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MMUerTageblatt Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend 7 '1.-7'^ —-7- — L-2 Belricbsslörung-n dostch, »elv Anspruch aus Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingcsandlcr Schriftstücke erfolgt nur. wenn Rückporto beiliegt. alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks Anzeigenpreise laul auslicgendcm Taris Nr. «. — Nachweisungs-Wedühr: 20 Rpsg. — Dorgeschriebenp Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr.806>ei»n Anzeigen udernci,^ —— — — Jeder Rabaiianspructz Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meisten, des Stadt rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 191 — 94. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Tageblatt* Wilsdrusf-Dresden Sonnabend, den 17. August 1935 Postscheck: Dresden 2640 Internationaler Strafrechts und Gefängniskongreß. Von Reichsminister der Justiz D r. Franz Gürtner. Lkv Auf Einladung der deutschen Regierung wird vom 18. bis 24. August in Berlin der XI. Internationale Strafrechts- und Gefängniskongreß stattfinden. Der Kongreß wird von der Internationalen Strafrechts- und Gefängniskommission in Bern veranstaltet. Die Kom mission ist eine sehr angesehene internatio nale Einrichtung, die bereits seit üher 60 Jahren besteht. Sie ist zunächst in Gestalt eines ständigen Aus schusses aus dem Londoner Kongreß von 1872 heraus- gewachscn, auf dem zum ersten Male auf amerikanische Initiative hin im Rahmen einer internationalen Tagung Fragen des Strafvollzuges erörtert worden sind. Die Kommission ist vom Völkerbund unabhängig. Sie zählt etwa 30 Staaten zu ihren Mitgliedern, darunter England, Frankreich, Italien, Spanien, Polen, Japan und die Vereinigten Staaten von Amerika. Deutsch land ist ihr im Jahre 1925 beigetreten, nachdem ihr bereits vor dem Kriege Bayern und Baden angehörten. Die Staaten sind in der Kommission durch amtliche Delegierte der Regierungen vertreten. Das Präsidium der Kommission wechselt nnd wird znr Zeit von Deutsch land durch den Präsidenten des Reichs gerichts geführt. Ihre Arbeiten leitet ein ständiges Büro in Bern, dessen Generalsekretär der holländische Gelehrte Professor Dr. Simon van der Aa ist. Die Internationale Strafrechts- und Gefängnis kommission hat für die internationale Kulturwelt eine große wissenschaftliche nnd praktische BedcntnNg ge wonnen. Sie ist eine Zentralstelle, bei der alles wissenschaftliche nnd gesetzgeberische Material, das sich auf die Bekämpfung und Verhütung von Verbrechen und aus den Strafvollzug bezieht, gesammelt wird. Die Kommission macht dieses Material den beteiligten Regie rungen zugänglich; so wird jeder Regierung die Möglich keit geboten, davon Kenntnis zu nehmen, was in den einzelnen Staaten auf diesen Gebieten geschaffen worden ist; anderwärts gemachte Erfahrungen können fo zum Nutzen des eigenen Landes verwandt werden. Darüber hinaus fördert die Kommission in jeder Weise die inter nationalen Beziehungen auf dem Gebiete des Strafrechts. Tas wichtigste Mittel, das ihr hierbei zur Verfügung steht, bilden große internationale Kongresse, die seit 1872 in regelmäßigen Abständen von fünf Jahren abgchalten werden. Der letzte Kongreß vor dem Kriege wurde im Jahre 1910 in Washington veranstaltet. Der erste Kongreß nach dem Kriege war 1925 in London, der zweite 1930 in Prag, und der Kongreß des Jahres 1935, der elfte seit 1872, wird entsprechend der deutschen Einladung in Berlin stattfindcn. Es liegt Liuf der Hand, daß durch den persönlichen Meinungsaustausch der auf dem Gebiete des Strafrechts und des Strafvollzuges maßgebenden Persönlichkeiten eine Klärung und Verständigung über diese so wichtigen Fragen erreicht werden kann. Die Regierungen haben daher den Tagungen der Kongresse stets großes Interesse entgegengeb'racht nnd hervorragende Praktiker und Gelehrte zu den Kongressen entsandt. Auch der Berliner Kongreß wird von zahlreichen amtlichen Vertretern ausländischer Staaten besucht werden. Die amerikanische Bundesregierung insbesondere wird eine sehr starke Delegation entsenden, und auch aus anderen Staaten werden neben hohen Beamten viele Gelehrte von Ruf nach Berlin kommen. Im Mittelpunkt der Erörterungen des Kongresses werden Fragen der Gesetzgebung und Verwaltung aus den Gebieten des Strafrechts nnd des Strafvollzuges stehen. Tas Fragenprogramm wird in vier Abteilungen beraten werden. In der ersten Abteilung ist für uns von be sonderem Interesse die Frage, welche Maßnahmen zu empfehlen sind, um die sogenannten Monstre- P"Zesse abzukürzen. Wir haben in den letzten Zähren unter überaus langen Strafverfahren zu leiden gehabt, die sich m monatelanger ermüdender Verhandlung hinzogen und deren Ergebnis nicht immer im Verhältnis zu der Länge des Verfahrens und zu dem sachlichen Auf wand standen. Die zweiteAbteilung behandelt unter anderem die brennende Frage, welchen Einfluß die a l l g e m e i n e Arbeitslosigkeit auf die Gestaltung der Gefangenenarbeit hat. Hier wird ferner die Frage besprochen, ob die Humanisierung des Strafvollzuges — Gewährung von weitgehenden Vergünstigungen, starke Lockerung des Strafzwanges im Stufenstrafvollzug — ge eignet ist, den von ihren Befürwortern gewünschten Er folg herbeizuführen. Es ist bekannt, daß Deutschland sich nach der nationalsozialistischen Revolution von den Übertreibungen der versunkenen Epoche abgewandt und ans der Strafe wieder eine Strafe gemacht hat. Wir werden uns nicht scheuen, auch vor dem großen internationalen Fornm des Kongresses unsere Grundauffassung mit Nachdruck zu vertrete». Wir Ztasienilcb-engMefte 8egen- IMse sul cker vreierkonlrrenr. Frankreich kann den „brutalen Metho den" Italiens nicht restlos Minimen. Am Quai d'Orsay, dem Sitz des französischen Aus wärtigen Amtes, tagt nunmehr seit Freitag vormittag die Drcimächtekonserenz über Abessinien. Laval-Frankreich, Eden-England und Baron Aloisi- Italien berieten gesondert von den Sachverständigen, die in einem Nebensaal zusammengctreten waren. Zum Früh stück, das am Quai d'Orsay gegeben wurde, vereinigten sich die Vertreter der Mächte mit den Sachverständigen. Unmittelbar nach dem Frühstück wurden die Verhand lungen wieder ausgenommen. Da die Besprechungen nur kurz durch das Essen unterbrochen worden waren, wurde noch keine amtliche Mitteilung ausgcgebcn. Alle einzelnen Beteiligten lehnten jede Erklärung ab. An die erste Zusammenkunft zu Dreien knüpft die Pariser Presse vorläufig nicht allzu große Hoff nungen. „In einer Atmosphäre sehr großer Ungewißheit", schreibt „Agence Economique et Finanziere", „wird die Konferenz eröffnet, in der jedoch immerhin einige Möglichkeiten für ein Abkommen erscheinen." Der schwie rigste Punkt sei ohne Zweifel der der Garantien, die Italien verlange. Auf alle Fälle würden die Unterhal tungen ziemlich lange dauern, und es müßte Wohl eine kleine Pause eingelegt werden, die Eden gestatte, mit dem englischen Ministerpräsidenten Baldwin, der sich zur Zeit in Frankreich zur Kur aufhalte, zusammen zukommen, während Laval gleichzeitig seine Tochter verheirate. „Echo de Paris" meint, Italien wolle ein ihm unterworfenes Abessinien; wirtschaftliche Zugeständ nisse genügten ihm nicht. Durch seine brutalen Methoden habe Italien die Lage sehr erschwert; denn Frankreich könne ihm unmöglich restlos zustimmen. Bei den Pariser Verhandlungen würden die ur sprünglichen Stellungen nicht aufrechterhaltcn bleiben. England werde neue Anregungen machen, und die Ver handlungen würden dadurch an Klarheit gewinnen. Sie hätten nur Aussicht zu einem Abschluß zu führen, wenn die eigentlichen Interessen offen dargelegt würden. „Excelsior" erfährt, daß Eden betont habe, die Frage des Tsanasees und der Wasser des Blauen Nil sei zwischen Italien und England nicht strittig, da sie durch frühere Verträge geregelt sei. Italiens Ziel: Militärische Oberherrschaft über Abessinien. Wie cs in Londoner politischen Kreisen heißt, haben die informatorischen Besprechungen, die in Paris stattgefunden haben, einen höchst dramatischen Auftakt genommen. Laval unterrichtete Italiens Ver treter, Aloisi, über die englische Stellungnahme, worauf sich dieser sehr gereizt darüber ausgesprochen habe. „Daily Telegraph" weist darauf hin, daß Laval zwar sein bestes versucht habe, eine Angleichung der Standpunkte herbeizuführen — es sei ihm aber nicht ge lungen, den italienischen Vertreter von „Englands töd lichem Ernst" in dieser Angelegenheit zu überzeugen. Wie „Daily Mail" und „News Chrouicle" zn berichten wissen, habe Aloisi in der Besprechung mit Eden, nachdem es Lavals unausgesetzten Bemühungen gelungen sei, Eden und Aloisi zu einer „privaten" Besprechung zusammen- zuführen, die englischen Vorschläge glatt abgelehnt. Nach dem Bericht der „Daily Mail" habe er mit dürren Worten erklärt, daß wirtschaftliche Konzessionen und die Abtre tung von einem oder zwei Landstreifen an den italieni schen Kolonialgrenzen nicht ausreichend seien, Italien wünsche militärische Oberherrschaft über Abessinien, durch die das Land für alle Zeiten in völliger Abhängigkeit von Italien ge- halten würde. Eine Million italienische Soldaten mobilisiert. Wie aus einer amtlichen Erläuterung der italienischen Regierung zn den bekanntgegebencn Mobilmachungen der Jahrgänge 1911, 1913 und 1914 hervorgebt, handelt es sich hierbei nur um die bisher Zurückgestellten, wie ein zelne Söhne, Studenten, Familienerhalter und sonst aus wirtschaftlichen Gründen nicht Angeforderte der bereits seit längerer Zeit unter die Wassen gerufenen Jahrgänge. Insgesamt beläuft sich die Zahl der jetzt Einberufenen auf 150 000. Durch diese Maßnahme wird die Zahl derfürAfrikamobilisiertenitalienischen Truppen auf eine Million erhöht. Verstärkung der französischen Truppen in Dschibuti. Wie die englische Zeitung „Daily Telegraph" aus Dschibuti meldet, hat die lebhafte Freundschaft der Somalis für ibre abessinischen Nackwarn die französischen Behörden zu ungewöhnlichen Vorsichtsmaßnahmen ver anlaßt, um im Kriegsfälle die Ordnung aufrecht zuerhalten. Der Kreuzer „Dumont Duville" wird am Sonntag in Dschibuti eintreffen. Die Stachel drahtsperren im Hafen werden verstärkt; auch werden Flugzeugschuppen gebaut, um zehn neue Maschinen auf- zunehmen, so daß insgesamt 14 Flugzeuge dort stationiert sein werden. Auf der Heroninsel sollen vierGeschütze von 15 Zentimeter Kaliber aufgestellt werden, um den Zu gang zum Hafen, die Reede und die hinter der Stadt be ginnende Wüste zu beherrschen. Die kleine 'Garnison ein geborener Infanterie wird durch tausend Senegal schützen verstärkt werden. Die Paßkontrolle ist sehr scharf. Leute, die abzureisen wünschen, werden ermahnt, dies möglichst bald zu tun. Aufschlußreiche Erklärungen. Strengstes Stillschweigen über die Pariser Besprechungen. Die Besprechung zwischen Eden, Laval und Aloisi, die am Freitag um 17.30 Uhr begonnen hatte, dauerte bis 19.30 Uhr. Am Schluß der Sitzung gab Minister präsident Laval folgende Mitteilung an die Presse: Im Laufe der Besprechungen, die wir am Freitag abhieltcn, prüften wir die verschiedenen diplomatischen Dokumente, die die Beziehungen unserer drei Länder zu Abessinien regeln. Unsere Aussprache hat sich so auf der Grundlage der drei Protokolle von 1906, 1925 und 1928 bewegt. In den weiteren Besprechungen werden wir eine Möglichkeit suchen, den italienisch-ahessinischen Streitfall friedlich zu regeln. Tie nächste Sitzung findet Voraussicht lieh am Sonnabendvormittag statt. Die Stunde ist jedoch noch nicht festgesetzt. Ergänzende Erklärungen sind weder von Laval noch von irgendeinem anderen Teilnehmer der Konferenz ge geben worden. Ueber den Verlauf der Sitzung wird von sämtlichen beteiligten Kreisen weiterhin strengstes Still schweigen gewahrt. Frankreich auf Seite Italiens? Die Pariser Zeitung „Information" veröffentlicht folgende Aeußerungen einer einflußreichen italienischen Persönlichkeit: Wir spielen in Afrika ein großes Spiel. Alle Folgen unseres Vorgebens sind vorher von uns überlegt worden; sie schrecken uns nicht. Wir müssen vor allem den werden aber auch darauf verweisen, daß wir zwar eine übertriebene Weichheit im Vollzug beseitigt haben, daß wir aber darum nicht aufgehört haben, die Strafgefan genen gerecht und menschlich zu behandeln. Bei zahlreichen Gcfängnisbesichtigungen wird der Augenschein diese unsere Feststellungen bestätigen. Von erheblicher Bedeutung ist auch die dritte Ab teilung, die sich mit vorbeugenden Maßnahmen be faßt. Zum erstenmal wird hier vor einer internationalen juristischen Körperschaft erörtert werden, in welchen Fällen und nach welchen Grundsätzen der Strafrichter eine Sterilisation (im weiteste» Sinne dieses Wortes» anordnen soll. Deutschland hat dieses schwerwiegende Problem Mit Ernst und Nachdruck augefaßt. Seitdem wird auch in anderen Ländern dieser Frage eine erhöhte Ausnrerksamkeit zuaewandt. Die vierte Abteilung wird sich mit verschie denen Fragen aus dem Jugendrecht befassen. Dieser kurze Überblick läßt die wissenschaftliche und praktische Bedeutung des Kongresses deutlich hervortreten. Für uns selbst erhoffen wir noch einen besonderen Er folg. Mancher Besucher aus dem Ausland wird mit Skepsis und voller Voreingenommenheit gegen das neue Deutschland nach Berlin kommen. Allen unseren Gästen wollen wir offenherzig alles erklären, was wir ein geführt Haven. Ebenso wollen wir sie durch unsere Straf anstalten führen und ihnen unsere Einrichtungen zeigen. Diese Offenheit wird, darauf vertraue ich, zur Folge haben, daß unsere Gäste das nationalsozialistische Deutsch land mit anderen und mehr zutreffenden Anschau» ngenverlassen werden.