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Zum 7V. Geburtstag des Generals Ludendorff. Ein historisches Bilddokumcnt aus dem Weltkrieg: General feldmarschall von Hindenburg und General der Infanterie Ludendorff mit der Operationsabteilung des Generalstabes des Feldheeres. Von der Ersten Reichstagung der Deutschen Arbeitsfront. Ein Bild von der Ersten Reichstagung der Deutschen Arbeits front in Leipzig: Blick in den festlich geschmückten Festraum während des Kongresses. Sämtliche Bilder: Wagenborg-Bildmaterndienst Ein neues viermotoriges Verkehrsflugzeug wurde jetzt von der Deutschen Lufthansa gemeinsam mit der Königlich-Holländische« Luftverkehrsgesellschaft für den Lüftverkehr Deutschland- Holland in Dienst gestellt. Die Maschine hat eine Flügelspann- weite von 33 Meter und befördert 32 Fahrgäste mit einer Reise geschwindigkeit von 270 Stundenkilometer. ZN NN/rV WM» Ein Erlebnis aus dem Ural, erzählt von Walter Michel- Saarbrücken. Wir hausten in den Wäldern des Ural und schlugen Holz. Mit achtundsiebzig Mann waren wir im Oktober her gekommen. Nun schafften wir noch zu sechsunddreitzig. Die andern waren tot. Gestorben an Hermweh. Erschlagen von stürzenden Bäumen. Verhungert. Im Trübsinn nachts aus der Baracke gewankt und erfroren. Verblödet. Not und Ein samkeit hatten sie zermalmt. In der Welt schrieb man Februar 1917. Wir steckten zwischen Eis und Schnee. Wir lebten wie lebendig Be grabene dahin. Zeit und Stundcnrechnung gab es für uns nicht. Wir redeten uns ein, der Krieg wäre schon lange beendet; nur uns wolle man nicht nach Hanse lassen. Das machte uns nervös und unleidlich. Beim geringsten Anlatz beschimpften wir uns, schlugen wir uns. Wir waren krank. Eines Abends rief mich Brückner, mit dem ich fliehen wollte, unauffällig aus der Baracke heraus. Wir trafen uns hinter dem Vorratsschuppcn. Der Wind heulte und warf uns eisigen Schneestaub ins Gesicht. Der Urwald stöhnte. Die russischen Wachtposten verkrochen sich in ihre Baracke. Sie hatten es gut. Sie trugen lange Schafpelze. Filzstiefel und hohe Pelzmützen, und während wir uns hungrig und frierend beim Holzfällen plagten, gingen sie in die Baracke, wenn sie wollten, um Weißbrot zu essen und heißen Tee zu trinken. Sie hatten ein gutes Leben. Dafür guälten sie uns. „Hast Du den Rucksack aus der Baracke geschafft?" fragte mich Brückner. Dabei holte er aus der Tasche Tabak, Ziegel tee und Streichhölzer. „Ja, Fritz", antwortete ich und hauchte in die krumm- gefrorcnen Hände. Er schwang sich auf das Dach des Vorratsschuppens. Mit einem langen Draht, den ich tags zuvor im Schnee versteckt hatte, in der Hand kletterte ich ihm nach. Wir lösten einige Bretter, ließen den Draht hinab und angelten eine Rinder gurgel herauf. Als wir wieder unten angekommen waren, sagte Brückner, ich sollte mich heute nacht bereit halten. Er würde mich am Schuppen erwarten. Ich vergrub daS Fleisch im Schnee, holte die Messer, die wir aus einem Sägeblatt heransgefeilt hatten, und legte sie dazu. Dann schlichen wir einzeln in die Baracke zurück. Mir bluteten die Hände. Ich hatte mich an einem Balken gerissen. Dann fanden wir uns beim Vorratsschuppen ein. Es war eine Helle frostige Nacht, am Himmel flimmerten die Sterne. Wir schlichen in den Stall, stahlen ein Pferd, holten den Rucksack, den wir einem Oesterreicher für fünf Zigaretten abgekauft hatten, schwangen uns auf und ritten unbemerkt los. Ich saß hinter Brückner.' Ich hatte noch nie auf einem Pferderücken gesessen und rutschte hin und her. Nach einer Stunde brannte mir das Gesäß wie Feuer. Ich wollte her unter. Brückner ließ es nicht zu. Da biß ich die Zähne auseinander, schlang die Arme um seinen Leib, schloß die Augen, schob das Kinn nahe an seinen Rücken heran, um mich vor dem beißenden Wind zu schützen, und wir ritten weiter ... Wir wollten zu einem Sägewerk, das zwei Tagereisen entfernt lag. Es hieß, die Kriegsgefangenen hätten es dort gut. Brückner kannte den Weg. Wir wollten dort nicht lange bleiben. Wir wollten heraus aus-den endlosen Urwäldern, näher an die Eisenbahnschienen heran. Wo Eisenbahnschienen liegen, pulst das Leben. Gegen Morgen stiegen wir ab. Wir wendeten das müde Pferd und jagten es zurück. Mir zitterten die Knie vor Frost und Schwäche. Wir liefen auf und ab und schlugen mit den Armen, um uns zu erwärmen. Dann suchten wir trockene Aeste, machten ein Feuer, füllten Schnee in den Teekessel und kochten uns Tee... Dann schlürften wir das heiße Getränk. Ich schluckte zu hastig, das graue WaOr verbrannte mir den Schlund. Weit vor uns stieg die Morgensonne auf. Nebelschwaden torkelten über die Schneefclder. Alles floß lräge ineinander: Schnee, Bäume, Wald und Himmel. Die Erde dampfte. Ich dachte an WAfe. Ich hatte keine Furcht. Sie waren schon öfter bis zu uns an die Baracke herangekommen. Wir hatten sie mit Aexten vertrieben. Jetzt freilich ... Wir brachen auf. Ich ging dicht hinter Brückner. Er war breitschultrig und groß. Sein Rücken deckte mich wie eine graue Wand. Der Tee hatte nns erwärmt, und die Gewißheit, mit jedem Schritt der Zivilisation naher zu kommen, machte mich froh. Ich fing vor Glück an ein Lied zu singen. Aber bald hörte ich wieder auf. Gege Mittag glitt Brückner ans und fiel hin. Er sprang hastig auf und stolperte weiter. Aber eine Weile später ge schah es ihm zum zweitenmal. Ich sah, daß er wankte. Die graue Wand vor mir schwankte hin und her. „Ist Dir nicht gut, Fritz?" — Er schüttelte den Kopf und gab keine Antwort. Ich ging nun als erster, schob den Kopf vor und kämpfte nnch mühsam durch. Am Nachmittag stießen wir auf einen zugefrorenen Fluß. Wir marschierten auf der rechten Seite. Plötzlich tauchten am anderen Ufer Wölfe auf, vier Stück. Ihre starken grauen Leiber hoben sich dunkel von der Weißen Schneedecke ab. Sie standen und glotzten. Ihre Augen schimmerten häßlich grün. „Zieh Dein Messer, Fritz! Siehst Du die Wölfe?" — Er stand zusammengesunken da und rührte sich nicht. Ich schüttelte ihn und schrie: „Wölfe! Himmel, so hör doch! Zieh das Messer, Fritz!" Da blickte er auf Wankte, knickte zusammen und wälzte sich im Schüttelfrost an der Erde. Seine verkrampften Finger wühlten sich m den Schnee. Ich stand einen Augenblick verzweifelt da. Ich wußte nicht, was ich tnn sollte. Dann überkam mich eine große Ruhe. Ich zog den zerrissenen Soldatenrock ans und warf ihn auf den kranken Kameraden, der im Fieber unsinniges Zeug redete. Ich nahm die Messer in die Fäuste und ging, emen Platz zu suchen, den ich verteidigen wollte. Ich sah einen Holz stoß und wollte ihn schon auseinanderreißen, um die Stämme um uns herumzulegen. Da fiel mein Blick ans eine verfallene Holzhütte, in der Waldarbeiter übernachtet hatten. Ich schob mich zurück, um Bruckner zu holen. Die Bestien heulten, kamen näher, sträubten das Fell und kratzten den Schnee, daß er hochauf wirbelte. Ich schrie sie an: „Fort! Weg!" Es war kindisch, trotzdem schrie ich immerfort und zog Brückner hinter mir her. In der Hütte, deren Dach der Wind heruntergerissen hatte, stand ein halbverfallener Lehmherd. Daneben lag ein Haufen Reisig. Ich versuchte die Tür, die an der Wand lehnte, in die Angeln zu heben. Aber sie waren verrostet und brachen ab. Da stellte ich die Tür von innen schräg gegen den Ein gang, verbarrikadierte sie mit Holzkloben und machte ein Feuer auf der Herdplatte an. Brückner wälzte sich auf der Erde. Er flatterte am ganzen Leib, seine Zähne schlugen aufeinander. Als ich ihm später den Teebecher an den Mund hielt, schlug er ihn mir aus den Händen. Ich zog ihn näher ans Feuer heran, setzte mich neben ihn und lauschte nach draußen. Die Wölfe mußten schon dies seits des Flusses sein. Die Dämmerung kam. Der Himmel wurde trübe, dann dunkel. Schneeflocken fielen. Der Wind tobte noch heftiger über die Ebene. Im Walde brachen morsche Aeste. Krachend fielen sie zur Erde. Brückner sang im Fieber ein Lied. Es klang schaurig und zerrissen. Dann lachte er hell und schrill auf. Mir rann ein Schauer über den Rücken. Ich rauchte nervös. Hastig stieß ich den Zigarettendampf durch Nase und Mund. Meine Hände zitterten vor Kälte. Ich saß in Hemdsärmeln. Durch das offene Hüttendach rieselte der Schnee auf uns herunter, laut los und dicht. Ich wurde naß. „Halt ihn fest!" schrie Brückner. „Das Biest... das Biest... hahaha..." „Fritz", sagte ich, „Fritz, sei doch verständig!" Ich ver krampfte die Finger ineinander. „Achtung! Da vorn kommen sie!" schrie Brückner gellend. „Kameraden... Kamera ..." In diesem Augenblick schnupperten die Wölfe an der Tür. Ein widerlicher Raubtiergestank drang zu mir herein. Ich sprang auf, nahm den bereitliegenden Knüppel und hieb wie von Sinnen gegen die Tür. Markdurchdringendes Aufheulen: Aa-ooch... heiseres Bellen. Ich schrie und fluchte und schlug wild um mich. Ich mußte etwas nm. Eine der Bestien sprang aufjaulend gegen die Tür. Die drohte nach innen zu fallen. Das brachte mich zur Besinnung. Ich stemmte mich mit dem Rücken gegen die Tür und stützte die steifen Arme auf die zitternden Schenkel. „Drück ihm die Gurgel zu!" schrie Brückner. „Feiges Ge sindel!" Er lachte wieder, — ein schauriges Meckern. Das Herdfeuer drohte zu erlöschen. Ich sprang hin und warf einen Arm voll Aeste auf die Glut. Dann stand ich wieder an der Tür. So vergingen Stunden, schleppend, endlos, Ewigkeiten. Hinter mir versank,das Leben. Manchmal fielen mir die Augen zu; ich knickte nach vornühLr und fiel auf das Gesicht. Brückner sang. Danach sank er in ersticktes Wimmern. Draußen rannten die Wölfe hin und her. Sie liefen fort, aber sie kamen immer wieder und scharrten an der brüchigen Tür. Sie waren hungrig nach uns. Plötzlich sprang Brückner auf. Er rannte zur Tür und wollte hinaus. Ich warf mich ihm entgegen. Wir rangen mit einander. Er war viel stärker. Er drückte mich gegen die Wand, daß mir der Atem stockte. Ich sah seine flackernden Augen über mir. Ich keuchte. Ich stöhnte. Der Schweiß brach mir aus. Ich fürchtete, in die Knie zu sinken. Die Bestien draußen tobten. Die Tür erhielt einen Schlag. Ein Pfosten fiel nm ... Da schoß ein: Helle Flamme lodernd hoch. Die linke Holz wand brannte. Die ganze Hütte fing Feuer. Das morsche, trockene Holz knisterte. Eine heiße Glut ergoß sich über uns. Graue Rauchfahnen stiegen auf. Ich schrie. Ich schrie. Die Not gab mir Riesenkräfte. Ich schleuderte den Kranken zu Boden, ergriff ein Messer, riß die Tür auf und sprang nach draußen. Die Wölfe waren fort. Das Feuer hatte sie ver scheucht. Am Himmel verblaßten die Sterne. Der Morgen zog herauf... Am Abend kamen wir auf dem Sägewerk an. ZS/MMF... Skizze von Walter Lammert. Die dreimotorige Ju brüllt auf. Kommt ins Rollen, knattert über das Feld, schneller, immer schneller, hebt sich mit einem eleganten Sprung und steigt in das Blau. Wie ein Donnergott jagt sie über das Häusermeer, über qualmende Schlote und Essen, über buntgezeichnete Felder und Wiesen und bald über weite, grüne Bergwälder. Gespenstisch huscht in der Tiefe der Schatten über die rauschenden Wipfel. Ich schaue durch das Kabinenfenster. Da! Welch selt samer Spuk! In das flimmernde Blau schießt plötzlich etwa 500 Meter seitwärts ein Weißes Phantom aus der Tiefe her aus, Wie aus dem Nichts. Bläht sich auf wie der Dampf aus dem Schornstein einer. Lokomotive in voller Fahrt, nur sekundenlang... um wieder zu zergehen. Wenige Augenblicke später... In dem Aetherraum, den wir mit 250 Stundenkilometer durchrasen, beginnt ein kurioses Geschehen. Schrapnellwölkchen quellen im Blau, daß sich dis Luft ausnimmt wie eine geblümte Wiese, werden in Gedanken schnelle zu spitzen Türmen, zu Riesenkegeln. Und dann ordnen sie sich wie Soldaten in Reih und Glied, die flirrenden Wänds der unheimlichen Gebilde werden starr. Silberne Riesen, Kolosse mit grellweißen Köpfen wachsen in unsere Flugbahn,! in ihnen brodelt, gärt und zischt es wie glühende Lava^ Zwischen den Nebcltitanen, die wie ungeheure Eisberge im Blau schwimmen und zuweilen ihre Flüge um das Flugzeug! schlagen, fliegen spielerisch kleine Brocken umher, ratlos, alK wüßten sie keinen Ausweg aus dem Labyrinth. Nach unten ist jede Sicht genommen. Ein wogendes Nebelmeer, aus dem zahllose Fontänen hepaufspritzen, in Flughöhe — und über uns schieben sich die gigantischen Wolkenwände zusammen, von der Sonne grell beleuchtet. Die Ju ist auf 3000 Meter gestie gen. Aber auch in dieser Höhe kann jeden Augenblick die Hölle losbrechen. Ein Hagelschauer prasselt kurz gegen Fenster und Verkleidung wie ein verirrter Streifen aus einem Maschinen gewehr. Jäh schrecken die Passagiere auf. Die Ju aber rast in höchster Fahrt, überbrückt mühelos Löcher und Buckel im Luftmeer. Am Steuer sitzt reglos der Pilot. In der Kurslinie vor uns bricht Plötzlich die schwarze Wand, und ehe man es faßt, leuchtet wieder blauer Himmel. Die Ju rast weiter, als sei nichts geschehen ... Aus der Funk- kabine wird ein Zettel gereicht. Die Passagiere ersehen, daß man gerade einen unerwarteten gefährlichen Unwetterherd mit Höchstgeschwindigkeit durchflogen habe... Nachtrag aus einer Abendzeitung dieses Tages: Herzfelde, 2. Juli (Drahtbericht). Ueber Herzfelde und weiterer Um gebung entlud sich ein furchtbares Gewitter. Hagel und Wolken bruch vernichteten die Ernte. Ein Wirbelsturm legte eine weite Strecke wertvollen Hochwaldbestandes nieder. Menschen sind wie durch ein Wunder nicht zu Schaden gekommen. Viel Kleinvieh ist ertrunken... Humor. „Denk dir mal, unser neues Hausmädchen und un ser voriges Hausmädchen sind miteinander verwandt." -- „Woher weißt du das?" —„Ja, die neue bat mir auch gesagt der Milchmann wär« ihr Cousin."