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Wiener Kaufmann Winkler, genannt „Gol0su«l- federkönig", angezettelt sei, und daß es weder einen Toten noch einen Selbstmörder gebe. Winkler habe bereits verschiedene solcher „Sensationen" arrangiert. Das Hineinziehen politischer Persönlichkeiten, die Suche nach einem Zusammenhang mit den Bombenattentaten in Norddeutschland, das Briefpapier unt dem heraus geschnittenen Adelswappen hätten deutliche Ähnlichkeit mit den Reklamemcthoden, die der „Goldfullfederköniq" bei seinen früheren Affären angewandt hatte. Gefährliche Chirurgie. Die Darmschcre in der Bauchhöhle des Patienten. In einem Berliner Krankenhause wurde im August dieses Jahres ein dänischer Lehrer, der mit einer Bauch fellentzündung cingeliefert mar, operiert. Dabet wurde in der Bauchhöhle des Patienten eine 14 Zentimeter lange Darmschcre gesunde». Ein paar Tage daraus ist der Patient gestorben. Es wurde feftgcstcllt, daß der Lehrer, bevor er nach Berlin kam, schon im Flensburger Krankenhause operiert morden war. Wie cs scheint, hat der Flensburger Chirurg die Schere bei der Operation im Bauche des Kranken „vergessen". Die Staatsanwaltschaft hat nunmehr eine Untersuchung eingeleitet. Der Fall mag manchem ungeheuerlich erscheinen, aber so außergewöhnlich, wie man meinen mag, ist er nicht, denn chirurgische Vergeßlichkeiten dieser Ärt sind schon oster vorgekommen. Mehr als einmal schon haben Opera teure kleinere Operationsinstrumente, Mulltupfer usw. im Bauche des Operierten liegenlassen. Manchmal ging alles glimpflich ab und der Patient kam ohne körperliche Schädigung davon, manchmal aber ist es anders und es muß eben eine neue Operation vorgenommen werden. Trotzdem liegt keine Veranlassung zu Verallgemeinerungen und zur Beunruhigung vor und wir dürfen weiter volles Vertrauen haben zur Gewissenhaftigkeit unserer Ärzte, denen eben nur bei der Ausführung dringlichster Opera tionen ein so furchtbares Versehen mitunterlaufen kann. Ausgekochte MegenielLer als Tee. M i n d e n c r G i f t m o r d p r o z e s s e. Vor dem Bielefelder Schwurgericht wurden in den letzten Tagen zwei Giftmordprozesse verhandelt. In dem einen war die Ehefrau Philippine Dammeher aus Min den angeklagt, am 23. Oktober 1923 ihren Ehemann ver giftet zu haben, indem sic Fliegenteller auskochtc und das Gebräu ihrem Manne als Tee zu trinken gab. Genau dasselbe Verbrechen wurde der Freundin der Dammeher, der Ehefrau Frieda Schumann, ebenfalls aus Minden, zur Last aelegt, deren Ehemann auf dieselbe Weise am 21. Oktober 1921 zu Tode gekommen sein sollte. Die beiden Prozesse griffen teilweise ineinander über, da die Ange klagten in dem einen Prozeß Zeugin, in dem anderen Angeklagte waren. Nach dreitägigen Verhandlungen wur den die Urteile gefällt. Frau Dammeher wurde des Mor des schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt, während Frau Schumann aus Mangel an Beweisen sreigesprochen werden mußte. ^4*4444«444*444«444»44 4 4444444«444»<^««^4««4444444««44««4444444 ! politiMe ^rmülGZu f Deutsches Reich Wiederbeginn der Reichstagsarbeit. Die demokratische Reichstagsfraktion hat ihre nächste Sitzung für Mittwoch, den 25. September anberaumt, die Zentrumsfraktion für Sonntag, den 29. September. Die Deutschnätionalen treten erst am Montag, den 30. Sep tember, also kurz vor der Plenarsitzung des Reichstages, zusammen. Am Dienstag, den 24. September wird der Strafrechtsansschu^ seine Arbeiten fortsetzen. Am Mitt woch, den 2. Oktober gedenkt der Rechtsausschuß die zweit« Lesung des Gesetzes über die Ablösung älterer staatliche« Renten zu beginnen. Keine Zollschwierigkeiten für Autos mehr an der polnischen Grenze. Die vor einiger Zeit von dem polnischen Zollamt in Myslowitz für Geschäftsreisende mit eigenen Automobilen getroffene Maßnahme, wonach je nach Gewicht des Wagens ein Zoll von 12 000 bis 20 000 Zloty erhoben wurde, ist mit sofortiger Wirkung aufgehoben worden. Den Besitzern der Waaen wird aeaen eine Gebübr von Eine Kraftdroschke vom Güterzug mitgeschleift. An dem Bahnübergang der Privatanschlußbahn der Grube Schellmauer beim Gutshof Neu-Hemmerich bei Frechen (Rheinprovinz) wurde eine Kraftdroschke von einem Güterzug erfaßt und mehrere hundert Meter mitgeschleift. Der Wagen wurde vollständig zertrümmert. Der Krast- wagenführer wurde tot unter den Trümmern hervor gezogen. Ein mitsahrendes Mädchen wurde so schwer ver letzt. daß es bald darauf starb. Riesenfeuer in der Celler Artilleriekaserne. Sonn abend morgen brach in einem Flügel der alten Artillerie kaserne im Dachstuhl ein Brand aus, dem innerhalb von zwei Stunden der obere Teil des Gebäudes in einer Aus dehnung von 200 Metern zum Opfer fiel. Bei den Lösch arbeiten stürzte eine Decke ein, die zwei Reichswehr soldaten unter ihren Trümmern begrub. Die Verletzten wurden dem Krankenhause zugeführt. Die Kaserne wurde unter dem König Ernst August von Hannover für die Cambridge-Dragoner erbaut und wurde nach 1866 Ar tilleriekaserne. Belegt war sie zurzeit mit 50 Mann und 20 Pferden, außerdem wohnten dort acht Familien. Rückkehr des Kanzlers nach Berlin. Aus Heidelberg wird gemeldet, daß Reichskanzler Müller feinen Erholungsurlaub auf Bühlerhöhe am nächsten Mittwoch abschließen und nach einem kurzen Besuch in Heidelberg die Rückreise nach Berlin antreten wird. Der Reichskanzler wird an der am 30. September stattfindenden Reichstagssitzung teilnehmen und seine Dienstgeschäfte wieder aufnehmen. Etwa um die gleiche Zeit wie der Kanzler sollen Reichsautzenminister Dr. Stresemann und Reichswirtschaftsminister Dr. Curtius wieder in Berlin eintreffen. Großbritannien Der Verzicht auf das Jrakmandat. Die britische Regierung hat zugesagt, die Aufnahme des Jrakstaates in den Völkerbund im Jahre 1932 zu befürworten. Mit dieser Aufnahme würde die nach Schluß des Weltkrieges den Briten übertragene Mandatsverwal tung im Irak erlöschen. Es wäre das der erste Fall eines derartigen Verzichtes und deshalb von grundsätzlicher Be deutung. Aus Zn- und Ausland Paris. Rach der amtlichen französischen Arbeitslosen statistik stellte sich die Zahl der A r b e i t s lo s e n am 14. Sep tember auf 290 Männer und 132 Frauen. London. Vom 7. bis 11. Oktober wird hier ein inter nationaler Sparsamkeitskongreß abgehalten werden, an dem 250 Delegierte aus 24 verschiedenen Ländern teu- nehmen werden. Varna. Der politische Anschlag auf den Vertreter der mazedonischen Aufstandsbewegung, Baidaroff, hat noch ein zweites Opfer gefordert. Ein junger Mann namens Balkan Mileff wurde von den Angreifern gleichfalls getötet. Newyork. Parker Gilbert traf hier ein. Er erklärte, er verbringe hier seinen Urlaub. Er wickle gegenwärtig An gelegenheiten, die mit dem Dawes-Plan Zusammenhängen, ab und werde, wenn er diese Geschäfte erledigt habe, dauernd in Amerika bleiben. Berlin. Infolge zahlreicher Schlägereien zwischen Kom munisten und Nationalsozialisten wurden in der Nacht zum Sonnabend vier Nationalsozialisten und zwei andere Personen von der Polizei festgenommen. Verschiedene Personen wurden bei den Schlägereien durch Messerstiche usw. verletzt. Berlin. Die Jahresversammlung des Deutschen und des Preußischen Städtetages, der Spitzenorgani sation der mittleren und großen Städte, finden am 27. und 28. September in Frankfurt a. M. statt. Voraussichtlich wer den Reichsinnenminister Severing und der Reichsfinanz minister Dr. Hilferding teilnehmen. Washington. Der Staatssekretär der Marine, Adams, gab bekannt, daß amerikanische Kriegsschiffe in Zu kunft nicht mehr in europäischen Gewässern stationiert werden. Washington. Präsident Hoover hat die Genfer Konvention über die Aufhebung der Ein- und Ausfuhrbeschrän kungen ratifiziert. Das Dokument wird vor dem 30. Sep tember in Genf deponiert. Durch unsachverständige Hand wird M mehr verdorben als wieder gut gemach Nähmaschinen-Reparaturen für Haushalt, Gewerbe und Industrie jeden Fabrikates werden aut Grund vieljähr.Erfahrungen sachmänn., schnell u. preisw. ausgeführt von Alsre- Diirre, mech. WerWte, Wilsdruff, Mlerstratze M drei Zloth eine Bescheinigung ausgestellt, worauf die aus Deutsch-Oberschlesien nach Polnisch-Oberschlesien die Grenze überschreitenden Geschäftsreisenden ohne weitere Schwierigkeiten durchgelassen werden. Erhöhung der Altmieten in Sicht? Nach verschiedenen Nachrichten soll der Staatssekretär im preußischen Volkswohlfahrtsministerium, Scheidt, auf der schlesischen Siedlungs- und Heimstättenwoche in Bres lau ausgesührt haben, daß mit einer Erhöhung der gesetz lichen Altmiete auf 140 Prozent Friedensmiete zu rechnen sei. Von unterrichteter Seite wird dazu gesagt, daß Staatssekrear Scheidt nicht in dieser Form und mit Zahlenangaben über eine bevorstehende Erhöhung der Altmieten gesprochen habe. Der Staatssekretär habe ganz allgemein darauf hingewiesen, daß die gegenwärtigen 120 Prozent Friedensmiele für Altwohnräume nicht für alle Zeiten bestehen bleiben, sondern einmal erhöht werden würden. Er habe aber betont, daß weder irgend welche Beschlüsse über die Erhöhung schon gefaßt seien noch Vorbesprechungen stattgefunden haben. Eine ge plante Erhöhung von 20 Prozent halte man im Wohl fahrtsministerium für abwegig, da eine solche Herauf setzung sich auf die Preise für Neuwohnungen und Laden mieten und vor allem auch auf die allgemeine Preis- und Lohngestaltung auswirken würde. Hilfsbund der Elsatz-Lothringer. Der zehnte Vertretertag des Hilfsbundes für die Elsatz-Lothringer im Reich wurde im Stadtverordneten sitzungssaal des Rathauses zu Kassel durch den Bundes vorsitzenden Ministerialrat Dr. Donnevert in Anwesenheit des Oberpräsidenten Dr. Schwander, des Oberbürger meisters Dr. Stadler und von Vertretern des Reichsinnen ministers und des Reichsfinanzministers feierlich eröffnet. Die Tagung, die sich mit der Erledigung aller Fragen der aus ihrer Heimat vertriebenen Elsatz-Lothringer befatzt, nimmt zwei Tage in Anspruch. MMMMebla« Hssk- ct st.Vl 2 Damit im Bezüge für den Monat Oktober keine Unterbrechung ein tritt, bitten wir unsere Postbezieher, das Abonnement auf das „W ilsdruffer Tageblatt" bis 25. September beim Briefträger zu erneuern. Nach dem 25. d. M. verlangt die Post eine Verspätungsgebühr von 20 Pfg. (bei Nachlieferungen 30 Pfg.). VST Jie Ule mMMZEM Roman von Anny von Panhuys 73. Fortsetzung Nachdruck verboten Er mußte lächelnd die Glückwünsche in Empfang nehmen, mußte neben der strahlenden Paquita förmlich Defiliercour abhalten und hatte das Empfinden, daß sein Lächeln längst zur Grimasse geworden war. Sein Kopf war unfähig zu begreifen, daß sich Margarete Wulffenberg mit ihm im gleichen Lande befand, ja sogar unter demselben Dache mit ihm. Er faßte das nicht, ihm war das ein Rätsel. Margarete also war es, die bei einer, später als Mäd chenhändlerin verhafteten Person, Stellung nach Mexiko an genommen, sie war es, die Mannequin und Dlumenverkäufe- rin gewesen, wie ihm Paquita erzählt hatte. Aber welcher Grund hatte sie aus der Heimat fortge trieben? So schlecht konnte es ihr doch kaum ergangen sein, daß sie vor der Not hätte fliehen müssen. Jvenn Wulffenberg auch keine besonderen Einkünfte brachte, verhungert wäre sie dort nicht. Auch besaß sie noch Gut Rüdnitz, auf dem sie, selbst wenn es nicht den gering sten Ueberschuß abwarf, doch mitleben konnte. Paquita sagte leise: „Jetzt werden mir gleich zu Tisch gehen, ich glaube, alle Gäste sind. hier. Ihm war es, als kehre er aus tiefem Traum in die Wirk lichkeit zurück. Rings um sich sah er lächelnde, lebhaft plaudernde Men schen. Elegante Herren und nach der letzten Mode gekleidete Damen, die ihre Toiletten aus der Hauptstadt oder ^os An geles bezogen hatten. Herrlicher Schmuck funkelte in allen Farben. Man trug seinen Reichtum zur Schau, gleichviel, ob inan ihn der Baumwolle, dem Zuckerrohr, dem Kaffee, den Bananen oder dem Erdöl verdankte. Hans Westfal spähte unauffällig nach allen Seiten. Wo war Margarete geblieben? Er sah sie nicht, sah sie nirgends. Hatte er wirklich eine Art Wachtraum gehabt, hatte er einen Spuk gesehen, hatte Paquita nicht laut und deutlich den Namen Rödnitz genannt? Donna Manuela fand, der deutsche Ingenieur, den Pa quita unbegreiflicherweise allen anderen Männern vorgezo gen, benahm sich merkwürdig, und merkwürdig fand sie es auch, daß sich die Gesellschafterin schon wieder entfernt hatte. Dazu war sie doch schließlich nicht da. Wie Paquita nur überhaupt eine so jung aussehende Person zu ihrer Duenna machen konnte! Sie selbst hatte sich doch dafür angeboten. Aber Paquita tat immer verdrehte, unbegreifliche Dinge. Donna Manuela unterhielt sich darüber mit ihrem Sohn. Er verzog den Mund. „O madre, du bist wütend auf Paquita, weil sie mich nicht wollte! Ich aber bin ihr dankbar dafür, denn sie paßte gar nicht zu mir. Das wäre gewesen, als wenn du ein Rasse pferd un deinen gemütlichen Esel zusammen angespannt hät test. Sie laufen zu verschieden, der Carro wäre sicher umge kippt. Aber mir gefällt die junge Duenna! Leider habe ich sie nur flüchtig gesehen, sie lief gleich wieder weg." „Aber warum lief sie weg?" fragte Donna Manuela leise mit schlauem Lächeln. „Wie kann ich das wissen? Vielleicht hatte sie Angst vor dir!" gab er burschikos zurück. Dona Manuela wisperte ihm zu: „Zwischen Paquitas Verlobten und der Gesellschafterin stimmt etwas nicht, soviel habe ich schon beobachtet. Beide stammen aus Deutschland! Aber ich werde versuchen, dahinter zu kommen." Ramon wehrte ab. „Madre, mir scheint, du steuerst wieder auf eine Intrige los. Glaube mir, was du gesehen zu haben meinst, beruht auf Einbildung, aber du kannst unter Umständen großen Schaden damit anrichten." Ramon war verstimmt. Seine Mutter konnte es nicht lassen, sich in Dinge zu mischen, die sie gar nichts angingen. Von ferne klangen ständig Geigen und Mandolinen. Die Musiker saßen in- einem Raume neben dem Speise zimmer, das diesem Saal benachbart war. Das gedämpfte Spiel war wie ein weiches buntes Netz, das sacht hin und hcrschaukelte und jeden lauten Ton der Unterhaltung, jedes laute Lachen auffing. Margarete aber hatte die erste Gelegenheit benützt, in ein stilles Nebenzimmer zu flüchten, um ein paar Minuten allein zu sein. Am liebsten wäre sie geflohen, so weit sie ihre Füße trugen. Sie hätte beinahe laut aufgeschrien vor Schreck und Er staunen, als sie in dem Verlobten Paquita Domingos Hans Westfal erkannte. Ihn, um dessentwillen sie so unüberlegt die Heimat ver lassen, den sie suchen gegangen, weil sie ihm persönlich hatte sagen wollen, sie würde sich ganz seinen Wünschen fügen, die er für ihre gemeinsame Zukunft hatte. Wie oft hatte sie sich ein zufälliges Wiedersehen mit ihm in diesem Lande ausgemalt. Aber so wie es nun geschah, hätte sie es sich niemals gedacht. Erst kam das furchtbare Erlebnis mit dem Prinzen, der unter falschem Namen in diesem Lande heimisch geworden, nun folgte das Wiedersehen mit Hans. Ein solches Wieder sehen! Das Schicksal trieb geradezu teuflische Scherze mit ihr. Sie war ganz außer sich und einen Augenblick drauf und dran, ihre wenigen Sachen einzupacken und fortzulaufen. Gleichviel wohin! Aber ihr Verstand weigerte sich. Wo sollte sie hin ohne Geld, mit dem Gespenst des bösen Erlebens in der Hauptstadt als Hintergrund? Hier war sie gut und sicher aufgehoben, hier konnte sie sich das Geld zur Heimreise nach Deutschland verdienen. War es Hans Westfal überhaupt wert, daß sie sich seinet wegen noch mehr in Kummer und Sorgen hineinrannte? Er, der sie io bald vergessen hatte, er, der sich die Gelegen heit einer Millionenbeirot niebt botte entgehen lassen. «Fortsetzung folgt.)