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MsdmfferTageblatt Nr. 250 — 94. Jahrganq Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2641) Freitag, den 25. Oktober 1935 Drahtanschrift: „Tageblatt" Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und ?sn4E^rufter Tageblatt" erscheint Werktags nachm. 4Mr. Bezugspr. monatl.LRM. sret Haus, bei Postbestellung nebinr ruzugl. Bestellgeld. Einzelnummer Ist Rps. Alle Postanstalten, Postboten, unsere Austräger u. Geschäsisstelle gm Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend sonstig»"Be,^ Anspruch - aus Lieserung der Zei- tung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingcsandtcr Schriftstücke crsolgt nur, wenn Rückporto beiliegt. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauvtmannschast Meiken des Stadt rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Noffen behördlicherseits bestimmte Blatt alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks M°7L°7°Ä Gemäht Fernsprecher: Amt Wilsdruff 206 Zwangsvcrglcich »lischt jod» Anspruch aus Nachlaß. Konkurs und Außenpolitische Umschau. 2as Zünglein an der Waage. In Paris tagt derJahreskongretzderRadi- lalsozialen Partei. Ein politisches Ereignis von höchster Bedeutung für Frankreichs innenpolitische Haltung, denn diese politische Linksgruppe ist das Zünglein an der Waage, der Drehpunkt der Innenpolitik. Herriot ist Parteivorsltzendcr. Die Partei, von deren Gunst oder Ungunst die Negierungen abhängig sind, hat in den letzten Monaten starke Kämpfe in ihren Reihen ausgetragen. Während Herriot und mit ihm der rechte Flügel, dem die alten Radikalsozialen angehören, eine "lehr bürgerliche und bis zu eiuem gewissen Grade konservativ gerichtete Politik verfechten, haben die unter ver Führung Daladiers stehenden jüngeren Partei- kreise, die der Witz der parlamentarischen Wandelgänge me „Jungtürken" zu nennen Pflegt, mehr und mehr Einfluß gewonuen und die Partei stark nach links hin- uberzuführen verstanden. Sie sind es auch gewesen, mc gegen den Widerstand Herriots und feiner Leute die Radikalsozialen in engste Verbindung mit den Heiden marxistischen Parteien innerhalb der ^genannten Volksfront gebracht haben. Diese Gegensätze werden auf dem Parteikongreß scharf auf- ^nanderplatzen. Herriot hat bereits erklärt, daß er eine Wiederwahl zum Vorsitzenden nicht mehr annehmen "olle. Da das aber nicht znm erstenmal geschieht, ist es "scht ganz unwahrscheinlich, daß er sich schließlich von Giften Freunden doch noch überreden läßt und daß sich seine Gegner vom Linksflügel damit abfinden Mdcn, da Herriot zweifellos die stärkste politische Per- Mlichkeit innerhalb der Partei ist. Eins aber dürfte Mer sein, daß nämlich die radikalsozialen Minister ihrer Partei gegenüber gewisse Verpflichtungen auferlegt be- -°Mmen, die sich sowohl auf inuerpolitisches Gebiet — Auflösung der sogenannten umstürzlerischen Verbände, Milderung der Deflation — als auch auf die Außen politik — Festhalten an der Völkerbnndssatzung und an dem Bündnis mit Sowjctrußland — beziehen werden. jedem Falle wird man den radikalsozialen Parteitag, don dessen Beschlüssen für die gesamte Politik Frankreichs und für das Schicksal des Kabinetts Laval sehr viel abhängt, aufmerkam beobachten und sich darauf gefaßt machen, daß er unter Umständen Überraschungen bringt. Doppelspiel der Sowjets. Die Sowjets drängen sich mit aller Macht in den Vordergrund der Weltpolitik. Das ist für sie eine Propa- gandafrage. Nur fo wird auch die Rolle der Sowjets Un Völkerbund verständlich. Was sollten sonst wohl die doten Machthaber in der Versammlung der bürgerlich demokratischen Staaten? Ihr Sprecher Litwinow gibt sich sehr natürlich in Genf, er spielt den „Bourgeois", obwohl das im Sowjetstaat das schwerste Verbrechen ist. Aber in Genf braucht Litwinow die Maske des Bieder- Ranns. Und man glaubt sie ihm sogar! Das ist der Witz der Weltgeschichte. — Jetzt wirft sich Litwinow als der Beschützer Abessiniens auf. Er läßt alle feine Macht Wielen, um schärfste Sanktionen gegen Italien durchzu- setzen. Für das „arme ausgebeutete Abessinien" legt er sich schwer ins Zeug. Uud als „Ausbeuter" will er Italien gebrandmarkt wissen. Die Politik der Sowjets ist natürlich bestimmt von dem Kampf gegen den Faschis- wus, den sie ans ihre Fahnen geschrieben haben. Uno deshalb die Wut auf Italien, deshalb das gemachte Mit leid mit den: „ansgebeutcten" Abessinen. — Nur darf Ran nicht hinter die Kulissen sehen, sonst könnte man da die Sache mit etwas anderen Augen betrachten. Wie war es doch kurz vor Ausbruch des Krieges in Abessinien? Da tauchte plötzlich ein Mann namens Chertock auf, der den Abessiniern gegen Qlkonzessioncn eine Millionen- Dollaranleihe zusagte. Wer ist Chertock? Hinter ihm stehen amerikanische Jndustrickreise, Wohl in erster Linie Mnnitionswerke, die bisher nichts mit Ölbohrungen ?u tun hatten. Auch erschienen sie nicht so kapital kräftig und einflußreich, daß sie eine Million Dollar als Anleihe vergeben könnten. Chertock ist ihr Makler in Sowjetrußland. Er ist russischer Jude. — Seltsame Ver bindung. Sollte dieser Chertock etwa im Auftrage der Sowjets ? Sollte er die Anleihe von den Sowjets ? Die Sowjets also als Ausbeuter in Abessinien? Sie, die Ausbeuter, die doch für das „aus gebeutete Abessinien eintrcten?' — Durchaus nicht so un- Röglich, wie es klingt. Nnr die Maske muß man her- Unterreißcn! Es ist jedenfalls allemal gefährlich, sich mit den Sowjetrussen einzulasscn. Selbst in der Maske des Biedermanns werden die Sowjets sich in ihrem Kampf für die Weltrcvolution nickst beirren lassen. Sorge der Völkerbund, daß er nicht einmal vor der Weltgeschichte als Steigbügelhalter der Sowjets erscheint! Fördert die Ortrpresse! Mönchen löstet sör den 3. November. Einweihung gewaltiger Neubauten in der Hauptstadt der Bewegung. Die Hauptstadt der Bewegung und der Kunst München rüstet zu der feierlichen Einweihung des Neu baues der inneren und äußeren Ludwigsbrücke und zu dem Richtfest der Führerncü bauten am Königsplatz am Sonntag, dem 3. November. Gewaltige Bauwerke, die den kommenden Geschlechtern von dem Schaffen des Führers und dem Aufbauwillen des nationalsozialistischen Deutschland für alle Zeiten künden, stehen hier vor der Vollendung. Die Ludwigsbrücke, die älteste Brücke Münchens, spielt eine historische Rolle in der Geschichte der Bewegung, über sie ging am 9. November 1923 der Marsch der nationalsozialistischen Kämpfer, die dem Ruf des Führers gefolgt waren. Mit der völligen Neugestal tung dieses Isar-Übergangs wurde eine Erweiterung bis aus 14 Meter vorgenommen. Am westlichen Zugang erheben sich vier Pylonen, auf denen in Stein gemeißelte Jnschrifttafeln auf die historische Entwicklung der Ludwigsbrücke und ihre Neugestal tung unter der Regierung Adolf Hitlers Hinweisen werden. Eine Tafel erinnert an die Kämpfer, die ihr Leben am 9. November 1923 für Deutschlands Wieder geburt Hingaben. Die feierliche Eröffnung der Ludwigsbrücke findet um 11 Uhr vormittags statt. Für die Ehrengäste werden große Tribünen errichtet. Truppenteile der Wehrmacht und Ehrenformationen der Bewegung nehmen Auf stellung. Auch die gesamte am Brückenbau beschäftigte Arbeiterschaft tritt mit ihren Arbeitsgeräten an. Im An schluß an die Einweihung der Ludwigsbrücke werden die großen Veranstaltungen dieses Tages ihren Höhepunkt init dem Richtfest der Parteibauten am Königsplatz, dem Führerhaus und Verwaltungsgebäude, erreichen. Eine gemeinsame Mittagstafel vereint dann die bei den Parteineubauten mitschaffenden Arbeiter der Stirn und der Faust im Löwenbräukeller. Inzwischen wird das Richtfest im Alten Botanischen Garten ge feiert, der sich seit dem Brande des Glaspalastes in einem trostlosen Zustande befand und nun zu neuem Leben er- wem wrro. Den Abschluß der Veranstaltung in der Hauptstadt der Bewegung bildet die Einweihung des NS.-Ärztehauses, der nenen Heimstätte der Männer, die ihr Leben und Schaffen in den Dienst der Volksgesundung gestellt haben. Dokumente der Zeit. Die neuen Monumentalbauten in München sind das ureigenste Werk des Führers. Seine Pläne und Gedanken fanden ihre Verwirklichung durch den leider zu früh ver storbenen Architekten Paul L u d w i g T r o o ft. Der Führer hat es mehrfach in Reden betont, daß Lie Aufgabe einer neuen Zeitepoche sei, auch der Kultur und der Kunst ihre eigene Note zu geben. Und zu den kulturgeschichtlichen Aufgaben des Nationalsozialismus gehört auch eine Bau kunst, in der sich die Wucht der nationalsozialistischen Idee, ihre Gradheit und ihre Macht ausprägt. Di« Monumentalbaute nin München, die am 8. No vember eingeweiht werden, sind stärkster Ausdruck der nationalsozialistischen Zeitepoche. In ihnen prägt sich der schöpferische Wille der Bewegung aus, sie zeigen die große Stillinie einer welt anschaulich gerichteten Baukultur. Diese Monumental bauten sind Dokumente der Zeit und werden es für alle Ewigkeit bleiben. Wenn auch das Führerhaus und die Verwaltungs gebäude der NSDAP, reine Zweckbauten sind, fo ver einen sie mit dem Zweckhäften doch den Ausdruck künstle rischen Empfindens der Architektonik. Und selbst die Ludwigsbrücke, die großzügig umgestaltet worden isß wird sich, obwohl eine reine Zweckstraße, in das neue architektonische Bild einfügen. Mit den neuen Bauten, zu denen noch die beiden Ehrentempel hinzugerechnet werden müssen, in denen am 9. November die Gebeine der vor zehn Jahren an der Feldherrnhalle Gefallenen beigesetzt werden, erhält München Monumentalbauten, wie sie seit der Zeit des Bayernkönigs Ludwig I. nicht mehr aufgeführt worden sind. Jie MemlsrU m evMev Unterhaus DNB. London, 25. Oktober. Die große llnterhaus- aussprache wurde am Donnerstagabend nach der Rede Chur chills durch verschiedene Abgeordnete, die sich teils zur Arbeits losenfrage, in der Hauptsache aber zur internationalen Lage äußerten, fortgesetzt. Der konservative Abgeordnete Hauptmann Cazalet er klärte, daß die deutsche Wiederaufrüstung nicht gegen England gerichtet sei. Man sage ost, daß der Völkerbund eine Organi sation derjenigen sei, die sich irgendeiner Erweiterung, der deut schen Rechte oder Forderungen widersetzen. Heute sei aber die Gelegenheit vorhanden, um zu zeigen, daß der Völkerbund eher dazu bereit ist, die Probleme der besiegten Staaten zu lösen, als den Status quo der Siegermächte aufrechtzuerhalten. Eines dieser Probleme sei die Memelsrage. Heute sei im Memelgebiet ein vollkommen künstliches Regime vorhanden. „Mir müssen einsehen, daß es ein Fehler in den Friedensverträgen war, die 140 000 Einwohner des Memelgebietes, die 500 Jahre lang unter deutscher Herrschaft waren, unter die Souveränität eines ausländischen Staates zu stellen. Ich glaube ferner, daß es ein Fehler der Alliierten und des Völkerbundes im Jahre 1924 war, dem litauischen Staatsstreich nochzugeben und ein rein künstliches Regime zu errichten." Der Abgeordnete fuhr fort, cs erscheine ihm als Lösung des Memelproblems eine internati onale Kontrolle aus eine Reihe von Jahren für nötig, worauf eine neue Erwägung des Problems und möglicherweise eine Volksentscheidung vorgenemmen werden müßten. Er habe keine unterrichtete Persönlichkeit getroffen, die nicht die gegenwärtige Lage in Memel als unmöglich betrachtet. Der Redner wies dann auf die Notwendigkeit einer Abänderung der Friedens verträge und von Maßnahmen wirtschaftlicher Expansion hin. Er schlägt vor, Deutschland sehr beträchtliche wirtschaftliche Zu geständnisse sowohl in Europa als auch außerhalb Europas zu machen, daß es in den Völkerbund zurückkehre und eine solche Regelung im Rahmen eines allgemeinen Abrüstungsplanes stehen würde. Die Debatte wurde durch den Innenminister Sir John Simon abgeschlossen. Er teilte mit, daß er auf Ersuchen des Außenministers noch eine Erklärung zum italienisch-abessini schen Konflikt abzugeben habe, da es sich darum handele, ein Mißverständnis zu beseitigen. Am Donnerstagmorgen sei eine sehr erstaunliche Behauptung veröffentlicht worden, die näm lich, daß die englische Regierung über Nacht ihre Politik einer umfassenden Zusammenarbeit mit dem Völkerbund aufgegeden habe. Diese Veröffentlichung besage weiter, daß die Regierung bereits hinter dem Rücken des Völkerbundes mit Frankreich und Italien eine Regelung des italienisch-abessinischen Kon- fliktes aushandeln und der Völkerbund und Abessinien dann aufgefordert werden sollten, diese Regelung anzunehmcn. Da mit habe man also nach allen Erklärungen im Unterhaus Don nerstag früh glatt behauptet, daß eine Intrige zwischen London, Rom und Paris im Gange sei, den Völkerbund vor vollendete Tatsachen zu stellen, die den Interessen einer Partei schaden und den Grundsätzen des Völkerbundes selbst widersprechen würden. Sir John Simon fuhr dann wörtlich fort:- „Ich, spreche mit der Autorität der ganzen Regierung, wenn ich erkläre, daß diese wilde Beschuldigung überhaupt nicht wahr ist. Von An sang dieses Konsliltes an war die Politik der englvchen Regie rung vor allen Dingen daraus gerichtet, salls möglich eine Re- oelring zu fördern, die nicht nur im Rahmen der Völkerbunds- sahung steht, sondern auch für die beiden streitbaren Parteien annehmbar sein würde. Ich nehme an, daß wir vollkommen im Recht sind, wenn wir uns als Freunde des Friedens bemühen, die internationale Freundschaft zu fördern. Die englisch-sranzö- schen Vorschläge zum Beispiel, die im vergangenen August in Paris unterbreitet wurden, hätten auf diesem Grundsatz be ruht, und ebenso der Plan des Genfer Fünferausschusses. Wir tun weder etwas hinter dem Rücken des Völkerbundes, noch haben wir auch nur einen Augenblick daran gedacht, dies zu tun. (Deisall aus der Ministerbank.) Wir haben ferner nicht die Absicht, als Mitglied eines kollektiren Systems in der Wirlsammachung unserer Verpflichtungen unter der Völksr- bundsatzung zu schwanken. Wir hoffen, daß eine schnelle und befriedigende Lösung zustande kommt, aber sie muß im Rah men des Völkerbundes liegen und von den drei betroffene« Parteien, nämlich Italien, Abessinien und dem Völkerbund, an genommen werden." sBeifall).