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MlsdrusserTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsfte^e^rnd den Ausgabestellen 2RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,3oRM., be^Postbestellung i5Rpfö.Ä^P°ft°nst°lten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend P°i"b°',-nundüns^ träger und Geschäftsstellen — ! nehmen zu jeder Zert Ve« stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte/ Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8-iespalIene Rnumzeilc 20Stpfg., die i gespallenc AcUc der omMchc,' rcknnn!n,achun,cn ro Acichs« Pfennig, die Sgespaltene Reklamezeile im lextlichen Teile 1 Reichsmark. Nachmeiinnzsgkl iil.r LV Reichspsennigc. 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Steigende politische Nervosität in Deutsch-Österreich, als Symptome dafür aufgeregte Zeitungsartikel, Ver sammlungsreden, Demonstrationen, Drohungen und Zu sammenstöße zwischen den politischen Gegnern — das interessiert natürlich auch den Reichsdeutschen. Hinter den Kulissen scheint allerhand vorzugehen, freilich wohl längst nicht so viel, als hierüber — gemeldet wird. Doch selbst wenn man von den Gerüchten die Hälfte abstreicht, so bleibt noch genug, um zu beweisen, daß die innen politischen Verhältnisse in Österreich sich im Laufe der letzten Zeit sehr erheblich zugespitzt haben. So sehr, daß die Pessimisten schon mit einer Art Bürgerkrieg zwischen den Heimwehren und der haupt sächlich in Wien konzentrierten Sozialdemokratie rechnen zu müssen glauben. Aufgeregte Zeitungsartikel — Drohung mit dem „Los schlagen", Demonstrationsankündigungen — alles das, alles zusammen findet man in einem dieser Artikel, der soeben in einem offiziellen Organ der Heimwehren er schienen ist und wegen der Deutlichkeit seiner Ausführun gen erhebliches A u f s e h e n e r r e g t, die Nervosität noch steigert. Tas Drängen der Heimwehren nach einer ver fassungsrechtlichen Änderung hat ja auch bei den beiden nichtsozialdemokratischen Parteien, den Christlichsozialen und den Großdcutschen, zwar recht weitgehende Zu stimmung gefunden, aber jetzt wendet sich ,ener Artikel in auffallend scharfen Worten gegen die Versuche dieser Parteien, bei der Verfassungsreform nicht un bedingt die Vorschläge der Heimwehrführer durchzusetzen, die Brücken zur Gegenseite, also den Anschauungen der Sozialdemokratie und des Republikanischen Schutzbundes, nicht ganz abzubrechen, sondern eine mittlere Linie zu finden. Bei den Heimwehren fühlt man sich solchen Kom promißtendenzen gegenüber aber offenbar stark genug, eine Alles-oder-Nichts-Politik zu erzwingen. Man will „ganze Reformen und eine ganze Lösung". Eine „starke Regierung, in der auch die Heimwehr den ihr ge bührenden Einfluß besitzt", soll diese Reform durchsetzen. Kein langes Zögern, Paktieren, Schwanken mehr, — „der Zeiger steht auf 12 Uhr". Man verweist auf das stürmische Tempo, das die Entwicklung der Heimwehr eingeschlagen habe und zu einer baldigen Entscheidung hindränge. Das ist richtig: seit dem Juli vergangenen Jahres, als in Wien der Straßenkampf tobte und der Justizpalast brannte, hat die Heimwehrbewegung überraschend schnelle Fortschritte gemacht. Auch sie „ging auf die Straße" und mühsam genug, oft aber auch vergeblich, versuchte die Re gierung, die sich immer heftiger befehdenden Gegner aus einanderzuhalten. Einen Augenblick schien es, als ob der Rücktritt Dr. Seipels und seine Ersetzung durch den weniger befeindeten Dr. Streeruwitz als Bundeskanzler eme Milderung der Gegensätze wenigstens zwischen den politischen Parteien bringen würde, aber die steigende Flut der Heimwehrbewegung riß die nichtsozialdemokrati schen Parteien immer mehr an sich. Der berufsständische Gedanke bedrohte immer stärker die Idee der auf dem reinen Mehrheitswillen aufgebauten Demokratie. Die m der Zwcimillionenstgdt Wien straff auf dieser Demokratie errichtete Macht der Sozialdemokratischen Partei erschien als der Feind der mehr agrarischen Bundesländer namentlich des Alpengebictes. Wirtschaftliche Gegensätze — die sich keineswegs nur auf den zwischen Stadt und Land, zwischen den Konsumenten dort und den Produ zenten hier beschränken — werden verschärft durch poli tische, genauer gesagt: parteipolitische, weil in Österreich die auf Mehrheitswohl und Mehrheitsentscheidung ein gestellte Demokratie nach Ansicht der Heimwehren verhäng nisvollen, die Staatsentwicklung schädigenden Einfluß auf die Verwaltung gewonnen habe. Darum ist „Entpartei- politisierung der Verwaltung" eine der ersten Programm- forderungcü der Heimwehrbewcgung; auch hier soll der ^"ussständischc Gedanke an die Stelle der zahlenmäßigen Mehrhettsentscheidung gesetzt werden. Ein innenpolitischer Machtkampf also, zu dem die Gegner entschlossen sind, bei dem natürlich auch wirt- schaftspoutlfche, soziale und Wohl — persönliche Unter strömungen unverkennbar sind. Der Kampf um die Ver fassung, also, vom Standpunkt der Heimwehren aus ge sehen, gegen die Verfassung von heute, kann natürlich, wenn der Angreifer sich stark genug dazu fühlt — und das ist auch zwischen den Zeilen jenes Artikels zu lesen —, eines Tages dazu fuhren, daß der Kampfplatz nicht mehr auf dem Boden dieser Verfassung von heut bleiben wird. Das will nun die Regierung mit den ihr zu Gebote stehenden Machtmitteln verhindern und traut sich auch die hierfür notwendige Kraft zu. Sie wlll sich die Führung nicht aus der Hand nehmen lassen, wird aber zweifellos auch die Folgerungen daraus Ziehen,..daß sich in Österreich eine Verschiebung der politischen Kräfte vollzogen hat. Nichts für die Abrüstung geschehen! Anklage Lord Cecils in Genf. Donnerstag nahm der englische Vertreter, Lord Robert Cecil, im Abrüstungsausschuß der Völkerbundver- sammluna in Genf das Wort, um feüruttellen. daß feit Ar die MMW Sieben weitere Beitrittserklärungen zur Kakultativklausel. Eine Erklärung Hendersons. Die Vertreter von sieben Staaten haben Donnerstag feierlich am Natstisch in Genf die Unterzeichnung der Fakultativklausel über die obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit des Ständigen Internationalen Gerichtshofes im Haag vorgenommen. Es handelt sich um Frankreich, Peru und die Tschechoslowakei, die mit dem Vorbehalt der Gegen seitigkeit und der Ratifikation unterzeichnet haben, und um England, Indien, Neuseeland und Südafrika, die, ab gesehen von dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit, alle Streitfälle zwischen England und den Dominien bzw. zwischen den Dominien ausgeschlossen wissen wollen. Einschließlich der mit Sicherheit noch für diese Tagung er warteten Unterzeichnung durch Kanada sind damit 28 Staaten, also über die Hälfte der Signatarstaaten des Haager Statuts, der Fakultativklausel beigetreten. Acht zehn dieser Staaten, darunter auch Deutschland, haben bereits ratifiziert. Der Beitritt Frankreichs gilt für fünf Jahre, der Englands und seiner Dominions für zehn Jahre. Der französische Vorbehalt beschränkt die Wirksamkeit der Fakultativklausel u. a. auf die Fälle, die nicht durch ein Schlichtungsverfahren oder durch den Völkerbundrat geregelt werden könnten. Die Tschechoslowakei behält sich vor, etwaige Streitfälle vor der Anrufung des Haager Ge richtshofs dem Völkerbundrat zu unterbreiten. Nach der Unterzeichnung durch diese sieben Staaten erklärte der englische Außenmini st er Hender son, daß England mit der Annahme der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit einen bedeutenden Beitrag für den Weltfrieden leiste. Wenn die 10. Völkerbundversammlung als die Versammlung der Annahme der Fakultativklausel in die Geschichte eingehe, so könne man um so mehr die Hoffnung haben, daß auch bald die Völkcrbundversammlung der Abrüstung zustandekomme, denn die Abrüstung sei die dringlichste Frage der auswärtigen Politik der Gegenwart. So viel Schwierigkeiten dieses Problem auch bieten möge, seine Erfüllung werde den Beweis der Treue der Völker zum Kellogg-Pakt liefern. Es sei deshalb von lebens wichtiger Bedeutung, daß ein allgemeiner Abrüstungsplan in absehbarer Zeit einer vom Völkerbund organisierten Weltabrüstungskonferenz unterbreitet werde. 1927 in der Abrüstungsfrage kein Fortschritt erzielt worden sei. Man könne eher von einem Rückschritt sprechen. Ohne die Herabsetzung des Kriegsmaterials und der Landstreitkräfte sei kein Vorwärtskommen zu erzielen. Alles werde unvollständig bleiben, wenn die Kontrolle über die Aufwendungen der einzelnen Mächte für die Rüstungen nicht cingeftthrt werde. Diese Rede rief großes Aufsehen hervor und die ab lenkenden Antworten des französischen Vertreters konnten dieses Aufsehen nicht beschwichtigen, zumal der englische Entschließungsantrag vorliegt, in dem Lord Cecil seine Gedanken niedergelegt hat. Im Namen Deutsch lands erklärte Gras Bernstorff, die deutsche Re gierung müsse die Verantwortung für die Beschlüsse der Vorbereitenden Abrüstungskommission ablehnen. Wenn es so weitergehe wie bisher, dann seien diese Beschlüsse nichts anderes als ein Vertrag auf zehn Jahre zur gegen seitigen Unterstützung gegen die Abrüstung. Die deutsche Vertretung stimme Lord Robert Cecils Rede voll ständig zu. Wenn jetzt nichts geschehe, so wisse Graf Bernstorff nicht, wie das Problem der Abrüstung weiter- gebracht werden solle. Die Delegierten Italiens und Japans schlossen sich dagegen dem französischen Stand punkt an. Die Einschränkung zur See. Nach Washingtoner Meldungen ist zwischen London und dem Staatsdepartement in Washington vereinbart worden, daß die Einladungen zur Fünfmächtekonferenz nur vo« London ausgehen sollen Die englische Regie rung wird also allein als Gastgeber auf der Konferenz auftrcten. „New Nork World" glaubt zu wissen, daß Präsident Hoover den ehemaligen Staatssekretär H u ghes ersuchen wird, die amerikanische Abordnung bei der Kon ferenz der fünf Seemächte in London zu führen. Hughes war Vorsitzender der Washingtoner Scekonserenz vom Jahre 1921. Aus Tokio wird über Paris gemeldet, die japanische Regierung habe sich mit der Opposition darüber geeinigt, das Verhältnis der japanischen Flotte zur englischen und zur amerikanischen Flotte auf 70 Prozent festzusetzen. Der dem Generalstab der Marine angehörende Major Aama- guti wird sich am 25. September von Nokohama nach Washington begeben, um dem japanischen Botschafter die Beschlüsse der Regierung über die Abrüstungsfrage zu überbringen. SWMiWmdeit Arbeiisloseogesetz erste Reichstags- arbeit. Noung-Plan Oktober oder November. In einer Kabinettssitzung' am Donnerstag wurde be schlossen, den Freitag zusammentretenden Ältestenrat des Parlaments zu ersuchen, den Reichstag zum 30. September einzuberufcn. Beim Ältestenrat soll kein Zweifel bestehen, daß dem Verlangen der Regierung entsprochen werden müsse. Die zunächst einzig einzubringende Vorlage soll der Entwurf über die Arbeitslosenversiche rung fein, da die Erledigung des Uoung-Plans bis zur Überweisung an den Reichstag noch einige Zeit erfordert. Unter Umständen soll dafür erst das Ende des Oktober, wenn nicht gar der Anfang November in Betracht kommen. Es würde sich jetzt also um eine kurze Tagung des Reichstages handeln, die, wie man hervorhebt, am 4. Ok tober schon wieder beendet sein würde. Doch lassen sich in dieser Beziehung keineswegs bestimmte Angaben machen, da die Reform der Arbeitslosenversicherung mehr wie je umstritten bleibt. Beratung der Regierungsparteien. In der interfraktionellen Besprechung der Sozial politiker der Regierungsparteien am Donnerstag wurde zunächst die Hauptvorlage über die Reform der Arbeits losenversicherung durchberaten. Dabei herrschte im wesent lichen Einigkeit darüber, daß die vom Reichsrat vor genommenen Änderungen den Wünschen der Regierungs parteien nicht entsprechen und deshalb in diesen Fällen die ursprüngliche Regierungsvorlage wiederhergestellt werden soll. Das gilt z. B. auch für die Unterstützung der Lehrlinge. Eine Anzahl von Bestimmungen des Gesetzes soll durch gemeinsame Anträge der Regierungsparteien abgeändert werden, für andere Bestimmungen haben sich einzelne Parteien eigene Anträge Vorbehalten. Die Be sprechungen sollen in den nächsten Tagen fortgesetzt wer den. Aus der Hauptvorlage muß man sich noch über die allgemeinen Bestimmungen zur Wartezeit und über die Anrechnung der Sozialrenten auf die Arbeitslosenunter stützung einig werden. Ferner steht noch die Beratung der sehr wichtigen befristeten Sondervorlage bevor, die bekanntlich die aus der Hauptvorlage herausgenommenen Hauptstreitpunkte enthält, vor allem die Beitrags erhöhung und die Sonderregelung für die Saison arbeiter sowie die Leistungsherabsetzung für die jünge ren Arbeitslosen ohne Familienangehörige. RMritt des litkuWn Milletts Kowno, 19. September. Die amtliche Litauische Tele- graphenagentur gibt bekannt, daß durch einen besonderen Akt des Staatspräsidenten Smetona die Umbildung des Kabinetts verfügt worden ist. Daraufhin sind sämtliche Minister zurückgetreten. Mit der Neubildung des Kabinetts ist der bisherige Finanzminister Tubelis beauftragt worden. Der Staatspräsident hat die Minister ersucht, ihre Aemter bis zur Neubildung des Kabinetts weiter wahrzunehmrn. Die Nachricht hat hier größtes Aufsehen hervorgerufen. Nie mand hat es bis heute für möglich gehalten, daß bei dem über ragenden Einfluß des Ministerpräsidenten Woldemaras, der bis her in keiner Weise beeinträchtigt schien, eine so grundlegende Um bildung des Kabinetts Platz greifen könnte. Die Gründe für die Umbildung müssen demnach sehr ernster Natur sein und sind wahr scheinlich in den tiefgehenden Meinungsverschiedenheiten inner halb des Kabinetts zu suchen. Die Tatsache, daß der Staatspräsi dent nicht den bisherigen Ministerpräsidenten mit der Neubil dung des Kabinetts beauftragt hat, läßt die Vermutung zu, daß der Einfluß Woldemaras stark geschwächt ist. Tubelis gehört der gemäßtigen Richtung innerhalb der Tautininkai an, als deren geistiger Führer Staatspräsident Smetona gilt. Dsuischer Landrmrischastsrai. Die Tagung in Münster. Im Verlauf der Verhandlungen nahm nach lebhafter Aussprache die Vollversammlung eine Entschließung an, in welcher der Zusammenschluß der landwirtschaftlichen Führer zu einheitlichem Handeln begrüßt nnd festgestelU wird, daß die bisher getroffenen Maßnahmen vie erhoffte Besserung der Notlage der Landwirtschaft nicht hätten herbetführen können. Neben der schleunigen Durchführung der von den landwirt schaftlichen Führern geforderten Sofortmaßnahmen werde die vollständige Verwirklichung des im Frühjahr auf gestellten Rentabilitätsprogramms erwartet. Ein Ausweg aus der durch unerträgliche Tributlasten noch ge steigerten Notlage des deutschen Volkes se* nur in einer ziel bewußten Umstellung der gesamten deutschen Wirtschafts politik zu sehen. An Reichsregierung und Reichstag wird die dringende Mahnung gerichtet, sich unter Zurückstellung aller parteipolitischen Erwägungen zu einer Wirtschaftspolitik zu entschließen, die dem deutschen Volk wirtschaftliche und politische Freiheit zurückgewinucn kann.