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Wilsdruffer Tageblatt : 26.10.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-10-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192910269
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19291026
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19291026
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-10
- Tag 1929-10-26
-
Monat
1929-10
-
Jahr
1929
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 26.10.1929
- Autor
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Wilsdruffer Tageblatt 2 Blatt. - Nr. 251 - Sonnabend, den 26. Okt. 1929 herbtterlevein ungen Mit Riesenschritten kommt der Herbst gezogen; Die kalten Winde wehen über öde, kahle Felder. Bäume wiegen sich in großem Bogen, Mit jedem Tage werden die Blätter gelber. Der Wanderer am Waldesrande, Er sieht den auftvirbelnden Blättern nach, Wie sie herunterfallen von den Bäumen; Denn bald liegt die Natur ganz öd' und brach Er hört noch leis' ein Vöglein zwitschern Llnd durch die Bäume all' den Herbstwind geh'n. Er träumt noch einmal seine Iugendträume. Wie waren sie doch schön, ach, so unendlich schön! Linda Fleischer. Ein Gespräch. Eph. 5. lg: Prüfet, was da wohlgefällig sei dem Herrn. sie vor mir und weinte. „Ich habe ihn doch so Neb. — „Kind, er bat Frau und Kinder." — „Dann soll sie ihn freigeben. Er hat sie nicht mehr lieb, aber mich." — „Das hat er ihr vor ein paar Jahren auch ge sagt. Und sie hat's geglaubt. Und jetzt will er sie un glücklich machen — und du mit ihm." — „Aber wir haben uns lieb!" — „Das ist nicht wahr. Was ihr Liebe nennt, ist das genaue Gegenteil, ist Selbstsucht. Du willst ihn haben, er dich." — „Ich will ihn glücklich machen!" — „Indem du ihm hilfst, seine Frau und seine Kinder un glücklich zu machen? Indem du seine Untreue förderst, ihn in seiner Sünde bestärkst?" — „Wenn seine Frau ihn liebhätte, würde sie ihn freigeben." — „So — also von der Frau, die mit ihm treu alles geteilt hat die Jahre, die ihm die Kinder geboren und erzogen, die ihm ihr ganzes Leben hingegeben hat, von der verlangst du, daß sie entsagen soll Ist dir der Gedanke noch gar nicht ge kommen, daß das doch erst einmal deine Aufgabe wäre? Tu. die du rauben willst, verlangst: gib her, was ich haben will — anstatt dir zu sagen: ich will nicht rauben? Er kennst du noch nicht, was diese sogenannte Liebe ist. näm lich schnöde, grausame, lieblose Selbstsucht? Und darauf wollt ihr dann euer sogenanntes Lebensglück bauen! Klaub' mir, Kind, daher kommt das allermeiste Elend in oen Eben, daß sie eben nicht auf Liebe, sondern auf Selbstsucht bin geschlossen sind, auch da, wo man meinte, inan habe sich lieb" — „Aber das können Sie nicht von ans verlangen!" — „Daß ihr von eurer grausigen Selbst sucht laßt, die Frauenglück, Mutterliebe und Kinderfrieden zertritt? Ich verlang's ja auch nicht. Das tut ein Größerer. Er, der gesagt hat: „Habt euch untereinander lieb, so wie ich euch geliebt habe." So wie ich euch — Kind, geh' heut' nach Hause und denke darüber nach und lerne: Gott läßt sich nicht spotten. Auch von euch beiden nicht." Dresdner Plaudereien. Herbststimmung in Pillnitz. — Das Leben ohne Wert? Tragödien des Alltags. — Am grünen Tisch. — Für deutsche Schrift. — Keine Angst vor dem Schutzmann! (Nachdruck verboten.) - Auf unserm Elbstrom verkehren nur noch wenige Personen- dampfer Ein Teil der Flotte hat bnetts die Winterhäfen aufge- silcht »der liegt auf der Werst zur Reparatur. Aber gerade die Arbstfghrten bieten einen besonderen Genuß. Vom Deck aus Ä"" man nach beiden Seiten w buntes Land und bricht der zu zeitig an, dann gibis in der Kajüte beim Ausschank ein gemütliches Plätzchen. Von den nahen Fahrtzielen ist eins ".er schönsten Pillnitz. Um den dreiteiligen Schloßbau, in dem einst König Johann Dante übersetzte und der vorletzte König von Sachsen, Georg, vor 25 Jahren zum ewigen Frieden einging, ist es still geworden. Und doch ist der weite Park mit seinem Reich tum an seltenen Bäumen gerade jetzt von märchenhafter Schön heit. Der Maler Herbst ist fleißig gewesen und hat die vielen Farben seiner Palette z-u einer wahren Sinfonie vereint. An einem Wochentage hier auf verschlungenen Wegen zu« wandeln, ist ein seltener Genuß. Azurblau leuchtet der Himmel durch das Gelb der Baumkronen, Frau Sonne sendet goldene Strahlen durch das Geäst, es raunt und rauscht in den Zweigen und welke Blätter rascheln hernieder. Ein Sterben in Schönheit. Vorn aber in den großen Schloßhöfen blüht noch ein herbstlicher Blumenflor in ge radezu gleißender Pracht-.Späte Rosen glühen noch am Strauch und Zierbeete und Rabatten zeigen sich noch sorgsam gepflegt. Von der Terrasse des Elbschlosses schaut man hinüber auf die langestreckte Insel (Naturschutzgebiet), die im Frühling und Som mer vom Jubilieren der Vögel erfüllt ist. Jetzt ist es stiller, nur einige Krähen und Spechte lassen zuweilen ihr Geschrei ver nehmen. Die Nacht bricht herein, Flößer steuern ihr langes Fahr zeug lautlos den Strom hinab und in der Ferne glänzen die Lichter der Loschwitzer Höhen. * Wie wohltuend ein paar Stunden fern vom Lärm und der Unrast des Alltags! Aber man hat heutzutage „keine Zeit" oder nimmt sich keine, wenn mans schon könnte. An die Stelle guter Unterhaltung, bei der auch Geist und Gemüt etwas abbekommen könnten, tritt das lärmende und sinnbetäubende Vergnügen. Und wenn sich dann hiergegen Hemmnisse einstellen, dann hat das Leben auf einmal keinen Wert mehr und wird ohne Ueberlegung fortgeworfen. Wie entsetzlich erst kürzlich das Drama zweier jun ger Menschen draußen in der Dresdner Heide. Ein junger Stu dent hatte mit einem erst 15jährigen Mädchen eine Motorradfahrt unternommen und beide waren nicht zurückgekehrt. Abends krach ten im Walde zwei Schüsse. Der junge Mann hatte seine Ge liebte getötet und sich dann selbst eine Kugel in den Kopf gejagt. Auch er fand den Tod. Beide entstammten angesehenen Familien und hatten eine sorgsame Erziehung genoßen. Ein anderer Fall: Der 26 Jahre alte Sohn eines achtbaren Gewerbetreibenden wird vermißt. Schließlich fand man ihn in einer Bodenkammer ent seelt auf. Keine Zeile, kein Wort darüber hatte er hinterlassen, was ihn in den Tod trieb. Und dann jenes furchtbare Ende, das ein pensionierter Beamter erwählte. Von der Turmgalerie des Rathauses stürzte er sich aus über sechzig Meter Höhe in den Hof hinab und wurde völlig zerschmettert aufgehoben. Und zwei Stun den hatte er oben verweilt und mit sich gerungen und schließlich den grausigen Sprung in die Tiefe ausgeführt. Die Zeitungen verkünden täglich in erschreckender Zahl die Fälle von Selbst morden. Man soll nicht ein Urteil über die Unglücklichen füllen, die da glauben, das Leben nicht mehr ertragen zu können, denn Keiner weiß, wie er selbst einmal endet. Aber alle Kleinmütigen, Verzagenden und von düsteren Gedanken Geplagten müßten sich doch die Frage vorlegen, ob sie es nicht vermöchten, all ihrem wirklichen oder vermeintlichen Unglück ein willensstarkes „Denn- noch!" entgegenzusehen. Auch nach unten sehen! Ls gibt Men schen, die Schlimmeres ertragen und nicht verzweifeln. Zwei Worte müßten aus unserem Sprachschatz gestrichen werden. Das erste heißt „Furcht" und das zweite „hoffnungslos". Zu einer bedauerlichen Zeiterscheinung gehört auch die Spielsucht. Ein solider Skat oder ein gemütlicher „Doppel- kopp" hat damit selbstverständlich nichts zu tun. Diese Spiele bei niedrigen Sätzen können sehr wohl eine Entspannung und Er holung nach des Tages Last und Mühen bedeuten, obwohl ich mehr für eine fröhliche Unterhaltung am Stammtisch (Politik aus geschlossen) bin. Aber jetzt waren Gerüchte im Umlauf, nach de nen beabsichtigt sei, auf dem nach Dresden vor Jahren einverleib- ten Kurort Weißer Hirsch eine Spielbank auszu machen, also ein Kasino, in das man gut angezogen und mit pral ler Brieftasche hineingeht und sie dann — so ist es wohl in der Regel — leer wieder herausbringt. Im Schlöffe Albrechtsburg solle die künftige Spielbank, um deren Genehmigung eine ge schäftstüchtige Unternehmergesellschaft nachgesucht habe, unterge bracht werden. Der Gedanke mag für manche Leute verlockend er- Gegen üblen Mundgeruch. „Ich will nicht versäumen, Ihnen Mitteilung zu machen, daß ich seit dem Gebrauch Ihrer Zahn paste „Chlorodont" nicht nur reine weiße Zähne besitze, sondern auch den bei mir sonst üblichen Mundgeruch verloren habe. Ich werde Ihr „Chlorodont" aufs beste empfehlen." Gez. E. G„ Mainz. — Ueberzeugen Sie sich zuerst durch Kauf einer Tube zu 60 Pf., große Tube 1 Mk. Lhlorodont-Zahnbürsten 1,25 Mk., für Kinder 70 Pf., Chlorodont-Mundwasser 1,25 Mk. Zu haben in allen Chlorodont-Verkaufsstellen. scheinen, aber derartige Betriebe sind laut Gesetz von 1869 in Deutschland verboten. Vorher gab es in Baden-Baden ein solches Geschäftchen, und zur Zeit kann man auch im Ostseebad Zoppot sein Geld auf diese Art los werden. Zweifellos hätte die Stadt vom Betriebe einer Spielbank einen nicht unbeträchtlichen Ge winn, aber ideal ist dessen Erbringen nicht zu nennen. In der letz ten Stadtverordnetensitzung ist an den Rat die Anfrage gerichtet worden, wie er sich zu dieser Angelegenheit stelle. Der Oberbür germeister, der natürlich auch um die Füllung des Stadlsäckels be sorgt sein muß, hat sich dahin ausgesprochen, daß man der Ein richtung einer Spielbank nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber stehen möchte und daß man auch in anderen Großstädten seinen Standpunkt teile. An die Stelle des reinen Glücksspiels könnten ja sogenannte Geschicklichkeitsspiele treten. So was gah es ein mal in Luzern und im Tivoli in Kopenhagen. Es waren die so genannten Pferdchenspiele. Der Effekt war natürlich derselbe, den Hauptprofit hatten die Unternehmer. Gewiß tut dem Weißen Hirsch eine Verkehrsauffrischung not, ob sie aber in erwünschter Weise durch Errichtung einer Spielbank vor sich geht, mag dahin gestellt bleiben. Etwas gut Deutsches ist in solchen Neuerungen nicht enthalten. „Ich werde mir Dir einmal Fraktur reden!" Wenn dies ein „altmodisch" denkender Vater seinem allzu modern angehauchten Herrn Sohn verkündigt, so will er damit sagen, daß er ihm klar und deutlich seine Meinung zu verstehen geben will. Klarheit und Deutlichkeit ist aber ebenso in schriftlichen Dingen vonnöten und als Beispiel hierfür ist eine sehr interessante Ausstellung anzu sprechen, die gegenwärtig in den Räumen der Dresdner Kunstge noffenschaft untergebracht worden ist. An der Stirnseite des Ge bäudes leuchtet ihre Bezeichnung und ihr Inhalt: Diedeutsche Schrift. An dieser sehenswerten Schau haben u. a. rühmlichen Anteil die Staatliche Akademie für Kunstgewerbe und der Ver ein Deutscher Zeitungsverleger. Betrachten wir im Straßenbild irgendeiner Stadt die Firmenschilder, so herrscht leider immer noch die lateinische Schrift vor. Wie schön und anheimelnd nehmen sich aber dagegen unsere deutschen Lettern aus, wie wir sie aus den Anfängen der Buchdruckerkunst kennen. Warum soll denn auch das Deutsche nicht auf Marken, Karlen, Familienanzeigen, amt lichen Scheinen und Stempeln nicht angewandt werden? Die Aus stellung zeigt, daß die Frakturschrift im Ausland verbreiteter ist. als gemeinhin angenommen wird. Ein erfreuliches Bild bietet aber die Zusammenstellung vieler Zeitungsköpfe des In- und Aus landes — alle in deutscher Schrift. Es ist gerade in der gegen wärtigen Zeit sehr nötig, daß das Deutsche, also das unserer Na tion Eigene, überall zur Geltung gebracht wird, auch in kleinen Dingen des täglichen Lebens. Seit vielen Jähren wende ich im schriftlichen Verkehr innerhalb Deutschlands, auch auf Karten und Briefumschlägen, nur Fraktur an. Vielmehr, als es bisher ge schehen, sollte man die Bestrebungen des Bundes für deutsche Schrift unterstützen und fördern. Damit wird nationale Arbeit geleistet. Das einzig passende Gewand für unsere Sprache ist die deutsche Schrift. Man darf der schönen Ausstellung eine erfolg reiche Reise durch alle deutschen Staaten wünschen. Es hat immer einigen Reiz, in der Großstadt eigenartige Straßenszenen zu beobachten. Daran ist ja auch selten ein Man gel. Hier ists ein Unfall, dort eine Schlägerei, dann wieder mal das Auftauchen eines der immer seltener werdenden Originale. Oder eine Kundgebung. Was „kundgegeben" werden soll, wißen viele der daran Beteiligten manchmal selber nicht. Mitten im Großstadtgetriebe steht wie ein eherner Fels der Herr Poli- zeiwachtmeister, oder, wie er früher hieß, der Schutz mann. An den dichtbelebtesten Straßenkreuzungen regelt er den Verkehr, hier mit der weißbehandschuhten Rechten, dort mit einem Apparat, der jeweils anzeigt, daß man wieder mal mit heilen Knochen das andere Ufer bzw. die gegenüberliegende Fußgänger bahn erreichen kann. Was ich aber an einem der letztvergangenen Tage frühmorgens sah. war so nett, daß man es hätte in eine illustrierte Feitungsbeilage bringen müßen, in denen ja ohnehin nichts sicher vor der Kamera ist. Standen da am Bürgersteig eines auch früh sehr belebten Platzes zwei hübsche Kinderchen, ein Knabe und ein Mädchen, die sich offenbar auf dem Wege zur Schule befanden. Last- und Warenautos, Straßenbahnzüge und Motorräder sausten vorüber und weitere Fahrzeuge eilten aus den Nebenstraßen heran. Da nahm ein hünenhafter schnurrbärtiger Wachtmeister die Kleinen an die Hände und lächelnd wie ein glück licher Vater geleitete er die Kinder über den gefährlichen Asphalt, wofür sie ihm dann artig dankten. Ich dachte etwa reichlich vierzig Jahre zurück. Da hätte mal ein Schutzmann kommen und mich anfaßen wollen. Sofort wären mir allerhand lockere Streiche ein gefallen und ausgerißen wäre wie Schafleder Emil. 35. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Verzeihen Sie," sagte er nach einer Weile, unsicher zu Christa aufblickend, die ans Fenster getreten war und angelegentlich hinaussah. „Ich muß Ihnen wohl sehr töricht vorkommen. Aber wenn ein Mann in meinen Jahren zum zweitenmal heiratet — dann, nicht wahr — kann es sich nur um eine ungewöhnlich große Leidenschaft handeln —! Ich lebe nur in dieser Frau. Ohne sie ist für mich alles vorbei — alles " Christa waren diese Geständnisse, die dem Grafen offen bar halb unbewußt über die Lippen strömten, nur weil er sinnlos vor Schmerz war. äußerst peinlich. Zugleich packte sie jähe Angst. Worauf zielten seine letzten Worte hin? Er würde sich doch kein Leid antun wollen? Er schwieg nun und starrte stumm zu Boden „Herr Graf haben mich rufen laßen," mahnte sie end lich sanft. „Herr Graf wollten mir gewiß einen Befehl er teilen?" „Jawohl, richtig - das hätte ich beinahe vergeßen." Er fuhr sich über die Stirn und stand auf. Sein Blick war nicht mehr wirr, seine Stimme hatte wieder den alten, bestimmten, fast herrischen Klang. „Sie sind eine brave, verständige Frau, die ich schätzen lernte. Ich weiß, daß ich mich aus Sie verlaßen kann, Frau Christine, und daß Sie auch Takt und Bildung genug besitzen, um mir in dieser schweren Lage erfolgreich bei zustehen. Ich lege daher die Sorge um mein Haus und meine Kinder ganz in Ihre Hände während meiner Ab wesenheit —" „Herr Graf wollen verreisen?" „Ja Heute noch Ihnen allein sage ich die Wahrheit: ich werde nicht ruhen und rasten, bis ich die Gräfin ge- alte Leben mit mir wieder aufzunehmen. Das kann lange dauern. Monate — Jahre vielleicht! Denn sie wird sich vor mir verbergen, wahr scheinlich unter irgendeinem Künstlernamen und sicher sehr weit von hier Möglicherweise ist sie nach Amerika ge gangen, denn sie wollte schon vor unserer Vermählung dorthin." „Und Herr Gras wollen so ganz ohne Anhaltspunkt —" „Ich muß! Begreifen Sie das nicht! Uebrigens ist das meine Sache. Was ich von Ihnen erbitte, ist, daß Sie meine und der Gräfin Abwesenheit hier glaubwürdig be gründen. Denn zum Gespött will ich nicht werden! Die Kammerjungfrau und Fräulein von Koffak sind sofort zu entlassen als die einzigen, die vielleicht mehr von der Wahrheit ahnen, als mir lieb ist. Zahlen Sie beiden das Gehalt für ein Vierteljahr unter der Bedingung, daß sie noch heute abreisen und vorher nicht schwatzen" „Und was soll ich den Leuten sagen. Herr Graf?" „Daß die Gräfin gestern abend ein Telegramm erhielt, welches ihr den Tod' ihrer Mutter meldete und sie zwang, noch in der Nacht abzureisen Ich selbst konnte sie nicht gleich begleiten, da ich hier noch verschiedenes zu ordnen hatte, und beabsichtige, gleich nach dem Begräbnis mit meiner Frau auf Reisen zu gehen, um sie zu zerstreuen In diesem Sinn werde ich mich auch schriftlich von unsern Bekannten hier verabschieden Später, wenn etwas Gras über die Geschichte gewachsen ist, werde ich meine Schwä gerin, Gräfin Mara Breitenberg, bitten, für einige Zeit nach Tauffernitz zu kommen, damit die Kinder ein wenig Freude haben. Sie hängen sehr an ihr, besonders die Kleine. Ich bitte Sie aber, ganz besonders dafür zu sorgen, daß meine Schwägerin keine Ahnung des wahren Sach verhaltes bekommt Das wäre mir persönlich peinlich, denn sie war immer eine Gegnerin meiner zweiten Frau." „Herr Graf können sich ganz auf mich verlaßen. Was in meiner Macht steht, werde ich gewiß tun. um Ihre Wünsche zu erfüllen " „Ich danke Ihnen, Frau Christine. Nun bitte ich Sie noch dem Kutscher Auftrag zu geben, daß er in einer Stunde zur Abfahrt bereit ist. Inzwischen will ich noch den Kindern Adieu sagen und mit Doktor Stockmann einiges besprechen." der er nachjagte? (Fortsetzung folgt.) XV. Drei Jahre waren vergangen. Vielleicht die schönsten, ganz bestimmt aber die friedvollsten in Christas Leben. Denn drei junge Menschenherzen hingen in zärtlicher Liebe an ihr und sie vergaß in der Freude über ihr seelisches und körperliches Gedeihen manchmal ganz, daß es nicht ihre eigenen waren. Dazu kam die Freundschaft, welche ihr Doktor Stock mann entgegenbrachte, und die warme Zuneigung, die ihr die seit zwei Jahren auf Tauffernitz weilende, sonst als hochmütig verschriene Gräfin Mara bei jeder Gelegenheit bewies. Ohne jeden Mißton, einträchtig und herzlich verlief das Zusammenleben dieser sechs Menschen. Die drei Erwachse nen, so verschieden in ihrer äußern Lebensstellung und nur verbunden durch starkes Pflichtgefühl und selbstlose Liebe zu den verwaisten Kindern, waren unablässig be müht, diese zu tüchtigen Menschen heranzubilden. Die Kin der instinktiv dafür dankend durch warmherzige Liebe. Von dem Grafen kam selten Nachricht. Bald aus dieser, bald aus jener Stadt, Ansichtskarten an die Kinder oder ein kurzes Billett an Gräfin Mara mit dem immer gleichen Inhalt: „Wann wir heimkehren, wißen wir noch nicht. Meiner Frau behagt das Reisen sehr!" Gräfin Mara lächelte dann immer vergnügt. „Wenn es ihnen nur noch recht lange behagen würde, denn solange sie fort sind, kann ich bei meinen Lieblingen bleiben! Ich kann mir ja jetzt gar nicht mehr vorstellen, wie es sein würde wenn ich eines Tages wieder scheiden müßte von ihnen! Ich glaube, das Herz bräche mir entzwei —! Aber natürlich — mit der Gräfin unter einem Dach — das brächte ich noch weniger zustande!" Christa allein verstand das Trostlose dieser rastlosen Reisen von Ort zu Ort, die bisher noch zu keinem Ergebnis geführt hatten Die unermüdliche Ausdauer des Grafen flößte ihr oft Besorgnis ein. War das wirklich nur selten riese Liebe oder nur mehr Manie? — Eine fixe Idee,
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