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Endlich sei noch eine recht betrübliche Tatsache erwähnt. Dom Bezüge der neuen Schule an bis 1922 war eine ganz unverhältnismäßig große Sterblichkeit der Schulkinder zu be klagen. 40 Schüler und Schülerinnen aller Klassenstufen, dar unter 5 Fortbildungsschüler, sanken frühzeitig ins Grab, und nur zu oft mußten die Kinder Heimgegangene liebe Mitschüler und Mitschülerinnen zur letzten Ruhe geleiten. Vor allem war es die Tiphtheritis, die zahlreiche Opfer forderte. Allein im Jahre 1914 raffte der Tod 8 Dolksschüler und 1 Fortbildungs schüler dahin, und im Jahre 1916 waren es sogar 10 Volks schüler und 1 Fortbildungsschüler. Auch dieser so früh ent schlafenen Mitschüler möge man an der Wiedersehensfeier ge denken. Entwicklung der einfachen Fortbildungsschule zur Berufsschule. Ostern 1935 konnte die Berufsschule zu Wilsdruff auf ihr 30jähriges Bestehen zurückblickcn; denn Ostern 1905 erfuhr die seit 1875 bestehende Fortbildungsschule einfachster Art eine grundlegende Neuordnung. Aeußere Veranlassung dazu gaben dem seit 1904 amtierenden Schuldirektor die mehr als 20 Schüler des Musikdirektors Römisch. Sämtliche Fortbildungs schulklasten hatten Montag abend 6—8 Ahr Unterricht. Nach altem Brauch fanden damals Konzerte, Vereins- und andere. Veranstaltungen in Wilsdruff und Umgegend ebenfalls in der Regel am Montag statt. Es mußte deshalb stillschweigend ge duldet werden, daß besonders im Winterhalbjahr fast jeden Montag eine größere Zahl der Musikschüler den Unterricht versäumte, so daß eine regelmäßige Unterrichtsteilnahme aus geschlossen war. Das gab dem Direktor Veranlassung, dem ' Schulvorstande eine vollständige Neuordnung der Fortbil dungsschule vorzuschlagcn. Aber auch rein sachliche Erwägun gen führten zu diesem Vorschläge. Wilsdruff war und ist wohl immer noch der wirtschaftliche Mittelpunkt für feine dicht be siedelte Umgebung mit rein landwirtschaftlichem Charakter. Die Zahl der Handwerker war deshalb im Verhältnis zur Einwohnerzahl ganz besonders hoch und dementsprechend auch die Zahl der Handwerkslehrlinge gleicher Berufe. Dem war bisher in keiner Meise Rechnung getragen worden, obwohl man bei Errichtung der Höheren Fortbildungsschule von vorn herein eine Gliederung nach Berufen für notwendig hielt. Vielmehr wurden die Fortbildungsschüler nach Schuljahren in Z aufsteigendcn Klasten, für jeden Jahrgang 2, unterrichtet, so daß in jeder Klasse Schüler aller Berufe vereinigt waren, ein schon für die damaligen Belange des Handwerks unhalt barer Zustand. So erfolgte Ostern 1905 die Trennung der Schüler nach gleichen und verwandten Berufen, und es wur den gebildet eine Musikerklaffe, eine Tischlerklasse, eine Metallarbeiterklaste, eine Klasse für gemischte Berufe mit Freihandzeichnen für Schneider, Kürschner, Schuhmacher, Maler, eine Klasse für gemischte Berufe ohne Zeichnen für Fleischer, Bäcker, Landwirte. Für Kaufleute und Schreiber errichtete man eine Klasse mit gehobenen Zielen, 6 Mochcnstunden und eine zweijährige Schulpflicht. Es saßen nun zwar 3 Jahrgänge in einer Klasse; aber dieser Nachteil, der lehrplanmäßig auszugleichen war, wurde reichlich ausgewogen durch den Vorteil, daß jede Klasse nur Schüler gleicher oder verwandter Berufe vereinigte. Nun konnten die neuen Klaffenlehrpläne den Beruf des Schülers in den Mittelpunkt des Unterrichts stellen, und an die Stelle des damals schon ganz veralteten allgemeinen Zeichnens nach beliebigen Vorlagen trat das berufliche Fachzeichncn. Schon Ostern 1906 konnte eine zweite Tischlerklasse ge bildet werden, und Ostern 1907 wurde die Klasse für gemischte Berufe ohne Zeichnen in eine Klasse für die Lehrlinge der Nahrungsmittelgewerbe und in eine Klasse für landwirtschaft liche Arbeiter getrennt. Die vier zeichnenden Klasten erhielten ab Ostern 1907 drei Unterrichtsstunden und damit wöchentlich eine Fachzeichnenstunde statt bisher 40 Minuten aller 14 Tage. Ostern 1914 wurde die nur zweijährige Schulpflicht für die Klasse mit erhöhten Zielen durch ministerielle Verordnung Berufsschule Wilsdruff - Heimatklänge s N Jeannot Emil Freiherr von Grotthuß. aufgehoben. Deshalb nische Klasten mit je den Klassen erhielten wurden nun zwei aufsteigenbe kaufmäa- 4 Mochcnstunden gebildet. Die zeichnen- ab Ostern 1914 wöchentlich 2 Zeichen Der Fluß fließt kühl und still Und lauscht dem Glockenspiel, Das Lied aus metallenem Munde Begräbt er in seinem Grunde. Und ich bin fern, bin fern! Wär doch in der Heimat so gern! Und möchte so gerne belauschen Glocken und Waldesrauschen! Es klingen mit lieblichem Klang Die Glocken das Tal entlang, Vom schimmernden Garne der Sonnen sist das Kirchlein mit Gold umsponnen. stunden, und um alle Klasten von den den Unterricht hemmen den ganz schwach begabten Schülern zu entlasten, wurden die Klassen für Nahrungsmittelgewerbe und landw. Arbeiter wie der vereinigt und dafür eine Nachhilfeklaffe eingerichtet. So befand sich seit Ostern 1905 die nunmehr beruflich ge gliederte Fortbildungsschule, heute Berufsschule genannt, in einem ständigen Auf- und Ausbau, dank der sich den gemach ten Vorschlägen gegenüber nie verschließenden Einsicht des Schulvorstandes und der treuen und verständnisvollen Hingabe der Lehrerschaft an die neu erwachsenen Aufgaben. Zu beson derem Danke verpflichtet fühlt sich der Berichterstatter den Herren Oberlehrer Kühne, Oberl. Gerhardt, Oberl. Leuschner und Oberl. Schneider. Die Neuordnung der Fortbildungsschule hatte die erfreu liche Wirkung, daß nun auch von Jahr zu Hahr mehr Hand werksmeister der umliegenden Dörfer ihre Lehrlinge der Wils druffer Fortbildungsschule zuführten. Für Ostern 1915 war abermals eine Erhöhung der Wochenstundenzahl vorgesehen. Da kam der Krieg! Anfangs zwar konnte der Unterricht in der Es weht ein himmlischer Hauch Durch Baum und Blume und Strauch; Die Blüten zittern und leben, Und das Herz will sich schwingen und heben! Fortbildungsschule . noch planmäßig erteilt werden, weil die Stunvn Nebenamt.-),^ in den Abendstunden gehalten wurden; als aber im Lauf § Zähre die Zahl der Lehrkräfte infolge ikrer Einberufung AUegsdicnstc weiter und weiter sank, zeitweise bis auf fünf, mußte auch der Fortbildungsschulunter- richt ganz wesentliche Einschränkungen erfahren und konnte zu» letzt nur noch notdürftig ausrecht erhallen werden. Erst Ostern 1919 konnte der Unterricht wieder in vollem Umfange ausgenommen werden. Zu erteilen waren insgesamt 45 Wochenstunden. Da ab Ostern auch der Unterricht in der Fortbildungsschule in den Tagesstunden gehalten werden soll te, machte sich die Anstellung eines hauptamtlichen Fortbil dungsschullehrers nötig. So trat am 13. Oktober 1919 der staatlich geprüfte Gewerbelehrer Rich. Rob. Fehrmann, bisher Gewerbelehrer in Coswig, als erster hauptamtlicher Fortdil- dungsschullehrer ins Kollegium ein. Er gab 24 Mochcnstunden, so daß noch 21 Stunden nebenamtlich zu erteilen waren. An die Stelle Fehrmanns, der nach Gottleuba ging, trat am 11. Oktober 1920 Georg Uhlig aus Sehma. Er siedelte am 30. Juni 1922 in gleicher Eigenschaft nach Gittersee über. Ab Ostern 1920 erhielten die Fortbildungsschüler in sechs Abteilungen wöchentlich eine Stunde Turnen, und ab Ostern 1922 wurden die landwirtschaftlichen Arbeiter im Sommerhalbjahre vom Unterricht befreit und hatten dafür im Winterhalbjahre er höhten Unterricht. Noch ein kurzes Wort zur Mädchcnfortbildungsschule. Das Usbergangsschulgesetz vom 22. 7. 1919 forderte die dreijährige Fortbildungsschulpflicht auch für die Mädchen. Deshalb sprach der Direktor in einer öffentlichen Elternversammlung im Löwen am 15. März 1920 über Zweck, Ziele und Einrichtung einer MDchenfortbildungsschule und fand die, wenn auch nicht ganz ungeteilte Zustimmung der Versammlung. Der Abend verlief trotz des Generalstreikes am Tage wegen des Kapp-Putsches in vollkommener Ruhe. Bereits am 13. April fand die erste Anmeldung für den ersten Jahrgang der Mädchenfortbildungs schule statt, und am 7. Mai 1920 wurde sie mir 36 Schülerin nen in zwei Parallelklassen mit je sechs Wochenstunden, geführt von Frl. Prell und Frl. Vater, eröffnet. Am 31. Januar 1921 fand auf Veranlassung des Direktors eine Sitzung statt mit 18 Vertretern der umliegenden Gemeinden zwecks Gründung eines Verbandes für die Mädchenfortbildungsschule. Die Ge meindevertreter verhielten sich jedoch ablehnend. Mit Beginn des Schuljahres 1922'23 hatte der dritte Jahrgang lehrplanmäßig Kochunterricht zu erhalten. Deshalb trat am 19. April 1922 Frl. Gertrud Eisenach aus Dresden als erste hauptamtliche Fachlehrerin für die Mädchcnfvrtbil- dungsschule ins Kollegium ein. Am 29. Juni 1922 konnte in der neu ausgesiatteten Schulkochküche erstmalig gekocht werden. Nachdem der Berichterstatter am 30. September 1922 in den vorzeitigen Ruhestand getreten war, wurden die Knaben- und die Mädchcnfortbildungsschule als „Berufsschule" unter eine selbständige Leitung gestellt. Die alte Schule m der Zedtlerst^afze — Has jetzige Verwaltungsgebäude Stadtgraben — vor dem Schulbau (Bilderarchiv Heimatsammlung) 11935. Unsere Zeit stellt den berufsbildenden Schulen ganz be sonders große Aufgaben. Das Ziel ist: Mit seinen Berufs tätigen muß Deutschland das Land der höchsten und besten Arbeitsleistung sein. Etwa 90 v. H. unserer Jugend durchlaufen die berufs bildende Schule. Sachsen hat gegen 500 Berufsschulen. Be trachten wir uns die Wilsdruffer! Zum Berufsschulverband gehören die folgenden 14 Ge meinden: Wilsdruff, Grumbach, Kessclsdorf, Sachsdorf, Klipp hausen, Helbigsdorf, Kaufibach, Blankenstein, Limbach, Bir kenhain, Unkersdorf, Steinbach, Roitzsch, Sora. Unterrichtet werden im Schuljahr 1935/36 insgesamt 454 Schüler und Schülerinnen; 283 Knaben in 12 Klassen: 1 Klaffe für Handlungsgehilfen, 1 Klaffe für Tischler, 1 Klasse für das Nahrungsmittelgewerbe, 2 Klaffen für Metall, 1 Klaffe für gemischte Berufe, 2 Klaffen für Musiker. 4 Klassen für Land wirte. 171 Mädchen in 5 Klaffen: 3 Klassen für hauswirt schaftliche Gehilfinnen, 2 Klaffen für landwirtschaftliche Ge hilfinnen einschließlich 4 Kochabteilungen. Der Berufsschule ist die Versuchswerkstatt für Fachgruppe „Holz" angeschloffen. In dieser Schulwerkstatt arbeiten die Lehrlinge des 3. Jahrganges der Tischlerfachklasse. Alle Erziehung und aller Unterricht für die beruflich täti gen Jugendlichen ist so abgestimmt, daß körperlich gesunde, leistungsfähige deutsche Facharbeiter und vor allem deutsche Menschen herangebildet werden, die rassisch bewußt, durch den Beruf dem Staat und Volk dienen und sich willig den Volks genossen anschließen, die dem gemeinsamen Ziel neuwerdender deutscher Volkheit zustrebcn. Krahl.