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WUdmUAgeblalt alle anderen Stande des M'lsdruffer Bezirks Anzeigenpreise laut aufliegendem Tcirif Nr. 4. — Nachweisungs-Gebührs 20 Rpfg. Erscheinungslage und Platzvorschriflent werden nach Möglichkeit berücksichtigt. — Anzeigen -Annahme bis vormittags 10 Uhr. / cv, Für die Richtigkeit der durch Fernruf ubermit- Fernsprecher: Amt WllsdrUff Nk. 6 reiten Anzeigen überneh. men wer keine Gewähr. — Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muh oder der Auftraggeber jn Konkurs A gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen dey AmWauptmannscha^ Meißen, des Stadt rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Das »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an ollen Werktagen nachmittags 4 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. frei Haus, bei Postbestellung 1.80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpsg. 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Und er hat Treuhänder und nichts als Treuhänder zu sein ganz besonders in der Zeit, da er nun die Ent scheidung darüber fällt, „unter welche Staatshoheit das Saargebiet gestellt werden soll". Der Völkerbund hat nun zu entscheiden „unter Berück sichtigung des durch die Volksabstimmung ausgedrückten Wunsches-, wie es im Paragraphen 35 der Anlage zu dem oben erwähnten Artikel des Versailler Vertrages heißt. Die Berücksichtigung des Wunsches der Bevölkerung ist also verpflichtend. Und nur dieser Wunsch darf über haupt berücksichtigt werden. Nicht aber irgendwelche sonstige Wünsche wirtschaftlicher, politischer, geographi scher oder gar militärischer Art. Oder gar irgendwie andere kurzlebige Erinnerungen an frühere gewaltsam herbeigeführte Grenzziehungen! Man kann das gar nicht laut genug sagen: Das Saarstatut des Versailler Ver trages nimmt nur Rücksicht auf den Wunsch des Saar volkes, der in der Abstimmung zum Ausdruck gebracht wurde. Natürlich ist es als völlig ausgeschloffen anzusehen, daß die Völkerbundsvollversammlung selbst nun etwa die Entscheidung fällt. Dafür ist der V ö l k e r b u n d s r a t da. Denn ihm war bisher schon durch Gewohnheitsrecht die Behandlung der zahlreichen Saarfragen und Saar- klagen übertragen. Und eine Vollversammlung des Völker bundes findet überhaupt erst im Herbst d.'I. statt. Aber so lange mit der Entscheidung zu warten, hieße mit dem Saargebiet und dem Saarvoll nichts anderes als ein übles Spiel treiben. Des Treuhänders Pflicht aber ist es, dafür Sorge zu tragen, daß das ihm anvertraute Gut nicht Schaden leidet. Zu diesem Gut gehören hier aber mehr als 800 000 Menschen, die „ihren Willen zum Ausdruck gebracht haben, unter welche Staatshoheit das Saargebiei gebracht werden soll". NaschalsomutzderVölker- bundsratentscheiden. Er darf nicht viele Monate mit seiner Entscheidung warten, wie es vor vierzehn Jahren nach der oberschlesischen Abstimmung geschah. Und im vorigen Jahre haben wir oft und deutlich verspürt, welch starke Kräfte tätig waren, um die Abstimmung und damit die Entscheidung selbst hinauszuzögern. Das erstere ist mißlungen. Die Abstimmung hat stattgefunden. Uns das Saarvolk ebenso wie Deutschland haben das Recht, zu verlangen, daß die Feststellung durch den Völker bundsrat schnellstens vollzogen wird. Zur Zeit tagt er ja in Genf, und selbstverständlich beherrscht die Lösung der Saarfrage dort die Gespräche der Delegierten und ihrer politisch-journalistischen Umwelt. Beschlossen hat der Völkerbundsrat, das endgültige Schicksal des Saargebietes „m it größter Beschleunigung- zu regeln. Und das; er dabei den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Bevölke rung Rechnung tragen wolle, ist angesichts des bisherigen, ganz unerträglichen Schwebezustandes eine Selbstverständ lichkeit. Da mutz wirklich „mit grötzter Beschleunigung- Schluß gemacht werden. Das ist ja auch deswegen not wendig, weil man — entgegen den so oft geäußerten deut schen Wünschen — die Saarsrage zu einem ganz großen Problem der europäischen Politik gemacht hat. Jn seinem Ausruf an die Saarbevölkerung hat der Völkerbundsrat nochmals versprochen, seine Entscheidung „so schnell wie nur irgend möglich- zu treffen! Daß die Feststellung nun auch rasch getroffen werden soll, ist daher zum mindesten recht wahrscheinlich. Das ergibt sich übrigens auch aus einer etwas komisch anmuten- den Nebenerscheinung der allerletzten Endphase des ganzen Kampfes: Laut Mitteilung ausländischer Pressevertreter hat die — Abwanderung aus dem Saargebiet in diesen Tagen eine bemerkenswerte Steigerung erfahren. Die Emigranten und Separatisten scheinen also schnell aus ihrem Schifflein selbst herausgesprungen zu sein. Ob man sie draußen gerade mit liebenden Armen aufnimmt, halten üe selbst kaum als sehr wahrscheinlich! Rasche Arve« vsn Genf verlangt. Es ist keine Übertreibung, wenn man sagt, daß die führende Presse in ganz Europa und weit darüber hin aus am Sonnabend und Sonntag von der Saarabstim- nmng beherrscht war. Mit ganz wenigen Ausnahmen, etwa der bekannten französischen Chauviniitenblätter. ver trat man Überall Sie Überzeugung, daß sich eine er drückende Mehrheit für Deutschland ergab, und man ver langte fast durchweg, das? der Völkerbund durch größte Beschleunigung seiner Beschlüsse die umgehende Rück gliederung der Saar zu Deutschland ermöglicht. Es ist, wenn man einmal ein paar Beispiele Äwa aus der englischen Presse herausgreifen will, schon alles mögliche, wenn die gewiß nicht sehr deutschfreundliche offiziöse „Times" einen dem Abstimmungsergebnis ent sprechenden Beschluß des Völkerbundsrates „sofort nach der Abstimmung" verlangt. Und der ein flußreiche „Daily Telegraph" schreibt u. a.: „Bei einer klaren Mehrheit für die Rückkehr nach Deutschland ist eine sofortige Entscheidung wünschenswert. Voraussichtlich wird der Völkerbundsrat das Ab stimmungsergebnis in großzügiger Weise beur teilen." Und sogar die konservative „Morning Post", die oft und gern ihr Mütchen an Deutschland kühlt, stellt fest: „Deutschland hat einen großen diplomatischen Sieg errungen, daß es erreicht hat, daß der Völkerbundsrat sofort in seiner jetzigen Sitzung die Entscheidung über die Saarfrage fällt. Dieser diplomatische Triumph kann als Gegengelvicht gegen die römischen Abmachungen zwischen Frankreich und Italien angesehen werden." Ähnliche Stellungnahmen finden sich u. a. auch in führenden belgischen Blättern. Der Völkerbund hatte sich noch in letzter Stunde vor der Abstimmung mit einem Aufruf an die Saar bevölkerung vernehmen lassen, in dem die etwas er heiternde Aufforderung zu lesen stand, man solle doch nur ja die Ruhe bewahren. Wir wollen zugunsten der Genfer Weisen annehmen, daß sich diese Aufforderung an die Adresse der Separatisten richtet, obwohl ja besagte Weise beispielsweise der Willkür des Herrn Knox keiner lei Zügel anlegten und dadurch selbst alle nur erdenkliche Unruhe in die friedliche Saarbevölkerung getragen haben. Verzeichnen wir noch als interessants Symptom, daß die Landesleitung der „Vaterländischen Front" in Vorarl berg, Österreich, in einer Kundgebung zur Saar- aüstimmung schreibt: „Das wäre ein schlechter Österreicher, der nicht wünschen würde, daß das Saargebiei zu Deutsch land zurückkehre". Aus Wien selbst war dergleichen bisher nicht zu vernehmen. Dienstag 8 Uhr Abstimmungsergebnis. Der deutsche Rundfunk und die ihm angeschlossenen Sender der Welt übertragen am Dienstag morgen um 8 Uhr aus Saarbrücken das Abstimmungsergebnis des 13. Januar. Unmittelbar im Anschluß an die Verkündung des Abstimmungsergebnisses spricht der Saarbevollmäch tigte des Führers und Reichskanzlers, Bürckel, und wird dem deutschen Volk und seinem Führer das Ergebnis mel den. Angesichts des großen geschichtlichen Augenblicks ver sammelt sich das deutsche Volk zum Gemeinschastsempfang an den Lautsprechern. * Dienstag Ardeitsruhe an der Saar. Die Deutsche Gewerkschaftsfront Saar teilt in Aufrufen an die Bevölkerung des Saargebiets unter anderem mit: „Es ist bekannt, daß spätestens am nächsten Dienstag, dem 15. Januar, das Abstimmungs ergebnis zur Kenntnis der ganzen Welt gebracht wird. Es ist zu verstehen, daß aus Anlaß dieses historischen Geschehens kein Saardeutscher in Grube oder Hütte oder Kontor eingespannt sein will. Damit alle unmittel bar das Ergebnis der Abstimmung in ihrer Behausung in Empfang nehmen können, ruft hiermit die Deutsche Gewerkschaftsfront Saar und der Gesamtverband deutscher Arbeitnehmer alle saardeutschen Volksgenossen aus, am Dienstag der Arbeit fern- zubleiben. Dieser Tag ist für uns Saardeutsche der größte Feiertag, den wir bisher erleben durften. Frankreich sperrt die Lothringer Grenze Französisches Einreisevisum für alle Saarländer nötig Wie die Regierungskommission des Saargebietes, Direktion des Innern, mitteilt, hat die französische Regie rung beschlossen, daß vom 13. Januar, 15 Uhr, ab, die Inhaber von saarländischen Reisepässen für deutsche Staatsangehörige (es gibt keine saarländische Staats angehörigkeit!) zur Ueberfchreitung der Grenze im Besitz eines besonderen Visums sein müssen. gefallen! Infolge dieser Maßnahmen sind sämtliche von der Regierungskommisiön erteilten Einreisegenehmigun gen nach Frankreich hinfällig und müssen durch ein Visum des französischen Konsulats ersetzt werden. ' Bisher brauchten Saarländer ein französisches Visum nicht, sondern konnten ohne weiteres die Grenze überschrei ten. Jeder Saareinwohner, der sich künftig nach Frank reich begeben will, ist verpflichtet, sich in seinen saarländi schen Reisepaß ein Visum beim französischen Konsulat ein tragen zu lassen. Es heißt in der Mitteilung weiter, daß jede Person, die die Grenze ohne dieses Visum zu überschreiten ver suche, sich der Gefahr einer Zurückweisung aussetze. Ledig lich die augenblicklich noch in Kraft befindliche Regelung für Grenzkarten wird durch diese Bestimnmng der fran zösischen Regierung nicht berührt. Das plötzliche Inkrafttreten dieser Verordnung, die erst bekanntgeaeben wurde, nachdem sie bereits in Krak? gesetzt war, zeigt, daß Frankreich sich über den Ausgang der Saarabstimmung vollkommen klar ist und nunmehr die Grenze zwischen dem Saargebiet und Lothringen als seine Grenze betrachtet. Bisher herrschte zwischen Lothrin gen und dem Saargebiet völlige Freizügigkeit, so daß praktisch als französische Paßgrenze die Zollgrenze des Saargebietes gegen Deutschland zu betrachten war. Man will sich zweifellos durch diese Verordnung vor dem Emigrantenstrom retten, der nach Bekannt werden des Wahlergebnisses aus dem Saargebiet nach Frankreich fluten wird. Frankreich hat kein Interesse an den Emigranten, und es sind in Frankreich bekanntlich in den letzten Tagen bereits zahlreiche Stimmen laut geworden, die sich gegen die zu wandernden Emigranten und Separatisten energisch zur Wehr setzen. Es ist nunmehr auch klar, weshalb die französischen Grenzwachen an der saarländischen Grenze, die bisher nur sehr schwach besetzt waren, plötzlich so außerordentlich verstärkt worden sind und warum auch die Grenzkontrolle vlötzlich so streng gehandhabt wird. Holland verzichtet auf die Emigranten Wie aus amtlichen Kreisen im Haag verlautet, hat die Regierung die Grenzbehörden beauftragt, von Sonntagabend ab eine besonders scharfe Kon trolle gegenüber allen Ausländern auszuüben, die nach Holland einzurcisen beabsichtigen. Diese Maßnahme steht in engem Zusammenhang mit der Volksabstimmung im Saargebiet. Man erwartet nämlich, daß nach einem für Deutsch land günstigen Ausfall der Entscheidung sich ein großer Flüchtlingsstrom aus dem Saargebiet ergießen wird. Diese Flüchtlinge sollen aber in Holland nicht zugelassen werden. Befriedigung in Genf Im Völkerbundshaus hatte sich am Sonntagnachmit tag eine beträchtliche Zahl von Journalisten und Völker bundsbeamten eingefunden, um die Rundfunkmeldungen über die Abstimmung zu hören. Mit Befriedigung wurden die Nachrichten der Reichssendcr zur Kenntnis genom men, aus denen hervorging, daß sich alles bis zum späten Abend in völliger Ruhe und Ordnung abgespielt hat. Das Völkerbundssekretariat hatte durch eigene Telegramme aus dem Saargebiet gleichlautende Nachrichten erhalten. * Wie der Abstimmungssonniag verlief. Der Abstimmungssonniag im Saargebiet selbst ist im großen und ganzen ziemlich ruhig verlaufen. Dank A""rdrmng der Deutschen Front, enthielten sich die Wahler grundsätzlich jeglicher Kundgebungen, so daß nirgends für die Polizei Grund zum Einschreiten gegeben war. Die Wahlbeteiligung war naturgemäß außerordentlich groß, da niemand versäumen wollte, seine Stimme alizugeben. Schon in den frühen Morgenstunden standen lange Schlangen vor den Stimm lokalen. Hier machte sich die langsame Abfertigung un angenehm bemerkbar, zumal die Beisitzer der Ltatus-guo- Partei immer und immer wieder versuchten, durch kleinliche Proteste und Quertreibereien den Wahlgang aufzuhalten. So wurden beispielsweise in Dudweiler von 341 Stimmen 10 für ungültig er klärt, weil der Umschlag nicht richtig zu gesteckt war. Teilweise war bereits mittags eine 100prozentige Wahlbeteiligung erreicht. Eigenartig berührte die tiefe Ruhe bei der Ab stimmung. Durch die Maulkorb-Verordnungen des Herrn Knox sah sich jeder veranlaßt, möglichst auf der Straße und.schon gar in den Wahllokalen kein Wort ru kvrecken.