwischen Rom, Paris, Berlin nnd London über eine Völkerbnudsreform und die Schaffung eines Vier- mächtedirekroriums im Gange seien. Abfchließend erklärte der Scl^tzkanzler: „Nichts hat sich in der Stellungnahme der Negierung gegenüber dem Völkerbund geändert. Wir haben bei der Anwendung der bisher verfolgten Politik einen Fehler gemacht, aber niemand wird saaen. daß wir nicht Recht hatten und daß wir in der Zukunft nicht Recht! haben werden, wenn wir jede Gelegenheit zur Verhand lung über einen für den Völkerbund annehmbaren nnd von den beiden Streitparteien angenommenen Frieden ergreifen. Andernfalls stehen wir wie bisher für kollektive Sicherheit dvrch gemeinsames Handeln. Der Völkerbund muß schrittweise vorgehen, wie ei« kleines Kind, das gehen lernt, bis er das Vertrauen der Welt gewonnen hat. Seit Beginn des Streites hat er riesige Fortschritte in der Gewinnung dieses Vertrauens gemacht. Man muß einsehen, daß die letzten hinter dem Völkerbund stehenden Sühnemaßnahmen stets Gewalt bedeuten. Die englische preffe gegen Valdwin. Der Sieg der Regierung Baldwin im Unterhaus wird in der englischen Öffentlichkeit nur als ein parlamentarischer Erfolg angesehen, und es ist kenn zeichnend für die britische Sinnesart, wenn in der eng lischen Presse der Eindruck verblieben ist, daß der angeb liche Sündcnbock, der der Volksstimmung geopfert wurde, jetzt die Sympathien des ganzen Landes genießt, während die Gesamtregiernng trotz des Abstimmungsergebnisses mehr belastet erscheint als vorher. Hoares Verteidi gungsrede, die mit einem Tränenausbruch des zurück getretenen Außenministers endete, erhält in der eng lischen Presse wärmste menschliche Anerkennung. Hoares „tapfere, würdige und aufrechte Haltung" wird von allen Seiten gewürdigt. Er habe zwar einen schwerwiegenden Fehler begangen, habe aber rechtzeitig und ehrlich die Folgerungen daraus gezogen. Baldivins Rede wird dagegen in der englischen Presse überwiegend als unbefriedigend bezeichnet. „Times" stellen fest, daß nur der scharfe persönliche Angriff des Oppositionsführers auf Baldwins Ehre dem Ministerpräsidenten den erfolgreichen Auftritt verschafft habe. Selbst Blätter der Rechten, wie „Morning Post" und „Daily Mail", sind der Ansicht, daß das unmeßbare politische Vertrauen, das Baldwin im Lande genoß, durch seinen Ilmfall und die Bitte nm Entschuldigung weit gehend verscherzt sei. „Daily Mail" fordert offen den Gesamtrücktritt der Regierung. Das gleiche tut das Beaverbrook-Blatt „Daily Erpreß". Die Opposition aber äußert sich in Worten schärfster Anklage gegen das Gesamtkabinett, das schuldiger als Hoare sei. Von rechts bis nach links wird übereinstimmend fcstgestekt, daß Baldwin keinerlei Andeutungen darüber gemacht habe, welches schreckliche „Geheimnis" vor zehn Tagen seine Lippen versiegelt hätte. Man rechnet demgemäß in England mit einem Wiederaufleben der Krise im neuen Jahr. Wie in London verlautet, wird spätestens im Frühjahr eine Nenbildnngdes Kabinetts zn erwarten sein, wobei möglicherweise Schatzkanzker Neville C h a m b e r l a i n Baldwin ersetzen werden Den Posten des Außenministers wird entweder Auste« Chamberlain vorübergehend oder Lord Halifax über nehmen.