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S- 3 L trj <2^ ».«> ss-i Ä 3 t Ä 3 Z. 2-> <?> 3 S ,2 8 S? s- o» 3 3 2 lS -1 3 - 2 Ä 3 0 2 3 3 3- s- vA' 3 6> tfl -L Zs u> Z. ^S- s ,N'3 LÄ 3 3 2 tZS- -3 S! Sonntags-Keilage NeZS ANsdruNer Tageblatt 7- H ^25 " k vir IrtLlrn Sevonrnfahrrr L:::^ oben erwähnten Städteregsiters vergleichen will — sie waren dann gegen achttausend Schiffe und 40 000 Seeleute, 10 000 Weiber und Knechte, Agenten und Kaufleute, Ratsherren und Schreiber. So fuhren sie nach Schonen, wenige Schuten mit Bewaffneten auf der Luvseite, fromme Tüchlein unter den Wollhemdcn, Goldmacherlaune und Zehntalerwitze im Sinn... Der zehnte Tag des Monats August wird in unserem Jahre nichts Besonderes an sich haben. Wir werden arbeiten, einige von uns haben Urlaub und lassen sich von der Sonne bescheinen. Am Abend sind die Blätter von ein paar tausend Abreißkalendern in den Händen ihrer Besitzer zerknüllt, und der und jener liest gähnend den Vermerk, daß es heute Laurentius- tag war... Damit ist nicht viel gewonnen. Laurentius war einer von drei Heiligen, die Laurentius hießen. Den ältesten Laurentius, einen Spanier, hat man um seines Glauben- Willen im Jahre 258 n. Chr. geröstet. Es kann nicht an ihm liegen, daß sein Tag in unserem Jahr so schwer wiegt. Vielleicht aber kommt man in einigen dieser alten Städtchen an der Ostsee, in Kolberg, Stralsund, in Greifs wald oder Rostock, die allesamt so merkwürdig um dieselbe Zeit gegründet wurden und ebenso um die gleiche Zeit zu verwunschenen Städtchen erstarrten, vielleicht kommt man gar auch in Lüneburg hinter diesen traurigen Laurentiustag. Es wäre das nie Sache der „Kompagnien der Schonenfahrer", die es in den kleinen Plätzen der Ostseeküste gibt. Aber man soll sich nicht auf sie verlassen. Diese „Kompagnien der Schonenfahrer" sind heute achtenswerte kaufmännische Vereine mit einer alten Flagge und einem einzigen Tag im Jahr, an dem sie zusammen ein gutes Essen schmausen und einen guten Schoppen schlucken und von den Geschäften reden, die jeder so hat. Tuchhandel, Obftversand, Fleischwaren, Eisen und Schrott, Gastwirtschaft und Landprodukte... Es sind diese ehrenwerten Kompagnien demnach im Laufe von vier Jahrhunderten bei kleinem so alt geworden, daß ihre jungen und zugewanderten, durch Ballotage und Fürsprache aufgcnommeuen Mitglieder rein selbst nicht mehr wissen, wie alt die Schonenfahrt ist und was in aller Welt es mii ihr für eine Bewandtnis hat. „Schoncnfahrer" heißen sie sich, seit dreihundert Jahren fährt aber kein Mensch, kein Boot, keine Schnte, kein Salzkahn mehr nach Schonen. Es wäre auch zwecklos... Zehn Millionen Kilo sind eine Macht. Man muß da lange nachschlagen. Rostock wurde 1218 gegründet, Stralsund 1234, Stettin 1243, Greifswald 1250. Hat man je von einem solchen Fieber erfahren, in einem einzigen knappen Küstenstrich alle paar Jährchen eine neue Stadt zu gründen, alle auf Schlick und Sand, in Gegenden, wo der Pflug unguten Boden und das Vieh lauter saueres Gras vorfand? Lübeck hatte zu dieser Zeit 25 000 Einwohner, dabei gab es damals in ganz Deutschland nur fünf Städte, nur Köln, Straßburg, Nürnberg, Danzig und Ulm, in denen mehr Seelen zum Altar hielten als zwanzigtausend. Was schuf solche Macht an der Ostsee, wer verlegte den Mittel- gunkt der mächtigen Hanse nach Pommcrnlaud, welche phan- laststche Spekulationslust baute in hundert Jahren dort droben fünf Städte auf, darunter die zweitgrößte des Reiches und viere von ihnen innerhalb eines einzigen Menschen alters? Die Ratsherren gingen in samtenen Mänteln, und ihre Amtsketten waren pures Gold. Die Kaufleute standen vor dem dunklen Hintergrund mächtiger Gewölbe, wenn sie um die Tämmerzeit auf die Straße traten, um ein Schwätzchen zu halten. Die städtischen Hellebardiere polierten lederwämsig und mit klimpernden Sokdsäcktein über das kopfsteinerne Pflaster, selbst die Nachtwächter trugen sibirische Pelze gegen den Ostwind, und mit weniger als viertausend Gulden Hopfte kein Ruderknecht um eine Ehebrant an. Gruben die Leute Gold? Sie fuhren nach Schonen. Sie zählten zur Hanse, oder vielmehr: die Hanse, das waren sie selber. Und ein paar Nächte vor dem Laurentiustag fuhren sie nach Schonen... Sie waren dann — wenn der freundliche Leser die Zahlen, die nun folgen, vielleicht einmal mit denen des Auf der Halbinsel Schonen sprangen die Weiber an Land, und die Schiffsknechte schleppten in Tausendfüßler- reihen Säcke hinter ihnen her. In den Säcken war Salz, die Stadt Lüneburg verdankte ihm ihren Wohlstand. Schleppten diese Säcke und Mulden, schleppten Fässer und Bänke, Schemel und rohe Tische in die achtzig großen, hölzernen Hallen, die leer auf Schonen standen und darauf warteten, jährlich am Laurentiustag bezogen zu werden. Leer gingen die Schuten dann wieder in See, kreuzten in dichtem Bord-an-Bord-Zug am südlichen Horizont, tausch ten Flaggenzeichen, kreuzten auf und ab, bis ein tausend stimmiger Schrei sich von Deck zu Deck fortpflanzte, anschwoll, abbrach... Dort steckt ein Ruder aufrecht im Wasser und geht nicht unter. Leib an Leib gedrängt, sechs Fuß tiefe, silbrig schim mernde Woge... Heringe... zehn Millionen Kilo für ein einziges Fangjahr vor der Halbinsel Schonen... Die Hanse ist auf Hering erbaut. Es ist lächerlich, daß ein gewisser Mijnheer Beukelsen in unseren Konversationslexiken vorgibt, im Jahre des Heiles 1397 als Erster den gloriosen Einfall gehabt zu haben, Heringe in Salz zu pökeln. Es ist wahrhaft lächerlich, wenn man weiß, daß um das Jahr Tausend schon Tnche von rheinischen Webstühlen gegen Heringe gehandelt wurden. Soll uns der Mijnheer Beukelsen mal sagen, ob die Leute am Rhein den Hering als faulen Malsch von den Karren der Lübecker Fuhrleute nahmen und das stinkende Zeug zu ihrem Wein herunterschlurften... Sie haben sich gehütet, sie haben Salzheringe in ordentlichen Fässern bezogen, wie das die Polen taten, die Bayern und Sachsen, die Hessen und die Schlesier... Zehn Millionen Kilo werden nicht gefangen, wenn man sie nicht auch verkaufen, verfrachten, verzehren kann. Und zehn Millionen Kilo in einem Europa, dessen größte Stadt 30 000 Einwohner hat, sind eine Wirtschaft für sich, sind ein politisches Faktum. Die Heringe aus den Fängen der Schonenfahrer sind im Jahre 1367 das Konferenzobjekt einer achttägigen Beratung. Die findet in den Mauern des Gürzenichs in Köln unter den Mächtigen der Hanse statt und führt zur Kriegs erklärung der Hanse an die Könige von Dänemark und Norwegen, Krieg um die Schonenfahrt. Die Heringsbändiger haben die beiden Könige über den Haufen gerannt und ihnen drei Jahre später den Frieden von Stralsund aufgedonnert. Schonen wurde hansisch ganz und gar. Die Halbinsel hatte eine eigene, hansische Polizeiordnung. Wer einen anderen Hansefischer an seinem Netz schädigte, sollte des Todes sein..» Der König von England und der Graf von Flanders haben sich genau danach gerichtet. Es war die Blüte der Hanse, ihr Reichtum und ihre Macht, ihr Gold und ihr Silber, alles war die Schoncnfahrt am Laurentiuslag jedes Jahres, hinein in die klaftertiefe Schimmerwoge von Heringen, die Leib an Leib gedrängt ein Streichruder aufrecht durch das Wasser trugen... Es kam das Ende über Nacht. Niemand weiß, wie es geschah. Der Herrgott selber Hal mit seiner Hand auf das Wasfer geschlagen. Ein Meeres strom, der Jahrhunderte so und nicht anders zog, änderte seine Bahn. Eine Revolution unter den Heringen trug ein neues Geschlecht von Leitheringen an die Macht, oder eine Bergkette im Kattegatt hob sich, mit Tilanenaewalt aus die