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Luise uud der Frühling. Skizze von Ludwig Beil. Sie trug eine Perle um den Hals, eine einzige tropfen förmige Perle an einem Silberkettchen — und lachte in die >Welt/Sie lachte, weil sie erst zum neunzehnten Male einen Frühling erlebte. Der Mann neben ihr war jung. Er war auch lang weilig,' denn der blaue Luftsekt eines solchen Tages fand keinen Weg in seine Adern. Er war ein dichtender Nüchterling. Tags über addierte er in einem Finanzbüro Zahlenkolonnen. Karl finsterte neben ihrem leichten, wehenden Schritt vor .sich hin. Ein rcifenspielendcs Mädchen hätte ihn beinahe um- aerannt und hatte seine Weiße Flancllhose mit ihrem Reifen beschmuht, der weiter nichts als eine rostige Fahrradfelge war. „Und überhaupt", sagte Karl, „der Frühling irritiert mich, er ist und bleibt nun mal Kitsch." Als Literat hatte er recht — als Dichter hätte er keins gehabt; denn die Natur kann nichts dafür, wie wir sic empfinden. Als Karl mit seinen honigblankrn und honiggelben Frühjahrsmodcschuhen in eine trübe Waldpfütze getreten war, wollte er nicht mehr mitmachen — nein, jetzt wollte er in ein Kaffeehaus. Es gab eins in der Nähe. Warum sollte Luise nicht mitgehcn? Sie brachte ja, wo sie auch war, ihren Lebensfrühling mit, und in einem Lokal störte Karl weniger als draußen. Ein Heller Schein flog über die Tapete, als Luise in ihrem frischen weißen Kleid vor Karl her zu einem Ecktischchen schritt. Zwei Tische weiter saß ein graumelierter Herr hinter seiner Zeitung; seine feinen Hände strahlten in der Sonne über dem weißen Tischtuch. Luise plauderte. Lulle war von oraußen her noch glück lich. Drüben am Waldrand knabberte eine schneeweiße Ziege am Grün junger Nestchen. „Oh, ich weiß einen wundervollen Namen für eine Ziege", meinte Luise, „wir wollen sie Sa bine nennen. Findest Du nicht auch, Sabine ist ein wunder voller Name — ist überhaupt der einzige für eine Ziege!" „Wir — wir wollen sie Sabine nennen?! Du höch stens. Ich habe über Besseres nachzudenken. Aber meinet wegen kannst Du sie auch Luise nennen..." Das Wort schmerzte. Es war herzlos, vor allem diesem jungen Ding gegenüber, das ihm in halb unbewußter Mütter lichkeit einen Abglanz ihres Jungseins hatte geben wollen. Es war einfach undankbar von diesem blasierten Lassen, für Pen als Zwanzigjährigen alles Blühen auf der Welt schon „erledigt" war. „Jetzt heult das dumme Gör auch noch", zischte er, „hör' auf, sonst geh ich weg!" Aber sie hörte nicht auf, so sehr sie auch hinter ihren Händen das Taschentuch zerbiß. Da stand er auf und ging hinaus. „Karl!" rief sie — aber das Klirren der Glastür zerschrillte diesen Namen. Der graumelierte Herr hatte natürlich alles mit an- gchört. Unschlüssig legte er jetzt die Zeitung quer vor sich hin, dann erhob er sich auf den Zehenspitzen und setzte sich einfach Luise gegenüber. Sie hob den Kopf und blickte ihn an, eigentlich ohne Erstaunen: sein väterlich gutes Lächeln ent waffnete von vornherein jeden Vorwurf. Sie wollte wieder anfangen zu weinen, da zog er ihr auch schon das Taschen tuch vom Gesicht: „Nicht weinen, kleines Fräulein, gelt, nicht weinen!" Sie mußte lächeln und blickte mit rotgeweinten Augen zum Fenster hinaus: „Ich habe mich schrecklich benommen, nicht wahr?" Uud als suchte sie die Demut ihrer jungen Frauen würde einem fremden Manne gegenüber wiederzugewinnen und auch weil sie sich in diesem Augenblick schämte, ihre Liebe einem Unwürdigen nur einen Tag geschenkt zu haben, setzte sie hinzu: „Karl ist gar nicht so, sonst..." „...Hätten Sie ihn nicht geliebt, wie...?* „Ach, ich liebe ihn gar nicht." Sie fegte dabei mit einem Ruck die zurückgelassene Zigarettenschachtel vom Tisch. Und weil sowas wunderbar befreien kann, lachte sie jetzt wieder hellauf. Dann wurde sie rot und meinte: „Sie halten mich sicherlich für ein recht albernes Geschöpf?" Ruhig und selbstverständlich nahm er ihre beiden Hände: „S i e albern? Nein. Albern finde ich jedenfalls Ihren Herrn Begleiter. Daß Sie vorhin der weidenden Ziege den Namen Sabine gaben, finde ich wundervoll. Nie wird so ein junger Schnösel — verzeihen Sie den Ausdruck ,jung' — auch nur leise wittern, wieviel Mütterlichkeit in dieser Namengebung liegt. — Nein .beweisen' läßt sich das nicht, warum — also i ch jedenfalls finde es herrlich. Jawoll. Ich bin Jäger, Fräu lein. Gestatten übrigens: Bindau ist mein Name, Eugen Bindau..." Sie verneigten sich beide etwas voreinander und fanden es, jeder im stillen, furchtbar komisch. „Und da ich Jäger bin, liebe ich die Tiere, nicht nur die wilden. Wenn Sie wollen und noch Zeit haben, steigen wir auf-den Holzturm drüben bei der .Hohen Warte', dann können wir von oben, wenn wir Glück haben, auf der kleinen Wald wiese nach Osten zu einen Kapitalhirsch sehen — einen Hirsch, sag ich Ihnen ..." „Ach ja, das möchte ich sehr gern!" „Wird's Ihnen auch nicht zu spät werden, und haben Sie keine Angst, so allein mit mir durch den Wald?" „I wo, wie sollte ich vor Ihnen Angst haben! Sie sind so nett zu mir; außerdem, wenn wir Frauen von heute vor etwas Angst haben, gehen wir einfach nicht mit, und wenn wir mitgehcn, haben wir keine Angst mehr!" „Spricht so ein Mä..., eine Dame, die vorhin beinahe ein bißchen demütig, ja geradezu gehorsam weinte, weil ihr Begleiter sie weinen machen wollte?" „Ach, lassen Sie doch! Das ist ein für allemal erledigt.* Ueber ihren Gesprächen brach die Dämmerung herein. Draußen war bereits dichter Bodennebel. Luise schauerte am Arme des Mannes leise zusammen. „Frieren Sie? Vorsicht, hier kommt eine große Wurzel!" Fichtenäste tauchten aus dem Nebel, schwer voll Abend feuchtigkeit hingen die breitbenadelten Enden. „Gleich sind wir da", sagte der Mann und hörte, wie das Mädchen neben ihm aufatmete, daß ein Wort gesprochen wor den war. Auch war Luise froh, daß nun Buchenlaub unter ihren Tritten war, das raschelte, das einen Laut von sich gab, statt des unheimlich schleichenden Ganges vorhin auf den weichen Fichtennadeln. Sie schritten höher und höher. Schwarz trat das geteerte Holzgerüst des Aussichtsturmes auf den Weg. „Können Sie noch?" fragte Eugen Bindau, da sie schnell atmete. — „Bitte, türmen Sie nur ruhig voran!" Auf der schier endlosen Holztreppc blieb Luise doch ein paarmal verpustend stehen. Den Mann hörte sie dabei unent- wegt weitersteigen, er war schon ganz oben im Gebälk. Er ist es gewohnt, dachte sie, er ist ja ein Jäger. „Hallo!" kam seine Stimme jetzt ganz aus hoher Ferne. Viele Echos antworteten gleichzeitig aus der Dunkelheit. „Hallo? Wo sind Sie, Fräulein? Halloohohoh!" „Gleich bin ich oben. Ich kann nicht so schnell!" „Wir haben ja Zeit", kam es aus dem Himmel zurück. Dieses „wir haben ja Zeit" klang so gütig, klar und männlich; diese Worte wurden ihr zu einem mitden Wesen, das sie unter den Armen stützte, höher und höher geleitete. Bis sie oben auf der Plattform neben ihm stand. „War's schwer?" „Nein, gar nicht. Komisch, daß hier oben Sterne zu sehen sind und unten nicht." „Der Bodennebel kommt vor morgen nicht mehr hoch." Sie ging um die Plattform herum: „Und wo ist nun Ihre berühmte Wiese?" „Nach Osten, Fräulein." „Sie können mich totschlagen, wenn ich weist wo Osten liegt." „Das wissen Frauen nie." „Stört Sie das an mir?" „Aber gar nicht, im Gegenteil, es amüsiert mich." „Und wann kommt Ihr ebenfalls berühmter Hirsch?" Eugen Bindau hielt seine Uhr ganz dicht an die Augen. „Sagen Sie mal, kommen die Hirsche denn nach der Uhr?" fragte die Kleine. So ziemlich, Fräulein, wenn man sie nicht stört. Bitte, sichen Sie jetzt mal einen Augenblick still — pst — ganz leise jetzt! Und beobachten Sie dort den Nebelkessel, sehen Sie — das ist die Wiese." Er stützte sich auf das feuchte Geländer neben Luise. Beide atmeten kaum. Nach einigen Minuten deutete er schweigend in die Nebelwanne da unten: Etwas Schwarzes schwamm darin, war vorsichtig aus dem Wald gekommen. Luise drückte erregt die Hand des Mannes, ihr Herz schlug nun zum Halse herauf — das da unten im Grunde war der Hirsch, nein, es waren sein Kopf und sein Geweih, die langsam und maje» Wolkenkratzer in Südarabicn. Der Forscher Hans Heilfritz hat im Lande Hadramaut in Südarabicn H o ch h a u s st ä d t e entdeckt, die -um Schutz gegen Beduinenüberfätte auf möglichst engem Raum zur Ver teidigung eingerichtet sind. 2n dem Ufa-Kulturfilm „Wolken kratzer in Südarabien" hat er diese an moderne Architektur erinnerten Städtebauten festaebalten. Fünfzig zehnjährige Mädels aus Grünberg in Schle sien, die in einem Filmpreisausschreiden „Altger manische Bauernkultur" eine dreitägige Freireise nach Berlin gewonnen hatten, statteten dem Reichs bauernführer N. Walther Darre einen Besuch ab und überreichten dem Minister Gaben aus ihrer Heimat. Wagenborg-Bildmaterndienst (2) Schlesisch'e Mädel besuchen den Reichsbauernführer. statisch über dem Nestel die SIlsterslut pflügten, während fein- Körper völlig in den milchigen Dunstwellen versank. „Wundervoll", flüsterte Lurse. „Kommt er wieder?" fragte sie nach einer Weile. „Mindestens eine Woche lang nicht." „Dann gehen wir wieder hinunter. Meine Mutter .äng stigt sich, wenn ich so spat noch wegblcibc." Auf halbem Wege im Turm blieb Luise unverhofft stehen, daß der Mann fast auf sie gefallen wäre. Es war ihm, als lache sic, nein, cs war ein Kichern, das einfach nicht mehr zu halten war. Luise bog sich, beide Seiten taten ihr weh vor Lachen. „Aber was ist denn, was lachen Sic denn?" meinte er, selbst fast angesteckt: „Kommen Sie, wir können doch nicht hier im Turmgerüst stehenbleiben — nun lachen Sie sich erst mal aus! Was haben Sic dcnn nur?" Auf dem nächsten Treppenpodest blieb sic stehen. Zwischen den schwarzen Balken unter ihnen zog der Nebel in weißen Schwaden. Luise wurde nun ganz ernst: „Es ist so komisch — ach, cigentlich bin ich recht albern und ungezogen Ihnen gegenüber, bin halt noch ein richtiges Gör, verzeihen Sie!" — Damit ergriff sie seine Hand: „Nicht böse sein, bitte!" „Nun mal raus mit der Sprache, Fräulein!" Seine Sprache klang dunkel in der Trcppeuuacht. „Ach, es ist nur — ich dachte vorhin daran, daß Karl die Ziege mir zum Tort Luise nennen wollte — und aus einer Art Rachegedanken den Männern gegenüber kam cs mir da eben in den Sinn, den Hirsch da unten — gelt, Sie sind mir nicht böse?" „Nun mal weiter, Fräulein..." „Den Hirsch da unten Eugen zu nennen — und das paßt doch so ganz und gar nicht...", „Finden Sie meinen Namen denn so komisch?" fragte er resigniert und sehr ernst. „Das nicht gerade..." „Dann nenn' mich doch ruhig Eugen, Kind!" - „Und sind Sie — bist Du mir dann auch wieder gut?" „Ich kann Dir niemals böse sein, Luise!" Langsam stiegen sie hinunter, nebeneinander, und seins Hand lag um ihre Schulter, indessen zu ihren Füßen die hohe» Wipfel durch die schwarze Frühlingsnacht rauschten. Die verdienstvolle Familie. Abraham Lincoln, Präsident der Vereinigten von Amerika von 1860 bis 1865, lebt in einer großen Anzahl von Anekdoten fort, die seinen treffsicheren Witz offenbaren. Den zeigte er einmal auch einer Frau gegenüber, die sich bei ihm für ihren Sohn einsetzte. Der Präsident solle ihm das Oberstenpatent ausstellen. Die Frau war recht temperament voll. Sie schlug geradezu den Ton eines Oberbefehlshabers an: „Herr Präsident, Sie müssen mir das Oberstenpatent für meinen Sohn geben. Sie müssen! Ich erbitte das nicht als eine Gnade, sondern ich fordere es als ein Recht meiner: Fa milie. Mein Großvater focht bei Lexington, Sir. Mein Onkel war der einzige, Sir, der bei Bladensburg nicht davonlief. Mein Vater kämpfte bei New Orleans, Sir. Und mein Onkel wurde bei Monterey getötet." — Vater Abraham blieb ge- lasfen. „Ich denke", antwortete er, „Ihre Familie hat für das Vaterland genug geleistet. Jetzt ist es an der Zeit, auch ande ren dazu Gelegenheit zu geben." Und der Lohn der Hausfrau? e^s ist nicht gut, daß der Mann allein sei — bei der Kassenführung in der Familie. So denken offenbar die Eng länderinnen, die nunmehr eine Entlohnung der Hausfrauen: für ihre Arbeit forderten. Erspart die teure Gattin, die treue Mutter nicht eine Haushälterin? Ist sie nich' sozusagen eine Wirtschafterin auf Lebenszeit? Und sie sollte unbelohnt blei ben? Ein Drittel des Einkommens des Ehemannes foll man der Gattin zubilligen, verkünden einige britische Frauenrechtle rinnen und kommen sich dabei sicherlich sehr modern vor, — als ob nicht der Spuk mit Suffragetten und Frauenrechtlerin nen auch in England längst verweht wäre... Hat nicht jede halbwegs vernünftige Frau in ihrer Ehe viel mehr zu be stimmen als die bestbezahlte Haushälterin? Aber wozu jene ausgefallenen Vorschläge so ernst nehmen! Werden nicht hunderttausend Gattinnen überall in der Welt selbst entschie den gegen die Neuerung protestieren? Haben sie doch bisher sich nicht mit einem Drittel begnügt, sondern erbarmungslos die ganze Kasse verwaltet! Schönstes Wetter für den Segelsport. Auf allen Gewässern hat wieder der Segelsport eingesetzt« Vielfach wurden schon Regatten ausgetragen. — Unser Bild gibt einen Ausschnitt von der Frühjahrssegelwvche auf dem Müggelsee bei Berlin. (Schirner — M.)