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u ilSdrusfee Tageblatt 2. Blatt Nr. 239 — Sonnabend, den 12. Oktober 1935 Herbstmorgen. Die Weichen, weißen Nebel steigen schon wieder in den morgendlichen Tag — es ist ein herbstlich tiefes Schweigen - * um das Entschwinden einer kalten Nacht. Ganz langsam läßt der Herbst aus reifumglänzten Händen die gelben Blätter auf die kahlen Felder sinken, und an den fernen Bergeshängen ist ein erstarrtes weißes Blinken. Die harten Wolken zieh'n in weite Fernen, sie tragen die Unendlichkeit der Nacht zu den erschauernd kalten Sternen — und blutend aus dem Nebel steigt der Tag. Lühmann. Eastlrastwagenfuhren lEOKilometer Erfolgreiche Versuchsfahrtmitheimischen Kraftstoffen. Die VersuchsfahrtmitheimischenKraft. stoffen, die über mehr als 16Ü0Ü Kilometer geführt hat, wurde am Freitaguachmittag mit einer kleinen Feier auf der Berliner Avus abgeschlossen. Die an der Fahrt beteiligten 46 Lastkraftwagen sind in bestem Zu stand wieder zurüügckehrt. An der Feier nahmen Vertreter des Heeres, des NSKK. und der Industrie teil. Korpsführer Hühnlein gab einen überblick über die Fahrt. Die 46 Lastkraft wagen sind seit dem 19. August unterwegs ge wesen. Alle Fahrzeuge haben nach festgelegtcm Programm die zum Teil sehr schwierige Strecke hinter sich gebracht. Zum Schluß sagte der Korpsführer: Die Versuchsfahrt für heimische Treibstoffe 1935 ist ein Markstein in der Entwicklung der Kraftfahrzeuge mit heimischen Treibstoffen, kann eine Großtat genannt werden. Der Beweis ist geliefert, daß Last kraftwagen mit heimischen Treibstoffen wirtschaftlich und betriebssicher zu betreiben sind. Anschließend sprach Rcichsverkehrsminister Frei herr v. Eltz-Rübenach. Einleitend dankte er dem Korpsführer Hühnlein, der Wehrmacht, dem Gruppen führer Kraus, der die Gesamtleitung in der Hand gehabt habe, und den Leitern und Teilnehmern — Fahrern und Beobachtern —, die durch ihre Disziplin und Umsicht einen Erfolg der Fahrt herbeigeführt hätten, wie er viel leicht nicht immer zur Grundlage normaler Betriebs- kalkulationen gemacht werden könne. Der Erfolg sei so groß, daß ein gewisser Leistungsabfall im normalen Betrieb getrost hingenommen werden könne. Das Ergeb nis der praktischen Untersuchung sei geeignet, den letzten Saulus zum Paulus zu machen. Schon allein die Tat sache, daß alle 46 am Start beteiligten Fahrzeuge sozu sagen gesund und munter hier wiederzusehen seien, sei' Außerordentlich vielsagend. Die Bedeutung der Fahrt lasse sich dahin zusammen- sassen, daß die deutsche Motorisierung, wenn es wirt schaftlich oder sonstwie irgend einmal schlimm kommen sollte, letzten Endes frei sei von der gefährlichen nationalen Unselbständigkeit in der Treibstossver sorgung. Wenn wir auch annehmen mußten, so führte der Minister u. a. aus, daß die Holz- und Holzkohlegenera toren, die schon srüher zu großer Betriebsreife entwickelt waren, den Anforderungen der Fahrt gewachsen sein würden, so war dies nicht mit gleicher Sicherheit für die noch wenig erprobten Generatoren für Schwelkoks, Anthrazit und sogar Braunkohlenbriketts anzunehmen. Das vorzügliche Abschneiden der mit diesen Treibstoffen fahrenden Wagen möchte ich mit als das wertvollste Ergebnis der Fahrt verbuchen. Es ergibt sich hieraus eine gewaltige Verbreiterung unserer Brennstoffdecke. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, braucht man die Hoffnung nicht aufzugeben, daß der zur Zeit nur garnisondienstfähige Generatorwagen in absehbarer Zeit k. v. geschrieben werden kann,' und däß das Interesse der Wehrmacht, welches heute noch ein mittelbares ist, zu einem unmittelbaren ausreift. GrieHeolNds SWsMgg: z. MM« Bis zur Volksabstimmung über Wiederherstellung der Monarchie führt General Kondylis die Regentschaft Der überraschende Beschluß der griechi schen Nationalver sammlung zur W i e- derherstellung der Monarchie und die Übernahme der Regierung durch den bisherigen Kriegsminister Kondylis, der die Geschäfte bis zur Volksabstim- mungam3. No- vember führt, hat im ganzen Lande große Befriedigung und Jubel hervor- gerufen. Besonders groß ist die Begeiste rung bei Heer und Marine und den Kö nigstreuen, die seit jeher die Rück berufung des zur Zeit in London lebenden Königs Georg fordert. Obwohl überall Ruhe herrscht, sind Polizei und Militär weiter in Alarmbereitschaft. Die Volksabstimmung am 3. November soll Lie Be schlüsse der Nationalversammlung genehmigen. Bis dahin ist die Verfassung von 1911 wicdereingeführt worden. Wie verlautet, wird König Georg nicht vor der Volks abstimmung zurückkchren. Durch eine Verfügung der neuen Regierung wurde der königlichen Familie die griechische Staats- a n g c h ö r i g l e i t, die ihr nach dem Umsturz aberkannt worden war, wieder zuerkannt. Der Ministcrrat hat das Programm der neuen Re- gierung bis zur Rückkehr des Königs festgelegt. Die Re- gierung schlägt unter anderem Arbeiten für die nationale Verteidigung, Verstärkung der bewaffneten Macht und Senkung der Steuern für die arbeitende Bevölkerung vor. Die neue Regierung hat einen Aufruf an die Bevölkerung der Insel Kreta, wo die Republikaner den stärksten Rückhalt hatten, gerichtet, in dem das vaterländische Gefühl der Kreter angerufen und das Ergebnis der Sitzung der Nationalversammlung bekanntgegeben wird. Die Rolle der Armee bei dem Umschwung. Im Wirbel der Weltereignisse darf der Umschwung in Griechenland nicht übersehen werden, denn Griechen land als Staat ist ein wichtiger Posten in der Mittelmeerpolitik, und es ist durchaus nicht gleich- Kalschmel-ungen über die Arbeit -es Winterhilfswerks. In der A u s l o-n d s p r e s s e sind in den letzten Tagen mehrfach Meldungen erschienen, wonach Juden vom deutschen Winterhilfswerk nicht betreut werden. Diese Nachrichten sind falsch. Tatsache ist, daß in der Organi sation des Winterhilfswerkes auch eine Betreuung der Juden vorgesehen ist. Verlängerung -es Danzig-polnischen Hafenprotokolls. Nach mehrwöchigen Danzig-Polnischen Verhandlungen sind in Danzig zwei für die Wirtschaftsbeziehungen beider Staaten wichtige Protokolle unterzeichnet worden. Das erste Protokoll beseitigt endgültig die Meinungsverschie denheiten, die seinerzeit wegen der Auswirkungen der Danziger Guldenbcwirtschaftuna zwischen Danzig und gültig, wer in Griechenland regiert. Die Rückberüfüng des Königs ist mehr als eine innerpolitische Angelegenheit, sie wird auch gewisse außenpolitische Rückwirkun gen haben, die bald erkennbar werden, wenn auch die neue Regierung erklärt hat, daß der außenpolitische Kurs unverändert bleibe. Der innerpolitische Kampf um die Staatsform ist nicht über Nacht entbrannt. Er hat nie geruht, seitdem König Konstantin von Griechenland 1922 Griechenland verlassen mußte und 1924 nach 1)4 jähriger Regierungszeit König Georgs die Republik ausgerufen wurde. König Georg hält sich seitdem in England auf; aber seine Verbindung zu seinem Vaterland riß nie ab. Im letzten Jahr hatte die königstreue Bewegung in Griechenland sich so weit durchgesetzt, daß Verhandlungen mit König Georg ausgenommen wurden. Die Dinge waren so weit gediehen, daß König Georg als Voraussetzung für seine Rückkehr eine Volksabstimmung sorderte. In diesen Gang der Ereignisse hat jetzt die Armee beschleunigend eingegriffen. Am Mittwoch erschienen bei dem früheren Ministerpräsidenten Tsaldaris der Kriegsminister General Papagos, der Fliegergeneral Reppas und Admiral Oekonomu. Die Offiziere verlangten die sofortige Wieder einführung der Monarchie und den Rücktritt des Ministerpräsidenten. Tsaldaris weigerte sich, dieser For derung nachznkommen und berief einen Ministerrat ein. Hier hörte er dann, daß sowohl der Kriegs- als auch der Marine- und der L u f t f a h r t m i n i ste r die Politik der Regierung nicht mehr Weiler unterstützen würden. Angesichts dieser Tatsache, die einer völligen Machtlosigkeit der Regierung Tsaldaris gleichkam, zog sich Tsaldaris von der Regierung zurück. Kondylis begab sich unmittelbar im Anschluß an den Ministerrat in das Kriegsamt. Hier erwarteten ihn bereits Papagos, Neppas und Oekonomu, die ihn mit der Regie rungsbildung betrauten. Die neue Regierung beschloß, vor der National versammlung zu erscheinen, vor der dann auch die Ver eidigung erfolgte, und zwar nachdem die neue Regierung vorher erklärt hatte, den Staatspräsidenten Zaimis als solchen nicht anzuerkennen. Vor der Nationalversammlung war auch Tsaldaris erschienen, um vor den Abgeordneten seine Politik zu ver teidigen. Jedoch bestätigte die Nationalversammlung den bereits vollzogenen Umschwung durch Beschluß auf Ab schaffung der Republik und Einführung der Monarchie. Die Versammlung beaustragte Kondylis mit der vorläufigen Regentschaft und setzte ihrerseits dieVerfassung von 1911 wiederin Kraft. Metaxas, der Führer der Partei der Freien Meinung, sicherte der neuen Regierung unter der Be geisterung des Hauses seine Unterstützung zu. Voten entstanden waren. Das zweite Protokoll verlängert! das vorjährige Hafenprotokoll um ein weiteres Jahr. Der Inhalt der beiden Protokolle wird in einer ge meinsamen Danzig-polnischen Mitteilung bekanntgegeben.! in der es zum Schluß heißt: ..Durch die Unterzeichnung! dieser Protokolle ist für die Folge der Rahmen gegeben,' für eine günstige wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Freien Stadt Danzig und Polen, eine Zusammen arbeit,die sich in der Richtung einer weiteren Normali-! siernng der Danzig-polnischen Beziehungen ««swirkeni Oer polnische Außenminister bei Neurath. Der polnische Außenminister, Oberst Beck, Heck am Freitag auf seiner Rückreise von Genf nach Warschau einige Stunden in Berlin geweilt; er hat diese Gelegen heit zu einem Gespräch mit Reichsaußenmimst« Arhr. von Neurath benutzt. ' Die Bettlerin von St. Soratius Originalroman von Gert Rothberg. 1g. Fortsetzung Nachdruck verboten Die Frau senkte schuldbewußt den Kopf. Dann aber hob sie ihn wieder, sah den Bruder beschwörend an. „Ich liebe ihn. Daran wird alles nichts ändern. Soll ich mit ihm sprechen, Nino?" Dessen Gesicht klärte sich auf. „Gut! Vielleicht erreichst du, was ich nicht erreichen konnte. Nur sieh das doch ein, jetzt darf er niemals wieder freikommen, denn nun kann er uns verraten und wird es tun, wenn er in Freiheit ist." Sie erschrak. >> „Ja, das ist wohl wahr, Nino. Aber —> —" Ein neuer Gedanke kam ihr. Wenn Parow nie wieder frei wurde, dann ge hörte er ihr! Ihr ganz allein! Aber ihr abenteuerliches Leben? In ihre jagenden Gedanken hinein klang des Bruders Stimme: „Er ist ein Deutscher. Ihn hassen wir, weil ein Deut scher unsere Schwester betrog!" „Nino, was kann er dafür?" „Michaela, bist du wahnsinnig? Jetzt erst weiß ich, wie weit du dich vergessen willst. Aber eher töte ich ihn, als daß er dich besitzt!" Die Klugheit, die bewundernswerte Klugheit, mit der diese Frau nun bereits alle Menschen täuschte und irre führte, die kam zurück, machte sie besonnen. Michaela lachte. „Ein Abenteuer doch nur. Er gefällt mir, was ist da weiter dabei? Und ich habe ja mit vielen Männern Be kanntschaft schließen müssen, um dir dein Handwerk zu er leichtern, Nino." „Das ist wohl wahr. Aber ihn hasse ich. Weil er es wagt, mir die Stirn zu bieten." „Ich gehe zu ihm, Nino." „Wenn er dir auch die Auskunft verweigert, lasse ich ihn morgen früh erschießen, Michaela." „Nino, das darfst du doch nicht." Er lachte kurz und hart auf. „Ich tue es! Und du? Weißt du, was dich trifft? Das gleiche Los, wie wir es für Lucia bestimmt haben." „Nino!" Kaltblütig wandte er sich ab, brannte sich eine neue Zigarette an. Und völlig im Bann dieses Mannes, der ihr Bruder war, fragte Michaela: „Und was wird dein Ende sein?" „Oh, ich besitze das berühmte Gift der Eorkomia! Eine Sekunde, und es ist vorbei! Fangen lasse ich mich nicht!" „Nino, wenn wir ein anderes Leben gewählt hätten, ob es dann nicht besser für uns gewesen wäre?" „Das fragst du heute, weil du den da liebst." Eine wundervolle Kopsbewegung des Italieners war es, die dem da drüben galt. Michaela ging zur Tür zurück. ^.Jch gehe jetzt. Und ins Kloster gehe ich nicht, daß du es weißt." „Oh, das lasse meine Sorge sein. Donna Margherita weiß Bescheid." Da ging Michaela. „Was haben Sie davon, wenn Sie darauf bestehen, den italienischen Behörden Ihren Fund anzuzeigen, liÄ>er Pa row?" Schlank, wunderschön stand Michaela vor Parow. Der stand unbeweglich. Und die Frau trat näher. Ihre dunklen Augen leuchteten in die seinen, ihre Stimme klang weich und bestrickend: „Sagen Eie es mir, und ich befreie Sie!" Da klang Parows Stimme grollend: „Mit dem Liebchen eines gemeinen Räubers schließe ich keine Kompromisse. Selbst nicht um den Pteis meiner Freiheit." „Er ist mein Bruder! Wir haben unserer Mutter schwö ren müssen, unsere Schwester zu rächen. Ein deutscher For scher hatte meine Schwester geliebt, hatte sie geheiratet und hat ste dann verlassen. Bei uns gibt es die Vendetta! Wir kennen sie noch. Wenn auch viele heute zu feig sind, Ven detta zu üben. Wir üben ste noch, die alte italienische Blut rache! Und wir haben uns gerächt. Viele deutsche Männer stnd bettelarm wieder nach ihrer Heimat zurückgereist. Einige find auch tot." Ernst von Parow trat mit wuchtigem Schritt vor di« zurückweichende Frau: „Mit Verbrechern Ihres Schlages will ich nichts zu tun haben. Lieber tot, als mit Ihnen irgendeine Gemein schaft." „Dann kommen Sie hier nicht lebend mehr her aus. Nino ist grausam wie seine Vorfahren. Wir entstam men dem Hause Eorkomia." „Gorkomia?" Parow fragte es und seine großen Augen ruhten aus der Frau. Und noch einmal murmelte er: „Gorkomia?" Das Geschlecht, das mit dem römischen Kaisergeschlecht verwandt gewesen war? Von dem die Geschichte sprach? Er hätte kein Forscher sein müssen, wenn ihn dies nicht interessiert hätte. Hoch und stolz wuchs die Gestalt der Frau vor ihm empor. Und fast traurig dachte er: Zwei Kinder dieses wunderschönen, heißblütigen Lan des, die sich an eine Rache verloren hatten und früher oder später zugrunde gehen mußten. „Ich liebe Sie, Parow!" Der Mann hing dem Klang der Worte nach. Dann sah er die Frau groß und abweisend an. „Ich erwidere diese Liebe nicht. Und ich will lieber sterben, ehe ich mich vor Ihrem Bruder demütige." Das Herz der Frau schlug ihm entgegen Vergessen war alles, was die Vergangenheit barg, und was Parow nie, nie erfahren durfte. Michaela schlang die Arme um ihn. Fortsetzung folgt.