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Ein verdienter Wilsdruffer Schulmann: Schuldirektor a. O. Karl Thomas. Schuldirektor a. D. Karl Thomas, geboren am 9. Januar 1867 in Radeberg, genügte daselbst der geseh- bchcn Schulpflicht in der Bürgerschule. Am Lehrer zu werden, besuchte er das Seminar in Löbau (Sachsen). Nach Beendi gung der Seminarzeit kam er als Hilfslehrer nach Scharfen stein und wirkte anschließend als ständiger Lehrer in Lengefeld (Erzgebirge) und Leipzig-Kleinzschocher. Am 4. Januar 1904 wurde Lehrer Thomas Schuldirektor unserer Stadt Wilsdruff. Als solcher hat er sich bis zu seiner am 30. September 1922 erfolgten Zurruhesetzung straffer Weife dafür eingefetzt, den guten Ruf der Wilsdruffer Schule nicht allein zu erhalten, sondern ihn noch zu erhöhen, damit unsere Kinder mit einem für sie segensreichen Rüstzeug ins Leben treten konnten. Ein großes Verdienst erwarb sich Schuldirektor Thomas Ostern 1905 durch die Neuordnung der seit 1875 bestehenden Fort bildungsschule einfachster Art, indem er Berufsklasten schuf, und durch den weiteren Ausbau dieser Schule in den folgen den wahren. Sein Name ist weiter unsterblich verbunden mit dem Bau des am 10. Oktober 1910 geweihten fünfundzwan- zigsährigen Geburtstagskindes — der neuen Schule. Möge der 38jährige bewährte Schulmann feine Ruhejahre noch recht lange bei Gesundheit verbringen. Das gebe Gott! Schuldirektor Ernst Friedrich Gerhardt und seine ehemalige „Höhere Fortbildungsschule^. Wenn ich zum heutigen Schulfest für diese Festbeilage unter obiger Aeberfchrift einen Beitrag bringe, so veranlaßt mich da zu die Dankespflicht dem Manne gegenüber, der mir während der letzten beiden Jahre meines Bürgerschulbesuchs (1893 bis 1895) und anschließend zwei Jahre lang in seiner „Höheren Fortbildungsschule" das Rüstzeug für mein späteres Leben gab. Alle Wilsdruffer Lehrer und Schüler aus der Zeit seines hiesigen Wirkens, besonders aber die der zuletzt genannten Schule, werden ebenso gern wie ich dieses vortrefflichen Leh rers, unseres Schuldirektors Ernst Gerhardt, gedenken. Am 13. August 1848 wurde Direktor Gerhardt als Gast wirtssohn in Zwötzen bei Gera geboren. Nachdem er das Gymnasium in Gera und das Seminar in Schleiz besucht hatte, wurde er Hauslehrer in Gutenfürst bei Plauen i. B, Kantor in Saalburg und weiter Lehrer in Mylau. 1880 kam er als Oberlehrer nach Wilsdruff, um schon im nächsten Jahre zum Segen für unseren . Ort Direktor der städtischen Schulen (1. und 2. Bürgerschule) zu werden.. Gerhardts Verdienste um das Wilsdruffer Schulipesen eingehend zu würdigen, würde im Rahmen dieses Festbeitrags zu weit führen. Genannt seien die Einführung des Turnunterrichts und die Vereinigung der beiden Lehrerkonferenzen Wilsdruff-Stadt und -Land zum Bezirkslehrerverein Wilsdruff im ersten Jahre feines Direk torats, ferner die Aufstellung einer Hausordnung und eines gemeinsamen Lehrplans im nächsten Jahre (1882). Nun folgte der Ausbau der Fortbildungsschule. Die 1892 geweihte Turn halle hat ebenfalls ihr Entstehen dem Weitblick und der Tat kraft Gerhardts zu verdanken. Im Jahre 1897 plante er den Bau einer neuen Schule, woraus zunächst nichts wurde. Als am 10. Oktober 1910 unser heutiges Geburtstagskind geweiht wurde, war Direktor Gerhardt leider nicht mehr unter den Lebenden, so daß ihm die Erfüllung seines Wunsches zu sehen versagt blieb. Eines seiner größten Verdienste hat er sich durch die Eröffnung der „Höheren Lehranstalt für Postgehilfen, Kaufleute und Landwirte" am 1. Mai 1889, späterhin „Höhere Fortbildungsschule" genannt, erworben. Ende des Jahres 1897 erschienen düstere Wolken am Horizont der eben erwähnten Schule. Das damalige Reichspostamt erließ eine Verordnung, daß Postgehilfen nicht mehr angenommen werden. Am 1. Januar 1900 erschienen für die Beamten (Zivilanwärter) der mittleren Postlaufbahn neue Annahme vorschriften. Es wurde mindestens das Reifezeugnis für die Untersekunda einer neunstüfigcn oder das Reifezeugnis für die erste Klasse einer sechsstufigen öffentlichen höheren Lehranstalt gefordert. Dabei mußte der Bewerber bei seiner Einstellung in den Dienst das 17. Lebensjahr vollendet haben. Direktor Gerhardt besaß in beidetr Fällen den Weitblick dafür, was nun am besten möglichst nach dem Vorbild der Altenberger höheren Lehranstalt zum Wohle der Stadt Wilsdruff und seiner Kinder zu tun sei. Doch die maßgebenden Herren unterstützten ihn nicht in der gebührenden Weise. Der 22. Februar 1900, an dem der Schulvorstand beschloß, die „Höhere Fortbildungs schule" eingehen zu lasten, bleibt deshalb ein Schatten in der Geschichte Wilsdruffs. Dieser Schatten ging auch nicht am Ge sundheitszustand des bis in seine letzten Lebenstage schaffens- sreudigen Direktors spurlos vorüber. Sein Nierenleiden ver schlimmerte sich. Am 21. Mai 1901 schloß er — erst 53jährig — für ganz Wilsdruff viel zu früh, feine Augen für immer — tief betrauert von vielen. Ein ausgezeichneter Schulmann war dahingegangen. Auch im Dienste für die Allgemeinheit hatte er sich jederzeit stark betätigt — als Stadtverordneter, als Liedermeister der „Liedertafel" und des Sängerbundes für das Meißner Land usw. Eine Eiche im Oberen Park, den Gerhardt geschaffen hat, trägt seinen Namen und kündet so späteren Geschlechtern von seinem segensreichen Wirken. Die Weihe dieser Eiche fand am Sonntag, dem 24. Juni 1928, anläßlich der Wiedersehensfeier der Lehrer und Schüler der ehemaligen „Höheren Fortbil dungsschule" unter zahlreicher Beteiligung statt. Laßt uns auch in diesen Tagen an der Schuldirektor Ernst Gerhardt-Eiche seiner in Dankbarkeit gedenken! Nichts kann die Lehrerpersönlichkeit des Direktors Ger hardt bester ins Licht sehen als die Festschrift von damals (Oberlehrer Kühne), die da besagt: „Er wußte Zucht zu hal ten", und drehte er die gefürchteten „Großen Augen" raus, dann hatte es zwölf gebbsM?» Grollte es jedoch bloß: .,Bla- morum bis über die O»rum",''?a die Erdleitung herge stellt. und erleichtert atmew^ der Schuldige auf. — Aeberall, Sein und Werden der Schule. Sin Wort zum Leitgedanken des Festzuges. Wenn eine Schule einen Festzug aus besonderem Anlaß veranstaltet, wie wir ihn in unserem diesjährigen Schuljubel fest haben, so darf der Zug nicht in buntem Durcheinander all das zeigen, was sonst gern durch Kinder in Umzügen der äußeren Wirkung wegen dargestellt wird: Märchen, Bilder aus Leben und Wirken des Handwerkers, des Bauern, aus Geschichte und Sage, die Jahreszeiten und was es sonst der dankbaren Aufgaben noch mehr gibt. Wir haben diesmal einen Leitgedanken gewählt, dessen Durchführung beim ersten Hören manchem langweilig und nüchtern scheinen will. Nur gemach! Mit Lust und Liebe läßt sich auch scheinbar Trockenes zu fri schem, frohem Leben wecken. Das Sein der Schule im Festzug bietet der Darstellung keine absonderlichen Schwierigkeiten; das Werden sichtbar vor Augen zu führen, ist schon heikler; wir könnten deshalb in den meisten Fällen wohl bester sagen, daß Gewordene wird ge zeigt- Und nun ziehe im Geiste an uns vorüber, du bunter Zug der Schuljugend! Unsere ältesten Ehemaligen, alle über acht zig, fahren voran. Sie sind heute unsere Ehrengäste, und ihnen gilt unser besonderer herzlicher Gruß und Dank. Don den Ent lassungsjahren der 60er Jahre springen wir gleich ins Er- bauungsjahr der neuen Schule, 1910; eine Klastengemein schaft zeigt das im Werkunterricht (und in unzähligen Frei stunden) geschaffene Modell des Schulrohbaues und verkörpert das Richtfest der Schule. In Schritt und Tritt folgt die ABE.-Schützenkompanie, mit Stolz die „gefährliche" Flinte geschultert. Die ganze Kompanie verleugnet heute Zuckertüte und Tütenbaum. Umsomehr strahlen die Augen der kleinsten Mädel, denen die Aufgabe zuteil wurde, die Poesie um die Schulaufnahme lebendig zu gestalten. Zu ihnen gesellen sich die Kleinen, die vom Märchen in der Schule berichten; Hexe und Hexenhäuschen ziehen vorüber. Da naht mit Sang und Klang und froher Wanderstimmung die Klastenreise; der liebe alte Schulomnibus taucht auf und weckt Erinnerungen an dis schönsten Tage im Schulleben. Doch nicht geträumt! Die neue Zeit rückt an: Die Schule am Staatsjugendtag! Hitlerjungen und Hitlermädchen marschieren auf. An jedem Sonnabend tun sie außerhalb der Schule ihren Dienst unter eigener Führung. Nun folgt eine Gruppe von Neueinrichtungen in der Schule, die, obwohl schon seit einer Reihe von Jahren bestens be währt, denen im Schulbetrieb unbekannt waren, die vor 25 Jahren ins neue Schulhaus einzogen: Der Schularzt, die Schulzahnpflege und die Schulmilchpflege; aus der Milch ist in neuester Zeit meist Milchkakao geworden, wohl des süßen Geschmacks wegen. Auch Gartenarbeit in der Klastengemeinschaft ist in der heutigen Schule stärker betont als vor 20 Jahren, frifche Gärtnerjungcn marschieren an uns vorüber. Hinter ihnen kommt's gesungen, das geht nur so nach Noten- Kein Wunder auch: aus einer Singestunde wurden deren zwei in der Woche, wo nicht durch den Staatsjugendtag wieder eine ein gespart werden mußte. And nun Turnen, Sport und Spiel in der Schule! Sie nehmen im neuen Deutschland einen weit breiteren Raum ein als früher; Jugendfpiele, Wettkämpfe, Volkssport und Ge ländespiele sind zur körperlichen Ertüchtigung unserer Jugend besonders zu pflegen, doch ist weise Maß zu halten und unter sachkundiger Führung auf das jugendliche Wachtstum Rück sicht zu nehmen. Das jüngste Kind unterrichtstechnischer Errungenschaften zeigt sich jetzt: Ter Unterrichtsfilm. Er ist unser lebendigstes Anschauungsmittel und wird weiterhin ausgebaut werden. — Von der Pflege der Hausmusik in der Schule berichtet das Schulorchester und vom Erziehen zur Sparsamkeit die Dar stellung der Schulfparkaste- Zuletzt verkörpern unsere großen Mädel das Fest in der Schule, und Schüler und Schülerinnen der Berufsschule er innern in ihren verschiedenen Berufskleidungen daran, daß wir in der Schule nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen. Den wirksamen Abschluß unseres Festzuges bildet eine Gruppe des VDA., dargestellt von Schülerinnen der Bäuer lichen Werkschule. Da bas Fest der deutschen Schule für dieses Jahr wegen zu dichter Folge von Festen und Veranstaltungen in Wilsdruff ausfallen muß, soll unsere Verbundenheit mit der deutschen Schule im Auslande durch die VDA.-Gruppe im Festzug zum Ausdruck gebracht werden. Vorüber ist das bunte Bild des Festzuges. Durch alle Straßen der Stadt können wir in Rücksicht auf unsere Klein sten und die Festwagen leider nicht ziehen, und wenn wir deshalb auch an dir, du altes, trautes Schulgebäude auf der Zedtlerstraße, mit unseren Festwagen nicht vorbeirumpeln, so wissen wir, du nimmst es uns nicht übel und wirst verzeihend und freundlich zu uns herüberblickcn, wenn wir in deine Nähe kommen und zu dir hinübergrüßen. A. Talkenberger. * Unsere Aeltesten im Festzuge. Anter den Festwagen werden u. a. zwei auffallen mit acht von den zehn ältesten in Wilsdruff wohnhaften Schülern und Schülerinnen, welche die Wilsdruffer Schulen besucht haben. Diese zehn Hochbelagten Volksgenossen heißen unter Angabe ihres Alters: Heinrich Lehmann 92 Jahre — Ida Andersen 89 Jahre Auguste Thiemig 84 Jahre — Marie Pflugbeil 83 Jahre — Otto Legler 83 Jahre — Oskar Rühle 83 Jahre Ernst Lange 82 Jahre — Louis Wehner 82 Jahre —> Liddy Galle 82 Jahre — Hugo Hörig 80 Jahre. Leider können zwei von ihnen am Festzuge nicht teilneh men. Der Greis Heinrich Lehmann im hohen Alter von 92 Jahren sehnt sich nach Ruhe, und die 82jährige Greisin Liddy Galle pflegt ihren kranken Sohn. R- E. Ein herrlicher Blick von der Schule nach St. Jacobi. (Bilderarchiv Heimatsammlungl in seinem gesamten Anterrichte drang er auf Leistungen und bot sie selber. Wie entsinne ich mich seiner straffen Frage weise, seines Vortrages, wenn er, den Klemmer absetzend, seinen Bart glättete oder mit seiner fleischigen Hand, an der der Siegelring ausblitzte, diese und jene Stelle unterstrich oder heraushob. Von der ersten Minute an stand man im Banne seiner Lehrerpersönlichkeit. Man hatte das Gefühl, der Mann ist etwas und kann etwas." Soviel über die Person Ger hardts. Nun einiges über seine „Höhere Fortbildungsschule", anfangs sein Prioatunternehmen, ob 1892 in städtischer Ver waltung. Sie bestand aus drei Abteilungen: A sür Post-, Eisenbahn- und Gemeindebeamte, B für Kaufleute und Gewerbetreibende und L für Landwirte. Waren es am Anfänge nur 3 Schüler, so in den späteren Jahren dagegen durchschnittlich 30. Die Schüler aller 3 Ab teilungen wurden in Aufsatzlehre, Geographie, Geometrie, Geschichte, Grammatik, Literatur, Orthographie, Physik, Rechnen, Stenographie, Turnen, Vortrag und Zeichnen un terrichtet. Die Schüler der Abteilungen A und B nahmen am englischen und französischen Unterricht teil- Besonderer Fach unterricht wurde erteilt in Abteilung A: Postdienstanweisung, Postsranzösisch, Post geographie und Telegraphie; in Abteilung B; Handelsgeographie, Handelslehre, kauf männische Buchführung, Korrespondenz u. Warenkunde u- rn Abteilung C: Landwirtschaftliche Buchführung, Natur geschichte und Volks-, Betriebs- und Verwaltungslehre. Als Lehrkräfte benutzte Direktor Gerhardt die tüchtigen Lehrer der beiden Bürgerschulen, als da waren: Bornemann, Llajus, Crasselt, Felgner, Gärtner, Haupt, Kantor Hientzsch, Hillig, Kreher, Dr. Kühnel, Leuschner, Markert, Mende, Richter, Schwertner, Stecher, Oskar Thomas und Weise, so wie Postverwalter a. D. Weiß. Bei dieser Aufzählung ist auch zu gedenken des Schulhausmeisters a. D. Lehmann. Wer von den Schülern würde sich nicht gern erinnern der üblichen Morte des Lehrers Gärtner: „Ach was — Blech!" und des Lehrers Hillig in der Turnstunde: „Ae Ansinn!" Ssb che Worte blieben sest sitzen und erfreuen auch heute noch. Es war doch so, daß die Schüler der Abteilung A mit der 1 oder 1b im EnAassungszeugnis von der damaligen „Kaiser lichen Oberpostdirektivn" in Dresden ohne Abnahme der eigentlich zu erfordernden Aufnahmeprüfung als Postgehilfen angenommen wurden. Ein sehr gutes Zeugnis für die Ger» hardtsche schule und seine Löhrer! 202 Schüler seines Lieblingskindes (genannt auch Post schule) haben in 11 Jahren zu Füßen des Direktors Gerhardt und seiner Lehrer gesessen. Sie sind in ansehnlichen Lebens stellungen als Beamte (Oberregierungsrat, Amtmann, Ober- postmeister, Oberinspektor usw.), als Angestellte, Kaufleute und Gewerbetreibende, ferner als Bauern und Landwirte in allen Teilen Sachsens wiederzufinden. Gegen 50 Schüler und 11 Lehrer sind bereits zur großen Armee adberufen worden. Gedenken wir ihrer heute in Liebe und Dankbarkeit! Ehemalige „Höhere Fortbildungsschule Wils druff", ihr Gründer Schuldirektor Ernst Gerhardt und sein Stab vortrefflicher Lehrer, ihr bleibt uns Schülern unvergessen! Richard Ebert, Schüler der ehem. „Höheren Fortbildungsschule Wilsdruff" von 1895 bis 1897. Schulfest-Beilage zum „Wilsdruffer Tageblatt" Nr. 209 — Sonnabend, den 7. September 1935 Verlag Buchdruckerei Arthur Zschunke, Wilsdruff.