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Wilsdruffer Tageblatt 2 Blatt. —Nr.218-Mittwoch,den I8.Sept. 1929 Non der linksgerichteten Presse äußert stcy das Berliner Tageblatt unter dem Titel „Gegen die Hetz presse": „Aus Gründen der Staatsautorität mutz mit der Übung gebrochen werden, auch solchen Zeitungen Anzeigen aufträge zu erteilen, die sich nicht scheuen, die Politik der Re gierung und der Regierungsmitglieder m der unsachlichsten und gehässigsten Weise herabzusetzen." — Der Vorwärts überschreibt die Veröffentlichung mit den Worten: „Gegen die Hetzpresse — Unterstützung republikfeindlicher Blätter soll aufhören". Das Zentralorgan des Zentrums, die Germania, be titelt ihre Veröffentlichung „Gegen republikfeindliche Amts blätter — Abwehrmaßnahmen der Regierung". Raiffeisen-Ltniersuchung. Die Verluste. Der vom Preußischen Landtag eingesetzte Untersuchungs ausschuß über die Kreditgebarung der Raiffeisenbank und der La ndbundgenosssen schäften, der soeben Zu sammentritt, findet das Ergebnis der amtlichen Ermittlungen vor. Der Bericht schildert die Schwierigkeiten, die die Raiff eisenbank bei der Umstellung auf Goldmarkbilanz für die Auf bringung des auf 25)4 Millionen Goldmark bezifferten Aktienkapitals hatte. Die Engagements der Raiffeisenbank be trugen im Minimum 1924 zehN Millionen, erreichten 1926 239 Millionen und bezifferten sich zum 31. März 1929 auf 177,2 Millionen. Alles in allem stellt sich der Schaden der Ratsseisenbank im Falle Uralzew auf 20,6 Millionen. Ein sehr großer Teil dieses Verlustes harte seine Ursache in mangel hafter Prüfung der von Uralzew gestellten Sicherheiten. . Am 9. Dezember 1924 setzte die Raiffeisenbank einen besonderen Prüfungsausschuß ein. Der Untersuchungsausschuß kam in Übereinstimmung mit dem Vorstande, dessen Angaben man damals noch weitgehend traute, zu der Überzeugung, daß Aus fälle bei Uralzew nicht zu befürchten seien. Die Ratsseisenbank erhielt jedoch schließlich die Mitteilung, daß die vorgelegten Dokumente gefälscht waren. Ausführlich schildert der Bericht noch, wie Raiffeisen bei Werner Riebe und anderen Firmen Millionen verlor. Die Preutzenkasse behauptet, sie hätte wiederholt bei Raiffeisen nachgeforscht, aber immer „irrige Auskünfte" und keine Klarheit erhalten. Ltnglück bei einer Kilmschau. 30 Kinder verletzt. In der alten jüdischen Schule des Newyorker Stadt teiles Bronx ereignete sich ein schweres Unglück, bei dem mehr als 30 Kinder verletzt wurden. In der Schule, einem alten Holzgebäude, war eine Ftlmschau für Jugendliche angesagt. Der Andrang war so stark, daß schließlich 500 wartende Kinder die Vorhalle füllten und den Zugang sperrten. Als nun die Tür nach außen geöffnet werden sollte, wurden die in den Hinteren Reihen stehenden Kinder gegen das Treppengeländer ge drückt. Das Geländer brach zusammen und über' 30 Kinder stürzten etwa fünf Meter hinab; viele wurden lebensgefährlich verletzt. Dunkelheit vermehrte die Panik, so daß noch eine große Anzahl weiterer Knaben nnd Mädchen Verletzungen davontrug. Die Anklage gegen den Grafen Christian zu Giolberg. Fahrlässige Tötung. Wie verlautet, wird die Anklage gegen den Graftn Christian zu Stolberg-Wernigerode, der beschuldigt wird, seinen Vater erschossen zu haben, auf fahrlässige Tötung lauten. Mit der Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft, die die Untersuchung abgeschlossen hat und augenblicklich die Akten prüft, ist Ende der kommenden Woche zu rechnen. Die Hauptverhandlung wird vermutlich nicht vor Anfang November stattfinden. Das Gutachten von Professor D r. Schultz-Göttingen soll für den Angeklagten nicht ungünstig sein. Oer „unbekannte Dritte" im Halsmann-Prozeß. Der Staatsanwalt möchte ihn kennenlernen. In der Dienstagverhandlung im Halsmann-Prozeß wurden von der Verteidigung mehrere Anträge gestellt, die jedoch abgelehnt wurden. Der Staatsanwalt machte, daraus aufmerksam, daß die Verteidigung in der vergangenen Woche erklärt habe, am Dienstag den unbekannten Dritten, der das Verbrechen an dem älteren Halsmann begangen Habe, zu nennen. Jetzt sei es aber still geworden um diesen Dritten. Sodann wurden Zeugen aus Riga vernommen, die das Leben des Angeklagten aufderD res - dener » ocyschule, wo sie mit ihm zusammen waren, schil derten. Halsmann war Mitglied der studentischen Organisation der Ausländer und des jüdischen Studentenvereins und be kleidete Vertrauensposten. Sein Lehrer Arwid Schulz aus Riga schildert ihn als einen der fähigsten und besten Schuler. Auch die Freunde, die mit ihm auf der Hochschule in Dresden studiert haben, stellen ihm das beste Zeugnis aus. Er sei zu vorkommend, wahrheitsliebend, voller Ehrlichkeit gewesen und keiner würde ihn des Verbrechens, das er begangen haben soll, für fähig halten. Ani ungünstigsten war seinerzeit die Aussage RaphaelJungelsohns gewesen; er hatte be, der Polizei in Riga verschiedene Einzelheiten, die gegen den jungen Halsmann sprachen, ausgesagt. Diese Aussagen hat er letzt sämtlich zurückgezogen. Wenn er Halsmann einen Egoisten genannt habe, so sei dies aus seiner politischen Einstellung zu erklären. Jeder Bürgerliche gelte ihm als Egoist. Mit großer Spannung steht man der bevorstehenden Ver nehmung der Mutter und der Schwester des Angeklagten ent gegen. poÜM ffuntlfäisu ! Deutsches Reich Bayerischer Bauernbund gegen Volksbegehren. Der bayerische Landwirtschaftsminister Fehr legte auf einer Bauernbundszusammenkunft in Niederbayern seine und des Bauernbundes Stellung zu dem Young-Plan und zu dem Volksbegehren dar und bezeichnete das eingeleitete Volksbegehren als einen Unfug und ein Verbrechen. Eine so bedeutsame Frage könne niemals auf dem Wege des Volksentscheids geregelt werden, da ein solches Unter nehmen zu schwersten Schädigungen für das deutsche Volk ausschlagen müsse. Der Bayerische Bauernbund lehne eine Mitwirkung an dem Volksbegehren mit aller Entschieden heit ab. Die Ausführungen des Ministers wurden mit Beifall entgegengenommen. Paragraph 4 des Volksbegehrens. Wie die Deutsche Allgemeine Zeitung erfährt, wird das Präsidium des Reichsausschusses für das „Volks begehren gegen die Versklavung Deutschlands" einberufen werden, um sich mit den Zwistigkeiten zu beschäftigen, die insbesondere durch die Formulierung des Gesetzestextes entstanden sind. Auf dieser Tagung wird auch über das Verlangen des Reichslandbundes und der Christlich- Nationalen Bauernpartei, den Z 4 des Gesetzentwurfes (Landesverratsbestimmungen gegenüber Ministern und Bevollmächtigten des Reiches) wieder zu streichen, ent schieden werden. Parlamentarische Handelskonferenz in Berlin. Pom 23. bis 26 September wird in Berlin die Inter nationale Parlamentarische Handelskonferenz ihre 15. Ta gung abhalten. Auf der Tagung werden 40 Parlamente vertreten sein. Die erste Sitzung findet am 23. September in Anwesenheit von Vertretern der Reichsregierung und der Länderregierungen statt. Den Vorsitz führt der Vize präsident des Reichstages, von Kardorff. Der Reichs finanzminister Hilferding, der bisherige Vorsitzende der deutschen Gruppe, wird die Konferenz im Namen der Reichsregierung begrüßen. Die Stadt Berlin veranstaltet verschiedene Festlichkeiten zu Ehren der Konferenz. Tschechoslowakischer Freihafen in Hamburg. Nach dem Vertrag von Versailles hat die Tschecho slowakei das Recht, in den Häfen von Hamburg und Stettin für 99 Jahre eine Freizone zu beanspruchen. Die Verhandlungen darüber wurden seit längerer Zeit zwischen den beteiligten Regierungen geführt. Sie haben jetzt zu dem Ziele geführt, daß in Hamburg demnächst die Ausnutzung der tschechoslowakischen Freihafenrechte in enger Verbindung mit dem Norddeutschen Lloyd geschieht. Es wird eine Aktiengesellschaft gegründet, an welcher der Norddeutsche Lloyd mit etwa der Hälfte des Aktienkapitals beteiligt sein wird, während tschechoslowakische Wirt schaftskreise die andere Hälfte des Kapitals übernehmen. Die Verwaltung der neuen Gesellschaft wird je zur Hälfte von deutschen und tschechischen Persönlichkeiten geführt. Belgien. Kaiserin Zita in Brüssel. Zu den Gerüchten über eine Übersiedelung der Familie der ehemaligen Kaiserin Zita nach Brüssel erfährt der Pester Lloyd, daß die Kaiserin allerdings am 13. Sep tember mit vier ihrer Kinder in Brüssel eingetroffen ist zu dem Zwecke, die Aufnahme ihrer Kinder in Brüsseler Schulen vorzubereiten. Am 20. d. M. kehre Kaiserin Zita nach Lequeito zurück, während die Kinder vorerst als Gäste in einem gräflichen Hause verbleiben. Ende Tages fpruch Mit dem Klagen, mit dem Zagen, wie verdarbst du's, ach, so oft! Lerne Trübes heiter tragen, und dein Glück kommt unverhofft! Geibel. Die psliiifche Adelsaenossenschast. Erklärung des N e i ch s w e h r m i n i st e r s. Nach einer Mitteilung der Vossischen Zeitung hat Reichswehrminister Gröner auf Grund des Paragraphen 36 des Wehrgesetzes, der den Angehörigen der Reichs wehr und Reichs marine die Mitgliedschaft in politischen Vereinigungen oder Verbänden verbietet, die Deutsche Adelsgenossenschaft für politisch erklärt. Diese Verfügung des Reichswehrministeis bedeutet für die Offiziere der Reichswehr und der Reichsmarine den Befehl, aus der Adelsgenossenschaft, sofern sie Mitglieder derselben sind, sofort auszutreten. Der Befehl des Reichs wehrministers ist, dem Vernehmen nach, erlassen worden, weil in den Blättern der Adelsgenossenschaft Angriffe gegen die Reichsregierung und deren Mitglieder ver öffentlicht worden sind und weil die Adelsgenossenschaft sich aktiv an dem Volksbegehren von Hugenberg-Hitler beteiligt. Amtliche Bekanntmachungen in Zeitungen. Die künftige Auswahl der Zeitungen. Die Reichsregierung und die preußische Regierung er lassen auf Grund einer Übereinkunft folgende amtliche Veröffentlichung: „Den Zustand, daß von Behörden für amtliche Be kanntmachungen zum Teil immer noch Zeitungen benutzt werden, die die Regierung in unsachlichster und ge hässigster Weise bekämpfen, glaubt die Regierung nicht länger verantworten zu können. Sie wird bei der Aus wahl der Zeitungen auch in Zukunft ohne Rücksicht auf die politische Richtung der Blätter und mit dem Ziel einer paritätischen Regelung und einer möglichst weiten Verbrei tung amtlicher Veröffentlichungen in den Kreisen der Be völkerung, für die sie bestimmt sind, verfahren. Aus Gründen der Staatsautorität muß jedoch mit der Übung gebrochen werden, auch solchen Zeitungen Anzeigenauf träge zu erteilen, die sich nicht scheuen, die Politik der Regierung und der Regierungsmitglieder in der unsach lichsten und gehässigsten Weise herabzusetzen. Veranlaßt durch die weit über den Rahmen einer sachlichen Kritik hinausgehende Art und Weise, in der gerade in letzter Zeit Blätter, die zu amtlichen Bekanntmachungen benutzt wor den sind, über die Haager Ergebnisse, die Regierung und ihre Mitglieder geschrieben haben, sind die Reichs- und die preußische Staatsregierung übereingekommen, sofort Richtlinien für die Auswahl von Zeitungen zur Bekannt gabe amtlicher Veröffentlichungen in Kraft treten zu lasten. Nach diesen Richtlinien werden künftig von amt lichen Veröffentlichungen solche Blätter ausgeschlossen, die planmäßig die Verfassung oder die verfassungsmäßigen Einrichtungen beschimpfen oder verächtlich zu machen suchen oder die verfassungsmäßige Regierung, ihre Be hörden und ihre Amtshandlungen zum Zwecke der Unter grabung der republikanischen Staatsform planmäßig mit unsachlichen und insbesondere wahrheitswidrigen Mitteln bekämpfen." Was die Presse dazu sagt. Von rechtsstehenden Blättern bemerkt der Ber liner Lokalanzeiger: „So schön nnd gut die Begrün dung der Strafmatznahmen auch klingt, die Praxis wird wesentlich anders aussehen. Denn es wird bei einigermaßen schlechtem Willen nicht schwierig sein, gegen alle nationalen Zeitungen auf Grund der obigen Bestimmungen vorzugehen, indem man jeder unliebsamen Kritik Unsachlichkeit unterstellt." — Die Deutsche Allgemeine Zeitung schreibt: „Diese Erklärung ist wohl als Auftakt zu dem neuen Republik schutzgesetz aufzllfassen. Es liegt aus der Hand, daß ihre Ver wirklichung der Willkür gegen die oppositionelle Presse Lür und Tor öffnet." — Die Deutsche Tageszeitung nimmt zunächst nur Stellung in den Überschriften über den Wortlaut der Bekanntmachung. Die Überschriften lauten: „Androhung wirtschaftlicher Benachteiligung — Maulkorb für die Presse". Nie Wie mir vm HM «Werg Roman von Anny von Panhuys 61 Fortsetzung Nachdruck verboten „Was für einen Beruf?" wiederholte Margarete. „Er tat einmal so, als könne er ein Gut verwalten, im allgemeinen arbeitete er aber nicht und war ein Spie ." Mali nickte wieder bedächtig. „Da war er also, als Sie ihn heirateten, Gutsinspekkor denke ich mir?" „Ja, natürlich!" Margarete hatte kein Interesse mehr an der Fortsetzung des Gespräches. Sie dachte nur an den Inhalt des Briefes und daß sie jetzt den alten Inspektor wirklich nicht um Geld bitten durfte, ohne ihm die volle Wahrheit über alles mitzuteilen. Noch für einige Zeit würde ihr Geld zum Lebensunter halt reichen, dann aber — Ihr wirbelte der Kopf, ihr bangte vor all dem Unan genehmen, das dann folgen würde. Zuerst begann es mit demütigenden Bettelgängen auf das Konsulat und schließlich mußte sie doch an Inspektor Jäger schreiben. Sie konnte dann, wenn die Not sie allzusehr bedrängte, nicht mehr daran denken, sich mit dem Prinzen auseinander zusetzen und sich darum zu kümmern, wo Hans Westfal weilte. Ihre langen Wimpern versuchten, die in ihre Augen tre tenden Tränen zu verbergen, aber die blonde Oesterreicherin hatte die glitzernden Tropfen doch schon bemerkt. „Armes Hascherll" sagte sie mitleidig, streichelte sanft Schultern und Arme der gebeugt Dastehenden. „Liebes, ar mes Hascherl, Sie fürchten sich vor der Not im fremden Land, nicht wahr? O, ich kenne diese Furcht genau, sie ist gräßlich. Aber Kopf hoch, ganz hoch! Eine wie Sie braucht nicht zu verzagen. Sie sind gebildet, können und wissen viel mehr wie unsereins, wenn Sie auch nicht damit protzen. Ich bin sicher, es findet sich schon wieder eine Stellung für Sic. Ich will mich umschauen, ich kenne mich hier jc schon ein bißchen aus." Sie setzte leiser hinzu: „Uebrigens habe ich ein bissel Er spartes. Ich leihe es Ihnen gern, sehr gern sogar, denn ich weiß genau, Sie werden mich nicht darum bringen." Margaretes Tränen versiegten jäh vor dieser, ihr wie ein Wunder dünkenden Güte der Blonden, die ihr, von der sie eigentlich gar nichts wußte, ihr mühsam Erspartes auf so schlichte, natürliche Weise anbot. Ihre Wangen erglühten wie unter der Berührung strei chelnder warmer Hände. Sie streckte die Arme aus, zog Mali Goschen an sich. „Liebes, gutes Mädel, daß ein Mensch hier im fremden Land soviel Vertrauen zu mir hat, das beglückt mich und gibt mir neue Kraft." Sie küßte Mali auf beide Wangen. „Noch besitze ich etwas Geld, ich hoffe, es reicht, bis sich eine neue Stellung gefunden hat. Ich nehme jede Stellung, die sich bietet, ich will vor keiner Arbeit zurückschrecken." In den folgenden Tagen kam Mali Goschen öfter zu Margarete und eine warme Freundschaft entspann sich zwi schen ihnen, die sie beide doch in jeder Beziehung so grund verschieden waren. Zuweilen war Margarete nahe daran, der blonden Mali volle Wahrheit über sich zu geben, aber sie scheute im letzten Moment immer wieder davor zurück, fürchtete, dadurch die Zutraulichkeit der anderen zu unterbinden. Eines Abends erschien Mali mit besonders freudiger Miene. „Ich glaube, ich weiß eine Stellung für Sie, Margarete. In einem ganz entzückenden Blumengeschäft. Die Besitzerin ist eine alte fette Sennora, mit einem Mordsschnurrbart. Aber sie hält auf junge schöne Verkäuferinnen. Drei braucht sie. Zwei für den Laden und die dritte —" Sie stockte flüch tig. „Nun die dritte muß ihre Blumen in einem kleinen Kiosk verkaufen, auf der Avenida de San Francisco." Sie blickte an Margarete vorbei. „Es wird Ihnen vielleicht im ersten Augenblick nicht ge fallen, daß Sie die Blumen so — nun ja, eigentlich auf der Straße verkaufen sollen, aber Sie meinten neulich: ,Ich nehme jede Stellung, die sich bietet, will vor keiner Arbeit zurückscheuen!'" Sie schaute jetzt Margarete voll an. „Sie sollen mich nicht etwa falsch verstehen, denn ich finde selbst, Sie steigen herab, wenn Sie derartiges tun, wie ich Ihnen eben vorschlug. Aber Sie sind nach meiner Meinung auch herabgestiegen, als Sie Mannequin wurden. Eine Frau wie Sie müßte überhaupt etwas Besonderes sein im Leben, für Sie wäre ein Prinz grad gut genug." Margarete unterbrach sie mit seltsamem Lächeln. „Nur nicht, nur nicht, ich würde dankend ablehnen!" „Ich dagegen griffe mit beiden Händen zu!" lachte Mali. „Aber nun zu unserer Sache. Wollen Sie es als Vlumen- verkäuferin versuchen, Margarete? Wenn die Schnurrbart dame Sie sieht, werden Sie sofort von ihr engagiert. Uebri gens ist der Kiosk auf der Avenida de San Francisco ganz reizend. Die Schnurrbartdame nennt ihn nur ihr ,Blumen nest' und die Verkäuferin sitzt darin wirklich wie in einem Blumennest. Sie würden darin entzückend zur Geltung kom men und Ihr radebrechendes Spanisch genügt für den Ver kauf, wird Sie noch besonders interessiert erscheinen lassen." Margarete dachte genau wie damals, als sie sich zu der Vorstellung bei Madame Leonie entschloß, es würde ihr wohl nichts anderes übrig bleiben, als vorerst die Stellung anzunehmen, vorausgesetzt, man wollte sie überhaupt. Um die Mittagsstunde des nächsten Tages ging sie in Be gleitung von Mali zu Sennora Dorita Corzana. Mali sprach ein schauderhaftes Spanisch, aber sie redete dreist und keck darauflos und wenn man sie nicht verstand, half sie mit der Zeichensprache. Sie kannte Donna Dorita durch irgendeinen Zufall, nützte nun die Bekanntschaft, um Margarete zu helfen. Donna Dorita war sehr fett und ihre Haut von jener geisterhaften Blässe, wie sie Menschen eigen ist, die viel mit Blumen zu tun haben in geschlossenen Räumen. Sie band alle Sträuße und Kränze selbst und sang dabei allerlei Liebeslieder, die sich komisch genug von den schnurr bartüberstachelten Lippen anhörten. Fortsetzung folgt.'