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Wittdrufter Tagevlatt 2. Blatt zu Nr. 40 — Sonnabend, den 16. Februar 1935 Tagesspruch Es ist der Glaub' ein schöner Regenbogen, Der zwischen Erd und Himmel aufgezogen, Ein Trost für alle, doch für jeden Wand'rer Je nach der Stelle, da er sicht, ein and'rer. Geibel. Ser Führer beglückwünscht Sr. Ley., Zum 45. Geburtstag. Der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler hat dem Reichsorganisationsleiter der NSDAP, und Leiter der Deutschen Arbeitsfront, Dr. Robert Ley, zu seinem 45. Geburtstag telegraphisch herzliche Glück wünsche zum Ausdruck gebracht. Ihre Glückwünsche haben ferner u. a. drahtlich aus gesprochen: Reichsminister Dr. Goebbels, Reichsminister Seldte, Minister Hermann Esser-München, Ministerpräsi dent Walter Koehler-Karlsruhe, Reichsstatthalter Martin jMutschmann-Dresden, Reichssportführer von Tschammer und Osten. Unter den Gratulanten befinden sich ferner viele Gauleiter der NSDAP., die Bezirks- und Gau- Walter der Deutschen Arbeitsfront, viele Gefolgschafts- Mitglieder größerer Betriebe aus dem Reich und auch viele Betriebssichrer aus allen Gauen Deutschlands. Werstbelegschaftrn seit 493L um 440 Prozent gestiegen. Am schwersten betrofsen von der Welle der Arbeits losigkeit, die unter den Systemregierungen immer höher anstieg, war die Werftindustrie. Immer mehr Werften mußten schließen und Ardener entlassen, weil die Wirt schaft zu schwach war, noch Aufträge zu geben. Aus einer jetzt aufgestellten Statistik deH Landesarbechsamts Nordmark geht hervor, daß die Belegschaft der Werften im Bezirk Nordmark seit der Machtergreifung durch die NSDAP, um 140 v. H. gestiegen ist. Wurden Ende 1933 10 223 Beschäftigte gezählt, sind es jetzt 24 522. Die Werften Haven sowohl Neubau- als auch Reparaturaufträge vorliegen. Trauerfeier in Kohlscheid. Beisetzung der Opfer von der Zeche Laurweg. Die Beisetzung der sieben Opfer der Wassereinbruchskatastrophe auf der Zeche La urweg bei Kohlscheid fand unter stärkster Anteilnahme der Be völkerung und insbesondere des gesamten Westdeutschen Bergbaues statt. An den aus einer Bühne aufgcbahrten Särgen hielten Arbeitskameraden der Verunglückten in Knappentracht mit umflorten Grubenlampen die Ehrenwacht. Abord nungen der verschiedenen Gliederungen der NSDAP., Fahnenkommandos der SA. und SS. sowie der Deut schen Arbeitsfront hatten sich eingefunden. General direktor Bergassessor Becker fand in seiner Traueran sprache Worte ehrenden Gedenkens für die toten Helden der Arbeit, deren auch Berghauptmann Heyer-Boun ge dachte. Gauamtsleiter Ohling widmete den Toten als Vertreter der Gauleitung einen Nachruf und legte im Auftrage des Reichsorganisationsleiters der NSDAP., Pg. Dr. Ley, einen Kranz nieder. Nachdem die Geist lichen beider Konfessionen die Trauerandacht gehalten hatten, setzte sich der Trauerzug in Bewegung. Matthias Thomas, Franz Krug und Gustav Prokoppa wurden aus dem Friedhof Kohlscheid der heimatlichen Erde übergeben, während die Leichen der Verunglückten Rosenthal, Paw- likowski, Meyer und Hick in ihre Heimat übergeführt Werden, nm dort beigesetzt zu werden. Kleinsiedlung wird stark erweitert. Reichsminister Seldte über die Neuregelung. Reichsarbeitsministcr Franz Seldte empfing in Berlin Vertreter der Tages- und Fachpresse, um sie mit den neuen Grundsätzen bekannt zu machen, nach denen die Kleinsiedlung nunmehr fortgeführt werden soll. Diese sei hauptsächlich dazu bestimmt, den im Zeit alter des Liberalismus entwurzelten deutschen Arbeiter wieder mit dem deutschen Heimatboden zu verbinden, seine Lebenshaltung wesentlich zu erleichtern und- zu der dringend notwendigen Auflockerung der großen Städte und dicht besiedelten Jndustriebezirke beizutragen. Die Maßnahmen, die er belanntgebe, sollten die Periode der Überleitung abschließen und nunmehr einen neuen Bauabschnitt der Kleinsiedlung nach neuen Grundsätzen einlciten. Am wichtigsten davon sei die sogenannte Ab lös u n g s a k t i o n. Von den Verfahrensträgern werde nachträglich eine Umfinanzierung der bisher errichteten Siedlungen in der Weise vorgenommen, daß sie die für bestimmte Siedlungsvorhaben gegebenen Reichsdarlehen ganz oder teilweise durch Fremddarlehen (Ablösungs darlehen) ersetzten und die so frei gewordenen Rcichsmittel für weitere Siedlungs- Vorhaben als nachstellige hypothekarisch zu sichernde Darlehen er neut verwendeten. Die Ablösungsmaßnahme solle er gänzt werden durch eine Reichsbürgschafts aktion für Kleinsiedlungen. Ferner seien künftig grundsätzlich alle ehrbaren, minderbemittelten deutschen Volksgenossen als Siedler zugelassen, die ebenso wie ihre Angehörigen national zu verlässig, rassisch wertvoll, gesund und erbgesund sind. Insbesondere seien also jetzt auch Vollbeschäftigte — ohne Rücksicht auf die Kinderzahl — bis zu einem Einkommen von 200 Mark monatlich ein bezogen. Zur Vermeidung von Fehlinvestitionen sei vor geschrieben, daß künftig neue Siedlungen nur mehr dort errichtet werden dürften, wo die wirtschaftliche Existenz der Siedler dauernd gesichert erscheine. Eine sorgfältige Siedlerauslese solle durch die Mit wirkung der Heimstättenkmter sichcrgcstellt werden. Inner halb des zügclasscncn Personenkreiscs sollten Front kämpfer und Kämpfer für die nationale Erhebung, Opfer des Krieges, der nationalen Erhebung und der nationalen Arbeit, in allen Fällen kinderreiche Familien, bevor- zugt berücksichtigt werden. Der Siedler solle über mindestens 1000 Quadratmeter Nutzland verfügen. Die Häuser sollten solide gebaut, aber einfach und zweckmäßig sein. Auf die gute wirtschaftliche Ausgestaltung der Stelle solle ebenso entscheidendes Gewicht gelegt werden wie aus die gewissenhafte Prüfung der Eignung der Siedler, auf eine sorgsame Betreuung und eingehende Wirtschafts- b e r a t u n g. In der Frage der Finanzierung wolle die Reichsregierung neue Wege gehen. In Zukunft sollten die Gesamtkosten der Siedlerstelle möglichst auf dem privaten Kapitalmarkt, durch private erste und zweite Hypotheken aufgebracht werden. Es ergehe daher der Appell an die Finanzierungsinstitute aller Art, Realkreditinstitute, Sparkassen, Lcbcnsversichcrungsgesell- schaften, Feuerversicherungsgesellschaften usw., angesichts der außerordentlichen Bedeutung der Kleinsiedlung mög lichst große Mittel für die Zwecke der Kleinsiedlung her zugeben. Drei Eintopfgerichte im Gasthaus. Am kommenden Sonntag. Der Reichseinheitsverbanö des Deutschen Gaststätten gewerbes teilt seinen Mitgliedern mit, daß für den kom menden Eintopfsonnlag, den 17. Februar 1935, folgende drei Eintopfgerichte für die Gaststätten vorgeschrieben sind: Suppentopf mit Einlage nach Belieben; Wirsing kohl oder Mohrrüben oder Kohlrüben mit Schweine- oder Rindfleischeinlaae: vegetarisches Gemüseaericht. „Em Mng von LügenZentralen um Deutschland." Mahnung eines Norwegers. Unter der Überschrift „Der Lügenring" befaßt sich in der norwegischen Zeitung „Tidens Tegn" der auch in Deutschland bekannte Norweger Harry H ö st mit den Erfolgen des nationalsozialistischen Aufbauprogramms in Deutschland. Ausgehend von dem kürzlich gemachten Vor schlag der norwegischen Arbeiterpartei, daß kein norwe gischer Sportsmann zusammen mit deutschen Sports leuten an internationalen Wettkämpfen teilnehmen dürfe, schreibt er u. a.: „Was die Verhältnisse in Deutschland angeht, so ist die Wahrheit niederschmetternd für die Arbeiterpartei und für Deutschlands viele sonstigen Feinde. Hitler führte vor zwei Jahren seine Revolution durch und hat schon in diesen zwei Jahren ganz ver öl üffendeErfolge erzielt." Nachdem er dann an Hand statistischer Unterlagen die Fortschritte des nationalsozialistischen Regimes, ins besondere auf dem Gebiete der Arbeitsbeschaffung und der Förderung der Industrieproduktion, dargelegt hat, schließt er mit einem Appell an die norwegische Presse zur objektiven Berichterstattung: „Deutschland ist umgeben von einem Ring von Lügen- zentralen in Prag, Zürich, Paris und Amsterdam. Wenn die Marxisten Deutschland etwas Schlechtes antun können, so sind sic gleich zur Stelle, und die europäische und nordische Presse zeigt leider gute« Appetit, wenn es sich um Scnsatiansgclüstc vom Dritten Reich handelt. Die nntimarxistischc Vrefsc sollte im Gegenteil allen Grund haben, mit Respekt auf ein Volk zu scheu, das mit allen Kräften versucht, aus dem Sumps hcrauszukommcn, und das den Sieg des Marxismus in Westeuropa verhindert hat." Deuischland als Beispiel. Eine begeisterte französische Stimme zur Berliner Automobil nusstellung. Der Sonderberichterstatter der Pariser Sporttageszeitung „L'Auto", Charles Faroux, berichtet ausführlich über die Eröffnung der A n l o m o b i l a n s st e l l u n g in Berlin. Der französische Berichterstatter macht ans seiner Bewunderung kein Hehl: „Was ein Manu zustande bringen konnte . . .", so lautet die vielsagende Überschrift dieses Artikels. Faroux beschreibt das Erscheinen des Führers und Reichskanzlers und erklärt, er mache einen erstaunlich jungen Eindruck und löse eine Art dionysische Begeisterung aus. Deutschland habe, so faßt Faroux seine Eindrücke zu sammen, nach den ersten zehn Jahren der Ohnmacht feit Kriegsende sich aufgcrafft und habe seine Haltung und seine Disziplin wiedergesundeu, es fasse seinen organisato rischen Willen zusammen. Das sei darauf zurückzu- fiihren, daß nian es verstanden habe, ihm ein Ideal mit einer Mystik vorzuschlagen, die Mystik der Arbeit. Das sei ferner darauf zuriickzusühren, daß man alle egoistischen Regun gen niedergekäm P f t habe, vor allem den Geldegois- m u §, und das sei vor allem daraus zuriickzusühren, daß man eine sportliche, begeisterte Jugend gcschafsen habe, wie sie in Europa gleichsam einzig dastehe. Das deutsche Volk habe seine Würde wiedergesnnden; weshalb sollte das eine Ge fahr sein? Er, Faroux, erblicke darin vor allem einBeispiel. Großes Interesse in Dänemark. Mehrere dänische Blätter berichten ausführlich über die Eröffnung der Berliner Automobilausstellung. „Ber- lingske Tldcnde" schreibt: Die Ehre dafür, daß Deutschland heute das Land ist, das aller Wahrscheinlichkeit nach innerhalb Europas Automobiltndustrie führend sein wird, kommt ohne einen Zweifel Adolf Hitler zu, der in einem Augenblick, da man in Europa nicht mehr mit Deutsch land als mit einem Faktor im Kampfe um den internationalen Automobilbau rechnete, eine Industrie „in Gang zwang", die nun von gewaltigen Ausmaßen ist. „D a g e n s N y h e t c r" stellt fest, daß die Eröffnung der Ausstellung von riesigem Ausmaß gewesen sei. Das Blatt weist daraus hin, das; besonders von englischer und fkandinavischer Seite der Ausstellung großes Interesse cnlgegengebracht werde. Ein Zeichen für dieses große Interesse ist die Tatsache, daß das eben genannte Blatt vom 17. bis 20. Februar eine Sonderfahrt zum Besuch der Berliner Automobilausstellung veranstaltet. Vrkebvrreobtscbutr: bunt Türme-Verlag, Halls (Lsale). s27 »Sie sahen also auch die tiefen Spuren des Leides?" fragte er bewegt. „Oh, Herr Doktor... Sie muß unsagbar Schweres durchzumachen haben. Und der Kasernenhofton Henne bergs schien nicht einmal vor ihr haltzumachen", erinnerte sich Kraus laut und eifrig. „Dann habe ich eine doppelte Pflicht. Nun soll mich die Gefahr des australischen Urwaldes nickt mehr schrecken." Hartmuts Stimme war wieder fest und metallenhart. Kraus aber war es, als sei doch noch Hoffnung auf Rettung, wenn sein Chef nur wieder der alte war. Und mit Waffen versehen, verabschiedeten sie sich von dem einsam schaukelnden Flugboot zum gefährlichen Marsche durch den australischen Urwald. Zwölftes Kapitel. «..Der nächste Morgen schon hatte Jrmingart über das Tätern des Rund-um-die-Welt-Fluges Aufklärung ge- oracyt, denn überall stand in riesengroßen Buchstaben die Lenfationsmeldung: „Der Weltflieger von Campcath ver- schollenN«, an den Zeitungsständen. ^rmingart war es, als müsse sie ohnmächtig zusammen- Roch einige Schritte taumelte sie, kaum fähig, sich aufrecht zu halten, dann stand sie im schützenden Halb dunkel eines Hauseinganges und hielt vr» Hand gegen das heftig Pochende Herz. „Hartmut! Ein kurzer Traum... Gott möge dich schützen in deinem ungewissen Schicksal." Das waren Worte, die der furchtbare Schmerz ihr über die Lippen drängte. Dann tanzten schwarze Punkte vor Jrmingarts Augen; plötzlich war ein großes kreisendes Rad da und drehte sich — und drehte sich... Hart wie im Fieber schlugen ihre Zähne aufeinander. Die Lippen wurden blutleer, aber mit letzter, fast über menschlicher Kraft hämmerten ihre Gedanken: Nur nicht schwach werden, nur nicht! Der Vater... Du mußt tapfer sein! — Da hatte sie die Ohnmacht, die sie heftig umklammern wollte, besiegt. Mühsam setzte sie Schritt für Schritt. Nun war das Furchtbare doch eingetroffen. Ob der Vater es schon geahnt, ob er es vielleicht schon gewußt hatte? Hatten seine liebevollen, zarten Worte sie vorbereiten wollen? Bleich und müde kam Jrmingart endlich ins Geschäft. Wieder stand Henneberg in der Tür, und seine wulstigen Lippen zeigten ein widerliches, fast boshaftes Lächeln. „Na, endlich ausgeschlafen? Oder sind Sie vielleicht in der Nacht im australischen Busch gewesen und haben Ihren Flieger gesucht?" Mit welch grausamer Brutalität brachte dieser Mensch es fertig, über das tragische Geschick Hartmut von Camp raths zu lachen?! Jrmingart wand sich unter seinen zynischen Worten wie unter Peitschenhieben. Henneberg aber war tatsächlich recht angenehm berührt von diesem Ausgang des Fluges und dachte: Nun wird sie sich endlich den Kerl aus dem Kopse schlagen, der ihr mit seiner markanten Visage Rosinen 'reinqesetzt hat. — Mit seinen breiten Seemannsschritten ^ging er un entwegt im Laden auf und ab. Eine Verkäuferin nach der anderen schlupfte aus dem Ankleideraum in den Laden. Jrmmgart von Schadow heute zuletzt. „Setzen Sie gefälligst auch eine Haube auf, wenn Sic bedienen!" ichjckte Henneberg sie zurück. Einen Augenblick lang schien es, als zögere Jrmingart. Dann stand sie mitten im Laden und sah mit traurigen Augen in das Gesicht Hennebergs. „Sie haben mir aber doch selbst das Tragen einer Haube untersagt, Herr Henneberg", wagte sie ganz ruhig einzuwenden. „Das war einmal, wie Ihr Traum von dem Flieger — verstanden?" war die freche Antwort. Ruhig ging Jrmingart in den Ankleideraum zurück. Doch dann fiel ihr ein, daß sie ja gar keine Haube besaß. Ob eine der Kolleginnen ihr wohl einmal aushelfen konnte bi^ zur Mittagszeit? „Würden Sie mir bis heute mittag einmal aushelfen, Fräulein Martin?" Die Angeredele sah die schöne Kollegin zunächst über rascht an, doch dann wechselte sie blitzschnell einen ver ständnisinnigen Blick mit der Warner. „Nee, wissen Sie, wir hatten schon einmal einen Lehr ling aus Ihrer Mietkase^ne, wo Sie wohnen, und die hatte uns höchst unwillkommene Tierchen mitgebracht. Und wenn Sie zehnmal adlig sind, dafür können wir uns nichts koofen — Vorsicht ist die, Mutter der Porzellan kiste!" Henneberg, der nicht weit von den Mädchen stand, hielt sich seinen dicken Bauch vor Lachen über die schlagfertige Antwort. Jrmingart aber stand puterrot vor der jüngeren Kol legin und sah ihr mit einem so seltsamen Ausdruck von Trauer und Erstaunen in die Augen, daß diese betroffen schwieg. „Hier bitte, ich habe noch eine saubere Haube mit", hörte sie da plötzlich eine Stimme hinter sich. Als Jrmin gart sich umsah, schaute sie in ein blasses, kleines Kinder gesicht. „Ich danke Ihnen herzlich, Erna", sagte Jrmingart leise. Das junge Mädchen aber ging ruhig trotz der ver nichtenden Blicke der Warner zurück zum Verkaufstisch und arbeitete weiter. (Fortsetzung folgt.)