Volltext Seite (XML)
Oie Schule im Stadtbild. Llick von der Höhndorfer Höhe. Stadt. Lilderarchiv - K. Gerlach, Stadtv. Fleischermeister Louis Bretschneider und Schuldirektor Beck. Schon 1858 erkannte man, daß ein beschränktes Fach lehrersystem für die weitere Entwickelung des Schulwesens vor teilhafter sei als das oben erwähnte reine Klasscnlehrersystem. Deshalb hielt man bei dem seit 1858 geplanten Neubau von vornherein einen Zentralbau für alle Klassen für allein richtig und brach damit mit der alten Gepflogenheit, womöglich für jede Klasse ein besonderes Haus, enthaltend Klassenzimmer und Lehrerwohnung, zu errichten. Die Zahl der Unterrichtsstunden war bei dem einen Klassenlehrersystem eine verhältnismäßig hohe, meist 30 oder mehr Stunden für jede Klasse. Das Schulgesetz von 1873 nötigte den Schulvorstand zur Entschließung, ob die hiesige Schule im Sinne dieses Gesetzes eine einfache oder eine mittlere Volksschule werden sollte, die höhere kam nicht in Frage. Man beschloß die Errichtung einer einfachen vierstufigen und einer fünf-, später sechsstuftgen Volksschule mittleren, letztere mit fremdsprachlichem Unter richte, je 2 Stunden Latein und Französisch- Die beiden Schu len erhielten die Bezeichnung erste und zweite Bürgerschule. Ostern 1875 trat die Neuordnung ins Leben. Noch in diesem Jahre erwog man die Vereinigung beider Bürgerschulen zu einer mittleren Volksschule; aber erst 1962 tauchte der Gedanke wieder auf, vielleicht um dem Raummangel zu begegnen? Am 31. Januar 1903 beschloß der Schulvorstand einstimmig, daß ab Ostern 1903 Kinder in die einfache Bürgerschule nicht mehr ausgenommen, die 1902 aufgenommenen aber bereits nach dem Plane der ersten Bürgerschule unterrichtet werden sollten. Deshalb sind die 1901 aufgenommenen Kinder Ostern 1909 als letzte Schüler der einfachen Bürgerschule entlasten worden, 17 Knaben und 18 Mädchen- Die Auflösung der zweiten Bürgerschule rief heftige Mei- nungsverschiedenhesten in - der - Einwohnerschaft' hervor;- und der Schulvorstandsbeschluß vom-3b I? IHM'erstüh'r''teilweise eine sehr-scharfe- aber ungerechte Verurteilung.'Man fürchtete, die erste Bürgerschule könnte darunter leiden, wenn sie allen Kindern der Stadt geöffnet würde, eine völlig unbegründete Vermutung. Das Gegenteil war der Fall! Jetzt erst, als allge meine mittlere Volksschule, konnte die bisher nur sechsstufige erste Bürgerschule weiter ausgestaltet werden zu einer viel leistungsfähigeren achtstufigen Schule, die den Dresdner Bür gerschulen mindestens gleichwertig, wenn nicht gar in manchem überlegen war. Begabung, Fleiß und Betragen der Kinder sind nicht ge bunden an Stand und Einkommen der Eltern- Gerade Kinder aus wenig bemittelten Kreisen sind oftmals leuchtende Vor bilder für ihre Klassen geworden und sind es gewiß heute noch^ Das Achtklassensystem ermöglichte ja auch das Zurück- Halten schwächer begabter und weniger fleißiger Kinder in den niederen Klassen, und außerdem wurden noch drei aufsteigcnde Parallel-(Nachhilfe-)Klassen errichtet für solche Kinder, die den Unterrichtsfortschritt besonders schwer hemmten. Das gab frei lich für die Lehrerschaft manchen Aerger und Verdruß, weil bei der Versetzung in diese Klassen ohne Ansehen der Familie verfahren werden mußte. Ab Ostern 1901 fiel der Lateinunterricht fort, weil er bei wöchentlich nur zwei Stunden in einer einzigen Abteilung für die Oberklasten niemandem von nennenswertem Nutzen sein konnte. Dagegen wurde vom gleichen Zeitpunkte ab das Französische für die befähigten Knaben und Mädchen vom 5. bis zum 8. Schuljahre „Klassenunterricht". Sie erhielten wö chentlich drei, später sogar vier Stunden Unterricht durch den staatlich geprüften Oberlehrer, während bis Ostern 1904 in drei „Abteilungen", die unterste Abteilung offen für alle Klassenstufen vom fünften Schuljahre ab, wöchentlich je zwei Stunden von drei Lehrern Unterricht erteilt worden war. Das ergab 12 bezw- später 16 Stunden wöchentlich für den ge prüften Sprachlehrer gegen früher 6 Wvchenstunden für 3 Lehrer. Der Lehrplan war nun so bemessen, daß die begabten Schüler nach einem erfolgreichen achtjährigen Schulbesuche in die dritte Klasse (lll bezw. U Ul) einer lateinlosen höheren Schule eintretcn konnten. Dankbar erkennt der Berichterstatter an, daß der Schul vorstand für alle Maßnahmen zur Hebung der Schule immer das rechte Verständnis zeigte und die nötigen Geldmittel gern bewilligte. Seit Ostern 1905 wurden die Schulneulinge durch den neu angestellten Schularzt untersucht, wobei den Eltern man cher gute Ratschlag für die Besserung des körperlichen Zu standes ihrer Kinder erteilt werden konnte. Von Ostern 1914 ab erhielten die Kinder der beiden letz ten Schuljahre auch Unterricht in Kurzschrift. Am 1. Januar 19l3 trat Wilsdruff in die Reihe der Städte mit Revidierter Ctädteordnung ein. An die Stelle des selbständig beschließenden Schulvorstandes, der am 27. Dezem ber 1912 seine letzte Sitzung gehalten hatte, trat nun ein „ge mischter Cchulausschuß" bei den Stadtverordneten, bestehend aus Vertretern des Stadtrats, der Stadtverordneten, der Bürgerschaft und der Lehrerschaft und dem Schuldirektor, dem Pfarrer und dem Schulärzte. Von nun an bildete auch der Stadtrat mit dem Meißner Bezirksschulinspektor eine eigene Bezirksschulinspektion für Wilsdruff. Auf den inneren Schul betrieb freilich hatte diese Aenderung keinen besonderen Ein fluß. Aber der Krieg brachte einen schweren Rückschlag. Die fortgesetzte Verminderung der Lehrkräfte durch Ein berufung zum Kriegsdienste bedingte die Auflösung und Zu sammenlegung von Klassen und eine schnell wachsende Ver ringerung der Unterrichtsstunden. Zu Beginn des Krieges unterrichteten 16 Lehrkräfte (ohne die Handarbeitslehrerin) in 20 Klassen 742 Kinder, und es wurden 462 Wochenstunden erteilt (ohne Weibl. Hand- arbeiten). Schon am ersten Mobilmachungstage eilten zu den Waf fen der seit Ostern 1914 zum Musikstudium beurlaubte Lehrer Paul Hientzsch und sein Stellvertreter Präger, Lehrer Luft und Hilfslehrer Bauer. Da Lehrer Leuschner wegen schwerer Krankheit von den Sommerferien ab beurlaubt war, so fehl ten bei Beginn des Unterrichts nach den Sommerfellen am 20. August bereits 4 Lehrkräfte mit 120 Stunden. Am 30. Oktober folgte die Einberufung von Paul Humbsch und am 13- Ja nuar 1915 die von Köhler, während am 9. Dezember 1914 Lehrer Engel sein Schulamt hatte niederlegen müssen. So fie len in kurzer Zeit wieder 3 Kräfte aus. Am 1. Februar 1915 wurde Würzner eingezogen und am 21. Juni 1915 Obl. Kühne und Gerhardt. Nun amtierten von 16 Lehrern nur noch 6 und ein Vertreter, der aber am 21. September ebenfalls einberufen wurde- Vom Januar 1915 ab bis zum November 1918 wurden der Schule immer nur auf wenige Wochen ins gesamt 13 Vikare zugewiesen, darunter 11 Schüler der 2. KI. verschiedener Seminare. Auch von diesen Vikaren mußten manche schon nach wenigen Tagen zum Heere einrückcn. So gab es ein fortgesetztes Kommen und Gehen im Kollegium, und die Pläne änderten sich nicht selten in einer Woche meh rere Male. Den festen Stamm bildeten lediglich Obl. Hientzsch, Hillig, Schneider, Frl. Prell und der Direktor. Der tiefste Stand wurde erreicht im Januar 1917 bei 6 Kräften für 700 Kinder, ja eine Woche lang unterrichteten gar nur 5. Lang sam ging ^eschanm Wredes ag-fwM Februar,1917, kam Obl. Kühne zurück, am 8. März 1917 konnte Frl. Vater und am 11- Februar 1918 .Fr). Bretschneider als Vertreteriy/ein gewiesen werden. Somit war die Zahl der Lehrer wieder aus 9 gestiegen, und am 18. November trat in Martin Aehler die 10. Kraft hinzu. Am 16. Dezember 1918 hatte das Kollegium die große Freude, die aus dem Felde zurückgekehrten Lehrer Luft, Würzner und Köhler begrüßen zu können, und am 18. Januar 1919 sahen wir auch Gerhardt wieder in unserer Mitte. Nun fehlte nur noch Paul Hientzsch, der seit 1914 in französischer Gefangenschaft schmachtete; erst am 31. Mai 1920 kam er nach fast 6jähriger Abwesenheit endlich wieder .heim. Von Ostern 1919 ab erhielten die Klaffen wieder vollen Unterricht, zum Teil sogar mit erhöhter Stundenzahl. Die Schülerzahl war inzwischen von 742 auf 618 gefal len; sie fiel bis auf 385 im Jahre 1925 und ist seit Ostern 1926 mit wenig über 400 fast die gleiche geblieben- Ostern 1922 wurden 31 Kinder ausgenommen (7 Knaben und 24 Mädchen!), die niedrigste Aufnahme seit undenklichen Zeiten. Ostern 1923 waren es 30 Kinder (15 Knaben und 15 Mädchen), 1924 waren es 34 (16 Knaben und 18 Mädchen) und 1925 waren es 37 (20 Knaben und,17 Mädchen). Ostern 1926 stieg die Zahl ganz unvermittelt auf 85 (42 Knaben und 43 Mädchen) und Ostern 1927 sogar auf 92 (60 Knaben und 32 Mädchen). Ostern 1928 aber wurden nur noch 70 Kinder (35 Knaben und 35 Mädchen) ausgenommen, und nun sank die Zahl langsam wieder bis auf 48 Kinder (26 Knaben und 22 Mädchen) Ostern 1935. Neben der gewaltigen Stundenkürzung und dem fortge setzten Lehrerwechsel erfuhr der Unterrichtsbetrieb während der Kriegszeit auch so manche andere Störungen und Unter brechungen. Die wenigen noch anwesenden Lehrer mußten not gedrungen zu allen möglichen Diensten herangezogen werden, zur amtlichen Kartoffelzählung, zweimal zur Volkszählung, zur Fabrikzählung, zum Ausmessen der Ernteslächen und aller Gärten der Stadt, zu Sammlungen für den Heimatdank, das Rote Kreuz, die Ludendorffspende, die Kolonialkriegerspende. An den Geldsammlungen waren mehrfach auch die Knaben und Mädchen der obersten Klaffen beteiligt. Die Kinder wurden notwendig gebraucht in der Land wirtschaft zum Distelstechcn und Rübenverziehen und zur Ber gung der Getreide- und Kartoffelernte. Vielfach zogen die Klassen unter Führung ihrer Lehrer auch auch die umliegenden Dörfer, so nach Limbach, Birkenhain, Klipphausen, Kaufbach, -Grumbach. Und dann die verschiedenartigsten Sammlungen: Brennesseln, Heilkräuter, Laubheu, Pilze, Papier (für das Heer zur Füllung von Strohsäcken), Obstkerne, Kastanien und manches andere mehr. Klassenweise zog man auch hinaus auf die abgeernteten Felder zum Aehrenlescn, so daß Weizen, Roggen und Hafer zentnerweise verkauft werden konnte. Der Erlös der Sammlungen floß dem Heimatdanke zu. Am 13. März 1917 mußte sogar die 1. Knabenklasse in Ermangelung anderer Kräfte die gewaltigen Schneemasscn zusammenschau feln, die den Verkehr auf der Dresdner Straße arg behin derten! Der eingetretcne Kohlcnmangel zwang die Schule, in den Jahren 1917 bis 1919 mehrfach zu feiern, und im Oktober 1918 mußte die Schule auf 2)2 Wochen geschlossen werden, weil 6 Lehrer und 130 Kinder an Grippe erkrankt waren- Schon vorher, im Dezember 1914 und im November 1916, hatte der Bezirksarzt wegen zahlreicher Diphtheritisfälle die Schließung je zweier Klaffen auf 14 Tage angeordnet. Auch mußten mehrere der wenigen Lehrer wegen Krankheit den Un terricht auf längere oder kürzere Zeit aussetzen, so Leuschner wegen einer schweren Herzkrankheit weit über ein Jahr, der Direktor wegen Lungenentzündung 4 Wochen und Oberlehrer Kühne 4 Wochen, weil er Bazillenträger war. Eine gewisse Unruhe ins Schulhaus brachte auch die Kriegsvolksküche, wel che am 26. Juni 1916 in der Schulkochküche eröffnet und erst am 20. August 1920 wieder geschlossen wurde. Sie stand unter der Leitung des Direktors und verausgabte nicht selten täglich über 1000 Portionen. Die meisten verfügbaren Räume ver wandelten sich in Lebensmitteldepots, und der schöne Platz vor der Schule wurde zum Einfeimen großer Kartoffelmengen benutzt. So verlor der Platz sein schmuckes Aussehen, und die Wege wurden durch die anregenden schweren Geschirre arg zerfahren. Schließlich diente der Werkraum der Schule auch eine Zeitlang zur Abnahme und Aufstapelung der abzuliefernden Metallgegenstände. Alles das war gewiß notwendig zum Durchhalten in Deutschlands schwerster Not, und man fügte sich gern in das Unabwendbare in der Hoffnung auf den endlichen Sieg. Auch das Packen der von der Stadt für ihre Krieger im Felde gestifteten Weihnachtspakete geschah in der Schule. Weihnachten 1915 wurden 421 Stollen verpackt und Wcih^ nachten 1916 waren es 450 Pakete mit Tabak und Zigarren. Wie leuchteten da die Augen unserer Knaben und Mädchen der ersten Klasse, die dabei behilflich sein durften, namentlich dann, wenn sie etwa gar das Paket an den guten Vater, de« lieben Bruder in die Hand bekamen! Wie ost, wie so oft aber auch sahen wir heiße Tränen in den Augen unserer Kinder wenn daheim die Nachricht eingetroffen war, der Vater, der Bruder verwundet, vermißt, gefallen! , Das Uebergangsschulgesetz vom ,22. 7. 1919 brachte beson* ders für den inneren Scbulbetrieb tief einschneidende Ver änderungen mit sich- Die Ortsschulaufsicht und damit auch das Schuldirektorat wurde aufgehoben, und die Lehrerschaft erhielt das Recht, dem Schulausschuß eines ihrer Mitglieder als „Schulleiter" zur Wahl auf drei Jahre vorzuschlagen. Da dis Lehrerschaft am 22. Juni 1922 erstmalig Obl. Kühne als „Schulleiter" vorschlug und dieser am 12. Juli vom Schulaus« schuß als solcher gewählt wurde, trat der Schuldirektor am 30. September 1922 vorzeitig in den Ruhestand. Am 9. Oktober übernahm Obl. Kühne die Schulleitung, und am 1. Oktober 1933 legte sie der Schulausschuß in die Hand von Lehrer Tal- kenberger, nachdem Obl. Kühne vorher freiwillig zurückgetreten war. Da das Uebergangsschulgesetz der Lehrerschaft die „Selbst« Verwaltung" brachte, erhielt die „Lehrewersammlung" weit gehendste Befugnisfe für den inneren Betrieb der Schule, und ein aus der Mitte der Lehrerschaft z'twählender dreigliedriger „Lehrerrat" bildete das Bindeglitz' zwischen Lehrerschaft und Schulleitung. Weiter hatte die Eier nschaft alljährlich einen „Elternrat" zu wählen, welcher der Lehrerschaft „beratend" zur Seite stehen sollte. Dieser Berwaltungsa-pparat hat nicht immer zur allgemeinen Zufriedenheit gearbeitet. Durch die Schulgesetzgebung im 3. Reiche ist schon manches wieder ge« ändert und verbessert worden. Ein heftiger Streit entbrannte um den Religionsunterricht; denn das Uebergangsschulgesetz brachte die „weltliche" Schule — die Lehrer durften die Erteilung des Religionsunterrichtes ablehnen und die Kinder brauchten ihn nicht zu besuchen; Er teilung und Besuch des Religionsunterrichtes war ganz in das Ermessen der Lehrer und Eltern gestellt. An seine Stelle sollte der weltliche „Mvralunterricht" treten und die kirchliche Kon firmation durch die „Jugendweihe" ersetzt werden. In Wilsdruff hat der Mvralunterricht zu keiner Zeit Anklang bei den Eltern gefunden; nur ganz wenige Kinder haben an ihm teilgenom men und unsere Schule ist immer eine christliche geblieben. Er wähnt sei nur noch, daß durch das Uebergangsschulgesetz die Osterprüsungen abgeschafst und an ihre Stelle Massenbesuchs der Eltern während des fortlaufenden Unterrichts eingeführt wurden. Noch ist die Schulgesetzgebung des Dritten Reiches im Fluß; wir dürfen der Ueberzeugung sein, daß nach Abschluß derselben die Volksschule als wichtigstes Glied der Volksbil dung ihre Aufgabe für den Auf- und Ausbau des Dritten Reiches in unwandelbarer Treue zum Führer erfüllen wird. Thomas. Vergangenheit. Mit jeder Faser ein Gegenwartskind, Geh' ich doch oft in Großmutters Zimmer. Von Uhr und Sofa, von Tisch und Spind Strahlt aus ein seltsamer Reiz und Schimmer. Dies alles ist alt und unmodern, Und dennoch hab' ich's unsagbar gern. Und wie mit der Großmutter trautem Gerät Ist mir's bald mit der Stadt ergangen. Ich spähe nach Altem früh und spät, Es nimmt mir die ganze Seele gefangen. Und vor dem Auge der Phantasie Blüht neu der Vergangenheit Poesie.