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Wovon man spricht. Der Msgerfazz hat ausgespielt. / Ein Mann schickt seine Lebens lamera-in ins Gefängnis. / Hatten Sie mal eine 4 im Aufsatz? Den Niggerjazz werden wir nun nicht mehr im Rund- funk hören. Er ist endgültig verabschiedet worden, und niemand weint ihm eine Träne nach. Man kann sich rückblickend nur immer wieder darüber wundern, daß es eine Zeit gab, wo etwas Derartiges dem deutschen Volk sogar als Äunstoffenbarung ausgeschwatzt werden konnte. Der Tanz ist Ausdruck des Schvnheitsempfindens, das Gezappel und Getrampel aber, das bei uns unter der Bezeichnung „Jazz" Eingang gefunden hatte, war von aller Schönheit himmelweit entfernt. Man tanzte nicht bloß mit den Beinen, sondern verrenkte sich alle Glieder und schnitt dazu auch noch Grimassen. Ein Witzbold hatte seinerzeit ganz treffend bemerkt, man könne den Jazz vollendet nur dann tanzen, falls zwei „glückliche" Um stände zusammenträfcn: Wenn einem nämlich die Hosen träger geplatzt seien und man gleichzeitig einen intensiven Flohstich zwischen den Schulterblättern verspüre. Wie der Tanz, so ist auch die Musik oder umgekehrt, denn beide sind durch das Urelement des Rhythmus miteinander aufs engste verbunden. Dem Gezappel und Getrampel entsprach daher das Gequäke und Gedudel. Wer wie ein Urwaldmcnsch tanzt, dem wird wie einem Urwald menschen aufgespielt, und wer sich an Ncgermclodien er götzt, der muß auch wie ein Nigger Hüpfen und springen. Die gute deutsche Tanzmusik wird sich ganz von selbst durchsetzen, sie braucht nicht die aufdringliche Reklame, die man einst für den Niggcrjazz verschwendete. Im Grunde genommen bat niemand — auch in früheren Jahren nicht — eine Freude an der Einfuhr dieser Ncger- kunst gehabt. Man „machte mit", weil es eben Mode war und die ehrfürchtige Scheu vor der Mode dem Menschen gewöhnlich tief in den Knochen sitzt oder, was vielleicht dasselbe ist, sein Rückgrat nicht stark genug ist, ihr Trotz zu bieten. Mit dieser Mode ist es nun ein für allemal vorbei, der gute Geschmack hat gesiegt. * Oft streiten wir uns, ob dieses oder jenes mit richtigen Dina^n zugeht, ob gewisse Ereignisse tatsächlich Vorkommen können oder nur in der Einbildung von Dichtern und Romanschriftstellern möglich sind. Kann man Doppelgänger voneinander unterscheiden? Ist es möglich, daß eine Mutter ihr Kind nach jahrelanger Trennung nicht mehr wiedererkennt? Kann eine Frau in Männerkleidung unerkannt bleiben? Gewöhnlich sind zwischen Himmel und Erde mehr Dinge möglich, als wir uns träumen lassen. Vor dem Harbnrger Schöffengericht stand in diesen Tagen, wie wir lasen, eineFran.die in Männerkle'idung eine Gefängnisstrafe fürihren Mann verbüßt hatte. Die Sache war «in zufällig nach ihrer Entlassung ans Tageslicht ge kommen. Dieser oder jener wird sich vielleicht wundern, daß sich die Gefängnisbehörden täuschen ließen. Doch gemach, der Mensch läßt sich nur zu leicht irreführen, wenn er auf keine Täuschung vorbereitet ist. Wie oft müssen wir erleben, daß etwas völlig Unerwartetes ein- ^ritt, weil wir gar nicht aus den Gedanken kamen, daß die Dinge ausgerechnet diesen Verlauf nehmen würden. Hat nicht z. B. der Allerweltsschwindler Kreuger einst jahrelang die klügsten Industriellen und Bankmenschen irregeftihrt weil es keinem von ihnen einfiel und auch nicht einfallen konnte, daß der vielfache Millionär in Wirk lichkeit ein abgefeimter Gauner war? Der Fall in Harburg ist aber noch insofern bemerkenswert, als die Frau durch Drohungen ihres Mannes zu ihrer Tat gezwungen wor- den war. Auch das hätte wohl ein jeder von uns für eine glatte Unmöglichkeit gehalten, daß ein Mensch seine Lebenskameradin zwingt, ins Gefängnis zu gehen. * Der im B n ch w e 1 t b e w e r b „München als Reise ziel" mit dem ersten Preis ausgezeichnete 16jährige Schüler Helmut Brutscher bekam am selben Tage, als ihm der Preis ausgehändigt wurde, für einen Schulaufsatz eine ungenügende Note. Das ist aus gesprochenes Pech — für den Lehrer. Hat man auch uns einmal bei der Zensierung unserer Aufsätze unrecht getan? Oft werden wir es wohl als bitteres Unrecht empfunden haben, wenn wir uns bei einem Aufsatz die blutigste Mühe gaben und ausgerechnet dieser vom Lehrer in Grund und Boden zensiert wurde. Dabei werden wir gewiß den Gedanken nicht losgcwordcn sein, daß uns dieses Unrecht mit Absicht zugefügt worden sei. Das braucht aber keineswegs immer der Fall gewesen zu sein. Es ist uun einmal so, daß — von groben grammatika lischen oder stilistischen Fehlern abgesehen — sich über den Geschmack nicht streiten läßt und die Meinungen bei der Bewertung geistiger und künstlerischer Leistungen ausein- andcrgehen. Bei Wettbewerben im Schlittschuhlaufen erlebt man es z. B. häufig, daß der eine Preisrichter einen Bewerber an die erste Stelle setzt, den ein anderer viel niedriger cinschätzt. Der eine liebt vielleicht den Schwung, der andere die Anmut, der eine eine sauber ausgcseilte Technik, der andere eine akrobatenhafte Ge wandtheit. Auch bei der Beurteilung von Theaterstücken und schauspielerischen Leistungen geben Zeitungskritiken manchmal auseinander. Das menschliche Urteilsvermögen ist eben unvollkommen wie alles Menschliche, und so können wir uns auch nachträglich darüber trösten, wenn unsere Literaturaufsätze in der Schule nicht immer mit der Note 1 ausgezeichnet wurden. Plakat zur Werbewoche des deutschen Weines. Ml IM KEEN UUd VL5 VWUL5 (Wagenborg — Ah) Kurze Nachrichten. Berlin. Der letzte Kommandeur der Landespolizei inspektion Brandenburg, General Wecke, der diese Kern- und Kampftruppe seit ihrer Aufstellung führte, ist als Generalmajor nach München versetzt worden. Kattowitz. Das Korfanthsche Hetzblair „Polonia", das bereits zweimal wegen Beleidigung des deutschen Staatsoberhauptes vor Gericht stand, ist jetzt vom Bezirksgericht in Kattowitz wegen einer Karikatur, die eine schamlose Beleidigung des Führers und Reichskanzlers darstclltc, zum dritten Male verurteilt worden. Der verantwortliche Schriftleiter des Blattes, Pustelnik, erhielt eine Gefängnisstrafe von einem Monat. * 410 Zähre all, gesund und rüstig. Am Sonntag, dem 27. Oktober 1935, kann der Altersheiminsasse Friedrich Sadowski aus Neidenburg (Ostpreußen) seinen 110. Geburtstag begehen. Friedrich Sadowski ist nach Ausweis des Taufscheines am 27. Oktober 1825 in Orlau, Kreis Neidenburg, als Sohn des Wirts Michael Sadowski und seiner Frau Anna geborene Turek geboren. Schon früh verlor Sadowski seinen Vater, so daß,er allein von seiner Mutter erzogen wurde. Sein ganzes Leben hin durch hat Friedrich Sadowski auf den verschiedensten Gütern des Kreises Neidenburg gearbeitet und sich ein kleines Anwesen in Willuhncn, Kreis Neidenburg, er- worben. Dort hat er auch bis zum 4. Oktober 1927 gewohnt. Sadowski, der Junggeselle ist, ist noch ver hältnismäßig rüstig und gesund; er kann sich jedoch nicht auf irgendwelche Verwandten besinnen. Künstlerhilfe der Stadt München. Durch einen Entscheid des Münchener Oberbürger meisters Fiehler werden aus den Mitteln des Haushalts der Stadt München zur Förderung von Künstlern und Kunstgewerblern 20 060 Mark zum Ankauf von Kunst werken verwendet und dem Standort München des Reichs heeres zur Ausschmückung der Gemeinschaftsräume zur Verfügung gestellt. In Betracht kommen hierfür haupt sächlich die für die Wcihnachtsnotstandsaktion vorgesehe nen Kreise der Künstlerschaft. Einweihung der neuen Danziger Rundfunk« senderäume. In der Freien Stadt Danzig ist der Landes^ send er Danzig aus den Räumen der Post in dev Hundegasse in das ehemalige Gebäude der Landespost- virektion am Winterplatz einquartiert worden. Es wurde yier in monatclanger Arbeit eine ehemalige große Woh nung umgebaut, die mit allen technischen Neuerungen ver^ sehen worden ist. Der Danziger Landessender kann nun mehr als der beste Nebensenderim deutschen Sprachgebiet angesehen werden. Am Dienstagnach mittag wurde der neue Senderaum in Anwesenheit von Vertretern der Behörden und der Partei eingeweiht und seiner Bestimmung übergeben. 107 Erdbebenopfer in Mittelasien. Wie jetzt amtlich bekanntgegcbcn wird, hat die Natur katastrophe, die sich am 8. Oktober in der mittelasiatischen Republik Tadschikistan an der afghanischen Grenze ereig net hat, eine weit größere Zahl von Todesopfern gefordert, als ursprünglich vermutet wurde. Nach den ersten amt-l liehen Berichten hat sich infolge des Erdbebens ein riesiger Bergrutsch ereignet, der verheerende Folgen hatte. Nach amtlichen Feststellungen wurden 107 Tote des Erdbebens^ gezählt. 360 Personen sind zum Teil schwer verletzt wor-^ den. Die Bevölkerung muß in Zelten wohnen. Da sämt-c liche Wege verschüttet und die Drahtverbindungen noch immer gestört sind, wird die Verbindung mit dem Erd-^ bebengcbiet durch Flugzeuge aufrechterhalten. Amerikanerin in Nanking ermordet. Großes Aufsehen unter den Ausländern erregt in Nanking die Ermordung der Amerikanerin Susan Waddel, die durch ihre Lehrtätigkeit an der Zentral- Universität und dem Landeskrankenpflegeinstitui weithin bekannt war. Der Mord ereignete sich in der Nähe der Universität am hellichten Tage. Die Behörden haben so fort eine Untersuchung eingcleitet. Die Ermordete war mit einem chinesischen Arzt beim Landesgesundheftsamt verheiratet. Die Bettlerin von Et. Korallus Originalroman von Gert Rochberg. LO. Fortesetzung 'Nachdruck verboten „Ach, Onkel Konrad, ein Name bedeutet heute nichts mehr, und wenn man sonst als Mensch nichts leistet, dann fragt keiner mehr nach einem alten Namen, und ich finde das ganz richtig." „Ich finde es falsch. Die Parows waren immer Kerle. Lebertzaupt dein Vater, der Großvater und nun du! Du gleich gar! Wenn du auch nicht gern von dir sprichst, aber wir haben doch die Artikel über dich gelesen. Willste wirk lich nicht heiraten, Ernst?" Fast kläglich blickte der alte Herr seinen Neffen an. ' „Onkel Konrad, dein diplomatischer Feldzug ist geschei tert. Ich heirate die Liselotte nicht!" „Ist es dann — dann vielleicht doch wahr, was die Leute reden?" „Wenn ich hier nicht bald Ruhe vor meinen lieben Nachbarn bekommen sollte, kann ich ja wieder weggehen. Beinahe hätte ich Luft dazu." „Ernst!" „Wirklich, Onkel Konrad. Und — — mache du dich lieber nicht mehr zum Sprachrohr für Wünsche anderer Leeute. Oder ist dir die Anwesenheit der kleinen Lucia hier lästig?" „Wie kannste so was auch nur denken! Das Kind ist ein trautstes Marjellchen. Aber die Leute sind nu mal so albern. Und die die Jostens, weißt du, die haben dich eben doch schon immer als ihren Schwiegersohn be trachtet." „Das war eben grundfalsch. Nun mögen sie sich's wie der ausbilden. Sag mal, Onkel, wollen wir noch eine Flasche trinken? Schmeckt dir der Ingelheimer?" „Ja! Sehr! Aber wenn wir ihn zur Verlobung mit der Liselotte und dir hätten trinken können, dann hätte er mir bestimmt noch besser geschmeckt," beharrte Onkel Kon rad dickköpfig. „Ich wollte morgen auf die Hühnerjagd. Gehst du mit?" „Ich möchte für mein Leben gern, aber mich plagt wie der das infame Rheuma. Also werde ich mich lieber in eine Decke wickeln und an den Ofen fetzen. Meine Beckern kocht mir Tee. Sie denkt, ich trinke ihn, aber Johann stellt mir ein Eimerchen unter den Tisch, dort gieße ich das Ge söff rein. Und Johann bringt mir 'ne Flasche aus dem Keller. Ich hab da ein Weinchen hm, den haste in deinem Keller nicht, mein Jungchen." „Deinen Weinkeller kenn' ich ja, Onkel Konrad. So leicht kann sich da überhaupt niemand mit dir messen." Onkel Konrad freute sich über diese Worte, und da er bei seinem Lieblingsthema war, kam er auch nicht wieder los. Und ohne daß es der gute alte Onkel Konrad merkte, trank man eine Flasche nach der andern leer. Onkel meinte zwar, er nippe nur, aber sein Elas mußte immer wieder gefüllt werden. Als er endlich, warm eingepackt, nach Haufe fuhr, hatte er einen Schwips, der nicht von Pappe war. Und lächelnd blickte der Neffe dem Wagen nach. Und behutsam, ganz vorsichtig, ganz Verantwortung, lenkte der alte Kutscher die zwei Braunen nach Hause, wo die Beckern wetterte und schimpfte, als sie ihren Herrn sah. Der lächelte sie wein- selig an. „Es lebe die Liebe, der Wein und der Sang!" gröhlte er, während Johann ihn über die Stufen hinauf in fein Zimmer bugsierte. Die Beckern ging in ihre Küche und kochte einen starken Fliedertee. Droben im Wohnzimmer wartete Josten. Er wollte das Resultat dieser wichtigen Unterredung in Parhofen gleich in der Tasche haben und seinen beiden Damen mit nach Hause nehmen. Bestürzt sah er den angeheiterten Freund. „Warst du vielleicht gar nicht in Parow bei dem Ernst?" fragte er drohend. „Ich? Aber freilich war ich dort. Was denkste denn von mir?" „Na, und ?" Aechzend setzte sich Onkel Konrad. Dann meinte er: „Wir haben einen Ingelheimer getrunken, siehste, der war ff. Und wenn du den kaufen willst, mußte an die Firma " „Sei still, du! Willst du mich vielleicht zum besten haben? Was soll das heißen?" brüllte jetzt Christian Josten. Onkel Konrad war ein bißchen nüchtern geworden durch den vertrauten Ton. Dann meinte er: „Christian, der Ernst heiratet nicht, weil ich nicht ge heiratet habe. Tja, siehste, ich bin schuld an allem." „Du bist bloß betrunken. Und wenn du wieder klar denken kannst, dann komm ich wieder. Aber soviel seh ich jetzt schon: du bist nun selber gegen eine Verbindung mei ner Tochter mit deinem Nefsen. Und das verzeih ich dir nie." Ich? Wieso bin ich dagegen? Ich hab geredet wie ein Buch, aber er will nicht. Will Junggeselle bleiben. Vor läufig wenigstens. Wir dürfen den Mut nicht verlieren. Ls wird schon noch." „Nichts wird. Liselotte ist dreißig gewesen im März. Auf was soll sie noch warten? Und sie macht sich bloß lächerlich. Meine gute Frau weint sich noch die Augen aus, weil sie die schadenfrohen Blicke nicht länger sehen kann. Und ich hab es jetzt auch satt. Bis obenhin hab ich es satt, daß du es weißt. Ich geh jetzt. Auf Wiedersehen!" Die Tür schlug krachend zu und gleich darauf stampfte Christian Josten drüben über den Hof dem Tore zu. Er war zu Fuß gekommen. Und er ging auch wieder zu Fuß nach Hause. Daheim hörte er die Lieselotte, wie sie mit der Mam sell in dem großen Gewölbe die Einmachegläser abzählte. So ein tüchtiges Mädel, wie das war. Immer traf man sie bei irgendeiner Arbeit. Nie saß sie müßig da, gleich früh, als eine der ersten war sie auf den Beinen. Und im mer war sie fröhlich und lieb. Fortsetzung folgt. ... . ... > AufMlKaMsch(^MUu2Mer.dmKuW-MüMM