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Wilsdruffer Tageblatt : 17.09.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-09-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192909178
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19290917
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19290917
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-09
- Tag 1929-09-17
-
Monat
1929-09
-
Jahr
1929
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 17.09.1929
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OeNentliebe Kundgebungen. polilisch-MfchaWche VeschUe. Religiöse Demonstrationen. Auch die beginnende Woche brachte zahlreiche Kon gresse politischer, wirtschaftlicher und religiöser Art. Über eine Anzahl der wichtigsten wird nachstehend berichtet. Deutsche Volkspartei Hannover zum Houng-Plan. Die Deutsche Volkspartei Süd-Hannover-Braunschwetg hielt in Goslar einen Parteitag ab, aus dem unter anderem der Abgeordnete von Kardorsf sprach. Er führte aus: „Ein Wendepunkt der deutschen Geschuhte ist gekommen, die Rheinlandräumung ist erreicht und letzt stehen wir vor der Frage, ob wir den Young-Plan annehmen sollen. Die Parteien bekämpfen sich mit nie dagewesener Heftigkeit, die wirtschaftliche Lage ist schlecht, die Finanzverhältnisse des Reiches trostlos. Man braucht Wahrheit und Klarheit. Die deutsche Außenpolitik hat mit der Räumung des Rheinlandes einen großen Erfolg erreicht. Gewiß bestehen ernste Bedenken auch bei der Volkspariei gegenüber dem Young-Plan. Aber man muß sich scharf gegen das beantragte Volksbegehren wen den. Die Arbeitslosenversicherung muß ernstlich reformiert werden. Eine gründliche Finanzreform sowie eine Vereinheit lichung des gesamten Steuerwesens sind zu fordern. Auch das parlamentarische Svstem verlangt Überprüfung. Die Reichs regierung krankt daran, daß ihr die Exekutive fehlt. Die letzte Aufgabe, die Preußen zu erfüllen hat, ist diejenige, im Reiche aufzugehen. HaupwersammSung des Oeuischen Landkreistages Die Landkreise zum Young-Plan. Unter starker Beteiligung fand Montag in Baden- Baden die diesjährige Hauptversammlung des Deut schen Landkreistages in Gegenwart von Vertretern der badischen Regierung, von Reichs- und Landtagsabgeord neten und von Vertretern der badischen Bezirks- und Woh nungsfürsorgeverbände statt. Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Dr. v. Stempel, hob in seinen Aus führungen hervor, daß im Vordergründe des Interesses . der Young-Plan stehe. Für den Fall der Annahme des Young-Planes fordern die Landkreise schon jetzt, daß die sich etwa daraus ergebenden Erleichterungen den Gemein den und Gemeindeverbänden zugute kommen. Landrat Dr. Kracht-Heide untersuchte die Zu sammenhänge zwischen Wirtschaft und planmäßiger um fassender Wohlfahrtspflege. Oberregierungsrat Dr. Schühly sprach zu demselben Thema, wobei er insbe sondere auf die kleinbäuerlichen Verhältnisse Süddeutsch lands hinwies. Kongreß der Christlichen Gewerkschaften. In Frankfurt a. M. wurde am Sonntag der Al Kongreß der Christlichen Gewerkschaften Deutschlands er öffnet. Der Vorsitzende begrüßte die etwa 250 Delegierten und die Ehrengäste, unter denen sich Reichsarbeitsminister Wisse ll als Vertreter der Reichsregierung, ferner Reichs- verkehrsminister Dr. Stegerwald, preußischer Wohlfahrts minister Dr. Hirtsiefer sowie andere Vertreter von staat lichen, städtischen und kirchlichen Behörden und Organisationen befanden. Reichsarbeitsminister Wissell warf einen Rück blick aus das mehr als 30jährige Bestehen der Christlichen Ge werkschaften. Zwischen ihnen und dem Reichsarbeitsministe- rium hätten von jeher gute Beziehungen bestanden. In der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung müsse das Trennende möglichst zurückgedrängt und das Einigende in den Vorder- grund gerückt werden. Auch in der Gegenwart sei der sozial politische Kamps wieder auf der ganzen Linie entbrannt. Im Grunde genommen existierten zwischen Christlichen und Freien Gewerkschaften keine Meinungsunterschieve über die Richtung der Sozialpolitik, auch nicht in bezug auf die augenblicklich schwebende Frage der Arbeitslosenversicherung. Der Gedanke für die Notwendigkeit der Versicherung sei tm deutschen Volke und in der deutschen Arbeiterschaft fest ver ankert und die Arbeitnehmerschaft wolle nicht daran rütteln lassen. — Die Grüße der preußischen Regierung überbrachte Wohlfahrtsminister Dr. Hirtsiefer, Reichsminister a. D. Giesberts-Verlin sprach über „Christliche Gewerkschaften und das deutsche Volk", Reichsverkehrsminister Dr. Steger wald erklärte, heute wagten sich wieder die Kräfte hervor, die den privilegierten Staat Por 1914 beherrscht hatten. Der Weg, den die deutsche Arbeiterschaft zu gehen habe, sei steil und viel Arbeit noch zu leisten, bis die gleichberechtigte Einordnung der Arbeiterschaft in Wirtschaft und Gesellschaft vollendet sei. Reichsarbeitsminister a. D. Brauns Wies darauf hin, daß die Arbeit eines Reichsarbeitsministers nur möglich sei, wenn die Gewerkschaften geschlossen hinter ihm ständen. Die Gewerk schaftsorganisation als Selbsthilfe müsse Mut und Tatkraft behalten. Dann werde ihr die Zukunft gehören. Aus dem am Montag erstatteten GesHüftsbertAt geht hervor, daß in den Jahren 1927 und 1929 ein Milgliederzuwachs von rund 120 000 erfolgt ist: im Jahre 192? wurden rund 9 Millionen Reichsmark mehr erzielt als im Jahre 1926. Die Christlichen Gewerkschaften seien gewillt, an den Grundlagen der Arbeits losenversicherung nicht rütteln zu lassen, betont der Bericht. Ebenso müsse das Arbeitsgerichtsgesetz bestehen bleiben und ausgebaut werden. Das Reichsknappschaftsgesctz bedeutet einen sozialpolitischen Gewinn. In weiten Kreisen herrsche leider noch nicht die soziale Gesinnung und der Wille zur Verständigung, die staatliche Hilfe und staatlichen Zwang entbehrlich machen könnten. Bayerischer Varrerntag in TWiechMsm. Der diesjährige Bauerntag in Tuntenhausen fiel mit der Feier des 60jährigen Stiftungsfestes zusammen. In einer öffentlichen Versammlung am Sonntag wurde betont, die Bauerntagung danke der bayerischen Regierung für ihr Ein treten gegen die Zentralisierungsbestrebungen. Kultusminister Goldenberger führte aus, die Treue zum deutschen Vater lande sei kein Hindernis für die Forderung, daß die Eigen staatlichkeit Bayerns erhalten und eine Revision der Weimarer Verfassung gefordert werde. Geheimrat Steininger wandte sich gegen alle Bestrebungen, die Bauern in zwei Lager zu spalten. Reichstagsabgeordneter Dr. Horlacher begrüßte die Bildung einer „Grünen Front" im Reichstage und ver langte Verbesserung der Handelsverträge. Mit Bezug auf den Ao ung-Plan bemerkte er es sei unmöglich, internationale Zahlungsverpflichtungen durch die einseitige Erklärung des Schuldners, er könne nichl zahlen, aus dem Wege zu räumen. In diesem Punkte müsse jede Volksverhetzung aufhören, selbst wenn der Uoung-Plan aus die Dauer als nicht durchführbar er scheine. Reichstagsabgeordneter Dr. Heim- Regensburg führte aus, die österreichische Frage könne nie gelöst werden', wenn die Zentralisierungsbestrebungen in der bisherigen Weise fort gingen. Die Lage der Bauern dürfe nicht bis zur Verzweiflung verschlimmert, mit der Staatsvereinfachung m Bayern müsse endlich einmal Ernst gemacht werden. Deutsche Gesellschaft für Samariter- und Rettung-Wesen. Verbandstag in Gera. Der 13. Verbandstag der Deutschen Gesellschaft für Sama riter- und ReUungswesen fand in Gera statt. In der ersten Geschäftssitzung würdigte Dr Saupe-Leipzig, der derzeitige Vorsitzende der Gesellschaft, die Fülle der Arbeit, die die Gesell schaft im Dienste der Nächstenliebe im Verlause des ver gangenen Jahres geleistet hat. Nach Ernennung einzelner ver dienter Mitglieder zu Ehrenmitgliedern sand eine Aussprache über die Abhaltung des nächsten Samaritenages statt. Eisenach und München standen in enger Wahl. Dem Vorstand wurde die endgültige Entscheidung überlassen. Den Ausklang des ersten Tages bildete ein Begrüßunasabend Der Sonntag war strebsamer Arbeit gewidmet Die Rettungsvor- sührungen der Freiwilligen Feuerwehr, verbunden mit einer Übung der gesamten Mannschaften des zweiten Bezirkes des Landessamariterverbandes Sachsen, überzeugten die zahlreichen Zuschauer von der segensreichen Tätigkeit der Samariter und der Feuerwehr. Den Höhepunkt der Tagung bildete eine öffentliche Ler sammlung, die von zahlreichen Abordnungen der Deutschen Gesellschaft für Samariter- und Rettungswesen besucht war. Erschienen waren fernerhin Vertreter des Reiches, Thüringens, der Ärzteschaft, des Roten Kreuzes und der Feuerwehr. Dr. Saupe begrüßte die Anwesenden und sprach besonders der Ärzteschaft seinen Dank für ihre segenbringende Tätigkeit im Dienste der Bewegung aus. In den verschiedenen An sprachen kamen der Wunsch und der Wille zu pflichttreuer Arbeit für die Gesundheit des Volksganzen zum Ausdruck. Anschließend hielt der durch seine wissenschaftlichen Arbeiten aus dem Gebiete der Bekämpfung von Verletzungen durch Elektrizität berühmte Wiener Universitätsprosessor Dr. Jel linek einen Vortrag. Reichstagung des Gitffav-Molf-VeremS. Mit einer großen Kundgebung begann in Breslau die Reichslagung des Gustao-Adolf-Vereins, nachdem Festgottes- dienste in allen evangelischen Kirchen der Stadt Vorangegangen waren. Die Kundgebung in der Jahrhunderthalle war von über 12 000 Personen besuch! und die trotzdem abgehaltene Pa rallelversammlung von über 4000 Personen. Generalsuper intendent Dr Nottebohm begrüßte in der Jahrhundert halle die Teilnehmer und die Ehrengäste, unter denen sich Ver treter aus allen Teilen Europas, so namentlich aus Kon- stanünopel, aus Florenz, aus Rumänien, Wien und Athen befanden. Professor 0. Dr. Rendtorss sprach tm Namen des Zentralvorstandes in Leipzig, Stadtpsarrer Dr. Glodys aus Kronstadt gab ein Bild von dem Leben einer deutsch- evangelischen Gemeinde unter sremdstämmiger Bevölkerung. Die Versammlung schloß mit dem Gesang des Luther-Liedes. — In der Parallelversammlung sprachen Superintendent Zöckler, Prälat Plank und Pfarrer Dr. Bruhns-Leipzig. Katholische Kundgebung in Bingen. Gelegentlich der Hildegarvrsfeier fand tn Bingen eine größere Kundgebung der Katholiken statt. Auf einer akade mischen Feier am Sonntag begrüßte der hessische Minister Dr. Kirnberger die Gäste im Auftrag des katholischen Akade mikerverbandes und der hessischen Regierung. Die Festrede hielt Ab« Jldefons-Herwegen von Maria Laach. Er stellte das Leben und die Philosophie der heiligen Hildegardis m Parallele zu Erscheinungen der jetzigen Zeit. Zu der Demon stration aus dem Rochusberg waren unter anderen erschienen der Präsident des Deutschen Katholikenverbandes, Fürst zu Löwenstein, der Minister für die besetzten Gebiete, Dr. Wirth, der hessische Gesandte in Berlin, Nuß, Vertreter der Staats- und der kirchlichen Behörden, die Bischöfe von Mainz, Trier, Aache» und Rothenburg usw. Prälat Dr. Seipel nannte die heilige Hildegardis in seiner Ansprache die größte Demokratin ihrer Zeit. Von ihr führten direkte Fäden zur Gegenwart. Der Bischof von Mainz hielt die Schlußansprache. Anonyme Briese im Salsmann-Prozeß. Im Halsmann-Prozeß erklärte der Verteidiger Peßler, daß in den letzten Tagen gegen den Angeklagten die ungeheuer lichsten Beschuldigungen erhoben worden seien, u. a. die, daß er während der Obduktion der Leiche seines Vaters sich teil nahmslos verhalten habe. Beim Lokalaugenschein sei aber erwiesen worden, daß man von dem Fenster des Zimmers aus, in dem der Angeklagte eingesperrt gewesen sei, die Obduktion in der gegenüberliegenden Scheune gar nicht habe beobachten können. Die Verteidigung werde in den letzten Tagen mit anonymen Briefen geradezu überschwemmt. In allen diesen Briefen würden Be lastungszeugei mit der Tat in Zusammenhang gebracht. Die Verteidigung halte es für notwendig, zu erklären, daß sie auf anonyme Briefe verzichte und daß es ihr sernliege, irgendeinen Zeugen in Verdacht zu ziehen. Hierauf wurden die einzelnen Gendarmeriebeamten von Mayrhofen, die die ersten Erhebungen leiteten und die Bewachung des Angeklagten be sorgten, vernommen. § KunMunk-ppogramm § Rundfunk Leidig (Welle 365,8), Dresden (Welle 317ch). Mittwoch, 18. Sept. 10.50: Charlotte Götting: Was man bein Wäscheemkauf beachten löst. » 12: Schallviatten. » 13: Schall platten. Kammermusik: Beethoven—Schubert, v 14.30: Für du Jugend. Märchensendewlel: Das fröhlichste Hec.;. Von Anne Tölle Honekamp. Gestalten: Der König: die Königin: Prinzess» reich: Schäker Jmmerfroh: sein Vater: seine Mutter: ein Ausrufer: der Dichter Verseschmied: der Adookai Hochdasrecht; der Apotheke: Pillendreher: Volk. Schauplatz: 1. Bild: Zimmer im königliche« Schloß: 2. Bild: Wiese vor dem Lause des Schäfers: 3. Bild: Marktplatz. » 16: E. Smigelski: Italienischer Unterricht. S 16.30: Unterhaltungskonzerk des Dresdner Orchesters. Dirig.: Wilh. Rettich S 18.05: Arbeitsmarktbericht des Landesarbeitsamtes Sachsen S 18.20: Wetter, Zeit » 19: Obersekretür Naumann: Welche Vor teile und Erleichterungen gewährt die deutsche Reichspost mit ihre» Fernsprecheinrichtungen. S 1.9.30: Dr. Hitzig: Dis Orgel und ihr« Großmeister V 20: Berlin: Spanischer Abend. S 21: Volks tümliches Konzert. Kaufmann-Orch., Dresden. Rossini: Ouvertür« „Barbier von Sevilla". — Strauß: An der Elbe, Walzer. — Tavan: Puccini-Fantasie. — Jessel: Siziliano, Intermezzo. — Kalman: Melodien aus „Hollandweibchen". — Halvorsen: Abend- iandlchaft. — Morena: MiUöcker-Potvourri. — Kaufmann: Dresdner Mädels, Walzer, s Ansch!.: Tanzmusik. Orchester Roesner. Lalle. * Mittwoch, 18. September. Berlin W. Welle 418. — Berlin O., Magdeburg, Stettin Welle 283. 15.30: Liesbeth Dill: Das hauswirtschaftliche Jahr. 4- 15.55: Pedro G. Morales (Bildfunks. 4- 16.05: Theodor Kapp stein: Die Schweiz in der deutschen Dichtung. 4- 16.30: Jugend stunde für die Größeren. 4- 17.00: Unterhaltungsmusik. Kapelle Gebrüder Steiner. 4- 18.30: Rudolf Hillesheimer: Die Arbeits vermittlung für den Werkmeister und den technischen Ange stellten. 4- 19.00: Aus der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche: Orgelmusik in Norddeutschland im 17. und 18. Jahrhundert. Pros. Fritz Heitmann. 4- 19.30: Die Abels singen. Deutsche Welle 1635. 10.00—10.25: Bilder aus der Kulturgeschichte Ostpreußens. 4- 10.35—10.45: Mitteilungen des Reichsstädtebundes. 4- 14.15 bis 15.00: Kinderthcater: „Der Fischer und seine Frau". 4- 15.00—15.30: Wandernde Melodien. 4° 15.45—16.00: Was mutz die Hausfrau vom Zucker wissen? 4- 16.00—16.30: Der Staats gedanke in der Schule. 4- 16.30—17.00: Wandernde Melodien. 4- 17.00—18.00: Nachmittagskonzert Hamburg. 4- 18.00—18.30: Das Problem der Obdachlosigkeit. 4- 18.30—18.55: Spanisch für Anfänger. 4- 18.55—19.45: Religiöse Resormbewegungen der Gegenwart. 4- 20.00: Wovon man spricht. 4- 20.30: Im Rahmen der Internat. Abende: Spanien. Dirig.: Pedro G. Morales. Mitwirk.: Antonio Brosa (Violine), Berliner Funk orchester. Jie M mir Hem WO MWW Roinan von Anny von Panhuys 60. Fortsetzung Nachdruck verboten Margarete betrachtete die Adresse. Ja, der brave alte Herr war ihrem Wunsche gefolgt, hatte ihren Titel auf dem Umschlag sortgelassen. Sie las den ziemlich langen Brief, während Mali Go schen sich inzwischen für die Bilder interessierte, mit denen die Peusionsinhaberin die Wände mehr zahlreich als hübsch geschmückt hatte. Inspektor Jäger schrieb: Hochgeehrte Frau Prinzessin! Aber nein, so soll ich Sie ja nicht anreden. Also weg mit der Prinzessin, weg mit der Durchlaucht, ich nenne Sie, wie Sie es schon seit Jahren wünschen: Hochgeehrte Frau von Rödnitz! Also: Ihre Nachricht habe ich mit Dank erhalten und bin froh, daß Ihre Reise gut von- statten ging. Ich machte mir immer von neuem Vor würfe, Ihnen von dieser weiten und eigentlich unnützen Reise nicht genug abgeredet zu haben. Aber jetzt brauche ich mich nicht mehr mit Vorwürfen plagen, Sie sind un ter Dach und Fach und fühlen sich hoffentlich schon ganz heimisch bei der Freundin Ihrer hochseligen Großmama. Durch das Feuer, das die Scheunen einäscherte, ist ein größerer Schaden entstanden, als wir zuerst annahmen, und Sie wissen, Frau von Rödnitz, wir waren äußerst . knapp versichert. Ich gebe mir aber die größte Mühe, die Bauten, die leider durchaus notwendig sind, ohne besondere Heranziehung geliehener Mittel ausführen zu lassen. Ganz läßt es sich allerdings nicht vermeiden, wir müssen uns auf diese Weise helfen. Ihre Vollmacht, die ich ja seit langem besitze, genügt dazu. . . . , So weit werden wir es, wenn wir es auch einmal hofften und anstrebten, ja doch nicht mehr bringen, ein stigen Waldbesitz wieder zurückzukaufen. Und weshalb auch? Prinzlein Alex ist tot, er kann niemals Herr auf Rödnitz werden, und wozu erhalten, ja verbessern auf die Aussicht hin, daß ein Verschollener, daß der Wert loseste der Wertlosen doch einmal den Weg dahin zurück- findcn könnte." Margarete ließ den Brief ein wenig sinken, wiederholte sich in Gedanken den letzten Satz. Sie überlegte, daß Prinz Erwin Rödnitz wohl kaum je mals auf dem alten Stammgut austauchen würde, seine Person war längst aufgegangen in die des reichen Lebe mannes Senor de Guerra. Und was hatte der noch mit Gut Rödnitz in der deutschen Mark Brandenburg zu tun? Sie war dennoch froh, daß sie trotz aller Schulden, die der „Wertloseste aller Wertlosen" zurückgelassen, das Gut erhalten hatte. In absehbarer Zeit mußte und wollte sie gegen ihn vor gehen, der seine miserable Vergangenheit unter neuem Ge wand gut geborgen glaubte. Sie dachte nicht mehr daran, Rücksicht zu nehmen. Mochte es einen Skandal geben. Weshalb sollte sie immer die Duldende sein? Aber noch fehlte ihr die Ruhe, um den Kainpf gegen den Abenteurer aufzunehmen, gegen den Dieb, der sich mit der Krone der Fürstinnen von Wulffenberg den Fluchtweg aus der Heimat leicht und bequem gemacht. Sie hob den Brief wieder vor die Augen, las weiter. „Sehr verehrte Frau von Rödnitz! Neulich hat sich auch Fräulein von Keller an mich gewandt. Sie erbat einen einmaligen größeren Zuschuß und die Erlaubnis, sich zu dein kleinen Waisenjungen, den sie mit Ihrer Erlaubnis vom Dorf aus das Schloß genommen, noch ein kleines Waisenmädchen holen zu dürfen, das ihr so bitter leid täte. Für die Kinder mußten allerlei An schaffungen gemacht werden. Ich sandte ihr dreihundert Mark und glaube Ihrer Zustimmung sicher zu sein um des guten Zweckes willen. Da Sie selbst ja bei der reichen Freundin der hoch- seligen Fürstin keinerlei Sorgen und Entbehrungen aus gesetzt sind und auch genügend Barmittel für alle Fälle Mitnahmen, brauche ich mir wenigstens Ihretwegen keine Sorge zu machen. Ich benachrichtigte Fräulein von Keller nur, daß Sie auf Reisen seien, weil Sie nicht wünschten, daß Sie Näheres erfährt." Mit ein paar allgemeinen Sätzen schloß der Brief. Also der gute Inspektor freute sich, weil er sie außer jeder Geldsorge wähnte. Margaretes Lippen umspielte ein schmerzliches Lächeln. Wenn er wüßte, daß jene Frau de Mora sich mit weißem Sklavenhandel befaßte und daß man ihr selbst bei ihrer An kunft in der mexikanischen Hauptstadt die große Summe, die sie für den Notfall mitgenommen, gestohlen hatte! Wenn er weiter ahnte, daß sie sich als Probiermamsell versucht hatte, sie, die Letzte aus dem Hause Wulffenberg. Daß sie es getan, um ihr Leben zu fristen. Und wenn er gar ahnte, daß sie ihm hier begegnet war, den er den Wertlosesten unter den Wertlosen nannte. Sie würde ihm von alledem nichts schreiben, sie ver ursachte dem alten Herrn dadurch nur neues Kopfzerbrechen zu dem alten. Sie faltete den Brief zusammen, ging ins Zimmer zu Mali Goschen. Die blickte ihr lächelnd entgegen. „Die Briefadresse hat mir verraten, daß Sie verheiratet sind. Sie heißen Frau, nicht Fräulein Rödnitz." Sie schob sich nahe an Margarete heran. „Sind Sie schon Witwe, ja?" Margarete erwiderte kurz: „Mein Mann hat mich ver lassen, sich nie «nehr um mich gekümmert." Mali nickte bedächtig. „Ich verstehe! Mein Großvater soll auch so ein Stritzi gewesen sein, hat die Großmutter sitzen lassen und ist irgend wo weit in die Welt hineingelaufen. Vielleicht habe ich die Lust, etwas von der Welt zu sehen, von ihm. Ich bin mit einer Wiener Revue als Choristin hergekommen, die hier verkracht ist." Ihr keckes Gesichtchen war von Neugier ge zeichnet. „Was für einen Beruf hct eigentlich Ihr Mann gehabt, Frau Margarete?" (Fortsetzung folgt.)
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