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Wilsdruffer Tagsölatt 2. Blatt zu Nr. 156 — Montag, den 8. Juli 1935 Tagesspruch Schick dich in die Welt hinein. Denn dein Kopf ist viel zu klein, Daß sich schick die Welt hinein. * Die Fehler, die zu tief dir waren eingeprägt. Sie plagen dich noch lange, wenn du sie abgelegt. Zum Vorschein kommen sie an deinen Kindern wieder, Und durch Erziehung kämpfst du sie noch einmal nieder. Rückert.- Ehrenvolle Niederlage. Die Kapitulation der Südwest-Schutztruppe vor 20 Jahren. Für unsere durchweg in hoffnungsvollster Entwick lung stehenden, umfangreichen Kolonien brachte der Aus bruch des Weltkrieges bittere Tage mit sich. Schwer war die Aufgabe des Landes, das unsern Brüdern in den Kolonien Heimat geworden war; aber heldenhaft war ihre Haltung bis zuletzt. Vor allem auch in Südwest - afrika, ein Land von mehr als doppelt so großem Um fange wie das Deutsche Reich. Die Schutztruppe von Süd- West ebenso wie die zahlreichen deutschen Bewohner des Landes erfüllten vollauf die Erwartungen, die man in der Heimat ihretwegen hegte; mehr noch, sie übertrafen sie: es kam zu einem wahren Heide nkampse, auf den das Gesamtvolk stolz sein kann! Abgeschnitten vom deutschen Vaterlande, nur auf sich selbst gestellt, haben die Helden von Deutsch-Südwest saft ein Jahr lang dem Feinde getrotzt, bis sie sich schließlich doch der riesigen Übermacht ergeben mußten — Sie sind nach ehren vollstem Kampfe unterlegen! Unsere südwcstafrikanische Schutztruppe hat erst dann die Waffe gestreckt, als jeder weitere Widerstand sich als völlig unmöglich erwiesen hatte. Sie hat sich nach einem aufreibenden Feldzuge, der ihr zu Beginn noch reiche Siegesehren brachte, unter den ehrenvollsten Bedingungen ergeben, erschöpft durch Ent behrungen und eingekreist von allen Seiten durch eine überwältigende Übermacht. Daß unsere Südwestafrikaner zu kämpfen verstanden, dem Feinde in aufreibendem Feldzuge sogar noch so manche Schlappe beibrachten, dürfte allein aus der Tat sache hervorgehen, daß Kommandeur der Schutztruppe der alte Afrikaner Oberstleutnant Franke war, der nach dem Tode des Oberstleutnants v. Heydebreck im November 1914 die Führung der Schutztruppe über nommen und unter anderem den Portugiesen bei Nau- lila am Kunencflusse eine vernichtende Niederlage bei gebracht hatte. Oberstleutnant Franke galt als unüber trefflicher Kenner des Landes. Bereits im Jahre 1896 war er in die Schutztruppe für Südwest eingetreten und hatte sich schon im Kampfe Wider die tapferen, gegen die deutsche Herrschaft im Jahre 1904 aufständisch ge wordenen Hereros ausgezeichnet. E r verstand es, stets aus feilten Leuten das Äußerste herauszuholen. Im Kampfe mit der Wohl zehnfach überlegenen Streitmacht der Engländer hat sich die kleine deutsche Schar von etwa 204 Offizieren und genau 3166 Mann — mit 37 Feld geschützen und 22 Maschinengewehren — am 9. Juli 1915 nach heldenmütigem Widerstande dem gewaltig über legenen Feinde ergeben müssen: das geschah bei Korab in Südwest, und zwar zu Bedingungen, wie sie ehren voller nicht gedacht werden konnten und wie sie mit dem alten Burenführer Botha, der später seine Dienste den Engländern zur Verfügung gestellt hatte, abgemacht waren. Aus den Bedingungen spricht die Hochachtung, die auch der Gegner für diese kleine Schar empfand, die sich, von jeder Verbindung mit der Heimat abgeschnitten, im Kampfe mit der zehnfach überlegenen Streitmacht der Engländer elf Monate hindurch gehalten hatte, nm dann schließlich doch auf das ruhmvollste zu unterliegen. Denims zwischen ReMim M SWirms. HI. muß aus den studentischen Korporationen austreten. Der Reichspressedienst veröffentlicht einen Befehl des Reichsjugendführers Baldur v. Schirach, in dem es u. a. heißt: „Schon oft habe ich aus euern Reihen heraus Berichte erhalten, die von der staatsfeindlichen Einstellung gewisser studentischerKorporationen zeugten. Obwohl wir empört waren, daß diese Korporationen, die ihr Fort bestehen einzig und allein der Großzügigkeit des Dritten Reiches zu verdanken haben, heute noch ihr asoziales Treiben fortzusetzcn wagen, schwiegen wir in der Hoff nung, daß auch die Restbestände einer überwundenen Zeit zum Erlebnis der deutschen Kameradschaft erwachsen würden. Heute wissen wir, daß diese Hoffnung umsonst war. Verlogene Alt-Heidel berg-Ro m a ntik und arbeiterfeindliches Feudal Wesen sind die Ideale dieser sogenannten Korporationen. Sie stehen außerhalb der Volksgemeinschaft und sind Feinde der sozialistischen Nation. Die Hitler-Jugend kann es mit ihrer Ehre als welt anschauliche Erzichnugsgemeinschaft der schaffenden deutschen Jugend nicht vereinbaren, weiterhin solche Einrichtungen anzuerkcnuen, die sich immer wieder als unseres deutschen Volkes und Führers unwürdig erweisen. Besonders die Vorfälle, die sich in den letzten Tagen in Heidelberg ereigneten und zur Suspendierung des Korps Saxo-Borussia führten, geben ein furchtbares Bild der Verrohung und Zuchtlosigkeit, ja abgrundtiefen Gemeinheit einer kleinen Clique von Korpo- rationsstudentcn, die lärmt und säuft, während Deutsch land arbeitet. Wenn solche Elemente in ihrer Verkommen heit nicht einmal vor der uns heiligen Person des Führers haltmachen, richten sie sich selbst. Wir aber ziehen dar über hinaus den Trennungsstrich zwischen ihnen und uns, den Trennungsstrich zwischen Reaktion und Sozialismus. Ich verfüge deshalb mit sofortiger Wirkung: 1. Alle an deutschen Hochschulen studierenden Mitglieder der mir unterstehenden NS.-Jugendverbände, die einer studentischen Verbindung angehören, haben sich sofort dahingehend zu entscheiden, ob sie dieser Verbindung oder der Hitler- Jugend ««gehören wollen. 2. Alle Mitglieder der mir unterstehenden NS.- Jugendverbände werden in den Listen des Personal amtes der Neichsjugcndsührung gestrichen, falls sie in einer studentischen Verbindung ,aktiv' werden sollten. Ferner werden dicDienstzeugnisse über ihre Tätigkeit in der HI. ei »gezogen. Eine Über weisung an andere Organisationen der Bewegung fällt dann fort. 3. Mit der Durchführung dieser Anordnung beauf trage ich die Gebietsführer der HI. und die Führer der HJ.-Arbeitsgemeinschaftcn an den deutschen Hochschulen." Llnierrichtsverbot für Nichiarier erweitert. Die Bestimmungen über den grundsätzlichen Ausschluß von Nichtaricrn vom Privatunterricht an arische Jugend ¬ liche unter 18 Jahren hat Reichsminister Rüst durch netw Richtlinien ergänzt. Nunmehr können auch Antragsteller arischer Abstammung, die mit einer Person nichtarischer Abstammung verheiratet sind, zum Privatunterricht an Jugendliche grundsätzlich nicht mehr zugelassen werden. Ausgenommen sind Antragsteller, die Frontkämpfer sind, mit einem Frontkämpfer verheiratet sind, deren Väter oder Söhne im Weltkriege gefallen sind oder die schon vor dem Krieg Privatunterricht erteilt bzw. eine Privatschule geleitet haben, sofern die Ehe vor dem 2. Juli 1933 geschlossen ist. Unterrichtserlaubnisscheine, die nach dem 2. Juli 1933 entgegen diesen Vorschriften erteilt worden sind, werden eiugezogen. * Entschließung des Kyffhäuserverbandes der Vereine deutscher Studenten. Bad Frontenhausen (Kyffhäuser), 8. 8ulj. Der Kvfshävserverband der Vereine deutscher Studenten hielt in der Zeit vcm 4. bis 7. Juli unter eußercrdentlich starker Teil nahme in Frontenhausen seine diesjährige große Verbands- tagung ab. Nach grundsätzlichen Erklärungen des Verbands- siHrer-. Dr. irg, Johann WvlMe zur inneren und äußeren VerbandsentwiÄung faßte die Tagung felgende Entschließung: 1. Der Kyffhäuscrverbcnd der Vereine deutscher Stu denten erblickt in der nalwnclscziolislischen Drwegüng die al leinige und unbedingte Gestaltung unseres Gesamtschickfals als Volk und als Staat. Zu ibr bekennt er sich mit derselben riick- HMosen und bedingungslosen Hingabe, die man von ihm als politischem Verband wie von jedem anderen politischen Solda ten fordern darf. 2. Der Kysfhäuserverband der Vereine deutscher Stu denten bekennt sich zur Einheit von Volk und Staat, wie sie sich im Eesamtverlauf der deutschen Geschichte zum ersten Mal in der notionalsozialiswchen Bewegung offenbart und für die der Kysfhäuserverband in mehr als 50'ähriger zäher Ar beit auf dem Boden der Hochschule sich cinsetzte. Er geht dabei von der Ueberzeuaung aus, daß jedem Einheitsstreben in Volk und Staat die weltanschauliche Einigung unseres Volkes aus dem Boden einer neuen, aus der nationalsozialistischen Be wegung selbst hervorgewochsenen Weltanschauung notwendi gerweise voraus gehen muß. 3. Er erblickt in der engen Zusammenarbeit mit den or ganisatorischen Gliederungen der nationalsozialistischen Be wegung nicht nur eine hohe völkische und politische Verpflich tung gegenüber dem neuen Reich, sondern damit gleichzeitig die Erfüllung eines geschichtlichen Auftrages im Sinne seines Gründunasprinzips und seiner Gründungszeft. 4. Als ältester politischer urd judenreincr Verband an deutschen Hochschulen lohnt er heute mit Entschiedenheit wie bisher die Zusammenarbeit mit jenen Studentenverbänden ab, die an Aufbau und Haltung den Forderungen einer national sozialistischen Erziehungsarbeit bis heute nicht entsprechen. Feierliche Eröffnung der „Krast durch Freuöe"-TaMmg in Hamburg. In Hamburg wurde die erste Reichstagung der NS.-Gemeinschaft „Kraft durchFreude" mit einer feierlichen Kundgebung im Gemeinschaftsraum der Rew- Dork-Hamburger Gummiwaren-Companie eröffnet. Die Eröffnungsrede hielt Rcichsamtsleitrrt Horst Drcßler-Andreß. Er sprach von der Bedeutung der Rcichstagnng.jWas seit Begründung von „Kraft durch Freude" durch lDr. Ley aufgebaut wurde, soll in Hamburg dem deutschenjVolk und der Welt vor Augen gestellt werden und zugleich Veran- I lassung zur Prüfung dessen geben, was weiter größer und I tiefer zu gestalten ist. Der Welt soll ein Beispiel gegeben werden, was deutsche Ehrlichkeit und Gestnnuugs- treue aus einer Weltanschauung in praktische Wirk lichkeit umzusetzen vermögen. Im Haus der Deutschen Arbeit in Hamburg begannen dann die Einzeltagungen der verschiedenen Ämter. Bei diesen Einzeltagungcn berichteten die Referenten und Gauwarte von ihrer Arbeit und trugen praktische Vor schläge für die Zukunft vor. 40 Arbeiier-Ehre«ahold«migen. 40 Arbeiterehrenabordnungen aus dem Reich trafen in Hamburg zum Besuch der Reichstagung der NSG. „Kraft durch Freude" eiu und haben als Gäste des Hamburger Senats im Hotel „Atlantic" Wohnung genommen. Es sind Arbeiter, denen mit der Fahrt zur Reickstaauna eine besondere Ehrung für treue e r ?! KonrQ/r von. Orboberrscbtsobutr: bimt Vürme-Verlag, Uskls (8saw). slg Und dann sang sie. Langsam nur befreite sich Hannelis Stimme von dem leisen Zittern, das die Erregung jener Augenblicke noch in ihr nachwirkte, dann wurde sic stärker, gehaltvoller, und schließlich schwebte die reine, wundersame Mädchenstimme im Raum und hielt alles in ihrem süßen Bann. Aber bei dem einen Lied blieb es nicht. Eins nach dem anderen mußte Hanneli zugeben. Auf Zehenspitzen kamen die Gäste aus den anderen Räumen herbei und lauschten. Noch nie hatte Hanneli so gesungen wie an diesem Abend; aber noch nie hatte sie auch je einen solchen Be gleiter gehabt. Ein herrliches Bild boten die beiden Vortragenden. Der Mann am Flügel mit dem straffen dunklen Haar über der klugen, hohen Stirn, in dessen markantem Gesicht alle Strenge wundersam gelöst schien im Zauber der Töne, und dessen Hände so unendlich zart und innig in die Tasten griffen, während sie sonst mit so präziser Genauigkeit das Chirurgenmesser führten. Und neben ihm — Hanneli. Die Helle, junge Gestalt vom Licht der Kerzen umflossen, die Augen halb geschlossen wie im Traum... Veras Blick hing an den beiden Gesichtern. »- Hannelis Anblick entlockte ihr ein liebliches Lächeln. »Liebe kleine Schwester, mein gutes Hanneli! Wie schön du wieder singst!" sagte sie unhörbar vor sich hin, und freute sich für die andere. Doch als ihre Augen wieder über Marholdls Gesicht glitten, war es ihr plötzlich, als greife eine Hand nach ihrem Herzen. In dieser Stunde erkannte Vera Reinhardt, daß dieser Mann ihr Schicksal geworden war. Endlich schloß Ernst-Ludwig von Marholdt den Flügel. „Wir wollen dem Singvögelchen Ruhe lassen für heute. Seine Geschwister draußen in Busch und Baum, Amsel und Nachtigall, schlafen ja auch schon lange!" sagte er, während sein trunkener Blick die junge, schöne Sängerin -streifte. Von allen Seiten wurden Hannelis Hände gedrückt. Sie wurde umschwärmt, umjubelt. Das Mädchen war aber still. In ihrem Herzen wogte cs aus und ab, und ihr Ohr lauschte dem Klang von Mar- holdts letzten Worten nach. „Wir wollen dem Singvögelchen Ruhe lassen...!" Sie lächelte schmerzlich und glücklich zugleich. „Singvögel, chen... Wie kommt er gerade darauf? Singvögelchen... Das hat keiner wieder gesagt, seit — Mutterle tot ist." Hanneli hörte nicht, wie, während sie noch sann, drüben im Salon Marholdt in seiner sachlichen, aber ein dringlichen Art zu Professor Reinhardt sagte: „Sie müssen diese Stimme unbedingt ausbilden lassen, Herr Professor! Unbedingt! Ich habe einen starken Glauben an — diese Stimme." Als die Gäste endlich das Haus verlassen hatten, suchten auch die beiden Mädchen ihr gemeinsames Schlafzimmer auf. Aber obgleich Hanneli immer wieder fest die Augen zudrückte, wollte der Schlaf nicht kommen. Ging es Vera ebenso? Hanneli richtete sich leise in ihrem Bett auf und lauschte zu Vera hinüber, der sie vorhin herzlich eine gute Nacht gewünscht hatte. In demselben Augenblick richtete sich Vera ebenso leise in ihrem Bett auf. Die jungen Mädchen lachten, „Pst!, Hanneli, daß Fräulein Luise drüben nicht auf wacht!" „Kannst du auch nicht gleich einschlafen, Verli?" „Nein, Hanneli! Ich mutz noch über manches Nach denken!" - Veras Stimme wurde plötzlich noch lciser, aber Hanneli hörte, daß eine tiefe Erregung darin schwang, die sich ihrer eigenen Erregung schnell mitteilte. „Es sah schön aus, Hanneli, als du neben Marholdt standest — am Flügel; sehr schön, Hanneli! So gesund, ihr beide!" Hanneli hörte, wie Vera tief Atem schöpfte, ehe sie zögernd und sich oft unterbrechend fortfuhr: „Ja, so gesund! Sag mal, könntest du glauben, Hanneli, daß — daß einer eine Frau lieb haben könnte, die so — wie ich ist? So, ach — nur ein halber Mensch?" Und plötzlich gingen Veras Worte in heißem, wftdem Schluchzen unter. Mit klopfendem Herzen hatte Hanneli den Worten der Freundin gelauscht, jetzt aber sprang sie auf und war mit wenigen Schritten bei Vera. So hatte sie die Freundin noch nie gesehen. Veras hemmungsloser Ausbruch des Schmerzes überwältigte sie und drängte alle ihre eigenen Wünsche zurück. „Verli, mein liebes, kleines Verli! Du bist doch sonst immer so klug. Viel klüger als ich!" Zärtlich streichelte sie über Veras dunkellockiges Haar. „Hanneli, Gott weiß es, noch nie hab ich über mein Geschick geklagt... Aber heute, als du so neben — ihm — standest. So frisch, so gesund... Ach, mein Hanneli, ver- steh mich nicht falsch. Ich weiß selber nicht, wie es kam. Ich weiß nur, daß — daß ich ihn lieb habe, unsäglich lieb — bis in den Tod!" Hanneli wollte aufstöhnen, aber sie unterdrückte den Schmerz, den Veras Worte ihr bereiteten, mit aller Kraft, die ihr zu Gebote stand. Betend faltete sie die Hände, wie sie es von Kindheit an getan, wenn sie nicht wußte, was sie gerade jetzt tun sollte. Mit einem Male erlebte sie etwas Merkwürdiges. Ihr war, als sähe sie ein stolzes Gesicht und hörte noch einmal die Worte, die Doktor von Marholdt am Abend gesprochen: „Nichts ist trügerischer als die Gefühle. Gefühle allein machen uns zu Sklaven, zu Narren! Wir suchen alle nach etwas Bleibendem in der Liebe, und das — das kann uns vielleicht am besten die mütterliche Frau geben — nicht die Geliebte..." (Fortsetzung folgt.)