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Tagesspruch Wer zwingen will die Zeit, den wird sie selber zwingen; Wer sie gewähren läßt, dem wird sie Rosen bringen. Gpeiseseiiverbittigung bis Ende -es Jahres, Vorzeitige Verwendung der Rcichsverbilligungsscheine verbotem Die von der Reichsregierung zur Verbilligung der Speisefette für die minderbemittelte Bevölkerung getrof fenen Maßnahmen werden für die Monate Oktober, November und Dezember 1935 in dem bisherigen Um fange fortgeführt. Die Stammabschnitte sind auf rosa Wasserzeichenpapier hergestellt. Sic enthalten wieder je drei Reichsverbilligungsscheine und 8, sowie einen Be stellschein für drei Pfund Konsummargarine. Die Aus gabe der Abschnitte muß spätestens am 1V. Oktober beendet sein. Die Scheine dürfen nicht bei Abgabe anderer als der auf dem Stammabschnitt bezeichneten Ware in Zahlung genommen und weder vor Beginn noch nach Ablauf der aufgedruckten Gültigkeitsdauer verwendet werden. Gegen Verkaufsstellen, die dieser Anordnung zuwider handeln, wird eingeschritten werden. Es muß unter allen Um ständen verhindert werden, daß Bezugsberechtigte infolge vorzeitiger Verwendung der Scheine im Monat Dezem ber 1935 nicht mehr in der Lage sind, die verbilligten Speisefette zu erwerben. Vier Derhastungen wegen des Nerliner Einsturzunglücks. Den Fe st genommenen wird fahrlässige Tötung zur Last gelegt. Die Justtzpresscstelle Berlin teilt mit: Wie seinerzeit bereits bckanntgcworden ist, hat die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin unmittelbar nach dem Ein - ftnrzunglück bei dem Bau der Nord-Süd-S-Bahn in der Hermann-Göring-Stratze, das insgesamt 19 Todesopfer gefordert hat, die Ermittlungen über eine etwaige Schuldsrage eingeleitet. Die Bearbeitung dieses die Öffentlichkeit in besonders hohem Maße interessieren den Verfahrens wurde dem Oberstaatsanwalt Dr. Rei mer übertragen, zu dessen Unterstützung nach wie vor Gerichtsassessor Riel, der seinerzeit als erster Vertreter der Staatsanwaltschaft bei den Aufräumungsarbeiten zu gegen war, tätig ist. Zur eingehenden Aufklärung hat die Staatsanwalt schaft ein Sachverständigengremium hinzugezogen, das unter Leitung des Geheimrats Prof. Dr. Hertwig von der Technischen Hochschule Berlin steht und dem als Mit glieder folgende Herren angehören: Prof. Dr. Dischin- ger von der Technischen Hochschule Berlin, Prof. Dr. Halter von der Technischen Hochschule in München, Reichsfachgruppenwalter Hupfauer (Deutsche Arbeits front), Regierungsbaurat i. R. Bousse 1, Regierungs- «nd Baurat Schuppan vom Polizeipräsidium Berlin. Die Untersuchung über die Ursachen des Einsturz unglücks ist inzwischen so weit gediehen, daß auf Ver anlassung der Staatsanwaltschaft Haftbefehle gegen folgende Personen erlassen und vollstreckt worden sind: Direktor Hugo Hoffmann von der Berlinifchen Baugesellschaft m. b. H., Ingenieur Josef Karl Rath, Technischer Sachbearbeiter der Berlinischen Baugesell schaft m. b. H., Bauleiter Diplomingenieur Fritz Noth, Reichsbahnrat Wilhelm Weyhser. Den Festgenomme nen wird fahrlässige Tötung zur Last gelegt, die darin erblickt wird, daß bei der Ausführung des Baues grobe Verstöße gegen anerkannte Regeln der Bau kunst vorgekommen sind, und daß die Genannten dafür in erster Linie die Verantwortung zu tragen haben. Ein nenn MMM Litauens. Spitzenkandidat de- MineldenMinn- entrechtet. Dr. Schreiber. (Wagenborg Bildarchiv.) Litauen hat zu einem neuen Schlag gegen das Deutschtum im Memelland ausgeholt: Der Gouverneur des Memelgebietes hat dem früheren Landcspräsidenten und jetzigen Spitzen kandidaten der Me melländischen Ein- hcitsliste zur Wahl am 29. September die Staats- angehörrgkcit entzogen. In der Begründung heißt es, daß D r. Schreiber die litauische Staatsangehörig, keit als Bürger des Memel» gebictcs durch unrichtige Be- scheinigung erhalten habe. Er und seine Familie wer den von nun an als Aus ¬ länder behandelt. Das ist mehr als ein Willkürakt, das ist offene Herausforderung! Der Grund zu der Maßnahme ist zu fadenscheinig, als daß er der Widerlegung wert wäre. Nachdem das Deutschtum im Memelland sich zu einem starken Einheitsblock zusammengeschlossen und Dr. Schreiber als seinen gemeinsamen Kandidaten auf gestellt hatte, ist der litauische Streich gegen Dr. Schreiber nichts als eine von niedrigster Gehässigkeit bestimmte Ge waltmaßnahme, die die Brutalität Litauens dokumentiert. Vielleicht raffen sich jetzt die Mächte, die das Memelstatnt unterzeichnet haben, auf, um die Wahl im Memelland unter Schutz zu stellen. Dr. Schreiber, der Präsident der Memelländischen Handelskammer ist und in verschiedenen sonstigen Wirt- schaftlichen Organisationen und öffentlichen Körperschaf ten des Memelgebiets führende Stellungen bekleidet, die er mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit verliert, siebt mit seiner^Familie nach diesem Willkürakt vor dem Ruin. Ten is Zayren kfl er Memell ander, also längst vor der Ratifizierung des Memelabkommens. Bisher sind niemals Zweifel an seiner Staatsangehörigkeit laut geworden, im Gegenteil wurde er vom litauischen Gon- verneur seinerzeit sogar zum Landesprästdenten ernannt. Als Beamter einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft hat er seinerzeit auf Grund seiner Anstellung auf Lebenszeit vorschriftsmäßig für Litauen optiert. M Auch der Oberbürgermeister von Mmel entrechtet. Nachdem dem Spitzenkandidaten der Memelländischeu Einheitsliste, Dr. Schreiber, rechtswidrig die litauische Staatsbürgerschaft und die Wählbarkeit durch den litauischen Gouverneur entzogen worden ist, hat man nun auch dem Memeler Oberbürgermeister Dr. Brind« linger, der an vierter Stelle auf der Memelländischen Einheitsliste steht, durch rechtswidrige Ent ziehung der Staatsbürgerschaft das aktiv« und passive Wahlrecht genommen. Auch bei Dr. Brind- linger ist die Staatsangehörigkeit in Zweifel gezogen worden. Er ist ebenso wie Dr. Schreiber 1 922 ins Memelgebiet gekommen und hat sich dort als Rechtsanwalt und Notar niedergelassen. Als Notar hat er Beamteneigenschaft. Er hat deshalb auf Grund des 8 10 Abs. l des Deutsch-Litauischen Options vertrages vom 10. Februar 1925 für Litauen optiert. Er gehörte dem dritten Memelländischen Landtag als Ab geordneter an und wurde im Mai 1931 mit großer Mehr- heil von der Stadtverordnetenversammlung zum Ober- bürgermeister der Stadt Memel gewählt und von dem rechtmäßigen Direktorium Schreiber bestätigt. Das statutwidrige litauische Direktorium Reisgys hat ihn dann am 8. Juli 1934 widerrechtlich seines Amtes enthoben. Gegen seine Amtsenthebung hatte er bei den ordentlichen Gerichten des Memel gebietes Klage Erhoben. Der Magistrat der Stadtgemeinde wurde verurteilt, ihm das Gehalt zu zah- l e n. Man will ihn für das Memelgebiet jetzt vollkom men beseitigen und hat ihm deshalb die Staatsbürger schaft entzogen. Gowjeilob für Frankreichs Ost-efestigungen. Der französische Gcncralstab zeigte einer russischen Militär abordnung die befestigte Grenze gegen Deutschland. Seinen Freunden zeigt man bekanntlich immer die starke Seite. So denkt auch der französische Generalstab. Er ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, der sowjetrussischen Militärabordnung, die den französischen Herbstmanövern beiwohnt, das Befestigungsgebiet vorzuführen, das Frank reich unter Milliardenaufwand an der Grenze gegen Deutschland errichtet hat. In einer in dem Sowjetblatt „Jswcstija* groß auf gemachten Unterredung, die der Pariser Berichterstatter des Blattes mit dem Leiter der Sowjetmilitärabordnung, dem stellvertretenden Generalstabschef der Roten Armee, Ssedjakin, hatte, erklärte der Sowjetgeneral, das System der Befestigungsanlagen an der französischen Ostgrenze hätte auf sie einen gewaltigen Eindruck gemacht. Die „Verteidigung des Rheins", insbesondere im Abschnitt zwischen den nördlichen Vogesen und dem Strom, sei außer ordentlich gut organisiert und sehr solide angelegt. „In diesem ganzen Gebiet", so betonte General Ssedjakin, „haben wir die Anwendung der neuzeitlich st enundder allermächtig st en Kriegsmittel beobachten können, die die größtmöglichen Ergebnisse zeitigen müssen nicht nur bei der Verteidigung dieses Ge bietes, sondern auch bei ihrer Umwandlung in eine An griffsbasis, einen Stützpunkt für Gegenangriffe als Repressivmaßnahmen gegen einen eventuellen Angreifer." Nachdem sich der Sowjctgeneral sehr lobend über „das wunderbar durchdachte und verwirklichte System der sran- zouicyen Mrnsllallonsarvetten" geäußert hatte, gab er noch der Meinung Ausdruck, daß die Bedeutung dieser ge waltigen künstlichen Befestigungsanlagen noch größer sei in Verbindung mit dem eindrucksvolle« Straßennetz, das eine bedeutende Elastizität und Mannigfaltigkeit der Bewegung innerhalb der Befesti gungszone ermögliche. Am Aeuverteilung -er Kolonien sichert -en Weltfrieden. Wilsons früherer Berater für bessere Verteilung des Landbesitzes der großen Kolomalländer. Oberst Edward M. House, der frühere außenpolitische Berater des Präsidenten der USA^ Wilson, veröffentlicht in der Zeitschrift „Liberty" einen Aufsatz, in dem er den Gedanken vertritt, daß der Welt frieden nur durch eine bessere Ver teilung des Landbesitzes der großen Kolonial länder zugunsten Deutschlands, Japans und Italiens erhalten bleiben könne. England, Frank reich, Sowjetrußland und die Vereinigten Staaten, die vier Mächte, die „die Welt besitzen", müßten den anderen drei Ländern Ausdehnungsmöglichkeiten gewähren, die den gegenwärtigen Verhältnissen angemessen seien. Jeder Staatsmann, so erklärt Oberst House, wird i« privater Unterhaltung zugeben, daß Deutschland, Italien und Japan Gebiete benötigen, wohin sie ihren Bevöl kerungsüberschutz schicken und woher sie die R o h - stoffe beziehen können, die ihnen das eigene Land nicht gewähren kann. kkkebsrivsdtscdot^: Lüok Dürros-Verlaß, Halls (Zsale). s17 Er lächelte zufrieden. Die kleine Ueberraschung wußte er zu schätzen. Wahrscheinlich hatte Ferdinand Ketzler das Geld gelegentlich in dem Anzug stecken lassen, ihn seither nicht mehr getragen und das Geld vollständig vergessen. Auf die Idee, daß er eigentlich seiner Tante das Geld bringen müßte, kam er gar nicht. Nachdem er die Scheine mit einem Schmunzeln in seine Brieftasche überführt, entdeckte er in dem Ledermäppchen einen zusammengefalteten, beschriebenen Bogen Papier. Er erkannte die Schriftzüge Ferdinand Keßlers und be gann interessiert zu lesen. Da stand: „Darf nicht vergessen, zum Anwalt zu gehen wegen Lorenzas Geld. Habe aber für jeden Fall heute alles Wichtige ausgeschrieben und Sabine unterrichtet, daß ich es in Form meines letzten Willens niedergelegt im Ge heimfach meines Schreibtisches. Bin in letzter Zeit arg anfällig gewesen und möchte nicht, daß ich den rechten Augenblick versäume, eine Aufstellung zu hinterlassen von dem Bargeld, das mir Lorenzas Vater dicht vor seinem sicheren Tode direkt übergeben, um es zu ver wenden zu Nutz und Frommen seines Kindes. Und von dem ich ab und zu immer mehr hineingewirtschaftet in Michaelshof. So daß nun Lorenza schon die eigentliche Herrin hier ist. Dies notiere ich für alle Fälle, falls mich einmal der Tod überraschen sollte, wie ich es so ost fürchte, und um Dich, Sabine, die Du dies, was hier geschrieben, wahr scheinlich finden wirst, zu erinnern an das Geheimfach, damit dem lieben Mädel kein Unrecht geschieht nach meinem Tode. Es weiß ja niemand von dem Geld, das mir Lorenzas Vater dicht vor seinem Sterben in bar gegeben. Die Summe ist nicht mitgenannt, als das sonstige Erbe Lorenzas aus gezeichnet wurde. Irgendeine starke Angst zwingt mich, dies hier zu schreiben und noch einmal zu bitten: Uebergehe nicht das Geheimfach, Sabine! Verzeih mir, aber ich traue Dir den Eigennutz zu. Ich werde dir das Geheimfach im Schreibtisch noch zeigen, damit du gut Bescheid weißt. Sollte das Blatt in andere Hände kommen nach meinem Tode, dann möge der Finder mit meiner Frau darüber sprechen. Gott schenke mir ein leichtes Sterben, denn ich fühle den Tod heranschleichen. Ferdinand Keßler, Gut Michaelshof." -- Es folgte das Datum des Tages, der dem Sterbetag des Schreibens voranging. Kurt Erner drehte das Papier, das schon einem Testa ment ähnelte, in der Hand hin und her. Eine sonderbare Sache war es, die ihm da zur Kenntnis gekommen; eine sehr sonderbare Sache! Er pfiff leise vor sich hin. Na, da war ja Tante Sabine gar keine so gediegene und sichere Erbin, wie er bisher angenommen. Es ging jedenfalls klar aus diesem eigen artigen Papier hervor, daß Lorenza Stegemann von ihrem Vater, Ferdinand Ketzlers Freund, außer einer ein getragenen, feststehenden Hinterlassenschaft, die dem Vor mundschaftsgericht natürlich bekannt war, noch ein Bar- Vermögen bekommen, von dem das Vormundschaftsgericht nichts wußte. Ein Barvermögen, das Lorenzas Vater für sein Kind bei seinem besten Freund in treue Hände gelegt zu haben glaubte. Das er ihm sogar wahrscheinlich zur Nutznießung gegönnt und bestimmt, dessen Sicherheit er aber nicht angezweifelt, und das nun längst in Michaelshof wohl mit hineingesteckt worden war, wofür Ferdinand Keßler Lorenza aber dicht vor seinem Tod« durch seinen letzten Willen auch irgendwie entschädige« wollte. Der letzte Wille aber befand sich im Geheimfach seines Schreibtisches, und er fürchtete, wohl mit Recht, seine Frau könne das, was sie wußte, absichtlich vergessen und für all« Zeit vergessen. Er schüttelte mit dem Kopfe. Eine ganz merkwürdig« und eigentlich dumme Geschichte war das, in die er eben Einblick erhalten. Sein Mund verzog sich. Vielleicht war das, was er jetzt wußte, für ihn gar nicht so dumm? Es gab ihm doch eine gewisse Macht über seine Tante und durfte deshalb nicht unterschätzt werden. Er steckte das Papier, nachdem er es sorgfältig zu-» sammengelegt, zu den drei Geldscheinen in seine Brief tasche. Jetzt befaßte er sich noch einmal flüchtig mit seinem Aussehen und ging dann zu seiner Tante hinunter, die bereits dabei war, die Trauergäste zu empfangen. An ihrer Seite stand schlank und blaß die blonde Lorenza. Sie ahnte nicht, wie reizvoll sie aussah in dem düsteren Kleid, und blickte mit tränenflimmernden Augen an Kurt Exner vorbei, als er sich tief vor ihr verneigte. Nur ganz flüchtig reichte sie ihm die Hand. Kurt Exner war ihr äußerst unangenehm. Sie dachte empört, wenn Onkel Ferdinand wüßte, daß dieser Mensch, den er hier nie für längere Zeit hatte haben wollen, jetzt als Inspektor Michaelshof betreuen sollte! Otto Stürmers Zeugnis, sein Bild, hatten ihm so überaus gut gefallen; aber Frau Sabine war nun Herrin hier, sie hatte zu be stimmen. Und jetzt war auch nicht die richtige Zeit, darüber nachzudenken, wie abscheulich die Frau gegen den Willen des Toten gehandelt, jetzt, da ihr guter väterlicher Be schützer für immer sein Laus verließ. (Fortsetzung folgtL