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Normale Tageszeitung für die ^andwirtschost/ Das „Wilsd». lffer Tageblatt" erscheint an allen Werktags nachm!ttags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 NM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,Zo NM., bei Postbestellung 2 «M. zuzüglich Abtrag- ,, . "... gebühr. Einzelnummern IKNpfg.AllePostanstalten Wochenblatt für Wllsdruff u. Umgecreno Postboten und unsereAus. tragerund Geschäftsstellen - —— — nehmen zu jeder Zeit Ve» stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht Kon Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 2V Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Bor- gescbriebeneErscheinungs- — _ . tage und Pi'atzvorschriften werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Ann Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis norm.10 Uhr. - - ' ' — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabatlanspru ch erlischt, wenn derBetrag durch Klage eingezogen werden muß oderder Auftraggeber inKonkurs gerät. Anzeigennehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 265 — 88. Jahrgang Te egr-Adr .Amtsblatt' Wilsdruff-Dresden Po lsch ct Dresden 2640 Donnerstag, den 14 November 1S28 Erst wägen — dann wählen. Der deutsche Wähler hat in der Zeit, seitdem er untei der Republik eine erhebliche Ausdehnung seines politischen Einflusses erfuhr, so ganz allmählich ein recht starkes Mißtrauen in sich emporsprießen lassen, eine reckt deutlich sich bemerkbar machende Skepsis gegenüber den Ver sprechungen, den sozusagen Z u k u n f t s w e ch s e l n der Parteien, den Verheißungen, die ja vor den Wahlen billig wie die Brombeeren zu sein pflegen, sobald ein Groß wahltag heraufzieht. Man setzt einen nur recht geringen Glauben darin, daß die Zukunftswechsel nun nach den Wahlen auch wirklich honoriert werden oder ob man nicht gerade selten zitieren must: Vor Tische las man's anders. Man sollte das Anwachsen dieses Mißtrauens, diese geistig-politische Entwicklung im Interesse aller Parteien nur begrüßen. Denn nun heißt es, dem Wähler Rechen schaft abzulegen über das, was die Parteien in den Kom munalverwaltungen geleistet, getan oder verabsäumt haben. Das sind Wirklichkeiten, sind Tatsachen, sind keine — Versprechungen, die schon deswegen gar nicht durchführ bar sind, weil in diesen Volksvertretungen nur selten eine einzige von ihnen einen so überragenden Einfluß besitzt, um ihre Absichten restlos durchsetzen zu können. Dafür ist in den meisten Parlamenten dieser Art die Partei zersplitterung viel zu groß. Und es hat kaum den Anschein, als ob bei den bevorstehenden Kommunal wahlen diese Parteizersplitterung erheblich eingeschränkt werden würde. Fehlt es doch auch diesmal nicht an partei politischen Neubildungen, die allerdings Wohl vielfach nur dem Ehrgeiz ihrer Gründer dienen mögen. Und keine der politischen Richtungen kann sich darüber beklagen, daß bei ihr diese Zersplitterung größer wäre als bei den anderen, und das spöttische übertreibende Wort: Jedem Deutschen seine Partei! hat durchaus nicht viel an Berechtigung ver loren. Wobei nicht an der Tatsache vorüberzugehen ist, daß die „Programme" zahlreicher Parteien eine erstaun liche Gleichförmigkeit aufweisen. Aber darauf scheint es dem Wähler immer weniger an- zukommcn und gerade die kleineren Verhältnisse der Kom munen führen schneller dazu, nicht so sehr nach den Worten zu urteile» und zu wählen, sondern nach den Taten. Man hat das in das nicht unberechtigte: WahltagistZahl- tag! gekleidet. Was unbedingt an sich schon in gewissem Maße der allzu großen Parteizersplitterung entgegen wirken würde, wenn sich diese politische Einstellung zur Wahl überhaupt vorwärtsentwickelt. Und wir müssen um ihre politische Reife die Engländer beneiden, für die der Wahl tag die „U rteilsfindung" der Wühler über die Be tätigung der herrschenden Partei in der letzten Wahl periode ermöglicht. Im Kampf der Parteien ist diesmal vor den Kommu nalwahlen aber auch — die Gründe hierfür sind bekannt — in wachsender Lautstärke die Forderung erhoben worden, daß die Kommunalverwaltungen „entpoli tisier t" werden sollten. Nur wird man auch heute schon den Eindruck nicht los, daß die eine Partei immer — die andere „entpolitisieren" will. Andererseits werden aber in den Volksvertretungen auch der Kommunen nicht bloß wirtschaftliche, sondern auch kulturpolitische Fragen schwer wiegendster Art entschieden und das gleiche gilt für die Provinziallandtage und die Kreistage; vor allem und in »och stärkerem Maße ist in Preußen die Zusammensetzung des Staatsrats von gewichtigster Bedeutung. Das sollte der Wähler schließlich doch nicht ganz vergessen. Bloß — tut er es in weiten Kreisen? Die Parteien selbst setzen ja alles daran, diesmal eine größere Anzahl von Wählern an die Urne heranzubringcn, als dies bei den letzten Wahlen — die Beteiligung war vielerorts einfach kläglich! — erreicht werden konnte. Aller dings hat es in letzter Zeit ein wenig viel politische „Auf regung" gegeben und die parteipolitische Aufnahmefähig keit des Deutschen ist auch nicht gerade unbegrenzt. Aber man sieht dem Ergebnis der diesmaligen Wahlen doch mit erheblicher Spannung entgegen, nicht zuletzt deswegen, um zu erfahren, nach welcher Richtung hin jene politische Auf regung sich fortbildet. Wobei die Frauen am Wahltag von recht erheb licher Bedeutung sein werden! Nämlich darin, ob sie wählen und wie sie wählen. Denn in weiten Kreisen der deutschen Frauenwelt ist eine besonders stark an wachsende Wahl- und Parteiemnüdigkeit zu verspüren. Bei den Kommunalwahlen handelt es sich aber um die Vorbereitung für Entscheidungen gerade in Dingen, die die Frauen ganz besonders interessieren — sollten. Und so sollten auch sie dazu beitragen, durch Stimmabgabe eine einigermaßen deutliche politische Entscheidung zu treffen, das Bild der Wahlresultate durch umfassende Beteiligung mr den Wahlen etwas unzweideutiger als früher zu gestalten. „Brüder in Rot« Aufruf für die deutsch-russischen Bauern. Das Deutsche Rote Kreuz, der Zentralausschuß für die Innere Mission, der Deutsche Caritasverband, der Fünfte Awhlfahrtsverband, der Hauptausschuß für Arbeiierwohlfahrt, °er Zentralwohlfahrtsausschuß der christlichen Arbeiterschaft M die Zentralwohlfahrtsstclle der deutschen Juden erlassen Uncn Aufruf, in dem es Hecht: ^,-7^iwer in Rot! Eine Katastrophe über Deutsche im auslände ist bercmaebrockcn! Tausende deuticber Bauern Jie Men-W« IWM111W WWO« Baden - Baden, 13. November. Nach sechswöchiger Tagung hat am Mittwoch abend der Organisationsausschuß der B. I. Z. seine Arbeiten abgeschlossen. Nach Erledigung der letzten Streitpunkte in den Treuhandverträgen konnte zur Unterzeichnung der hier ausgearbeiteken drei Schriftstücke nämlich der Statuten der Charter- und der Treuhandverträge geschritten werden. Die Unterzeichnung wurde vorbehaltlos und einstimmig von sämtlichen anwesenden Abordnungen vorgenommen. Nur die Unterschriften der abwesenden belgischen Vertreter fehlen. Die Schriftstücke wer den jetzt dem Präsidenten der Haager Konferenz zugeleitet. Ein Bericht dazu ist nickt ausgeerbeitet worden. Zu erwähnen ist noch, daß über die Person des kommenden Präsidenten des Weltbank- direkorjums in Baden-Baden nicht gesprochen wurde. Die Sta tuten werden am Donnerstag veröffentlicht. Der Zeitpunkt des Haager Kouferenz- deginnes noch niSt fefta-setzt Paris, 13. November. Das französische Außenministerium dementiert formell die von einer Pariser Morgenzeitung gebrachte Meldung, daß die zweite Haager Konferenz am 7. Dezember be ginnen solle. Der Zeitpunkt sei noch nicht festgesetzt. Botschafter von Hoesch bei Tardieu Paris, 13. November. Von amtlicher devt'cher Seite in Paris wird mitgteilt: Der deutsche Botschafter von Hoesch hatte am Mittwochabend eine cinstündige Unterhaltung mit Minister präsident Tardieu, in der die deutsch-französischen Beziehungen behandelt wurden. * England und Frankreichs Haltung in der NSnmungsfrane London, 13. November. Von englischer Seite sind bisher entgegen anderslautenden Meldungen in Paris keinerlei amtliche Schritte hinsichtlich der Durchführung der Nheinlandräumung durch die französischen Besatzungstruppen bis zum 3V. Juni 1930 erfolgt. — Die diesbezüglichen Erklärungen von Tardieu in der Kammer haben, wie seinerzeit berichtet, auch in London nicht be friedigt. Eine direkte Gefahr für eine Ueberschreitung der Räu mungsfrist sicht man aber im Augenblick nicht. Wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt zeigen sollte, daß tatsächlich eine Ueberschrei tung der Räumungsfrist beabsichtigt ist, wird die englische Regie rung wahrscheinlich ihren bekannten Standpunkt in der Räu- mungsfrage auch amtlich in Paris zur Geltung bringen. Pole« erhellt MsMch a«s eine« Teil der deutsche« Kolonien W arschau, 13. November. Im Zusammenhang mit der polnischen Unabhängigleitsfeier Hai ein Vertreter der Seeliga einen Vortrag über das Anrecht Polens auf einen Teil der frühe ren deutschen Kolonien gehalten. Nach dem Vortrag faßte die BersanunlMg den Beschluß, einen vorbereitenden Propaganda feldzug zu eröffnen, der die polnische Regierung in die Lage ver setzen soll, das Anrecht beim Völkerbund geltend zu machen. Volksentscheid am 22. Dezember In engem Zusammenhang mit den im Haag zu er wartenden Beschlüssen wurde sowohl in Deutschland wie in Frankreich der Ausgang des nach der Annahme des Volksbegehrens gegen den Noung-Plan zu erwartenden Volksentscheides gebracht. Eine ursächliche Verbindung besteht ja auch tatsächlich. Soeben meldet man aus Berlin» als endgültiger Termin für den Volksentscheid komme nun mehr der 22. Dezember in Frage, obwohl von anderer Seite auch daran festgehalten wird, die Regierung beab sichtige, bereits den 15. Dezember als Abstimmungstag festzusetzen. Gegen beide Tage wird von den Befürwortern des Volksbegehrens und des Volksentscheides indessen Ein spruch erhoben. Zwar hat der Führer der deutschnatio nalen Reichstagsfraktion, Graf Westarp, die Reichs- regicrung ersucht, den Volksentscheid so bald wie möglich durchzuführen. Jedoch wird lebhaft darauf hingewiesen, daß sowohl der 15. wie der 22. Dezember mitten in die Zeit der weihnachtlichen Vorbereitungen und des weih nachtlichen Geschäftsverkehrs fallen. Deshalb würden viele Wahlberechtigte verhindert werden, sich an dem Volks entscheid zu beteiligen. Ein Wochentag kommt aber nach den gesetzlichen Vestünmungen nicht in Frage. «WSi sind durch Hunger, wirtschaftliche Not und Zeitverhältnisse von ihrer Scholle in Sibirien vertrieben. Eine deutsche Hungerwanderung hat in Rußland begonnen. Zehntausend Heimat- und existenzberaubte deutsche Bauern haben sich vor Moskau angefämmelt, um auf dem Wege über Deutschland nach Übersee auszuwandern. Hunderte sind bereits bettelarm in Deutschland eingetrofscn. Die unterzeichneten Verbände rufen deshalb trotz der schweren wirtschaftliche» Not im eigenen Lande das deutsche Volk zu einer Sammlung für feine furchtbar beimgesuchten Brüder auf. Wir haben den Hunger selber ourchgemacht. Hier aber hat er Tausende von Vertriebenen ergriffen, denen in de jetzigen Jahreszeit zu allen anderen Qualen die Un erbittlichkeit des Winters droht." über die Verwendung der eingehenden Spenden ent scheidet ein Ausschuß der Verbände. Spenden nehmen nach stehende Banken auf Konto „Brüder in Not" entgegen: Gebr. Arnhold; Bayerische Vereinsbank; Berliner Handelsgesell schaft; S. Bleichröder; Commerz- und Privatbank; Darm städter und Nationalbank; Delbrück, Schickler u. Co.; Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft; Dresdner Bank; I. Dreyfus u. Co.; Hardy u. Co.; Lazard Speyer-Ellissen; Mendelssohn u. Co. Postscheckkonto Berlin Nr. 117 200 „Brüder in Not" (Deutsches Notes Kreuz). * Das Reichskabinett beschäftigt sich ebenfalls milder Frage, wie den bisher schon in Kiel eingetroffenen deutschen Kolonisten aus Rußland zu helfen sei. Eine geldliche Hilfe aus Staatshaushaltsmitteln kommt kaum in Krage, da die für einen solchen Zweck erforderlichen Summen nicht vor handen sind. Dagegen wird die Regierung dte private Liebes tätigkeit in jeder Weise fördern. * „Die Auswanderung eine private An gelegenheit der deutschen Kotoaisten", sagt die Sowjet-Regierung Kowno, 13. November. Wie aus Moskau gemeldet wird, Hal die Svwjetregierung bis jetzt keine Entscheidung über die Aus wanderung der deutschen Kolonisten aus der Sowjetunion nach dem Auslande getroffen. In Moskau trafen erneut einzelne Grup pen deutscher Kolonisten ein, die von der Sowjetbehörde die Aus stellung von Pässen für die Ausreise aus der Sowjetunion verlan gen. Die Sowjetbehörde fordern für die Ausstellung eines jeden Passes 220 Rubel, da die Auswanderung eine private Angelegen heit der deutschen Kolonisten sei, die die Sowjetunion nichts an gehe. Mehrere Kantone der Wolgadeutschen Republik wollen auch gegen den Willen der Kommunisten wieder nach ihrer alten Heimat zurückkehren. Die Regierungsorgane der Wolgadeutschen Republik führen einen heftigen Kamps gegen die Auswanderung, in dem sie behaupten, daß die deutschen Kolonisten in Kanada und anderen Ländern schlecht behandelt wurden. Wie weiter gemeldet wird, wollen auch einzelne Mitglieder der deutschen Kolonie im Nordkaukasus die Sowjetunion verlaßen und nach Kanada aus- wandern. Die Kolonisten erklärten, die Auswanderung sei not wendig, weil infolge des Kampfes gegen die Bauernwirtschaft das Leben in Rußland vollkommen unerträglich geworden sei. Proklamation Nadir Khans. Bildung einer Nationalversammlung. Der neue König von Afghanistan, Nadir, veröffentlicht soeben eine Proklamation an das Volk. Die Regierung wird ihre Pflicht entsprechend den Vorschriften des Islams erfüllen, heißt es darin. Die Bildung einer National versammlung steht bevor. Es wird ein Zensur- und Rechnungsamt geschaffen werden. Die Beamten werden auf den Koran vereidigt. Sie müssen versprechen, un bestechlich und mit ihrem Gehalt zufrieden zu fein und keiner Regierung Gelder zu unterschlagen. Weingenuß wird nach den religiösen Vorschriften bestraft. Die Be ziehungen zu den auswärtigen Mächten sollpn die gleichen sein wie unter Aman Ullah. Der Telephon- und Tele graphendienst soll ausgebaut und der Postdienst wieder eingerichtet werden. Afghanistan wird Handelsver träge mit Deutschland, Persien, Italien, Frank reich, Großbritannien, Rußland, den Vereinigten Staaten, Belgien, Japan und anderen Ländern abschließcn, ferner wird der Bau von Eisenbahnen und Bewässerungsanlagen vorgesehen. Nr. Söpker-Aschoff über Fmanzstagen. Senkung der Real st euern. In einer Versammlung zu Recklinghausen sprach der preußische Finanzminister Dr. Höpker-Aschoff. Er betonte die Notwendigkeit absoluter Sparsamkeit in Staat und Kommunen. Der Beamtenappara: könne kaum und dann auch nur ganz allmählich vermindert werden. Bei der Iustiz seien Ersparnisse nur möglich durch eine Reform, die vor allen Dingen die Zuständigkeit der Amtsgerichte erweitere. Bei der Landeskulturver waltung könnte gespart werden durch die Übernahme dieser Arbeiten auf die allgemeine Verwaltung Im Mittelpunkt der wirtschaftlichen Notwendigkeiten stehe die Kapital- bildung. Wege dazu seien Abbau der Industrie- und Rentenbanklasten, Erleichterung bei der Einkommcnsteuer und eine starke Senkung der Real st euern. Zum Ausgleich müsse eine erhebliche Alkoholbesteuerung durch geführt werden, die diejenige Steuer sei, die in Deutsch land am leichtesten zu tragen sein würde.