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H Um deimilehen fiercl " Untervsttungsdeilage rum „rvilsai'uNer LagebisN" — Amtsblatt. tt li u o « « s N « Die heilige Nacht Historische Skizze von Hermann G o e p p e r t - Harlingerode. Solches geschah zu Bündheim am Tage der Geburt des Herrn Christus, am 24. Dezembris anno domini 1644. Wir wissen Wohl, was in den letzten dreißig Jahren über das Land vor dem Harze gekommen ist. Wir wissen, wie Johann Tzerklaes Graf von Tilly die Kroaten Hausen ließ. Wir wissen, wie der Friedländer in Liebenburg quartierte und der Vitzthum in Wernigerode und der grimmige Coltalto in Halberstadt, bis sie endlich ostwärts zogen und die Schlacht bei Tessa an der Elbbrucken schlugen und hinter dem Mans feld herliefen ins Schlesische hinein. Wir denken auch des großen „Gefechts", das am 20. No- vembris 1625 im Bruche bei Harlingerode tobte. Und dabei fällt uns natürlich gleich Jochim Barthold ein. Natürlich! Der Mann, von dem die Leute allerlei sagten, Gutes und Böses, Segen und Fluch Na, er war ja dann Wohl verschwunden. Und mit ihm einer aus dem Dorfe Bündheim bei der Neustadt, Heyne Pfeffel, Sohn des Lüdeke Pfeffel und der Mariken, geborenen Pfuttersnider, feines Zeichens ein Leineweber. Er war nicht wiedergekommen bis auf den heutigen Tag. Und in allen diesen bitterbösen 18 Jahren hatten sie nichts von ihm gehört. Nichts! Kein Sterbenswörtlein. Er war ihr einziger Sohn. Lieber Himmel! Er war ihr einziger Sohn! — Da trippelte nun das kleine Volk aus der Stube auf die Diele und von der Diele auf die Gasse und spähte und hibbelte von dem einen Bein auf das and're Bein und blies in blitzblaue Händlein und wartete auf das Christkind. Wartet nur! Ihr habt ja einen Glauben, gegen den Gott selber wehrlos ist. Wie sollte er euch da nicht etwas schicken? Ein Hemdlein? Ein Röcklein? Ein Zuckerwerk? Ihr habt ganz recht, wenn ihr leuchtet und glücklich seid. Trotz aller Not. Trotz Krieg und Pest und Hunger und Herze leid. Immer seid ihr glücklich. Denn ihr seid selber das Glück. Und an seiner stillen, reinen Flamme wärmen sich die Herzen aller, die um euch sind. Auch Lüdeke und Mariken, da sie die Kinder des Nach barn jauch eil hören, sieben Stück, eine ganze Horde, auch Lüdeke und Mariken nicken und lächeln ein wenig. Aber dann sehen sie Plötzlich einen anderen stehen, einen flachs köpfigen Knaben ... Und da schluchzt Mariken doch. O Heyne! Mein Heyne! Er war noch ein halber Jung- und wäre jetzt ein Mann. Ein ganzer Mann wie der Vater. Ein Mann, der jein Herz nicht auf der Zunge trägt unk j nicht jammert, fondern hart geworden ist in Blut und Schlä gen und der sich höchstens verwundert, daß seine armselig! Hütte noch steht, nachdem er sie vor nun schon acht Jahrer mm dritten Male mühsam aufgebaut. So ist Lüdeke. Ein harter Mann. Das heißt: So scheint er. Denn wenn er auch die Stirne runzelt über Marikens Tränen, so ist doch seine Seele, seine sorgsam ver steckte Seele ein einziger Schrei nach seinem Sohne. O Heyne! Mein Heyne! — Ein paar Tage früher, drei oder vier, zog der Heerhaufen des schwedischen Obristen Burgsdorf von Norden her am Flüßlein Ilse entlang auf Hornburg zu. Das war eine Festung, und der Schwede wollte sie haben, obwohl es Winter war. Und wir wissen ja auch ganz genau, daß er sie um lagerte und am 18. Januarii 1645 stürmte und anderen Tages jämmerlich Plündern ließ. Das wissen wir ganz genau. Aber wie er nun so daherzog, nach Osten und Westen schwenkte und sich ausbreitete über das Land, den Ring im Süden schloß und sich erst einmal ins Quartier legte, sinte malen der Herr Oberst ein frumber Mann war und seine Völker am heiligen Christ nicht fechten lassen wollte, da alsc geschah es, daß ein Fähnlein Arkebusiere ziemlich weit nach Süden kam und in einem kleinen Orte quartierte, der Wül perode heißt. An diesem Tage, es war der 23. Dezember 1644, stand ein ranker, flachsblonder Soldat am Beek vor dem Dorfe und starrte nach Süden. Auf die Harzberge, die weiß in des blauen Himmel wuchsen. Er sagte nichts. Denn auch er war ein harter Mann. Aber sein Herz, sein armes, warmes Herz schrie und weinte und jubelte. O Heimat! Meine Heimat! In dieser Nacht verließ der Arkebusier Heyne Pfeffel die Fahne und floh. — Lüdeke hatte Tür und Fenster verrammelt. Er saß am Tische, Mariken neben ihm. Die Funzel blakte. Einmal gähnte der Hund neben dem Ofen. Sonst war es ganz still. Da saßen die beiden, guckten sich manchmal an und sahen wieder weg. Worauf warteten sie? Meinten sie vielleicht, daß auch zu ihnen der heilige Christ käme? In dieser seiner Nacht? Sie meinten es nicht. Sondern sie saßen da und sannen Plötzlich hob Lüdeke seine Hand, legte sie auf Marikens Hank und streichelte sie sachte. Unbeholfen. Voll Mitleid. Da sahen sie sich fest an. Und es war auf einmal nichi 1644, sondern 1614: ein flachsblonder Knabe von drei Jahren stand zwischen ihnen und hatte eine Hand auf des Vaters und eine auf der Mutter Knie, hob den Kopf nach rechts und nach links, jauchzte und strahlte Lüdeke an und strahlte Ma riken an, immer ... um ... schichtig ... Und da weinten sie beide. Aber Gott sah die heiligen Herzen und ihre ganze Liebe. Und er ließ es geschehen, von dem sie bis an ihr Ende dank bar sagten: Es war sein Wunder! Denn es rasselte an der Tür, es Polterte an den Fenster laden, und der Hund fuhr empor und bellte rasend, und als Lüdeke öffnete, da war auf einmal die Stube voll lauter Licht . . . Ueber dem Sohne und seiner Mutter, vor der er kniete, und seinem Vater, dessen Hand er im blonden Haar fühlte, jauchzten die Himmel die heilige Nacht. Wellen Sie dar Wilsdruffer Tageblatt Heilige Nacht. Schneeinsamkeit... Die Wälder schlafen, Und alle Stunden sind des Schweigens schwer. Die Nacht hebt ihre blassen Hände — Ein Kelch, in den die Sterne sinken — Und dürstet nach des Himmels Herrlichkeit. Ein Stern glüht milde überm Wald... In tiefer Nacht Erwachen singend alle Bronnen. Du lauschst — und lächelst allem Leid. Aus tiefem Grund der urgeheimen Nächt-, Die.Gottes Wunder leise raunen, Blüht Liebe ewig in die Welt. Otto Paasche. Der Wachsengel Skizze von Kurt Münzer. An jenem Tage, wo die ganze Welt fromm gestimmt er wacht und auch der Bösewicht sein Herz gehoben fühlt, er faßten mich immer Trauer, Sehnsucht und Beklemmung. Der Abend senkte sich. Wie immer ging ich auch diesmal aus meinem einsamen Hause, das fremde Menschen mir nicht warm und heimelig machen konnten. Ich trat auf den großen Platz hinaus, auf dem der frische. Schnee schon zerstampft und zerfahren war. Das Licht der hohen Kandelaber überflutete ihn, Menschen und Wagen schoben sich, lärmten, Autohupen triumphierten mit ihren grellen Stimmen. Und da erschrak ich, denn es wiederholte sich, was ich vor Jahren, Jahrzehnten — ein Menschenalter war es nun her — erlebt hatte. Am Straßenbord stand ein Mädchen von etwa acht Jah ren, schauernd vor Kälte, in dünnen Lumpen, mit zerrissenen Schuhen, ein zerfetztes Spitzentüchlein um den schmalen, blon den Kopf gebunden. An einer Holzstange mochte die Kleine Wachsengel feilgeboten haben. Ein allerletzter wiegte sich da ran, ein kleiner, handgroßer Engel mit Flitterflügeln. Das Mädchen sah mich an. Große, dunkle, flehende Augen, ein ganz blasser und. Auf einmal lächelte es — das gütige, liebevolle Lächei, irrer Frau, einer Mutter. Für einen Augenblick war im ls schaute mich aus diesem Kinoer gesicht alles an, was mir «mal liebte und was nun tot war: Mutter, Vater, Geschwi in Freund, die kleine verwachsene Tante... Das Mädche: t mir den Engel hin und flüsterte: „Bitte, Herr, es ist der le. Nehmen Sie ihn für Ihren Baum." Sie nestelte ihn los und ich hatte ihn schon in der Hand. Ich suchte in der Börse nach großem Geld, denn Unaussprech liches bewegte mich, als wär' ich plötzlich aller Last und Trauer ledig; mir war verziehen, indem eine Kinderhand mir diesen wohlbekannten Engel in die Hand drückte. Da sagte das Mäd chen: „Einen Augenblick, Herr, ich bin bald da." Und als hätte man es gerufen, drängte es sich durch die Menge. Ich fand zwei blanke Füufmarkstücke und wartete nun. Minuten vergingen, es kam nicht wieder. Ich sah mich um, ich entdeckte es nirgends. Man stieß mich, ich stand den Eilenden im Wege. Aber das Mädchen blieb verschwunden. In der Nähe stand ein Schutzmann, den fragte ich nach dem Mädchen. Er sah mich erstaunt an, er hatte keine kleine Ver käuferin gesehen; auch war es ja verboten, an dieser Ecke Waren feilzuhalten. Aber ich träumte doch nicht! Ich hielt doch den kleinen Wachsengel in der Hand! Und ich wartete noch lange, bis ich zu frieren begann. Sie kehrte nicht zurück... Da ging ich heim. Es war eben ein Weihnachtswunder geschehen: das Christkind selbst, heilig, gütig, mit dem Lächeln der Liebe, hatte mich beglückt und freigesprochen. In dieser Nacht der großen Liebe war alles möglich. Ich betrat meine leere und stille Wohnung. In meiner Arbeitsstube stand ein Bäumchen. Sein ganzer Schmuck waren Kerzen und Schnee, ein weißer Flaum bedeckte die ge raden, feinen Aeste. Ich machte kein Licht. Im Kamin glomm noch das Feuer, und ich warf ein paar neue Scheite hinein. Ich setzte mich davor, den wächsernen Engel in der Hand, und die Erinnerung kam so lebhaft wie ein Erlebnis der gegen wärtigen Stunde. Ich war ein Bube von zehn Jahren, da zogen wir in ein großes, schönes Haus für reiche Leute. In den Etagen wohn ten nur große Herrschaften, und ich bildete mir nicht wenig darauf ein, 8ie teppichbelegte breite Treppe auf und ab steigen zu dürfen. Aber dieses Haus barg auch noch Kellerräume, die der geizige Wirt zu Wohnungen hatte Herrichten lassen. Und so wohnten in der Erde, unter den Füßen der Reichen, ein paar blutarme Familien, sauber und ehrlich die einen, faul und liederlich die anderen. Es wohnte da unten auch eine Frau, eine dicke, unsaubere, häßliche Person von zweifelhaftem Gewerbe, die ein einziges Kind hatte, ein Mädchen von sieben oder acht Jahren. Dieses Kind war fein, schmal, blond und zart. Wie eine verkleidete Prinzessin saß es in seinen Lumpen, ungepflegt, unbeachtet, am Straßenrand und hielt den Rest einer Puppe auf dem Schoß, immer still, die großen dunklen Augen fragend, welt fremd, hilflos ins Ferne gerichtet. Meine gute schöne Mutter erbarmte sich dieser kleinen Verstoßenen. Sie brachte sie zu uns herauf, ließ sie waschen und Pflegen gab ihr ein warmes Süppchen, wollene Strümpfe, und ich mußte mit ihr spielen. So groß und klug ich mich auch dünkte, war mir die kleine Kameradin doch willkommen, denn sie gefiel mir Wohl in ihrer Märchenart. Ich faßte sie halb romantisch auf. Auch ging sie auf alles ein, was ich vor schlug. Das gefiel mir am meisten. Mein Vater sprach dann einmal mit des Kindes Mutter, ob diese es nicht in andere gute Hände geben möchte. Aber da fuhr die Alte auf und gebärdete flch plötzlich als liebevollste Mutter, hielt hochtönende Reden und sprach davon, dem Kinde den Aufenthalt bei uns ganz zu verbieten. Um das zu ver hüten, verließ mein Vater sie mit beruhigenden Worten. Aber nach dieser Unterreduna schien die Mutter das Mädchen härter und strenger zu behandeln, indem sie es bis weilen mit irgendwelchen Kleinigkeiten auf den Straßenhandel schickte, mit Streichhölzern, halbverwelkten Blumen oder billi gem Zuckerzeug. Sie brachte dem Kinde ein paar höfliche und rührende Redensarten bei, und wirklich kam Marie — so hieß es — jedesmal mit einem kleinen Verdienst heim. Meine Mutter hatte ihr bisweilen etwas Warmes und Solides geschenkt, aber schon am nächsten Tage stand Marie Wieder in ihrem alten, dünnen Kleidchen an der Küchentür und pochte an, leise und zaghaft wie ein hungriges, frierendes Vögelchen. UnS gestand sie auf Befragen, ohne Tränen oder Klage, daß ihr die Mutier die schönen neuen Sachen fort genommen und weggetragen habe. Da unterließen wir solche vergeblichen Geschenke. Aber da kam jener verhängnisvolle Weihnachtsabend. Als es dämmerte, ging Mama noch die letzten Kleinig keiten holen, und ich durfte sie begleiten. Wir kamen bald aus unserem stillen Wohnviertel in die belebte und laute Geschäfts gegend. Es war ein bitterkalter Tag. Wir erreichten den selben großen Platz, auf dem ich heute das liebliche Wunder erlebt hatte, um dort einen Wagen zur Heimfahrt zu suchen. Und da sahen wir: am Straßenbord, fast überrannt von den Vorbeieilenden, schauernd vor Kälte in ihren dünnen Lum pen, mit zerrissenen Schuhen, ein zerfetztes Spitzentüchlein um den schmalen blonden Kopf gebunden, stand Marie, unsere kleine arme Freundin. An einer Holzstange mochte sie Wachs engel feilgeboten haben, ein allerletzter wiegte sich daran, ein klemer, handgroßer Engel mit Flitterflügeln. Und uns nähernd hörten wir Maries zitterndes Sümmchen: „Zwei Silbergroschen der letzte Engel. Kaufen Sie doch meinen letzten fchönen Engel für Ihren Baum. Zwei Silbergroschen der Engel, bitte, bitte." Im nächsten Augenblicke hatte meine Mutter Marie an der Hand, zog sie durch das Gedränge, hob sie in einen Wagen, der da stand, ließ mich hinterher springen, setzte sich dazu und nahm das halberstarrte Kind auf den Schoß, unter ihren pelz gefütterten Mantel. So fuhren wir dahin. Aber Mama sprach gut zu ihr; dieser letzte Engel sollte an Maries eigenen Baum kommen und über dem Tische schweben, der für sie aufgebaut war. Marie lächelte entzückt. Sie hielt den Engel an sich ge drückt und flüsterte endlich: „Ich hab' mir so gewünscht, ihn behalten zu dürfen. Es war der schönste von allen, und ich hab' solche Angst gehabt, daß man ihn kaufen würde." Sie küßte ihn, sie streichelte seine rotgoldenen Flitter flügel, sie hatte nur Augen für ihn. Aber Mama sagte er schreckt: „Kind, was hast Du für heiße Hände! Und Dein Ge sicht glüht auch. Wirst mir doch nicht krank?" Als wir bald darauf unter den brennenden, herrlichen Baum treten durften, da schwebte in der Tat Maries letzter Wachsengel an einem glitzernden Zweige über ihrem Tisch- ' chen, er sah unschuldig lächelnd auf die Gaben hinab. Und Marie hatte nur einen kurzen Blick für diesen Tisch, ihr Auge , hing an dem geliebten Engelchen, das da sanft schaukelte. Sic faltete die Hände vor ihm, sie war ganz verzückt. Sie blieb still und glücklich. Artig nahm sie die Geschenke in Empfang, dankte allen, aber immer kehrte ihr strahlender Blick zu dein Engelchen zurück und wurde dann inbrünstig und fromm. Da erfaßte mich eine glühende Eifersucht, die erste meines Lebens, auf diesen Wachsengel. Und in mir reifte ein böser Plan, ein richtiger verbrecherischer Knabeneinfall. Als mein Vater Marie zu sich ries und mit ihr sprach, löste ich eine Kerze vom Baum und hielt die Flamme dicht an den Engel. Und sofort begann er zu schmelzen. Die Flügel lösten sich, schon war es eine formlose, schmutzige Masse, die kaum noch an den Faden hing — da sah cs Marie. Sie schrie - gellend auf — stürzte herzu, hob die Faust, schlug mich, wohin sie traf, schluchzte zugleich auf und rief herzzerreißend: „Mein Engel, mein Engel, mein Engel —" Meine Mutter fing sie auf. Ich erschrak vor dem starren Blick des Kindes: Ich bereute sofort tief, was ich getan; wie ein Mörder kam ich mir vor. Aber es war zu spät. Wenige Minuten später lag Marie in meinem Bette. Sie phantasierte. Indes die Kerzen des Weihnachtsbaumes herabbrannten, saß der Arzt an dem Bettchen. Ich mußte bei den Eltern schlafen, die noch lange nicht zu Bett gingen. Alles schien mir vergällt. Marie war krank... Mußte sie sterben? Dann war ich schuld daran. Ich hatte ihr den Engel zerstört. Aber durfte sie mich seinetwegen vergessen? Reue, Liebe, Eifersucht, Angst, Trotz: alles stritt in mir. Drei Tage lang phantasierte Marie. Sie streckte die dünnen Aermchen aus und rief flehend, inbrünstig nach ihrem Engel. Man holte einen neuen, aber sie erkannte nichts mehr. Bisweilen schlich ich mich in ihre Stube, die eigentlich die meine war, und horchte entsetzt auf ihr Stammeln. Marie glühte in holder, aber tückischer Röte. Am vierten Tage war sie bleich. Da lag sie tot in meinem Bettchen. Und ich ging umher, als wäre ich ihr Mörder. Der Ge danke an sie, mein kindischer Frevel an ihrem Engelchen ver bitterte mir meine Kindheit; erst später sagte ich mir, daß ick schuldlos sei und ruhig sein dürfte. Aber dennoch, so oft es Weihnachten ward, dachte ich an Marie, die kleine Tote, und den Engel, um den ich sie betrogen hatte. Bis heute. Da war das Wunder geschehen: em Mädchen wie sie, ihr so ähnlich, als sei sie wiedergekehrr, meine Erinnerung von jeder Last zn befreien, hatte mir den gleichen wächsernen Engel in die Hand gelegt. Die Tote war mit mir versöhnt, so legte ich es aus Während dieser Gedanken war mir der Engel aus der Hand geglitten. Nun lag er vor dem Kamin auf dem Bären fell, und die warmen Flammen umspielten ihn mit Licht und Schatten. I Das Bäumchen erglänzte, es sah so schön wie traurig aus, kein Zuckerweck, kein bunter Schmuck hing daran, kein Geschenk lag darunter. Da beschloß ich, den Engel anzuhängcu. Aber was war aus ihm geworden? Die Wärme der Flammen hatte ihn geschmolzen, eine trübe Lache Wachs lag im Fell, ein Faden mit Schlinge und zwei rotgoldene Flügel chen schwammen darin ... Ich mußte doch lächeln. Ein bißchen enttäuscht und bittcr. aber doch lächeln: o du kleine Bosheit des Schicksals! So w auch mir mein Engelchen geschmolzen, die Gerechtigkeit w hergestellt, das Unrecht ausgeglichen. Aber ich fühlte nu«! dennoch leichter und froh. Soweit denn einer froh sein kann, der in der Nacht der Liebe allein am erlöschenden Feuer sitzt - -'