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Bor ge,chriedcne Erscheinung-. tage und Platzvorschristen werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen, annabmebis > orm.lvUbr. — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage cingczo^en werden must oderderAustraggederin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Permittlun gsfiellenentgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 286 — 88. Jahrgang Telegr Adr .Amtsblatt' Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 10 Dezember 1S2S Friede in Oesterreich. Man hat Wohl von draußen her die innenpolitische Lage in Österreich, den Streit um die Verfassungsreform aus bestimmten Gründen viel schlimmer und gefahr drohender hingestellt als es in Wirklichkeit damit aussah. Sogar der englische Außenminister hat es ja einmal für dringend notwendig erachtet, im Londoner Par lament eine Warnung vor Putsch, Staatsstreich und Bürgerkrieg nach Wien zu richten. Und wenn man all diesem Gerede und Geraune Glauben schenkt, so möchte man annehmen, die beiden Parteien, Sozialdemo kraten und „Bürgerliche", Heimatwehren und Schutz bündler ständen sich sozusagen mit angeschlagenen und entsicherten Gewehren gegenüber. Das Bild ist insofern auch wenigstens nicht ganz unzutreffend, weil die beiden Organisationen über recht viele Waffen verfügen und es ja auch zu recht zahlreichen politischen Auseinandersetzun gen massivster Art gekommen ist. Da ist es doch das Ver dienst des neuen Bundeskanzlers, des nicht so heftig an gegriffenen Dr. Schober gewesen, eine fast restlose Einigung über die Neformvorschläge her beizuführen und diese den vorgeschriebenen parla mentarischen Weg gehen zu lassen. Er hatte von vornherein erklärt, daß er für irgendwelche Staatsstreichgclüste nicht zu haben sei, hat die beiden Parteien an den Verhand lungstisch herangebracht und damit seinem Lande den Frieden bewahrt. Hinter dem Streit um dte Verfassung stand ja das Ringen um die Macht zwischen Heimatwehr und Repu blikanischem Schutzbund, der starken sozialdemokratischen Organisation. Dr. Schober hat sich in seinen Schlußaus führungen auch nicht gescheut, das ganz offen aus zusprechen, durste aber hinzufügen, daß es „weder Sieger noch Besiegte gäbe". Die Opposition hatte bei Einbringung der Reformvorlage gleich erklärt, nicht grundsätzlich ablehnend beiseitezustehen, und war ja auch für verfassungsgemäße Annahme der Vorlage not wendig. Es ist manches von den ursprünglichen Vor schlägen abgestrichen worden — namentlich die allzu radi kale Abänderung der staatsrechtlichen Stellung Wiens —, was die Opposition kategorisch ablehnte, und so ist denn bei dieser Reform hauptsächlich eine Ausdehnung der Machtbefugnisse des Bundespräsidenten herausgekommen. Er wird zudem künftig nicht mehr vom Parlament ge wählt, sondern durch das ganze Volk, hat Minister- erncnnungsrecht und ist überhaupt in eine Stellung ein- Oerückt, die fast vollständig übereinstimmt mit der des deutschen Reichspräsidenten. Auch das Notverordnungs- r?cht besitzt er, das in der Hand eines energischen Mannes eme Macht darstellen kann. Es verdient daran erinnert zu werden, daß gerade Dr. Seipel, Österreichs langjähriger Bundeskanzler und ein Mann von großer Energie, es ge wesen ist, der zuerst von der Notwendigkeit sprach, die Verfassung zu ändern. Und man glaubt in Österreich be- stlmmt. daß Dr. Seipels politische Rolle noch längst nicht ausgespielt ist. Die Sozialdemokratie freilich sieht in ihm ihren Hauptgegner, hält ihn für den eigent lichen Führer der Heimatwehren, — nnd hier wieder betrachtet man die jetzt dnrchgeführte Ver- fasiungsreform nur als eine Etappe auf dem Wege zu weilergesteckten Zielen. Wien, die Zweimillionenstadt und wichtigster Machtsitz der Sozial demokratie, ist nicht „erobert" worden; die Stadt bleibt selbständiges Bundesland und die ursprünglich vor- äeschlagene, sehr weitgehende Kontrolle über die Wiener Kommunalpolitik in Finanzen, Wirtschaft, Bildungswesen «sw. ist erheblich abgeschwächt worden. Nachdem durch die Annahme der Reform eine Art Beruhigung eingetreten ist, mag der Bundeskanzler Dr. Schober an eine z w e i t e Aufgabe denken: Ent- w a f snung der politischen Organisationen. Vielleicht ist die Lösung dieser Aufgabe für Österreich noch notwendiger als die Durchführung der Verfassungsreform; sie ist zum mindesten noch viel — schwieriger. Die Tiiel in Bayern. Prozeß vor dem Staatsgerichtshof. Vor dem Leipziger Staatsgerichtshof für das Reich begann unter dem Vorsitz des Reichsgertchtspräsidenten Dr Bumke Montag der Prozeß um die Anfechtung der Titelverleihungen in Bayern durch das Reich Das Reich tzt vertreten durch die Ministerialräte Kaiscnbcrg, Ge- DNnrat Förster und Lammers; Bayerns Sache führen Staatsrat von Jan und Ministerialrat Sommer. Nach der Reichsverfassung dürfen Titel nur verliehen werden, wenn sie ein A m t oder einen Beruf bezeichnen. ,t.as Rcichsministerium des Innern beantragt, zn ent- tcheiden, daß die Verleihung von Ehrentiteln, die bw bayerische Staatsregierung seit Jahren vornimmt, wit dieser Bestimmung nicht vereinbar ist. Bayern stellt sich auf den Standpunkt, daß die verliehenen Titel den Erfordernissen der Rcichsverfassung durchaus ent sprechen, erklärt °en Antrag des Reiches für unzulässig und bestreitet der Reichsregierung das Recht, den Staats gerichtshof ""iurufen ie Reichsregierung hätte zum mindesten zunächst auf Abstellung der von Zhr voraus gesetzten Mangel bei Bayern drängen müssen. Für das R e i ch s m i n i P e r ru m des Innern erklärte Ministe- WerniMUlW sin Mmstag Steuersenkung nnd Aeusteuern. Verhandlungen mit den Parteien. Aller Voraussicht nach wird die anaekündigte Er klärung des Reichskanzlers im Reichstage über das beab sichtigte Finanzprogramm der Regierung erst am Donnerstag und nicht, wie anfänglich projektiert war, am Mittwoch schon abgegeben werden. Das Reichs kabinett trat Montag mit den Parteiführern zu Be sprechungen über das vorzulegcnde Programm zu sammen. Bereits mittags verhandelten die zuständigen Referenten im Reichsfinanzministerium über den zu er wartenden Finanzplan. Die hinzugezogenen Parteien waren noch nicht alle imstande, ihren endgültigen Ent schluß bekanntzugebcn, doch hofft man auf eme Einigung. Zu Forderungen und Wünschen einzelner Parteien will das Kabinett die Parteiführer am Dienstag noch mals und dann, falls es notwendig ist, auch am Mitt woch hören, um dazu unter Umständen Stellung nehmen zu können. Das Gieuerprogramm. Was im allgemeinen über den ausgearbeiteten Finanzplan bekanntgewordcn ist, besagt, daß ungefähr 800 Millionen im Jahre 1930 an verschiedenen Steuern gestrichen werden sollen. Der Landwirtschaft soll die Be freiung von den Rentenbankzinsen bewilligt werden. Die Jndustriebelastung wird plangemäß für 1930 um 130 Millionen verringert; weiterer Abbau ist für die nächsten Jahre vorgesehen. Im Laufe des Jahres 1930 soll die Einkommensteuer zunächst um 200 Millionen gesenkt werden. Die beiden nächsten Etappen sollen Ermäßigung um eine Milliarde bringen Bei der Neatstcuer ist für 1930 ein Nachlaß von 380 Millionen vorgesehen, bei der Aurkersteuer um 160 Millionen. Da die 800 Millionen des Steuernachlasses haupt sächlich durch Ersparnisse und nicht durch die Eingänge der durch den Noung-Plan verminderten Belastungen er zielt werden sollen, will man die Einnahmequellen, wie schon bekannt ist, durch Erhöhung der Bier- und Tabak steuer vermehren. Widerstände finden sich hauptsächlich bei der Baye rischen Volkspartei, die gegen eine erhöhte Bier steuer ist, bei den Sozialdemokraten, die den rialrat Dr. Kaisenberg, die bayerische Siaatsregierung sei von den im Jahre 1926 schwebenden Absichten der Reichsregierung, die Sache im Gesetzgevungswege zu regeln, unterrichtet gewesen. Weihnachten 1928 habe der Reichskanzler in Berlin mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Held die Frage der bayerischen Titelverleihung besprochen, erneut auf ihre Unzulässigkeit yingewiesen und um Abstandnahme ersucht. Der baye rische Ministerpräsident habe eine Änderung der baye rischen Staatspraxis nicht in Aussicht stellen können und die Anrufung des Staatsgerichtshofes anbeimgestellt. * Entscheidung des Staatsgerichtshofes Leipzig, 9. Dezember. Der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich hat in der Verfassungsstreitfache zwischen dem Deutschen Reich und dem Land Bayern wegen Verleihung von Titeln am Montag abend entschieden: Die Verleihung von Titeln zur Auszeichnung einzelner beamteter und nichtbeamteter Personen (Ehrentitel) ist mit Artikel 109 Abs. 4 der Reichsversassung nicht vereinbar. päpstlicher Nuntius bei Hindenburg. Gedenken an Stresemann. Montag gegen Mittag empfing Reichspräsi dent von Hindenburg den bisherigen Apostoli schen Nuntius in Deutschland, Monsignore Pacelli, zur Entgegennahme seines Abberufungsschreibens. Der Nuntius (der bekanntlich zum Kardinal in Rom ernannt wird) war von dem Ches des Protokolls, Grafen Tatten- bach, im Wagen des Reichspräsidenten abgeholt worden. An dem Empfang nahmen außer der Umgebung des Reichspräsidenten der Reichsminister des Auswärtigen, Dr. Curtius, sowie Staatssekretär von Schubert teil. An den Empfang schloß sich eine längere Unter haltung, die von besonderer Herzlichkeit getragen war und in deren Verlauf der Reichspräsident dem Nuntius sein Bild zur persönlichen Erinnerung überreichte. Oie Nede des Nuntius an den Reichspräsidenten erwähnt die Abberufung durch den Papst und fährt dann n. a. fort: Bei dieser Gelegenheit ist es mir eine drängende und mit Freuden wahrgenommene Pflicht, Ihnen und der deutschen Reichsregierung ergebensten Dank auszusprechen für die ver ständnisvolle Förderung, die Sie meiner Tätiakeit in der deut- Abbau der direkten Steuern aus Kosten der mvlrerten Steuern nicht wünschen, und bei der Deutsche» Volkspartei, die Abstriche an den für die Sozial versicherung erforderlichen Summen verlangt. Der Finanzplan der Regierung sieht außerdem Ge setzentwürfe vor, die sich mit der Finanzwirtschaft der Länder und der Gemeinden beschäftigen. Die Gemeinden sollen eine sogenannte Kopfsteuer erheben können, aber nicht auf Kosten des Reiches und des Landes, die sie also selbst vor ihren Gemeindeangehörigen zu vertreten haben. * Kompromiß in der Kabinettssitzung Berlin. Der Vorwärts meldet: Die Sitzung des Reichs kabinetts endete eine halbe Stunde nach Mitternacht mit der An nahme einer Erklärung, die etwa 5bis6Schreib- maschinenseiten umfaßt und in ihrem Inhalt in der Hauptsache dem Entwurf Hilferdings ent spricht Die Regierung will sich geschlossen hinter diese Erklä rung stellen, die ein Kompromiß darstellt und Mischen Regierung und Regierungsparteien jedenfalls noch zu lebhaften Besprechun gen Anlaß geben wird. * Zur Tabaksteuer Berlin. Auf Grund schriftlicher und mündlicher Vorstel lung der beteiligten Interessenten sowie des badischen Innen ministers beim Reichsernährungsminister und Reichssinanz- minister hat der Reichsfinanzminister folgende Erklärung abge geben: Eine Entscheidung darüber, ob bei der Reform der Reichs finanzen auch die Besteuerung des Tabaks eine Aenderung zu er fahren haben wirb, ist im Reichsfinanzministerium noch nicht ge troffen worden. Für den Fall aber, daß im Rahmen einer Tabak steuererhöhung eine Erhöhung der Steuer auf Rauchtabake in Er wägung gezogen werden sollte, wird von der Reichsregierung in jedem Falle darauf Bedacht genommen werden, daß die steuer - liche Behandlung des gewöhnlichen Rauch tabaks und des sogenannten steuerbegünstig ten Feinschnittes nach wie vor gleichmäßig sein wird, und daß die Spanne in der steuerlichen Behandlung die gleiche bleibt wie bisher, das heißt 25 v. H. des Kleinverkauss- preises. schen Reichshauptstadt ängedeihen ließen. AlZ ich vor langen Jahren zum ersten Male den nutz aus deutschen Boden setzte, stand Europa unter dem düsteren Zeichen des Krieges. Heute, Wo ich meine Schritte nach der Tiberstadl zurücklenke, kann ich es tun in dem erhebenden Bewußtsein, daß trotz aller Hem mungen und Schwierigkeiten das Verständnis für die hehre Sache des Friedens bei allen Völkern fühlbare Fortschritte ge macht hat. Wenn Deutschland in diesem Ringen um die steigende Verwirklichung des Friedens- und Verständigungs- gedankens heute bereits beachtenswerte und unleugbare Er folg» zu verzeichnen hat. so Weitz die Welt, in welch starken! Matze diese erfreuliche, durch die weitblickende Staatskunst früherer Führer von langem her grundgelegte und vorbereitete Weiterentwicklung in ihrem jetzigen Stadium der abgeklärten Weisheit Euerer Exzellenz zu verdanken ist, wie auch der bis zum Tode bewährten Hingabe desjenigen, den in dieser Stunde vermissen zu müssen mir ein aufrichtiger Schmerz ist. Ich möchte von dieser Stelle nicht scheiden, ohne des ver storbenen Herrn Reichsautzcnministers Dr. Stresemann in Trauer gedacht zu haben Oer Neichspräsident beteuerte in der Gegenansprüche das grotze Bedauern ob des Scheidens des Nuntius und sagte u. a. weiter: Neun Jahre sind vergangen, seitdem mein Vorgänger Euere Exzellenz hier als den ersten bei der Reichsregierung be glaubigten Botschafter willkommen hieß. Es war die schicksals schwere Zeit, als die Arbeit des Wiederaufbaues und die Be mühungen um einen wahren Frieden einsetzten S'e haben alle Phasen dieses Ringens inmitten des deutschen Volkes durchgemacht und dieses aus seinem schweren Wege allzeit mit aufrichtiger Anteilnahme begleitet Ich empfinde dies be sonders stark aus den freundlichen Worten, die Sie au mich zu richten die Güte hatten, und in gleicher Weise aus Ihrem freundschaftlichen Gedenken an den Mann, der durch einen leider so frühen Tod unlängst aus dem Ami des Reichs ministers des Auswärtigen abberufeu worden ist Wenn die Verständigungsbereitschaft allmählich au Boden gewinnt, so ist dies nicht zuletzt dem unermüdlichen Wirken Ihres erhabenen Souveräns zu verdanken, der keine Gelegenheit unbcnutzl läßt, nm seinerseits zum Frieden zu mahnen. Aber auck was Euere Exzellenz während Ihrer hiesigen Tätigkeit an vorbildlicher Friedcusarbeit geleistet haben, wird Fhnen unvergessen bleiben, wie alles, was Sic für die Erhaltung und Festigung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem Heiligen e-tuhl und Deutschland getan haben Alle die mir Ihnen in amt liche und gesellschaftliche Beziehungen zu trete» hatten, werden mit Genugtuung an die von wciscr Sachlichkeit, unbeirrtcm Gerechtigkeitssinn und warmherziger Menschlichkeit getragene Berufsauffassung, mit der Sic Ihr hohes Ami ver waltet haben, zurückdenkeü Ich bitte Sie, meine wärmsten und aufrichtigsten Wünsche für das Wohlergehen Seiner Heiligkeit des Papstes und für Ihre eigene Zukunft entgegen nehmen zu wollen.