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schwere Typhusepidenne in Rom. InRom ist eine Typhuscpidemie ausgebrochcn, die bereits mehrere Todesopfer gefordert hat. Tie Schulen sind vorzeitig ge schlossen worden. Die Vorräte der Apotheken an Vor- beuguugsmitteln waren innerhalb 21 Stunden vergriffen. Die chemischen Fabriken können mit der Lieferung der Arzneien nicht genügend Nachkommen, da ein großer Teil des Bedarfs von den nach Afrika gehenden Truppen in Anspruch genommen wird. Explosion in einer Zcllnloidfabrik: 25 Tote. Nachts ereignete sich in einer Zelluloidfabrik im Westen von Schanghai eine gewaltige Explosion. Die hohe Stich flamme war weithin zn sehen. Das Feuer legte auch 20 benachbarte Häuser in Asche. 25 Tote und 75 Verletzte wurden geborgen. An der Nnglücksstelle spielten sich grauenvolle Szenen ab. Viele Verletzte starben ans der Straße. Kinder wurden in ihren Betten vom Feuer über rascht und verbrannten. Das verhängnisvolle Scheibenschießen. Im Meiner Bruch bei Üdem veranstaltete ein Förster mit seinen Familienmitgliedern ein Scheibenschießen mit Klein kalibergewehren. Der zwölfjährige Sohn des Försters, der die Schießergebnisse anzeigen wollte, wurde von einem Querschläger so unglücklich getroffen, daß er auf der Stelle getötet wurde. Sechs Tage im Boot ohne Lebensmittel. Im breite sten Teil des Ä rm e l k a n a l s nahm ein Langustenfischcr einen jungen Fischer auf, dessen Boot von der Küste ab getrieben, und der seit sechs Tagen ohne Lebensmittel War. Fünf Tote, 17 Schwerverletzte. — Zusammenstoß zwischen Eisenbahn und Autobus. Ein furchtbares Un glück wird aus Piatra-Olt (Rumänien) gemeldet. Ein mit Ausflüglern voll besetzter Autobus wurde von einem in voller Fach-t befindlichen Personenzug erfaßt und völlig zertrümmert. Fünf Insassen wurden getötet, 17 schwer verletzt. Unter den Opfern befinden sich mehrere Frauen und Kinder. 22 Geboie Hei großer Hitze. 1. Ziehe nur leichte und vor allem nicht eng an liegende Kleidung an. 2. Dusche nach Möglichkeit morgens und abends kalt. 3. Halte den Kopf im Freien, besonders im grellen Sonnenschein, bedeckt. 4. Nimm nicht zu große Flüssigkeitsmengen auf, sondern stille den Durst nur mit wenig Schluck. 5. Beim Baden kühle dich vorher ab und bespritze A Herzgegend mit Wasser, ehe du mit dem ganzen Körper ins kühle Naß springst. 6. Beim Schwimmen zunächst einmal ganz mit dem Kops untertauchen. , 7. Sticht zu lange umherschwimmen, vor allem nicht rn der grellen Sonne. 8. Selbst in der Nähe des Wassers liege nicht stunden lang in großer Hitze, da diese Unvorsichtigkeit schneller als inan denkt zu Hitzschlägcn führt. 9. Iß, wenn möglich, viel Obst; nimmt wenig heißes Essen zu dir; am Abend erfrische dich mit kaltem Pudding und sättige dich mit Brot. 10. Milch und andere verderbliche Nahrungsmittel, vor allem die für Kinder, müssen kühl gehalten werden, da die Gefahr der Zersetzung mit zunehmender Tempe ratur steigt. Fleisch und Käse sind unbedingt vor Fliegen zu schützen. 11. In den Wohnungen sollen während des Sonnen scheins die Läden geschlossen werden, die Fenster können aufstehen. Ab und zu kann Durchzug gemacht werden, damit die verbrauchte Luft aus deu Wohnungen heraus kommt, jedoch nur dann, wenn die geschwitzten Körper vor unmittelbarer Zugluft geschützt sind. Nachts mache man sämtliche Fenster auf. 12. Bei Hitzschlag Kleider öffnen, damit freie Atmung gesichert ist, schluckweise zu trinken geben, in den Schatten legen, kühle Kompresse auf Kopf und Füße; falls Atem not eintritt, Atemübungen wie bei Wiederbelebungs versuchen. Sofort den Arzt rufen! An die Kraftfahrer ergeht die ernste Mahnung, nickt übermäßig schnell zu fahren, da die eigene Reaktions fähigkeit und die der entgegenkommenden Fahrer bei dieser starken Hitze sehr herabgesetzt ist. Christian Fürchiegoti Gelleri. Zum 220. Geburtstag des Dichters am 4. Juli. Zwei Jahrhunderte sind schon ein ziemlich sicherer Maßstab für die Feststellung von Wert oder Unwert eines Dichters, und es sind nicht eben viele, deren Werke einer solchen Zeitspanne standgehaltcn haben. Einer der wenigen ist Christian Fürchtegott Gellert, dessen 220. Geburtstages wir am 4. Juli gedenken. Seine Fabeln und Kirchenlieder leben heute noch in unsern Schul- lesebüchern und Gesangbüchern und berühren uns noch ebenso lebensfrisch, wie sie vor zwei Jahrhunderten die Zeitgenossen Gellerts entzückten. Gellert war zweifellos die beliebteste und volkstüm lichste Dichtcrerscheinung im Deutschland des 18. Jahr hunderts. Ist er doch seit Luther der erste Deutsche, dessen Dichtungen und Schriften ins Volk drangen, der fürs Volk schrieb und vom Volke verstanden wurde. Und wie groß der Hunger nach geistiger Nahrung gerade in den nicht gelehrten Kreisen war, zeigte sich in der beispiellosen Beliebtheit, die Gellert zu seinen Lebzeiten genoß. Da wohnte er in Leipzig, war seines Zeichens Professor der Poesie und Moral an der Universität Leipzig, und zu ihm kamen von fern und nah, in Briefen und auch in Person, Menschen in Bedrängnissen und Zweifeln, die seinen Rat wissen wollten, nicht ohne ihm als Zeichen ihrer Ver ehrung und Dankbarkeit eine Gabe zu Füßen gelegt zu haben. Mächtige Personen und Fürstlichkeiten bemühten sich um seine Freundschaft, und sogar Friedrich der Große lud ihn zu einer langen Unterredung, tauschte mit ihm Meinungen über Fragen der Dichtkunst und lobte ihn. Den einfachen, ungelehrten Menschen zu belehren und zu bessern, das betrachtete Gellert als höchste Aufgabe eines Dichters, und bemühte sich daher, auch dem einfachsten Ver stände verständlich zu sein, oder wie er selbst sagte, „dem, der nicht viel Verstand besitzt, die Wahrheit durch ein Bild zu sagen". Die Fabeln und Erzählungen sind treu gemeinte, in ihrer Einfachheit auch jedes Herz ergreifende Belehrungen über das Verhalten im Verkehr mit dem Nächsten in den verschiedensten Beziehungen des täglichen Lebens. Eine tiefe Menschenkenntnis spricht aus ihnen und ein herzliches Verständnis für die menschliche Unzuläng lichkeit. Gellert war ein Lebenskünstler im besten Sinne und hat es trefflich verstanden, feine erhabenen und innersten Gedanken in die Herzen seiner Mitmenschen zu pflanzen. Zu einer der höchsten menschlichen Tugenden rechnete er die Zufriedenheit, die ihm selbst eigen war: „Nic schenkt der Stand, nie schenken Güter dem Menschen die Zusricdcubcit; die wahre Ruhe der Gemüter ist Tugend und Genügsamkeit." Leider verführt gerade die gepriesene Zufriedenheit leicht zur Spießbürgerlichkeit. Auch Gellert ist in seinen späteren Jahren von ihr nicht verschont geblieben. So könnten wir bei seinen immer noch erstaunlich frischen Fabeln heute gern die Schlüsse, in denen er „die Moral von der Ge- schichtt" gibt, missen. Seinerzeit jedoch gefielen sie gerade. Immer aber, wenn er eine grob-hausbackene Tugendlchre gibt, geschieht das mit Liebenswürdigkeit und Freund lichkeit. Ein anderes erfreuliches Kapitel seines Schaffens sind seine Kirchenlieder. Gellert, der wie so mancher unserer Dichter, einem deutschen Psarrhause entstammt — er Wurde 1715 in Hainichen im sächsischen Erzgebirge ge boren — hat eine Reihe inniger und von echter Frömmig keit beseelter Kirchenlieder gedichtet, die zwei Jahrhunderte hindurch wertvolles, unzerstörbares Gut unserer Kirchen liederpoesie sind. Wer kennt nicht die Lieder: „Wenn ich, o Schöpfer, deine Macht", „Gott, deine Güte reicht so weit, so weit die Wolken gehen", „So jemand spricht: ich liebe Gott, und haßt doch seine Brüder", „Auf Gott und nicht auf meinen Rat will ich mein Glücke bauen". Sein geist liches Volkslied „Die Ehre Gottes in der Natur": „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre" ist durch die Ver tonung Beethovens weltberühmt geworden. Auf dramatischem Gebiet hat Gellert sich mit weniger Glück versucht. Seine Lustspiele zeigen Ansätze zu geist reicher Satire, zu wirksamer Verspottung irgendwelcher Übelstände. Seine Ängstlichkeit aber und die Furcht, an- zustoßen und ein frommes oder auch nur fromm tuendes Gemüt zu verletzen, zoaen den Geist, der gerade die Flüael zu freiem Gedänkenflug ausbreiten wollte, wieder In die Enge spießbürgerlichen Denkens zurück. Was aber alle Werke Gellerts, die guten wie die weniger guten, auszeichnct, das ist ein glänzender Stil. Flüssig und sehr gepflegt, ist er dabei von herz gewinnender Schlichtheit. Die Kunst, eine Erzählung an mutig zuzuspitzcn, beherrschte er in einer damals nur. bei den Franzosen gewohnten Vollendung. Diese äußere stilistische Gewandtheit vereinigte sich mit einer gewissen Schalkhaftigkeit und einer allzeit guten Laune auf das harmonischste — knrz, man begreift das Entzücken seiner Leser im 18. Jahrhundert. Groß war die Trauer, als der Dichter im Dezember 1769 starb. Neben manchen anderen hat der junge Goethe auf seinen Tod ein freundliches Gedicht geschrieben: „Als Gellert, der geliebte, schied, Manch gutes Herz im stillen weinte." Turnen, Svorl und Sviel. Fußball. Tv. Wilsdruff Gesa. — Tv. Weistropp 1. 0:2 (0 :1), Ecken 2:7 (0:4). Höchst ehrenvoll sind die „Gesell schafter" den Weistroppern unterlegen. Aber nur nach dem „Papier". Die Wilsdruffer hotten ebenscgut Sieger fein kön- non. Sie ließen sich jedoch das Spiel des Gegners ausdrän gen und kamen so ganz aus dem Konzept. Einzig und allein die Hintermannschaft konnte befriedigen. Mann war sogar der Beste auf dem Felde. Mehr als einmal wurde er mit Beifall bedacht. Die Weisttopper haben sich spielkulturell wesentlich verbessert. Die Technik löst das „hart und drauf" langsam ab. Mitunter spielten sie wunderhübsch zusammen, daß die Gast geber vergebens hin und kerjagtcn. Beim Torschuß, da ist es mit der lleberlegung allerdings vorbei. Das Spiel verlief größtenteils in der Hälfte der Hiesigen, die sich zu Hause ein fach nicht finden können und jedes System vermissen lassen. Die Tore waren eine Folge zu zögernden Eingreifens. Das erste fiel kurz vor der Pause und das andere bald nach Mie deranstoß. llnd unser Sturm brachte keins fertig. Nicht ein mal ein Handelfmeter wollte hinein. Die Weiß-Roten ver- mochten sich somit nicht mit einem Siege vom alten Spieljahr zu verabschieden. Ihnen, die durchschnittlich jede Woche im Kampfe standen, wird die Sommerpause gut tun. 25 Spiele hat die Gesa bereits in diesem Jahre geliefert. Hiervon 9 ge wonnen, 2 unentschieden gespielt und 14 verloren. Das Tor verhältnis lautet 62:90. K. Rekord im Segelzielflug. Dem bekannten Segelflieger Peter Riedel gelang es, am Montag einen neuen Rekord im Segelflug auf zustellen. Am Montagvormittag ließ er sich vom Flughafen Tempelhof bei Berlin durch ein Motorflugzeug Hoch schleppen, klinkte sich nach etwa drei Minuten aus und» erreichte nach einer Flugzeit von sechs Stunden und vier Minuten den Hamburger Flughafen. Die zurück gelegte Streck beträgt 270 km, die höchste Höhe 2000 Mtr.p es ist dies der erste Zielflug, auf dem die Strecke vo» 200 km überschritten wurde. Ltnsere Nußballnieberlage in Siockholm. Nach dem mageren Unentschieden in Oslo kam die 3:1 (1:0)-Niederlage der deutschen Fußball elf in der schwedischen Hauptstadt nicht überraschend. Der Kampf sand vor 20 OM Menschen im ausverkauften Olympi schen Stadion statt. Auch König Gustav V. wohnte dem interessanten Tressen bei. Gegen die glänzend aufgelegten Schweden war nicht viel zu machen. Sie waren in der Abwehr viel härter als die Deutschen. Groß in Form war ferner die schwedische Läuferreihe. Von den Deutschen erreichte keiner Länderspiel- Hochform. Erst in der 8s. Minute gelang Rohwedder das Ehrentor. Der schwedische Z:1 <1:0).Sieg war durch- aus verdient. Unerfreulich war übrigens die Haltung eines Teiles der schwedischen Zuschauer, der, als unsere Mannschaft sich mit dem deutschen Gruß verabschiedete, ein Pfeif- konzer 1 anstimmte. , Sieg der deutschen Kunstfliegerin Liesel Bach in Rouen. Die deutsche Kunstsliegerin Fräulein Liesel Bach trug in Rouen (Frankreich) bei einer Luftsportveranstaltung einen neuen Sieg über ihre französische Mitbewerberin Maryse Hilf; davon. Sie siegte mit 235 gegen 224 Punkte. Aus dem Pro« aramm standen Vslicbtjibunacn und KunMüge nach Wahl. !" Mei»..vemrii lkkkildmM!' KomQ/r von I'üul Dürms-Verlag, Halle (Laste). l7 .- Frau Olly verfärbte sich vor Zorn bis in die Lippen, Während der Händler aufs höchste erstaunt abwechselnd von der Frau auf das Kind und von dem Kind auf die Frau schaute. „Ja, was heißt denn das?" fragte er endlich. „Was redet das Kind? Wem gehören denn eigentlich die Sachen? Ich denke, sie stammen aus Ihrem Elternhause, gnädige Frau?" „Nein, nein! Sie lügt! Aus Mutters Elternhaus ist das alles!" stieß das Hannett hochgradig erregt hervor. „Du Nichtsnutz!" Frau Olly hatte Hannett gepackt und versetzte ihr in Gegenwart des Fremden eine schallende Ohrfeige, so daß die zarte Wange des Kindes augenblick lich rot anlief. „Was fällt dir ein, mir hier so eine Szene zu machen, du lügenhaftes Ding, das ich aus Gnade und Barmherzigkeit hier dulde. Sofort gehst du in die Kammer! Sofort, sage ich, und läßt dich heute nicht wieder sehen!" Drin in der Kammer schluchzte das Mädchen so laut und wild, daß es deutlich durch die Tür drang. Zwischen Frau Olly und dem Händler herrschte sekun denlang peinliches Schweigen. Die Frau atmete erregt, Wobei ihre Brust sich hastig hob und senkte. „Ja, unter diesen Umstünden...", sagte der Händler dann. Da aber kam augenblicklich Leben in die Frau. „Was heißt unter diesen Umständen? Der Vertrag wird gemacht und damit basta. So ein freches, bösartiges Geschöpf! Aus reiner Boshaftigkeit spielt sie mir jetzt so einen Streich. Ein ganz ausgefallenes Mädchen ist das! Hat ihre Mutter schon unter die Erde geärgert, und ich habe auch keine ruhige Stunde mit ihr. Vorhin noch habe ich mit meinem Mann den Verkauf der Möbel besprochen. Alle Vollmacht hat er mir eingeräumt. Alle Vollmacht über die Möbel!" „Ja, ich glaube es Ihnen schon, meine Dame, aber.., Sie werden verstehen — ich muß ganz sicher gehen. Viel leicht ist es doch besser, wenn Sie mir einen Nachweis über das Eigentumsrecht der Möbel erbringen. Es ist sonst eine zu gewagte Sache für mich. Ich stehe seit vierund- dreitzig Jahren in meinem Beruf und habe gelernt, vor sichtig zu sein. Wenn die Möbel Ihr elterliches Erbe sind, wird es nur eine kleine Mühe sür Sie sein, liebe Frau Mertens. Andernfalls — hätten natürlich, nach den Aus sagen des Kindes, die Kinder der verstorbenen Frau das alleinige Anrecht an den Sachen. Ich meine nur...ich möchte Ihnen nur die juristische Seite klarmachen." „Soso?! Sie glauben mir nicht? Sie glauben so einem Balg mehr als einer anständigen Frau?! Gehen Sie! Gehen Sie! Ich werde meine Sachen an jeden anderen los! Gehen Sie sofort hinaus! Sie brauchen gar nicht wiederzukommen!" Frau Ollys Stimme wurde laut und zornig. Sie legte sich keine Gewalt mehr an. „Warum erregen Sie sich so, wenn Sie doch im Recht sind, liebe Frau?" sagte der Händler sachlich, indem er seine Banknoten wieder in die Brieftasche steckte und mit dem Kork das kleine Tintensaß verschloß, das schon auf dem Tisch bereit stand. „Sehen Sie, hier steht es ja auch im Kaufvertrag. ,Jch versichere mein alleiniges Eigen tumsrecht an den verkauften Möbeln...' Können Sie das wirklich mit reinem Gewissen unterschreiben?" Frau Olly war leichenblaß vor Wut. „Gehen Sie mitsamt Ihrem Kaufvertrag!" schrie sie gellend. „Empfehle mich, meine Dame! Sie werden schon noch auf mein Angebot zurückkommen. Heinrich Baurneyer, Antiquitäten, Alexanderring vier. Reellste Firma am Platz." Als die Schritte des Händlers auf der Treppe lange verklungen waren, saß Frau Olly Mertens noch immer wie vernichtet da. Endlich war sie imstande, sich aus ihrer Erstarrung zu lösen, und hob lauschend den Kopf. Es war ganz still. Auch das Schluchzen in der Schlaf kammer nebenan hatte aufgehört. Unwillkürlich sah Frau Olly sich um. Sie hätte auf das Mädchen mit irgendeinem Gegenstand losschlagen mögen, bis es sich nicht mehr rührte. Aber es fiel ihr im Augenblick nichts in die Hand. So schlich sie in geduckter Haltung an die Kammertür hin und stand noch einen Augenblick da, ehe sie öffnete. Da stand das Hannett mit unheimlich weiten, angst vollen Augen und hielt die Hände vor sich, in stummer Abwehr, während sie langsam unter den durchdringenden Blicken der Stiefmutter Schritt um Schritt bis in die äußerste Ecke zurückwich, wo es kein Entrinnen mehr gab, und sie den harten, erbarmungslosen Fäusten unweigerlich ausgeliefert war. „Oh! Oh!" Frau Ollys Hände klatschten und schlugen, wohin sie gerade trafen, und eine Flut schmählichster Be schimpfungen ergoß sich über das arme Kind. „So! Von heute an gibt es nichts mehr zu essen! Ich spare es mir vom Munde ab, um mit dir zu teilen, und so ein unverschämtes Geschöpf macht einen zum Gespött, stellt einen als Lügnerin hin — vor fremden Leuten! Warte, warte! Das wirst du mir ewig büßen!" Immer wieder von neuem schlug die maßlos erregte Frau auf Hannett ein, obwohl das Kind sich schon gar nicht mehr zur Wehr setzte. Plötzlich fielen die Hände wie starr an ihr herav, und sie zuckte heftig zusammen. Nebenan in der Stube hatte es plötzlich einen harte» Schlag gegeben, wie wenn jemand in heftigem Zorn aus die Tischplatte schlägt; aber der Schlag war begleitet von einem durchdringenden wimmernden Ton. (Fortsetzung solgtH