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Die wenigen Be wohner, meist kleine Händler und Gastwirte, dürfen die Insel nicht mehr verlassen. Mussolini wohnt in dem Schloß. In den „hängenden Gärten" der zehn Terrassen läßt diie Sonne alle Blüten des südlichen Früh lings leuchten. Die Besprechungen finden in den Räumen des Schlosses oder im Garten zwischen den herrlichen Blumen statt. Das Schloß der Fürsten von Borromeo ist ein Museum. Dort stehen die Betten, in denen Napoleon, Josephine - Beauharnais, österreichische Fürsten und spanische Könige geschlafen haben. Sonst zeigen Diener gegen Trinkgeld die Erinnerungen des Schlosses; jetzt sind die Räume zum Wohnen eingerichtet. Hie BemLuiMN im MsMür. Am Donners-tagvormittag brachte ein Motorboot den englischen Ministerpräsidenten Mac Donald und den Außenminister Sir John Simon, den Ministerpräsidenten Frankreichs, F l a n d i n , und Außenminister Laval mit einigen Beratern der englischen und der französischen Delegation vom Grand-Hotel in Stresa nach der Isola Bella hinüber. Mussolini empfing seine Gäste am Lan dungssteg der Insel und geleitete sie sofort in die Räume des Schlosses. Dort wurde sogleich die erste Besprechung im Musilsaal nach kurzer persönlicher Unterhaltung er öffnet. Die ersten Stunden waren der allgemeinen Unterrichtung gewidmet. Mittags waren die fran zösischen und englischen Minister Gäste des Duce in dem besonders hergerichteten Speisesaal des Schlosses, das die Fürsten von Borromeo für die Konferenztage völlig geräumt habe;.. Nachmittags begaben sich alle Mitglieder der eng lischen, französischen und italienischen Abordnung unter Führung Mussolinis in Motorbooten über den See nach Pallanza, dem landschaftlich berühmten Ort am Vorgebirge von Castagnola. Dort wurden zu Ehren des Generals Cadorna Kränze im Mausoleum niedergelegt. Danach wurden die Verhandlungen fortgesetzt. — Frankreichs Gegenspiel. „Ein CommuniqU wird das Ergebnis sein." Mussolini spielt den Gastgeber und den Leiter der Konferenz. Bei ihm sind die Mitteilungen über die letzten diplomatischen Vorbesprechungen zusammengelaufen. Im „Popolo d'Jtalia", dem Blatt, das Mussolini nahesteht, ist ein Artikel mit der Überschrift „Unser Plan" ver öffentlicht worden, den man Mussolini selbst zuschreibt. In diesem Artikel wird darauf hingewiesen, daß durch die Teilnahme der Ministerpräsidenten von England und Frankreich die Konferenz von Stresa erhöhte Bedeutung habe. Man müsse aber die Italiener davor warnen, sich einem allzu leichten Optimismus hin zu g e b e n. Wörtlich heißt es dann: „Aus Stresa wird der Krieg nicht kommen, aber auch nicht, was den Krieg binnen kurzer Zeit unvermeidlich machen könnte." Das bedeute, daß aus Stresa ein ewiger Friede nicht hervorkommen kann. Ein solcher Friede hänge vor allem von jemand ab, der in Stresa nicht anwesend sei. Man müsse sich fragen, was ans Stresa hcrauskommen könne, nnd die Antwort wird gegeben mit dem Wort: Ein Communiqus. Dieses Communiquö müsse eine all gemeine Linie einhalten. Es könne deshalb nur einen all gemeinen Charakter oder sogar nur den Hinweis auf den Willen zu allgemeinen Beratungen enthalten. In dem Artikel wird dann weiter auf die Lage im Osten hin gewiesen. Als wichtigste Staaten in der gegenwärtigen Lage werden Deutschland, Rußland und Polen bezeichnet, und es heißt dann in einer ganz vorsichtigen Andeutung, daß es vielleicht nützlich und möglich sein könne, daß nach Stresa auch der eine oder andere komme, der jetzt ab wesend sei, oder daß man vielleicht alle Abwesenden nach Stresa rufen könne. Der Artikel schließt mit der Fest- stellung, daß cs unsinnig sei, von Stresa eine Sensation zu erwarten. Zum Schluß ermahnt der Artikel die Italiener an den Ernst der Lage. Italien müsse zunächst 600 000 Mann unter Waffen behalten. IrantteW MnimWSne. Die englischen Politiker scheinen in Stresa nebenbei versuchen zu wollen, ein Bündnis zwischen Frankreich und Sowjetrutzland zu verhindern. Es verlautet, daß der französische Außenminister sogar beabsichtige, außer Sowjctrußland auch Italien und England zu veranlassen, gemeinsam mit der Tschechoslowakei und einigen anderen Staaten eine Vereinbarung zu treffen, wonach sich diese Mächte verpflichten, im Falle des Scheiterns an der Völker bundssatzung trotzdem gemeinsam zu verhandeln. Ob England dabei mitmacht, hängt im wesentlichen von MacDonald ab. Die Franzosen sehen auf diesen neuen Stresa Es ist nun einmal so, daß die Konferenzen, aus denen man die schwierigsten Probleme zu lösen oder sagen wir einmal vorsichtiger zu erörtern sucht, immer in der schönsten Jahreszeit und an den schönsten Fleckchen dieser Erde stattfinden. Man muß schon sagen, eine Konferenz ass der herrlichen Insel „Isola Bella", und noch dazu im Frühling, würde einen Weltenbummler und Er holungssuchenden heiter und fröhlich stimmen. Wieweil Diplomaten für solche Stimmungen zugänglich sind, ent zieht sich unserer Beurteilung. Jedenfalls läßt es sich auf Ler schönen Insel, umgeben von Veilchenteppichen, um wedelt von Palmen, zwischen duftenden Rosen, mit dem Blick auf die blauen, kräuselnden Wellen des oberitalieni schen Sees sicherlich nicht schlecht leben. Wenn wir Deutsche etwas von einer internationalen Konferenz hören, dann müssen wir unwillkürlich in dem Buch der neuen Weltgeschichte etwas zurückschlagen. Wir sind nun einmal gründlich und historisch veranlagt. Und da finden wir dann so einige andere Konferenzen, die in der Aufmachung und ihrem Programm der Konferenz in Stresa sehr ähnlich sind. Jedenfalls haben alle die früheren Konferenzen das eine mit der von Stresa ge meinsam: sie fanden stets an einem sehr schönen Orte statt, in sehr schöner Umgebung. Ob das nun Genua, Locarno oder Schevcningen (lies: Konferenz im Haag) war, immer haben wir die Diplomaten, die dort hin reisten, wegen ihrer schönen Reise beneidet. Aber wenn wir weiter dann die Ergebnisse dieser Konferenzen be trachten, dann werden wir bedenklich, denn alle diese Be sprechungen am Konferenztisch hatten das gleiche Ergeb nis: entweder gar keins, oder ein für Deutschland wenig erfreuliches. Man kann es uns also nicht verargen, wenn Wir auch auf Stresa mit etwas Bedenken und wenig Ver trauen schauen. Nur eins unterscheidet die Stresa-Konferenz von ihren Vorgängerinnen: W i r nehmen heute eine andere Stellung zu internationalen Konferenzen ein. Früher wußten wir, daß das deutsche Fell verhandelt wurde und ahnten, daß die Konferenzen wieder irgendeine Belastung für Deutsch land bringen würden. Wir wußten auch, daß die, die für die deutsche Politik verantwortlich zeichneten, den Rücken beugen und demütig neue Lasten auf sich nehmen würden. Das Volk murrte zwar, aber es war niemand da, der der Stimmung des Volkes Gehör verschaffte, und die Systemgewaltigen unterschrieben. Sie verkauften deutsches Volksgut, verkauften die deutsche Seele. Heute hat die deutsche Nation Rückgrat, sie hat das Joch abgeworfen, hat sich ihre Ehre und ihre Freiheit zurückgenommen. Heute sind wir nicht mehr gewillt, demütig alles entgegenzunehmen, was man auf Konfe renzen über uns beschließt. Heute stellen wir unsere For derungen den Entschlüssen gegenüber und werden so lange fordern, bis man uns gibt, was wir verlangen. Wir sind ein starkes Deutschland, das nicht mit sich spielen läßt, Wir sind eine einige Nation, die einem Jiel zu strebt. Die Welt muß mit uns rechnen, und wir wissen es: sie rechnet bereits mit uns! Stresa wird die Europafrage nicht lösen, schon des halb nicht, weil Deutschland nicht am Konferenztisch sitzt. Denn Deutschland ist immer noch das Herz Europas, ein stark pulsendes, ein gesundes Herz. Stresa wird vielleicht günstigstenfalls eine Etappe sein, aber keine Endlösung. Man wird einen großen Fragenkomplex dort in wenigen Lagen sich vorlegen, aber man wird nicht durchkommen durch den Wust. Außerdem wird sich sehr bald zeigen, daß drei Ministerpräsidenten in Stresa dreißig verschie dene Ansichten haben. Dazu wird der englische Außen minister Simon auf Grund seines Berliner Besuches und der Erkenntnis aus der Osteuropareise des Lord siegelbewahrers Eden viele Dinge mitzuteilen haben, die man nicht von heute auf morgen erledigen kann. Herr Simon hat sich als ein Diplomat besonderer Art er wiesen, der im Gegensatz zu manchen seiner Kollegen in anderen Staaten eine sehr offene und ehrliche Sprache liebt. Er hat vor seiner Abreise nach Stresa ziemlich unverblümt seine Meinung geäußert, aber er hat es ver mieden, eine englische Marschroute anzugeben. Er sieht sicher die Probleme am klarsten und erkennt dabei am deutlichsten, daß eine Lösung dieser Probleme ohne Deutschland nicht mehr möglich ist. Simon, der Mann, der die persönliche Aussprache liebt nnd es vorzieht, daß man sich von Mann zu Mann deut lich ausspricht, hat sich einen klaren Überblick über die Lage in Europa verschafft, und er kennt die Auffassungen der führenden Staatsmänner ans allernächster Quelle. Er sowohl wie sein Ministerpräsident MacDonald wer den sich die Führung in Stresa, obwohl der italienische Duce ja gewissermaßen der Vorsitzende ist, nicht aus den Händen nehmen lassen wollen. Es wird nicht zu umgehen sein, daß die Konferenz m Stresa schließlich in die B e h a n d l n n g d e r d e u t - scheu Frage einmündet. Man wird sich mit den deut schen Forderungen, die Adolf Hitler bei dem Besuche der englischen Diplomaten in Berlin offen nnd deutlich gestellt hat, beschäftigen müssen. Und es wird davon abbän- Die Konferenz von Stresa hat begonnen. Die Dreier-Konferenz von Stresa hat jetzt begonnen. Wie un ser Bild in der Mitte zeigt, werden die Zufahrtsstraßen nach dem Tagungsort außerordentlich scharf bewacht; links ein gen, ob Stresa eine Etappe zur Befriedung Europas wird, oder eine der vielen erfolg- und ergebnislosen Beratungen am grünen Tisch. Sicher werden die Fran zosen eine sehr heftige Sprache gegen Deutschland führen, sicher wird Mussolini etwas böse sein, und kaum werden die Vertreter beider Staaten einsehen, daß die Schwierig keit des Europaproblems nicht durch Deutschland hinein gebracht worden ist, sondern allein durch sie. Wenn man sich nämlich mit der deutschen Wehrmacht, oder wie man es zu nennen beliebt, mit der deutschen Aufrüstung, in Bild von der Abfahrt des englischen Ministerpräsidenten Mac Donald zur Konferenz — rechts: der französische Minister präsident Flandin und Außenminister Laval bei der Abreiss von Paris. Sämtliche Bilder: Wagenborg-Bildmaterndienst Stresa beschäftigen sollte, dann wird mau kaum so ehrlich sein, zu bekennen, daß die deutschen Maßnahmen nur die Folge einer sinnlosen Aufrüstungspolitik in Rom und Paris sind. Und solange man das nicht bekennt, und weiter Deutschland als den Sündenbock hinstellt, werden alle Konferenzen, auch Stresa, zwecklos sein. Erst wenn man so klug ist, Deutschland als gleichberechtigten Partner in Europa und auf Konferenzen anzuerkennen, wird man den Schlüssel zum Europaproblem gefunden haben.