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Wilsdruff-Dresden Mittwoch, den 23 Oktober 1928 Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Postscheck: Dresden 2640 für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 20 Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Dor- geschriebeneErscheinungs- —, . tage und Piatzvorschristen werden nach Möglichkeit VN sv V0 ch Lk: Amt WilSovUfs Nv. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis vorm.10 Uhr. - —— Für die Richtigkeit der Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Tagtblatt" cUchUn« an allen Werklaa« nachmittag; 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in 2°BAI luzllglich Aitt d'" Ausgabestellen 2 AM. im Monat, bei Zustellung durch die Dolen 2,Zu DM., bei Postbestellung isDpsg.All-Postanstall« Wochenblatt für Wilsdruff u. 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Um der schönen Augen Deutschlands willen haben Ivar Kreuger und derschwedische Z ü n d h o l z tr u st ge wiß uns die Anleihe nicht gewährt und der deutsche Reichsfinanzminister hat den Vertrag auch nicht aus be sonderer Liebe zu Schweden unterschrieben. Die Schweden brauchen das Monopol, um ihre in die deutsche Zündholz industrie hineingcsteckten Kapitalien wieder rentabel zu machen und der harten Konkurrenz der Russen, deren Aus fuhr nach Deutschland schon die Höhe eines Fünftels der deutschen Gesamtproduktion erreicht hat, endlich feste Schranken zu setzen. Und Deutschland braucht — was sich m der Welt schon ziemlich herumgesprochen hat — nicht bloß Geld, sondern viel Geld, sogar sehr viel Geld. Im Inland hat das Reich leider so gut wie gar keinen Kredit mehr, wie die verunglückte Auflegung der Anleihe im Mai dieses Jahres es bewies; also geht man ins Ausland, um dort die Safes zu leeren. Leicht hat man dem Reichs- finanzminister diesen jüngsten Versuch, etwas festeren, solideren Boden unter die Füße zu kriegen, gewiß nicht liemacht. Aber im Reichstag wird er bei der Beschluß fassung über das kommende Monopolgesetz zwar viele De batten und Vorwürfe erleben, aber trotz aller Kritik kaum einen entscheidenden Widerstand, da er ja immer nur die Finanzkrise aus dem Schreibtischkasten hervorzuholen braucht, um sich ein recht deutliches Argument zu ver schaffen. * Das verwünschte Geld! Diese deutsche Finanz misere! Was nicht alles könnte Deutschland in seinem Wiederaufbauwillen leisten, wenn man nicht immer und überall auf jene Hemmnisse und Schranken stoßen würde. Nun haben die Leute dort unten am anderen Ufer des Bodensees, der Zeppelinwerft gegenüber, auch ihren ge waltigen Luftsieg errungen. Mit dem „Do. X", dem Luftriesen, der 169 Menschen, doppelt soviel wie der „Graf Zeppelin", durch die Luft geschleppt hat. Seine zwölf Motoren hätten noch mehr bewältigt. Jetzt kommt nun die Frage der wirtschaftlichen Ver wertung des Riesenvogels. Man hat Wohl ge dacht, daß er nun, wie der „Graf Zeppelin" oder seine Nachfolger, für den Transozeanverkehr eingesetzt werden soll; aber es heißt jetzt, daß cs rentabler wäre, ihn für Mittelstrecken von etwa 1000 Kilometer Länge auf^chnell- sahrt zu verwenden. Natürlich nur auf solchen Strecken, wo mit Massenvcrkehr an Personen und Gütern zu ^echncu ist. Deutschland in der Luft voran! es ist stolz darauf. Wenn es uns bloß auf der festen ein wenig besser gmge! welchen Äugen mögen auf all diese Entwicklun- tn ini Äther und hiemcden auf der für «ns Deutsche lanbä^^bleu Erde wohl jene schauen, die einst Deutsch- sabon '^eraufstürmcn in der Vorkriegszeit als Männer ocwoktt?^ gar leitetrn. Auch letzt taucht aus seiner selbst wiedcp " Vergessenheit der Name eines solchen Mannes Ni-ei,io unfreiwillig, da die Erkrankung des un- Nciw^^^tendsten, sichtlich bedeutsamsten früheren Fürsten V «l ow gemeldet wird. Es h/'.o Geschichte Deutschlands m der nachbismarckschcn wollte man das -eben dieses vielgcwander- ten u.lld — viclgewandten Mannes schildern. Die Gattin, eine Italienische Prinzessin, verlor er vor Jahresfrist, kurz nach dem 80. Geburtstage Bande verknüpften ihn auch in der Nachkriegszeit mit der italienischen Haupt stadt. Auch jetzt weilt er dort, fern aller Politik. * Um sein stilles Haus herum wirbelt es desto mehr von bisweilen keineswegs erfreulichem Getriebe. In der berliner italienischen Botschaft hat sich Wunlich a l l e r h a n d U n a n g e n e h m e s e r e i g n e t; Ads, weiß man aber nickst genau. Nur das eine, daß der Voischafter und ein großer Teil des Personals ersetzt worden sind oder werden. Und es heißt, daß irgendwelche dunklen Kräfte den italienischen GcHeimcode gestohlen haben, nur, für wen, wann und ob überhaupt — ist natürlich unbekannt. Aber die italienischen Staats depeschen konnten entziffert, Mitgelesen werden. So etwas passiert zwar nicht alle Tage, aber doch nicht ganz selten. Sogar einer unserer größten Staatsmänner ist einmal auf diese Weise in eine nicht gerade angenehme Lage ver setzt worden. Bismarck, als er in Petersburg preußischer Botschafter war. Und gestohlen, genauer gesagt, heimlich abgeschrieben, hatte den preußischen Staatscode aus gerechnet die russische politische Geheimpolizei. Der s<m von vier Luftschiffen geplant. Aussichten des Zcppclin-Ozeanverkehrs. InHamburg hielt Dr. Leisler-Kiep einen Vortrag über Fragen des Luftverkehrs. Er gab zunächst einen Rückblick über die Geschichte der deutschen Luftverkchrs- unternchmnngen, schilderte seine persönlichen Eindrücke auf der letzten Amcrikafahrt des Graf Zeppelin" und kam Auf das LrlMch'sfes z„ beachten seien, zu sprechen. k Ergebnis der Zeppelinfahrten dic°AmcAkaf^ daß der Weltflug und einen finanziellen Uberschuß ab- In; KMett MM gestürzt Wegen seiner Außenpolitik In der ersten Sitzung der Französischen Kammer stellte Ministerpräsident Briand, wie aus Paris gemeldet wird, die Vertrauensfrage über die Behandlung der aus wärtigen Politik. Die Kammer versagte der Negierung mit 288 gegen 277 Stimmen das Vertrauen. Die Regie rung dürfte somit gezwungen sein, zurückzutreten. Wie e» zum Rücktritt kam Paris, 22. Oktober. Au dem Rücktritt des Kabinetts Bri and ist zu bemerken, daß die Vertrauensfrage nicht der Außen politik als solcher, sondern ihrer geschästsordnungsmäßigen Be handlung galt. Die Vorgeschichte ist folgende: Die erste Sitzung der französischen Kammer im neuen Ta gungsabschnitt wurde am Dienstag nachmittag um drei Uhr er öffnet. Zahlreiche Interpellationen über die Politik der Negie rung wurden gleich nach Eröffnung verlesen. Darauf ergriff Briand das Wort, nm der Kammer ein Arbeitsprogramm vorzu schlagen. Er empfahl, mit der Haushaltsaussprache am Donners tag dieser Woche zu beginnen, dagegen alle Interpellasionen, die sich auf die auswärtige Politik der Regierung beziehen, so lange zu vertagen, bis mit der Beratung des Boungplanes und den Haager Abmachungen begonnen würde. Daran schloß sich eine ausführliche Aussprache, in der Leon Blum für die Soziali stische Partei sich mit der Vertagung der außenpolitischen Probleme einverstanden erklärte. Den dann folgenden Anstalt zu scharfen Angriffen gegen die Regierung gab der radikalsvzialistischc Abgeordnete Montigny, der den Vertagungsvorschlag der Regie rung ablehnte. Der Redner verlangte vor allem, möglichst bald mit der Besprechung der Gründung der Bank für internationale Zahlungen zu beginnen, die eine Gefahr für die Regierung bedeute und verlangte ferner, die Erörterung der Rheinlandräumung und der Bedingungen, unter denen sie erfolgen werde. Auch die Saar- srage solle behandelt werden. Marin wies besonders darauf hin, daß die Rheinlandräumung bereits begonnen habe. Briand erwiderte, er könne die Stellung der Regierung dem Auslande gegenüber nicht schwächen. Für die Aufgabe, die die Regierung im Haag zu erfüllen hatte, hatte sie im voraus das Vertrauen der Kammer erhalten. Die Angriffe Marins und Mon- tignys gingen darauf aus, der Regierung dieses Vertrauen auch vor dem Auslande zu rauben. Wenn man der Regierung die ein monatige Frist, die sie brauche, versagen will, so möge die Kam mer dies osfen aussprechen. Die Regierung könne über die aus wärtige Politik nicht früher Auskunst geben, als die Verhand lungen mit den auswärtigen Regierungen beendet seien. Marin antwortete, daß Snowden das englische Parlament vor den Haager Verhandlungen über seine Absichten unterrichte! habe. Warum konnte Briand nicht ebenso handeln, statt sich hinter diplomatischen Geheimniskrämereien zu verschanzen, Er, Mann, könne nur dann für die Regierung stimmen, wenn er ihre Pläne vorher kenne. Montigny sprach Briand persönlich das Vertrauen aus, verweigert es jedoch, dem gesamten Kabinett, vor allem Maginot. Maginvt versuche geheimnisvolle Vorbedingungen sür die Rheinlandräumung zu konstruieren. Briand stellte darauf die Vertrauensfrage. Der blinde Abgeordnete Koapini fragte, ob man die bereits begonnene Rheinlandräumung ablehne. Briand er widerte, es liege ihm fern, die Kammer vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Räumung der zweiten Zone werde im Winter be endet sein, die der dritten nicht vor der Ratifizierung des Hsung- Planes und seiner Ausführungsbessimmungen. Der Antrag, der dann den Sturz der Regierung herbeiführte, war von dem Abgeordneten Montigny gestellt worden. Er ver langte die Festsetzung des Termines für die Behandlung der aus wärtigen Politik auf den 15. November. Hiergegen stellte Briand die Vertrauensfrage und kam mit Hilfe des rechten und des linken Flügels der Kammer zu Fall. Nach der Abstimmung wurde die Kammersitzung sofort auf gehoben. Die Minister begaben sich sofort geschlossen zum Präsi denten der Republik, um ihm den Gesamtrücktritt des Kabinetts zu unterbreiten. Zar gestürzte französische Kabinett beim Prästdenten Paris, 22. Oktober. Gleich nach der Abstimmung in der Kammer begab sich das Kabinett geschlossen zum Präsidenten der Republik in das Elysee. Ministerpräsident Briand überreichte das Abschiedsschreiben des Ministeriums, das in zwei Sätzen davon Mitteilung macht, daß die Kammer der Regierung das Ver trauen entzogen habe. Doumergue nahm das Rücktrittsgesuch ent gegen und dankte dem scheidenden Ministerium sür seine wert vollen Dienste, die eg Frankreich erwiesen habe. Doumergue hat das Ministerium, die Geschäste noch weiter zu versehen, bis ein neues Kabinett gebildet sei. Er wird am Mittwoch vormittag mit der Sondierung der politischen Lage beginnen und zu diesem Zweck die beiden Präsidenten von Kammer und Senat die Führer der großen politischen Parteien und andere maßgebende Politiker emp fangen. Der Rücktritt des Kabinetts hat in den Wandelgängen der Kammer Ueberraschung hervorgerufen. Die Sozialisten, die Radikalsozialisten und dreißig Mitglieder der Rechten, die sich um den früheren Pensionsminister Marin gruppieren, haben die Regierung zu Fall gebracht. Sie Berliner Prefse zm Sturz Vriavbr Berlin, 23. Oktober. Der überraschende Sturz des Ka binetts Briand wird vorläufig nur von einem Teil der Berliner Blätter ausführlich besprochen. Die „Germania" weist daraus hin, daß der Vorstoß gegen das Kabinett Briand von der Linken und der äußersten Rechten her zeige, daß die Lage nach dem Sturz Briands kaum nach einheitlichen Gesichtspunkten gedeutet werden könne. Es sei daher auch außerordentlich schwer, eine Voraussage für die weitere Entwicklung und den möglichen politischen Aus wirkungen zu machen. Die „Börsenzeitung" schreibt, der Vor gang in der französischen Kammer werde zweisellvs den innen politischen Machtkampf in Frankreich verschärfen, bis sich eine gewisse Festigung nach der Mitte hin und vielleicht nicht ohne außenpolitische Einsliisse durchsetzen werde. Die „Deutsche Tages- zeitung" sagt, es habe den Anschein, als sei in Frankreich die Zeit stabiler Kabinette wieder vorbei. Damit könne Frankreich aber unter Umständen auch wieder ein äußerst unsicherer wechselnder Verhandlungspartner sür Deutschland werden. Der „Vorwärts" sagt, wenn Briand der gradlinige Vorkämpfer der europäischen Verständigungspolitik gewesen sei, als der er sich gern habe seiern lassen, dann hätte er es nicht nöüg gehabt, die Vertrauensfrage gegen den Antrag der Radikalen zu stellen. Briand habe nicht von seinen Mitarbeitern auf der Rechten abrücken wollen, darüber sei er gestürzt. Nach der Auffassung des „Börsenkurier" hat nicht dis Nervosität über die außenpolitischen Ereignisse die plötzliche Krise veranlaßt, sondern die Unsicherheit der Innen- und partei politischen Entwicklung in Frankreich. Die „Vossische Zeitung" schreibt, Briand habe früher, als er selbst angenommen habe, die Probe aus das Excmpel machen müßen, daß es nicht möglich sei, eine Politik des Friedens und der internationalen Verständigung mit einer Rechtsmehrheit zu machen. In der ersten entscheidenden Abstimmung sei ihm ein Teil seiner eigenen Mehrheit in den Rücken gefallen. MlltWßuligeil über bar neue Kabinett Paris, 2st. Oktober. Man rechnet damit, daß in einigen Tagen das neue Kabinett gebildet sein wird, vermutlich wieder mit Briand als Außenminister. Außer ihm kommt auch Herriot in Frage, doch ist er bei der Rechten sehr unbeliebt. Für die deutsch-französischen Verhandlungen erwartet man in maßgeben den Kreisen von dem Rücktritt Briands keine besonderen Gefahren. Auch die Rheinlandräumung werde dadurch nicht ernstlich bedroht, denn bei der Zusammensetzung der gegenwärtigen sranzösi'chen Kammer sei es eine feststehende Tatsache, daß sich keine Rechts regierung, die der Rheinlandräumnng feindlich sein würde, bilden könnte. Dazu reichten die Stimmen der Rechten zahlenmäßig nicht aus. Am wahrscheinlichsten scheint ein Kabinett einer republikani schen Mitte unter Führung Tardieus, die die Gruppe von Magi- nott bis zu den Raditalsozialisten umfaßen würde. Wenn man dem Sturz Briands einen tieferen Sinn beilegen will und ihn nicht lediglich auf das Spiel parlamentarischer Kräfte zurückführt, so muß man sagen, daß die Regierung Briands über ihren rechten Flügel stürzte, der den Männern um Maligny und Leo Blum wegen ihrer zurückhaltenden und ablehnenden Politik in der Rheinlandfrage, ein Dorn im Auge war. geworfen hätten. Daraus ergebe sich, daß, wenn es gelinge, die Abfahrten regelmäßig zu gestalten, die Wirt schaftlichkeit eines ständigen transozeanischen Luftschiff verkehrs gesichert wäre. Was die Feuergefährlich keit des Luftschiffes betreffe, so befasse sich gegen wärtig die I. G. Farbenindustrie mit der Herstellung eines heliumähnlichen, nicht feuergefährlichen Füllgasss. Zum Schluß bezeichnete Dr. Kiep als das nächste Ziel der deutschen Luftschiffahrt den Ba« einer genügend großen Halle in Friedrichshafen. Der „Graf Zeppelin" habe sich nach den Ausmaßen der bisherigen Halle richten müssen. Das neue Luftschiff, dessen Pläne bereits vorläaen. solle erheblich höher werden. In den n!chsten Jahren würden wahrscheinlich v i e r L u f t s ch i f f c gebaut werden, davon zwei im Auftrage Amerikas. * ZMlia «ach Spaaiea Mtemegs Friedrichshafen, 23. Oktober. Das Luftschiff „Gras Zeppelin" ist, nachdem es 6.45 Uhr aus dem Westtor der Halle ge bracht worden war, 6.48 Uhr zu seiner 38stündigcn Spanienfahrt aufgessiegen. Die Führung hat Dr. Eckener.