Volltext Seite (XML)
ZnnerpMche Hochspannung in Frankreich. Appell des Ministerrats an die Nation. Wird die Regierung ge st ürzr? In diesen Tagen muß sich das Schicksal des Kabinetts Laval entscheiden. Die Linksopposition rechnet fest mit einem Rcgicrungssturz am Donnerstag. Es fragt sich, wieweit die Appelle der Regierung an die Ration noch helfen und zur Entspannung der äußerst kritischen Lage beitragen. Am Dienstag tagte der M i n i st e r r a t 3V- Stunden lang. Er beschäftigte sich, wie die amtliche Verlautbarung sagt, mit dem Stand der internationalen Verhandlungen in dem italienisch-abessinischen Konfliki Laval erstattete darüber Bericht und Finanzminister Regnier über die finanzielle Lage. Im Hinblick ans die schwierige finan zielle Lage beschloß die Negierung, am Donnerstag an das Baterlandsgefühl der Kammer zu appellieren und den sofortigen Eintritt in die Beratung des Budgets zu verlangen. Die Negierung einigte sich dann über ver schiedene Einzelheiten zur Sicherung der öffent lichen Ordnung. Aus Vorschlag des Marine- minists^s PiStri wurde dann die Zusammensetzung der frar^osischen Abordnung für die Londoner Fl.vttenkonferenz gebilligt. Wie die Wirkung dieser Regierungsbeschlüffe auf die parlamentarischen Parteien fein wird, bleibt abzuwarten. Selbstverständlich wird der Appell an den Patriotismus der Kammer seinen Ein druck bei der Rechten und der Mitte des Hauses nicht ver fehlen und mit größter Wahrscheinlichkeit auch gewisse Kreise der Nadikalsozialen beeinflussen. Ob das genügt, um der Regierung die nötige Mehrheit zu sichern, wenn sie die sofortige Beratung des Budgets vor der von der Linken geforderten Debatte über die republikfeindlichen Verbände verlangt, ist sehr unsicher. Nicht nur bei den marxistischen Parteien, sondern auch bei dem größten Teil der Radikalsozialen wird man in dem Vorgehen der Regierung, besonders in der vorläufigen Geheimhaltung der zur Sicherung der öffentlichen Ordnung getroffenen Maßnahmen eine Brüskierung und ein Manöver sehen, um die Linksfront zu spalten. Diese aber wird sich mit Maßnahmen, die nicht die Auflösung der Verbände ent halten, bestimmt nicht zufriedengeben. Die Lage bleibt also sehr kritisch für das Kabinett Laval. Die sozialistische Kammergruppe hat ihre bereits früher zum Ausdruck gebrachte Absicht bestätigt, den Sturz der Regierung Laval herbeizuführen und sich an einer etwaigen Regierung der Volksfront zu beteiligen. Diese neue Regierung soll dann die Kammer auflösen und während der Zeit der Neuwahlen die Ord nung und die Verteidigung des bestehenden Zustandes sichern. Unter dieser Bedingung würde die sozialistische Kammergruppe bereit sein, innerhalb von 48 Stunden nach der Bildung dieser neuen Regierung den Haushalt im ganzen anzunehmen. In der Sitzung der sogenannten Abordnung der Linken am Mittwochabend wer den die Sozialisten diese Haltung vertreten und durchzn- fetzen versuchen. Die Entscheidung über das Schicksal dieser sozialistischen Absichten und damit über das Kabi nett Laval liegt somit bei den Nadikalsozialen, die ihre endgültige Haltung erst in der Sitzung der Abord nung der Linken am Mittwochabend sestlegen werden. Die radikalsozialistische Kammergruppe hat sich in einer Sitzung am Dienstagnachmittag mit der bevorzug ten Behandlung der Finanzpolitik der Regierung in der Kammer einverstanden erklärt, allerdings unter der Be dingung, daß sich daran unmittelbar die Behandlung des Berichts von Chauvin über die Kampfbünde anschließt. Diese Haltung der Radikalsozialisten hat nach Ansicht par lamentarischer Kreise die Aussichten der Regierung Laval zunächst einmal erheblich gebessert. ::::::::::::::::: ::::::::::: Lies Vein« Heimatzeitnng MMllliWstM Wer Brasilien Umstu^zyläne der Sowjets für alle südamerikanischen Staaten Die brasilianische Bundesregierung hat infolge der roten Aufstandsversuche iu den beiden Nordprovinzen Rio Grande do No rto und Per» namüulo, deren Hauptstädte Natal und Per- nambuko als Hafcnplätze besonders kommunistisch verseucht sind, den Belagerungszustand über das ganze Land verhängt und Truppen, Kriegsschiffe und Flug zeuge zum Kampf gegen die Aufrührer eingesetzt. An der Spitze der Umstürzler steht der berüchtigte Kommu- nistcnführer Luiz Carlos Prestes, ein ehemaliger brasilianischer Offizier, der jetzt Mitglied der Moskauer Komintern ist. Um eine Ausbreitung des Putsches zu verhindern, wurden in allen Hauptstädten der Provinzen die kommunistischen Rädelsführer verhaftet, unter ihnen in Pernambuko der Staatssekretär des Innern. Wie nach Londoner Meldungen verlautet, ist, Tele grammen aus Brasilien zufolge, der Kommunisten- aufstand niedergeschlagen worden. In Olinda wurden die Aufständischen völlig niedergczwun» gen, während sie in Pernambuko in die Kasernen zurückgetrieben wurden. Dort konnten sie von den regie rungstreuen Streitkräften umzingelt werden. In R i o de Janeiro und den übrigen Städten ist diesen Berichten zufolge alles ruhig. Dem Polizeipräsidenten von Rio de Janeiro gelang es, auf Grund vorgenommener Haussuchungen Beweis- material dafür zu erbringen, daß der rote Aufruhr sich nicht nur auf Brasilien beschränken, sondern das Signal für ähnliche Umsturzversuche auch in Argentinien, Chile, Uruguay, Kolumbien und Peru sein sollte. Nach einer Pressemeldung aus New Jork über die Hintergründe dieser neuen revolutio nären Bewegung, ist von Moskau aus der Plan geschürt worden, schlag artig einen kommunistischen Aufstand in allen Teilen des sttdamcrikanischen Kontinentes einsctzcn zu lassen. Dies geht aus einer Reihe von Schriftstücken, unter denen sich auch Reden befanden, die auf dem Siebenten Kongreß der Dritten Internationale in Moskau gehalten worden sind, hervor, die von dem Chef der Polizei von Pernam- buko haben fichergestellt werden können. Aus diesen Doku menten ist ersichtlich, daß der brasilianische Kapitän Prestes die kommunistische Propagandatätigkeit in den letzten Wochen persönlich geleitet hatte, mit dem Ziel, durch eine KommuniPeurevolte die Regierungen aller südamerikanischcn Staaten zu stürzen. Der Aufstand war bisher nur auf die Pro vinzen Rio Grande do Norto und Pernam- buko beschränkt. Nach schweren Kämpfen haben die Rebellen hundert Tote in den Straßen von Pernambuko zurückgelassen, ehe sie vor den vordringenden Negierungs truppen zurückwichen. 90 Rebellen sollen von den Negierungstruppen gefangengenommen worden sein. Auch in Natal war die Lage ernst. Die Stadt befand sich in den Händen des aufständischen 2t. Jäger bataillons. „Graf Zeppelin" an -er brasilianischen Küste^ Luftschiff „Graf Zcppeli n" hat seine Post über Maceio abgeworsen. Nach den letzten Standortmel dungen befand sich das Luftschiff auf der Höhe von Re cife (im Staate Pernambuko). Es bewegte sich in süd licher Richtung die Küste entlang, um die für Europa be stimmte Post zu übernehmen. Allerdings war der Lnft- schiffleitung zunächst nicht bekannt, wo sich diese Post zur Zeit befand. Sie hoffte, in Bahia die Postübernahme zu vollziehen. Das Luftschiff hat noch bis Donnerstag ausreichend Brennstoffvorräte. Falls sich ihm keine Über nahmemöglichkeiten bieten, kann es qlfo unbesorgt zu der eigenen Brennstofsnicderlage nach Bathurst (Afrika) zurückkehren. Aufstand in Pernambuko niedergeworfen. Die Zentrale der Bundespolizei in Rio de Janeiro hat Meldungen empfangen, denen zufolge der Aufstand m Pernambuko völlig niedergeworfen werden konnre. Eben falls sind die Aufständischen in Jaboatao vernichtend geschlagen worden; sie befinden sich in völliger Aus lösung und fliehen, unter Zurücklassung großer Mengen Waffen und Munition, ins Innere. (Wagenborg/Eisner — M.) Erste Sitzung des neugcwWen englischen Parlaments. Wahl der Sprecher des Unterhauses. — Vereidigung der Abgeordnete,!. Tas englische Parlament trat am Dienstag« nachmittag zu seiner ersten Sitzung nach den Neu wahlen zusammen, die der Wahl des Sprechers (Unter hauspräsidenten) und der feierlichen Vereidigung der Ab geordneten galt. Unter den 615 Abgeordneten sah man viele bekannte Gesichter wie Lloyd George, Austen Chamberlain und vor allem den Ministerpräsidenten Baldwin, der von seinen Anhängern mit lautem Beifall begrüßt wurde. Nach dem üblichen Wettrennen um die Sitze im Unter haus wurden die Abgeordneten nach altem feierlichen Her kommen vom Vertreter des Königs ins Oberhaus gebeten, wo eine Erklärung des Königs an das Parlament verlesen wurde. Nach der Rückkehr ins Unterhaus wurde Haupt mann Fitzroy einstimmig zum Sprecher wiedergewählt. Fitzroy betreut dieses Amt schon seit sieben Jahren. Hier auf erhob sichBaldwinzu einer kurzen Ansprache. Er beglückwünschte den Sprecher und erklärte, das englische Parlament, ans das die Augen der ganzen Welt gerichtet seien, sei ein Hort der Demokratie und der Freiheit. Nach dem auch die übrigen Parteiführer, darunter Lloyd George gewissermaßen als „Vater des Unterhauses", gesprochen hatten, begann die Vereidigung del Abgeordneten. (60. Fortsetzung.) Der Arzt sieht ihm fest ins Ange. Er hat gute, kluge Augen hinter der großen Hornbrille. „Wir stehen alle in eines Höheren Hand. Was ein Mensch tun kann . . . das geschieht für Ihren Freund. Ich war auch im Krieg. Das andere . .." er zuckt die Achseln ... „Wenn Sie es können, Litten Sie Gott um seine Hilfe. Wir sind machtlos ohne ihn. Das ist die letzte Weisheit eines langen Lebens als Arzt . . . und als Mensch. Ich sage das nicht jedem, der hierher kommt." Dann geht er in den Operationssaal. Eine Schwester kommt und will Heinz hinansführen aus dem Wartezimmer. Er aber steht wie ein Baum, Stunde um Stunde, und rührt sich nicht von der Stelle. * Annemarie hat hente alle Hände voll zu tun. Thor meyer ist in Paris, er hat da eine Besprechung Mit den Vertretern der bolivianischen Regierung. Man will eine neue elektrische Bahn durch die Kordilleren bauen, und Lie Ausrüstung gedenkt Thormeyer für die Amag hcr- einzuholen. Zwei Tage wollte er wegbleiben; daraus sind bereits vier geworden, denn die Herren aus La Paz lassen sich Zeit, weil sie meinen, Paris sei eine Stadt, in Ler sich leben lasse. Annemarie ist im Merk geblieben. Sie ist über die Wichtigsten laufenden Angelegenheiten unterrichtet. Sie gibt die Anweisungen ihres Chefs mit gewohnter Ge nauigkeit weiter, das Uhrwerk läuft geräuschlos. Die Betriebsleiter, Assistenten und Werkmeister be merken die Abwesenheit des Chefs kanm. Sie finden Las bekannte, höflich verschlossene Gesicht Fräulein Dr. Ohlsens an seiner Stelle und sind zufrieden damit. Es ist alles wie sonst. Und doch nicht. Annemarie Ohlsen ist eine andere ge worden. Das weiß sie selbst am besten, und wer viel mit ihr zu tun hat, bemerkt die Veränderung ihres Wesens ebenfalls. Am deutlichsten merkt es der Schreib maschinensaal. Sie selbst gibt sich über ihren Zustand keiner Täu schung hin. Dazu ist sie zu klug. Die Tage auf der Insel klingen noch in ihr, die Melodie jener zauber haften, unwirklichen Welt tönt noch immer wie ein törichtes, wehmütiges Liebeslied. Kein Gedanke sagte ihr, daß ihr Schicksal sich mit jenem Kreis seltsamer Menschen verflechten könnte! Und dann . . .? Wie die Erde nach warmem Regen grünt und blüht, als Hütte sie alle Kräfte bereit gehalten nur für diesen einen Tag, wie sie drängt mit Gras und Kräutern, mit Blüten und Blattgrün an Baum und Stranch, so brach es aus ihrem Herzen, warm und selig. Was lang verschüttet lag unter Geschäften und all dem andern, was die Welt Leben nennt, das brach in ihr auf: Frühliug, Liebe, Frauenseligkeit. Und dann der Abschluß! Dieser furchtbare, alles ver nichtende Abschluß! Sie, gebunden von der Pflicht zu schweigen, er, die Sinne in Mißtrauen überreizt. Wort für Wort stehen die Gespräche wieder auf . . . „Sagen Sie, daß dieser Mann lügt!" .. . O Gott, Zug um Zug ersteht ihr sein Gesicht, seine Augen, in denen das Mißtrauen funkelt, dieses erbärmliche Mißtrauen, das alles vernichtet hat. Er Hütte toben dürfen, vielleicht wäre alles gut ge worden. Aber das Mißtrauen, diese kühle Verachtung, die ein verdammendes Urteil einschloß, ohne geprüft zu haben ... nein, darüber kam sie nicht hinweg. Sie würde es dem Mann, den sie liebte, verzeihen, wenn er zum Dieb geworden wäre, sie glaubte es nie verzeihen zu können, daß er ihr nicht tränte. Vor ein paar Tagen hat Monika aus Ostpreußen ge schrieben, einen guten, warmen, lieben Brief. Sie ist glücklich, das spürt man aus jeder Zeile ihres langen Briefes. Ihr kleines Reich da oben an Deutschlands Grenze muß ein Schatzkästlein sein, voll von Liebe, Glück, Zufriedenheit und Sonne. Sie haben ein Häus chen ganz für sich allein, das Schulzimmer liegt mit ihren Räumen unter einem Dach, in jeder Schulpanse hat sie ihren Maxl bei sich. Die Kinder des Dorfes, erst scheu und verhalten, lieben und verehren sie. Jeden Tag, an dem die Sonne scheint, sitzt sie mit Maxl in ihrem Garten oder treibt sich im Boot auf dem See herum, der nur eine Viertel« stunde vom Dorf entfernt liegt. Wald und Wasser, Sonne und Glück haben das übermütige Mädel zu einer etwas stilleren, aber fröhlichen Frau gemacht. Außer dem erwarten sie ein Kind. Das schreibt Monika ganz zum Schluß, ein wenig schamhaft, und Maxl hat drttN- tergesetzt mit seinen fahrigen, verschnörkelten Buch staben, die kaum ein Mensch entziffern kann, das sei erst der Anfang, er habe sowieso zu wenig Kinder in seiner Klasse und müsse tüchtig nachhelfen, schon um sich von den Polen nebenan nicht unterkriegen zu kaffen. — Der Maxl! Sie sieht ihn wieder vor sich, wie er mit untergeschla genen Beinen neben ihr sitzt, die Fiedel streicht und mit seinem andächtigen Jungengesicht dabei in die Weite schaut. Nun spielt er den flachshaarigen Buben und Mädels in seiner Schulklasse alte, liebe Kinderlieber und zum Beginn am Morgen einen Choral. Monika aber hört ihn und seine Geige durchs Schnlzimmcr« fenster über den Hof hinweg. Vielleicht hält sie dann einen Augenblick still in ihrer Arbeit, lächelt und träumt in sich hinein. Monika hat mit festen Händen zugepackt und ihr Glück gehalten. Und sie selbst? . . . Ach Gott! ... Die Arbeit reißt sie aus ihren Gedanken. Die Aus« landskorrespondcnz will überprüft sein. Thormeyer hat ihr das besonders ans Herz gelegt. Anfsenfzend begibt sie sich an dieses mühselige Ge schäft. Da meldet man ihr Herrn Niemöller. Niemöller? Das ist doch der Mann, von dem Thor meyer immer mit so großer Hochachtung spricht? Sir geht ihm höflich entgegen. „Frünlein Doktor Ohlsen?" fragt er, aber er ver bessert sich sofort: „Ja, wir haben uns doch schon ein mal gesehen, drinnen, in Doktor Thormeyers Zimmer, nicht wahr? Sie standen am Fenster und machten grol-e Augen, als der Dieb damals abgeführt wurde, nichts Sie hatten ein graues Jackenkleid damals an." Er unterbricht sich mit einem kleinen Lachen. Dann stellt er seinen Begleiter, Herrn Friedrich Wernicke vor. (Fortsetzung folgt.).