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MsdrufferTageM Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Stadt rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks LwL Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogcn werden muh oder der Auitraggeber^jn^Kon^ gerät. Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Das »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags -4 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— NM. frei Haus, bei Postbestellung 1.80 NM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Postanstalten und Past oren, unsere Austräger u. k..- Geschäftsstelle, nehmen zu jederzeit Bestellungen ent- sUk U. UlNslelieNibl gegen. Im Falle höherer v-ewalt, jod. sonstiger . —— Betriebsstörungen besteht «ein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur. wenn Rückporto beilieg». Nr. 30 — 94. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Tageblatt* Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 5. Februar 1935 Zögerndes Entgegenkommen. Der französische Ministerpräsident Flandin hat, even erst auf dem Flugplatz Le Bourget in Frankreich von den Londoner Verhandlungen eingetroffen, den ihn dort Erwartenden sofort zugerufen, der Abschluß von London habe „für Frankreich und den europäischen Frieden* neue Sicherheit gebracht. Nach der Ansicht des zur Zeit für die französische Politik maßgeblichen Mannes wären also der Friede Europas immer noch gleichbedeutend mit dem Frieden Frankreichs und die Sicherheit Europas mit der Sicherheit Frankreichs. Run, so weit wäre alles streng im Rahmen der neu französischen Tradition geblieben, und auch die Methodik dieser mehrtägigen Londoner Gespräche zwischen den führenden Kabinettsmitgliedern der englischen und der französischen Negierungen hält sich äußerlich ganz im Stil hinreichend bekannter Entenleverhandlungen. Es war alles „wie einst im Mai": Frankreich und Eng land setzten sich erst mal allein zusammen an einen Tisch, bandelten vorher die Themen genau aus und servieren am Ende der übrigen Welt als Ergebnis ihrer Separs- gespräche so etwas wie eine fast fix und fertige Ge brauchsanweisung für die Behandlung der den Nutz nießern von Versailles bisher unbequemsten Fragen, als da sind Völkerbundsverfaü, Ab- und Aufrüstung, Ostpakt, Donauraum und einiges mehr. Und trotz alledem sind auffallende Ände rungen der politischen Haltung da, die man noch vor einem Dreivierteljahr sowohl in Paris wie in London ins Reich der Fabel verwiesen hätte. Die Note des verstorbenen französischen Außenministers Barthou vom >7. April hatte den aus Grund englischer Vorschläge ziemlich aussichtsreichen Vorverhandlungen mit Deutsch land brüsk ein Ende gemacht. England ließ eine Höflich keitspause verstreichen und begann dann neue Sondie rungen. Diese schienen um so leichter möglich, als in zwischen in Frankreich das „Kabinett der alten Männer", Doumergue-Barthou, von jüngeren Kräften unter Füh rung eines Frontkämpfers, des Kampffliegers Flandin, abgelöst worden war. Die größere Anpassungsfähigkeit dieser neuen Männer an neue Tatsachen der europäischen Politik ermöglichte es England, noch vor Beginn und auch während der Dauer der Londoner Verhandlungen wiederholt versichern zu lassen, daß Deutschland auf keinen Fall wieder vor eine vollendete Tatsache gestellt werden solle. Wie weit man das zu verwirklichen ge denkt, steht auf einem anderen Blatt; auf jeden Fall be deutete diese Erklärung ein Abrücken von den berüch tigten Gepflogenheiten der „Sieger von Versailles". Ferner: noch das bekannte Memorandum des eng lischen Ministerpräsidenten MacDonald vom vergan genen Jahr hatte von einem Zugeständnis gegenüber Deutschland in der Frage der Luftwaffe nichts wissen wollen. Wenn Deutschland jetzt zum Beitritt zu einem locarno-artigen Luftabkommen der beiden Westmächte eingeladen wird, dann kann das nur dann einen Sinn haben, wenn Deutschland nicht mehr nach dem Buchstaben des Versailler Diktates in der Luft wehr los ist. Und damit sind wir mitten im Hauptproblem der Londoner Abmachungen, wobei es gleichgültig ist, ob man es Deutschlands Gleichberechtigung oder Auf- oder Abrüstung nennt. Hier spielen gegenüber der früheren Haltung der Westmächte sogar zwei Änderungen zugleich hinein: einerseits das deutliche Bestreben Englands, zu nächst einmal die Grundlagen eines auch fürDeutsch- Iand annehmbaren allgemeinen Abkommens zu schaffen, andererseits den Teil V des Versailler Diktates über die einseitige Entwaffnung Deutschlands, über die sogenannte „Abrüstung" usw. in einer für alle Partner tragbaren Weise aus der Diskussion und überhaupt aus der Welt verschwinden zu lassen. Wenn es freilich in der Londoner Verlautbarung noch heißt, „daß weder Deutschland noch irgendeine andere Macht, deren Rüstungen durch die Friedensverträge bestimmt worden sind, berechtigt ist, durch einseitige Aktionen diese Verpflichtungen abzu ändern", dann ist demgegenüber mit aller Schärfe festzu stellen, daß die Rüstungen der anderen Mächte genau wie die Deutschlands durch den Versailler Tert „bestimmt" worden sind, nämlich Abrüstung nach erfolgter Entwaff nung Deutschlands, und daß gerade Deutschland es ist, das seit fünfzehn Jahren auf die Einlösung dieser Verpflichtung durch die anderen Mächte vcrgeb- l i w wartetl Der Vorwurf „einseitiger Aktionen" wäre also vor allem gegen den wahnwitzigen Rüstungstaumel Frankreichs zu richten, und es ist angesichts dieser Tat sache schon eine Art von Entgegenkommen, wenn in dem vorhin zitierten Satz des Londoner Communiquds die Worte „noch irgendeine andere Macht" enthalten sind. Der merkliche Fortschritt aber, der auch in diesem Teil der Londoner Mitteilungen enthalten ist erscheint in zwei Punkten. Erstens w'rd bewnt, daß ein allgemeines Abkommen zwischen Deutschland und den anderen Mächten „s r e i" abgeschlossen werden soll; dieses „frei" kehrt gleich darauf bei der Erörterung etwaiger Einzelpakte tm gleichen Zusammenhang nock einmal wieder Das sollte MW der Londoner Vorschläge. Der englische und der französische Solschaster beim Wrer. Der englische Botschafter Sir Eric Phipps erschien am Sonntagmittag beim Ncichöaußcnministcr Freiherrn von Neurath und übermittelte ihm den vorläufigen Text des englisch-französischen Communiquss. Der Reichs- aufrcnministcr meldete dann den englischen Botschafter aus seinen Wunsch für den Abend beim Führer an. Auch der französische Botschafter Franyois-Ponret äußerte den Wunsch nach einer Unterredung mit dem Führer. Frei herr von Neurath begab sich darauf am Sonntagabend mit dem englischen und dem französischen Botschafter zum Führer. Am Abend übergab dann der englische Botschafter dem Reichsaußenminister das endgültige Londoner Communiquö. * Eine Ltniefhauserklärung Simons. Die Londoner Besprechungen in einem Weißbuch niedergelegt. Im englischen Unterhaus beantwortete Außen minister Sir John Simon einige Anfragen des Oppositionsführers Lansbury zu dem englisch-fran zösischen Verhandlungsergebnis. Simon wies darauf hin, daß der Wortlaut der amt lichen Mitteilung, die die Ergebnisse der Besprechungen zwischen den britischen und französischen Ministern ent halte, jetzt in einem Weißbuch veröffent licht worden sei. Diesen Bericht über die Besprechungen könne er zweckdienlicherweise im gegenwärtigen Augen blick nicht weiter ergänzen. Jedoch erklärte Simon noch zu dem in dem Kom munique vorgeschlagcnen Luftabkommen folgendes: „Ich möchte bezüglich des Planes zur Schaffung eines Abschreckungsmittels gegen einen nicht herausgeforderten Luftangriff in Westeuropa hinzufügen, daß zwischen den französischen Ministern und uns vereinbart worden ist, daß, wenn der Plan angenommen wird, unsere eigene Verpflichtung sich nicht auf Fälle aus- dienen würde, die über die Art von Fällen hinausgeht, die bereits durch die Locarno-Verpflichtungen vorgesehen sind." Auf die Frage Lansburys, ob Simon irgendwelche Informationen über den Standpunkt besitze, den die deutsche Regierung gegenüber dieser vor geschlagenen Abmachung wahrscheinlich einuehmen würde imd zweitens, wann das Unterhaus in der Lage sein werde, den Plan zu erörtern, erwiderte Simon: „Was den ersten Teil der Frage betrifft, so würde es zu früh sein, eine endgültige amtliche Antwort zu erwarten. Auf den zweiten Teil der Anfrage Lansburys ant wortete MacDonald, indem er bemerkte, es sei ganz klar, daß eine Aussprache im Unterhaus statt finden müsse „über das, was gestern getan worden ist und >vas infolge dieses Beschlusses folgen mag". Der Führer der Liberalen, Sir Herbert Samuel, gratulierte dann dem Außenminister zu dem Erfolge der Londoner Besprechungen. Er hoffe, daß die Besprechungen die Regierung nicht veranlassen würden, ihre Be mühungen zur Erreichung einer Abrüstungs konvention einzustellen. Simon versicherte darauf dem liberalen Parteiführer, daß er in dieser Hinsicht nicht beunruhigt zu sein brauche. sinngemäß den Verzicht auf die früheren Druckmethoden bedeuten. Diese Vermutung gewinnt um so mehr Wahr- scheinlichkeit, wenn man bedenkt, daß ja die für die West mächte bisher unerläßliche Bedingung, nämlich der Wiedereintritt Deutschlands in den Völkerbund vor irgendwelchen Verhandlungen mit ihm, schon in diesen Londoner Mitteilungen fallengelassen worden ist. Und zweitens, das Communiqus hat zwar die Fünf- mächte-Erklärung vom 11. Dezember 1932 über die Deutschland zu gewährende Gleichberechtigung nur er wähnt, ohne zunächst mehr zu diesem wichtigsten aller Themen zu sagen; aber es spricht andererseits ganz offen von der Absicht einer „Ersetzung" der diffamierenden Bestimmungen des Teils V des Versailler Diktates durch eine neue allgemeine Regelung der Rüstungsfrage. Auch an dieser von früher her gewohnten Stelle spricht das Commumqus von einer Rückkehr Deutschlands nach Genf nicht mehr als Bedingung Soviel haben jedenfalls die englisch-französischen Ver handlungen gezeigt, daß man es sich auch in Paris langsam abgewöhnt, Deutschland als eine beliebig hin- und herschiebbare Figur aus dem europäischen Schachbrett zu verwenden. P. A. R. Au-enmmistcr Laval zu dem Londouer Verhandlmgsergevms. In einer Unterredung mit dem Vertreter des holländi schen Blattes „Telegraaf" erklärte der französische Außenminister Laval zu den Londoner Besprechungen: „Niemand würde sich mehr freuen als ich, wenn unsere Schritte zu einer Annäherung an Deutschland führen würden." „Die Anerkennung der deutschen Aufrüstung und der deutschen Ansprüche auf eine Luftflotte ist in der an die Reichsregierung ergangenen Einladung, einer Luft- konvention beizutreten, enthalten. Das vorgcschlagcne Verfahren verbürgt auf die gleiche Weise Deutschlands Gleichberechtigung. Dies alles wird nicht nur gesagt, sondern verwirklicht. Von ganzem Herzen hoffen Flandin und ich, daß Deutsch land auf den dringenden Appell, den wir an es richten, eingehen wird. Wir haben in London hart für den Frieden gearbeitet. Der erstrebte Vertrag ist frei von allen Hinter gedanken. „Die Lustkonvention", erklärte Laval weiter, „befindet sich zur Zett erst im Stadium eines Planes und hat noch nicht die Form eines festen Paktes angenommen. Durch den Luftpakt wircd Frankreich die Unverletzlichkeit britischen Hoheitsgebietes garantieren, wie England bei dem Locarno-Vertrag Frankreichs Unversehrtheit im Falle eines nichtprovozier- ten Angriffes gewährleistet. Falls Deutschland dem gegenwärtigen Pakt beitritt, so ist eine dreifache Garantie gegeben, die in jedem Falle in Wirkung tritt, sobald das Gebiet eines der Kontrahenten, zu denen man auch Belgien zu zählen hofft, verletzt wird." Ser .Völkische BeMchler' Mr die Londoner Vereinbarung. Berlin, 5. Februar. 8m „Völkischen Beobachter" wid met Alfred Rosenberg dem amtlichen Kommunique über den Inhalt der Londoner Besprechungen einen Leitaussatz, in dem es u. a. heißt: Begrüßenswert ist, wenn die britisch--franzvsi- schen Minister der Anschauung sind, jetzt eine direkte und wirk same Zusammenarbeit mit Deutschland anzustreben. Wir sind sogar der Ueberzeugung, daß es vielleicht zweckmäßiger ge wesen Wäre, über Deutschland nicht erst in Rom und in Lon don zu verhandeln, sondern sich amtlich und unmittelbar über die deutsche Auffassung auszusprechen, sonst könnte nämlich, wenn das so weiter geht, in der ganzen Welt der sehr posi tive Eindruck entstehen, als ob hier tatsächlich nicht eine Zu sammenarbeit, sondern von gewißer Seite eine Ausschaltung Deutschlands angestrebt wird mit dem Ziele einer Einkreisung des Deutschen Reiches, nachdem man seinen Abrüstungsver pflichtungen 15 Jahre nicht gefolgt ist. Wenn die Minister der beiden Staaten darin irbereinstimmen, daß niemand berechtigt ist, die durch die Friedensverträge festgelegten Rüstungen durch einseitige Aktionen zu ändern, so sind wir damit durchaus ein verstanden. Es fehlt dann aber doch der Hinweis daraus, daß eben die in Frage kommenden zur Abrüstung verpflichteten Staaten diese Aenderung bereits einseitig dadurch vorgenom men haben, daß sie nicht abgerüstet, sondern in riesiger Form ausgerüstet haben. Hier liegt also bereits seit Jahren eine ein seitige Abänderung vor, und deshalb können diese Staaten sich nicht etwa zu Richtern auswerfen, falls ein Staat im Laufe der Jahre gezwungenermaßen auch zur Ueberlegung ge kommen sein sollte, in irgend einer Form eine Aenderung auch seines Verteidigungszustandes anzustreben. Auch wir sind der Ueberzeugung, daß eine allgemeine Regelung, die frei zwifch-n Deutschland und den anderen Mächten abgeschlossen wird, einen bedeutenden Fortschritt darstellen könnte, wenn die Gleichberechtigung von beiden Seiten von vornherein garan tiert erscheint. Das ist die Voraussetzung, unter der eine Un terhandlung allein fruchtbringend sein kann, und die Bespre chung dieser Grundfrage kann nickt unmittelbar vermengt wer den mit Fragen, die andere politische Probleme betreffen. Ans diesem einen Gesichtspunkt der klar anzuerkennenden deutschen Gleichberechtigung kann sich dann — so hoffen wir — das er strebte „System der Sicherheiten" ergeben, und daß der Teil 5 des Vertrages von Versailles hiermit schon sowohl von Eng land als auch von Frankreich preisgegeben wird, erscheint uns als ein doch zu Hoffnungen berechtigendes Anzeichen da Ar, daß man nunmehr auch der deutschen Verteidigung das znsprechen will, sich so zu gestalten, wie es die offenen deutschen Grenzen erfordern.