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Dann bricht der große Krieg aus mit allerlei Schwierigkeiten: Preissteigerung der Hölzer, da die Arbeitskräfte sür den Schlagbetrieb schien; Ersatzstoffe für Leim und Farben, Oele und Fette; Leutemangel infolge der fortgesetzten Heereseinziehungen. Einstellung von Frauen und Kriegsgefangenen; Teuerungszulagen; Preissteigerung der Möbel; Heereslieferungen S. 81. » Bereits im Februar des letzten Kriegsjahres brachten die Tischler eine For derung ein auf verkürzte Arbeitszeit. Die Arbeitgeber beharrten je doch auf den 54 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit. Im November dagegen ging man, als die Arbeiterschaft 47 Stunden forderte, auf den Achtstundentag, also 48stündige wöchentliche Arbeitszeit zurück, eingeführt am 1. 12. 1918. Um nun nach den Jahren des Weltkriegs und den Wochen des Umsturzes, in den Zeiten beginnender Inflation ein erträgliches Verhältnis zwischen dem Fabrikanten und seinen Arbeitern herzustellen, setzten sich Vertreter der Arbeit geber und Arbeitnehmer zusammen und schufen in tagelanger Beratung Reichs- tarifv ertrüge, denen sich Landestarifverträge anschlosfen. Aus dem Reichstarifvertrag für das Holzgewerbe, be- fchlossen vom 11.—22. 8. 1919 mit den Entscheidungen des Unparteiischen Frhr. v. Berlepsch v. W./29. 8. 1919: 8 3 Festsetzung von 6 T a r i f k la s s e n. Wilsdruff wird zu Klaffe ? ge rechnet. Z 5 Die Einstellung von Arbeitern darf nicht zu ungünstigeren Bedin gungen erfolgen als in diesem Vertrage festgelegt. Jeder Bedarf an Ar beitskräften ist dem zuständigen paritätischen Arbeitsnachweis zu melden. 8 8 Entlassungen dürfen nur nach Anhörung des Arbeiterausschusses erfolgen. 8 9 Wegen feines Eintretens für die Erfüllung dieses Vertrages darf kein Arbeitnehmer entlassen werden. 8 11 Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 8 Stunden an jedem Werktag. 8 12 Sie darf nicht vor 7 Uhr morgens beginnen und nicht wach 5 Uhr nach nachmittags enden. 8 13 Bei Beschäftigungsmangel ist die Arbeitszeit dis auf 30 Stunden in der Woche zu kürzen, bevor Entlastungen vorgenommen werden dürfen. 8 14 Ueb erstu nde n, Nacht- und Sonntagsarbeiten sind nur in dringen den Fällen zulässig. 8 18 Festsetzung von Durchschnitts st undenlvhnen. 8 20 Festsetzung von Minde st stundenlöhnen. 8 33 Arbeiten, die sich nach Art und Zahl zur Ausführung in Akkord eignen, können mit Zustimmun des Arbeiterausfchusses in Akkord aus- gesührt werden. 8 41 Für jeden Arbeitnehmer ist ein Lohnbuch zu führen. 8 42 Die Lohnzahlung muß allwöchentlich am Freitag erfolgen und spä- testens bis Arbeitsschluß beendet sein. 8 49 Alljährlich hat jeder Arbeiter -Anspruch aus einen Erholungsur laub, besten Dauer sich nach der Dauer der Beschäftigung im Betriebe richtet. Der Anspruch beginnt nach einhalbjährlicher Beschäftigung mit einem Urlaube von 3 Tagen, steigend nach jedem weiteren Beschästi- gungsjahr um je einen weiteren Ferientag bis zur Dauer von 6 Tagen. 8 51 Für die Ferienzeit haben die Arbeiter Anspruch auf Lohn in der Höhe des vereinbarten Stundenlohnes. 8 52 In jedem Betriebe ist aus den Reihen der über 20 Jahre alten Arbeiter ein Arbeiterausfchuß zu wählen. In Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten vertritt der Vertrauensmann die Stelle des Arbeiter ausschusses. 8 64 Bei Streitigkeiten zwischen der Arbeiterschaft und dem Arbeitgeber hat in erster Linie der Arbeiterausschuß auf eine Verständigung hinzuwirken. 8 65 Für jeden Drt oder Bezirk ist außerdem eine Schlichtungskom» Mission zu bilden, zusammengesetzt aus der gleichen Zahl von Ar beitgebern und Arbeitnehmern. 8 70 Gegen Entscheidungen der Schlichtungskommission ist Berufung an das Tarifamt für das Holzgewerbe zulässig. 8 77 Für genügende Reinigung, Lüftung und Heizung der Arbeitsräume, für ausreichende Waschgelegenheit und geschützte Kleideraufbewahrung für Verbandsmaterial zur ersten Hilfeleistung bei Anfällen, sür alle sonstigen gesundheitlichen Einrichtungen und genügende Aborte hat der Arbeit geber zu sorgen. 8 78 Sämtliches Werkzeug ist vollzählig und in brauchbarem Zustande vom Arbeitgeber zu liefern. Man sollte meinen, daß mit diesen eingehenden Bestimmungen aller Zün dungsstoff beseitigt worden wäre. Trotzdem ging es ohne Reibung nicht ganz ab. So lief z. B. am 21. 9. 1922 ein Lohnabkommen ad, und die Arbeiter, schäft trat, ohne die 14tägige Kündigungsfrist abzuwarten, in den Streik. Zu dieser Reizung der Arbeitgeberschaft trat noch ein Beschluß des Stadtrats hin zu, der eine „Soziale Abgabe" für Wohlfahrtszwecke beschlosten hatte. Als da her der Arbeitgeberschutzverband am 12. 10. 22 zu einer Sitzung versammelt war, beschloß er aus Antrag Schlichenmaier zunächst, „schärfsten Protest ein- zulegen gegen Einführung der geforderten sozialen Abgabe (1^ vom bezahlten Arbeitslohn) und jedes ihm geeignet erscheinende Mittel zu ergreifen, um diese beabsichtigte einseitige, ungerechte Sonderbesteuerung zu Fall zu bringen." Am 16. d. M. versammelt man sich wiederum zu außerordentlicher Sitzung, da der Schiedsspruch vor dem Arbeitsministerium eingegangen ist, der den Arbeitern „mehr bewilligt, als sie verlangt haben". Ein Antrag Schlichenmaier sindet Annahme, nach dem den Arbeitnehmern mitgeteilt werden soll, „daß durch die weit vorauseilenden Lohnbewilligungen und die damit verbundene Steigerung aller Rohmaterialen die Möbelpreise so hoch steigen würden, daß es fraglich erscheine, ob sie gekauft würden. Ehe daher von der Kundschaft die Bestätigung der Bewilligung der neuen Preise nicht eingehe, sei es unmöglich, die Betriebs zu öffnen." Als dieser Beschluß am nächsten Tage, dem 17. d. M., den Ar beitern mitgeteilt wird, versammelten sich diese vor Schlichenmaiers Wohnung und zwingen ihn, in ihrer Mitte zum Verwaltungsgebäude zu gehen, um vor dem »8 99