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Weihenacht! Nacht der Wunder! Voll von heimlichen Stimmen ist die Luft; sie suchen die Herzen mit mahnenden Grüßen. Sind nicht die Menschenherzen heute offen? Die sonst alle Zage des gayres verschlossen sind: heute tun. sic sich auf zu einem Ahnen und Sehnen. Und eine Stimme klingt: »Ihr Menschen, ersehnt ihr das Glück, ersehnt ihr Freude? Freude müßt ihr bereiten lernen! Weihnachten ward euch ein Fest des Schenkens? Aber faßt den Sinn! Immer sind winterliche Mächte der Herzenskälte am Werk, dem Erdenkinde all sein Lebendiges zur Erstarrung zu bringen. Macht euch euer Schenken nicht zu einem gedankenlosen Gavenrauschen, äußerlich, mühevoll, unruhig und feterstörend. Ahnt den Sinn, erfüllt den Sinn! Freude müßt ihr bereiten lernen, echte, tiefe, lebendige Freude. Denn nur dann ist das Herz selber bereitet, das eine große Geschenk zu fassen, das Weihnacht der Erde bringt. And eine andere Stimme raunt, dunkel, geheimnisvoll: Weihe- nacht, Sonnenwende! Wenn die Zage am kürzesten und wenn die Nächte am dunkelsten sind, wendet sich dir Sonne. In wessen Leben nächtiges Dunkel herrscht, der glaube an Sonnenwende, der fasse sie, der vollbringe sie. And die Stimmen schwellen an: Liegt nicht die Zeit, die ihr setzt lebt, schwer und dunkel über euch wie winterliche Mitternacht? Herrschen nicht dunkel-kalte Selbstsucht, Lüge und Haß? Aber wenn die Nacht am dunkelsten ist, wird das Licht geboren. And Helle Stimmen rufen dazwischen: Schl ihr den weisenden Strahl des Sternes von Bethlehem? Sehl ihr das heilig-holde Licht, das aus der dunklen Höhle bricht? Darin das Kindlein in der Krippe liegt? Lebendiges Licht strömt von ihm aus, Seelenlicht, welterlösendes! Wenn ihr dies Licht, dies Erlösungslicht in euch faßtet, das brächte der Erde Sonnenwende! And freundliche Stimmen mahnen zärtlich: Ihr Menschen, die ihr durch euer Leben hastet, belastet mit des grauen Zages schwerer Mühe! Habt ihr euch heute mit festlichem Sinn, in sehn suchtsvoller Liebe zum Licht, einen Waldbaum mit brennenden Ker zen geschmückt, so daß er in Lichterglanz erstrahlt, ein Wunder und ein Märchen? Sh, faßt seinen. Lichtschein tief ins Herz, als mah nendes Gleichnis, als heiliges Symbol! Das Licht ist die Liebe, die Liebe ist das Licht! And viele Stimmen einen sich und werben: Das Kindlein von Bethlehem ward ein Mensch, der über die dunkle Erde ging, als ein Wunder der Liebe und des Lichts. And mächtiger schwellen alle Stimmen an, mahnend, verheißend: Wenn ihr den Fürsten der Liebe lieben wolltet, Erdenkinder, und im Lieben hinctnwachsen in sein Wesen, so Hütte die Erde Sonnen wende! Leuchten nicht die Sterne seliger auf? Als entfalte jeder seine schönste Kraft, um sie der Erde darzubringen? And grüßend, segnend rauscht es, klingt es, mahnt und wirbt es: Das Licht ist die Liebel Die Liebe ist das Licht! Wollet es doch fassen, ihr Kinder der Erde! Opfernde, selbstvergessendc, alles tragende, alles vergebende, wunderschaffende Liebe, das ist der Weihnacht Sinn! Von strahlendem Wesen sind die Lüfte voll, die himmlischen Heerscharen drängen sich herzu und alle Anendlichkeiten klingen: Seid guten Willens, ihr Kinder der Erde! Euch ist heute der Heiland geboren! And sie jubeln der Erde neu das alte heilige Weihnachtslicd: Ehre sei Gott in der Höhe! G Pr-llwih Ein jedes Volt mit andrer Lippe Lobsingt dem Herrn in heil'ger Vacht; Doch ist's ein Wunder in der Krippe, Das alle Völker selig macht. Obgleich sie heut getrennt noch wallen Zu ihrem Tempel, ihrem Stern, Einst werden alle Schranken fallen Vor dem erhab'nen Thron des Herrn. Verlag Fr Zillepen lHelnrich Beeaken). Das Vorgefühl von einer Herde, Durch die nur eine Liebe dringt, Durchweht uns, wenn das Reich dcrErde Vom Chor der Weihnachtsglocken klingt. Was zeitlich, muß dem Ew'gen weichen, Was irdisch, muß im Staub vergehn! Was göttlich - muß zum Himmel reichen Und segnend über allem stehn. Wilhelm Schlipköter Ein Schlüssel wurde in der Korridortür zweimal herumgedrehl. Es war der Hausherr, der mit seiner Frau zugleich heimkehrte. Sie betraten die Wohnstube und setzten sich an den Tisch. »Weißt du, Frau,« sagte der Mann, wenn wir auch für die Kin der keine neuen Spielsachen kaufen können, so brauchen wir doch nicht traurig zu sein. Mir ist nämlich unterwegs eingefallen, daß irgendwo noch Gretchens alte Puppe und Hänschens zerzauster Teddybär liegen müssen. Sch bring' die beiden einfach zumPuppen- doktor.« »Das ist ein guter Gedanke von dir, lieber Mann. Die Dinger liegen hier in der Kommode. Ich will sie gleich hervorholen.« And flugs erhob sich die Frau und zog die Puppe und den Teddy bären ans Tageslicht. »Gott, hat die Frau eine derbe Hand!« brummte der Teddy in sich hinein, während die Puppe vor Freude gar nichts spürte. Schnell wurden beide eingepackt und von der Frau aus dem Hause getragen. Beim Puppendoktor standen in der Arbeitsstube Dutzende von gesund gemachten Puppen und Teddybären in offenen Schachteln herum. Eine besonders vornehm gekleidete Puppe hatte kaum die ausgepackte Genossin und den Teddybären erblickt, als sie vor Hoch mut in die Worte ausbrach: »Himmel, was kommt denn da für gemeines Gesindel an! Das steht ja aus zum Gotterbarmen.« »Anverschämte Person!« konnte der einbeinige Teddy nur noch rufen, da packte ihn der Puppendoktor samt seiner einäugigen Lei densgefährtin und trug die beiden nach dem Arbeitstisch in der Ecke der Stube. »Ärgere dich nicht, Teddy!« sagte die Puppe, »bald werden wir wieder unsere Gliedmaßen beisammen haben und schöner ausschen als diese patzige Person von vorhin; denn Kleider machen Leute!« ...3n leisem Schneefall war der Tag von Weiynachtsheilig- abend heraufgedämmert und endlich war auch der von den Kin dern ersehnte Augenblick gekommen. Hänschen und Gretel mußten in der väterlichen Irbeitsstube eine ganze Geile warten, während Vater und Mutter sich im Wohnzimmer zu schaffen machten. Plötz lich ertönte ein Helles Klingelzeichen. Die Tür öffnete sich und die Kinder wurden yeretngerrifen. Mit staunend gefalteten Händen und weitgeöffneten Augen starrten die beiden Kleinen eine Geile sprachlos auf den strahlenden Weiynachtsbaum und die ringsum ausgebreiteten Gaben, und mitten drin lag ein wunderschön gekleidetes Püppchen mit leuchten den Augen und ein Teddybär mit herrlich Mmmerndcm Fell. Da brach der gubel los und es gab kein Halten mehr. 3m nächsten Augenblick hielt Gretel ihr Püppchen und Hänschen seinen Teddy bären im Arm. And es war ganz so, als wenn das Püppchen und der Teddybär sich so selig fühlten wie die beiden Kinder, und vor lauter Weih nachtsglück sangen sie alle vier: ' »Was sonst niemand machen kann, kann allein der Weihnachtsmann: Puppen macht er kerngesund, Teddybären frisch und rund. Anterm Tannenbaum dann wieder sing'n sie alle Weihnachtslieder.« 3n der Wohnung des Schriftstellers Sander war es so still, daß man nur das Knistern des Ofen feuers hören konnte. Der Hausherr war fortge gangen, um eine Arbeit abzuliefern, und seine Frau hatte sich mit dem großen Handkorb nach dem Markt begeben, denn Weihnachten stand vor der Tür und da gab es vorher manches zu besorgen. Die beiden Kinder, Hans und Grete, tummelten sich auf der Straße mit ihrem kleinenSchlitten herum. Plötzlich begann es sich in der untersten Schublade der alten Kommode leise zu regen. Ein zottiger Teddybär drehte sich ächzend nach der Seite, an der eine zopflose, einäugige Puppe lag. »3ch möchte nur wissen,« klagte der Teddy, »was aus mir werden soll. Seitdem mir der Bengel von den Nachbarsleuten, als er mal hier war, das linke Bein ausgedreht hat, kümmert sich der Hans nicht mehr um mich.« »Wie geht es mir denn?« ereiferte sich die Puppe. »3ch hatte so bildschöne Augen und mein Zopf wurde von allen Freundinnen unserer Grete bewundert. Man balgte sich sogar einmal um mich. Ich war ordentlich stolz darüber. Aber das war gerade mein An glück. Das eine Mädel, das mich am Zopf hielt, riß ihn mir aus, weil sic nicht loslassen wollte, dann fiel ich zu Boden und verlor das eine Zuge. And gerade das rechte, mit dem ich besser sehen konnte als mit dem linken.« »And dein Kleid ist auch nicht mehr das schönste!« fügte der Teddy mit müder Stimme hinzu. »Im Ende willst du mich noch verhöhnen? Wenn ich dich so ansehe, hat dein Fell auch schon ein paar große Löcher Du hättest dir rechtzeitig die Motten auskämmen sollen.« »Was du schlau bist! Aber was kann man von dir auch Ge scheites erwarten, wenn man durch das Loch unter deiner Stirn in deinen hohlen Kopf steht! Wenn ich nicht solche Schmerzen hätte, drehte ich mich sofort wieder auf die andere Seite um oder ich liefe am liebsten gleich aus dieser alten, muffigen Kiste in den Wald und äße den Bienen den Honig weg, wie es die Kinder von einem richtigen Hären schon in der Schule lernen.« »Da muß ich aber lachen! Bienen im Winter! Du und ein richtiger Bär! Du bist ziemlich eingebildet! Dabei hast du früher genau wie ich auch bloß in einer Pappschachtel in irgendeinem Spielzeugladen gelegen.« »Da möchte ich heute sogar recht gern liegen, wo es doch bald Weihnachten ist und man hoffen könnte, einem braven Kinde unter den strahlenden Christbaum gesetzt zu werden.« »Ich Weihnachten verstand ich eben! Ich falle in Ohn macht!« röchelte die Puppe und schluchzte bitterlich. »Mach' mir das Herz nicht schwer! 3H leide wie du, wenn ich daran denke, zu Weihnachten hier so vergessen liegen zu müssen. Doch still! 3ch glaube, da kommt jemand.« »Wozu still sein?« rief die Puppe ganz aufgeregt. »Schreien müßte man, damit man merkt, daß wir hier so vereinsamt liegen! Ich, nur einmal noch am Weihnachtsheiligabend in den Ltchter- glanz des geschmückten Tannenbaumes blicken können und selber auf dem Gabentisch liegen! Muß das schön sein!« beendete die ganz trostlose Puppe ihren Schmerzensruf. »Das ist vorbei!« brummte der Teddybär und horchte auf.