Volltext Seite (XML)
Heidebild. Sand und Heide, ein Hünengrab, zwei alte, halbvermorschte Katen. Kein Wiesengrün, kein Wäldertraum, nur hier und da spärliche Saaten. Kein Lied, kein Laut. Doch unentweiht, schweigend, redend die Einsamkeit. Ludwig Bäte. Der entfesselte Indus. Der Eisdamm am Shyok. — Falscher Alarm im vorigen Sommer. — Gefahr für den Staudamm von Sukkur. Von G. W. Brandstetter. Die Ueberschwemmungskatastrophe im Stromgebiet des Indus hat — soweit aus den bisherigen kurzen Drahtberichten zu schließen ist — bedeutend größeren Umfang angenommen, als ursprünglich zu erwarten war. Die Ursache des Naturereignisses ist recht eigenartig und kennt in anderen Erdteilen kaum Parallelen, wenigstens längst nicht in diesem Ausmaße. Der Shyok, der die erste Veranlassung zur Ueberschwemmung war, ist der erste große Nebenfluß des Indus und entspringt in ungefähr 5000 Meter Höhe im südöstlichen Karakorum, südlich des gleichnamigen einzigen Ueberganges zwischen Turkestan und Ladak. Seine Wasser kommen zum größten Teil aus dem gewaltigen vier-- züngigen Nemogletscher. Kurz danach nimmt der Fluß die Gletscherbäche von vier weiteren aus seinem rechten Ufer liegenden Fernern auf. Im Hochsommer ist es keine seltene Erscheinung, daß eine Gletscherzunge rascher als sonst talab wärts wandert, weil die Felswände, zwischen denen sie ein gebettet liegt, unter dem Einfluß der Hitze sich besonders stark erwärmen und das Grundeis schmelzen. So gleitet die kompakte Eismasse im glattgeschlisfenen Gletscherbett verhält nismäßig rasch dem Shyoktal zu. Vor drei Jahren trat dieser Fall beim Großen Kumdan-Gletscher ein, der sich mit seiner vierhundert Meter breiten und über dreihundert Meter hohen Zunge quer über das Shyoktal legte. Monatelang fand das Flußwasser am linken Steilufer einen Ablauf, bis sich dann der Eisriegel völlig schloß. Hinter diesem Damm bildete sich ein natürlicher Stausee, dessen Spiegel erst langsam, dann im übernächsten, also im vorigen Sommer immer rascher stieg, um schließlich im Juli 1928 täglich 60 Zentimeter höher an den Talwänden hinauf zu klettern. Oberst Howell, der englische Resident in Kasch mir, Wurde auf die Gefahr, die ein Nachgeben des Eisdammes Hervorrufen mußte, aufmerksam und richtete einen Nach richtendienst ein. Auf der 220 Kilometer langen wenig Wegsamen Strecke zwischen dem Stausee und Leh, der ersten Telegraphenstation am Indus, wurden Wachposten aufgestellt, die den Alarm der Beobachter unterhalb des Kumdan durch Feuer und Kanonenschüsse weitergeben sollten. Mitte August dröhnte der erste Warnungsschuß, und die am Unterlauf des Shyok und im oberen Jndustal liegenden gefährdeten Ort schaften wurden geräumt. Doch zwei Tage später, als die befürchtete Flutwelle Skardu, den ersten großen Ort unter halb der Einmündung des Shyok in den Indus, noch nicht erreicht hatte, stellte es sich heraus, daß falscher Alarm ge geben Worden War. Der Stausee hatte den Eisdamm nicht gesprengt, sondern ihn nur mit seinem Spiegel überschritten und ergoß seinen Ueberschuß in brodelndem Fall hundert Meter lies ins Tal. Damit war in Anbetracht des in solchen Höhen schon einsetzenden Vorwinters jede Gefahr für den Augenblick beschworen. Nach Ansicht der Sachverständigen sollte sie erst wieder im Sommer 1929 eintreten. Dies ist nun in den letzten Tagen der Fall gewesen. Der Kumdansee — wie das natürliche Staubecken genannt wurde — erreichte eine Ausdehnung von zwanzig Kilometern bei einer Breite von einem Kilometer und einer Tiefe von hundert Metern. Das überfließende Wasser fraß sich immer tiefer in den Eisdamm ein, bis dieser dem Druck plötzlich Wich und barst. Zwei Milliarden Kubikmeter Wasser — eine Menge, die dem Halbjahresverbrauch ganz Deutschlands entspricht — ergossen sich in das schmale Tal. Die erste Gefahr bestand sür die Siedelungen im Unter lauf des Shyok. Sie scheint aber dort nach verhältnismäßig geringen Opfern beseitigt zu sein, zum einen Teil dank des Alarmes, zum anderen infolge des Umstandes, daß die Ort schaften verhältnismäßig hoch üver dem tief eingeschnittenen F.ußlauf liegen. Nicht so günstig dürften die Ländereien aus beiden Seiten des nach der Einmündung des Shyok breiter werdenden Jndustales abgeschnitten haben. Außerdem be dingte der Felsriegel bei Attock ein neuerliches Aufstauen der Flutwelle. In gewöhnlichen Zeiten beträgt die Wassertiefe in der Schlucht von Attock drei bis vier Meter. Heute hat sie virrundzwanzig Meter erreicht und steht damit unmittel bar unter der bisher für sicher gehaltenen Eisenbahnbrücke. Z^ allem Unglück traf die Flutwelle mit einem durch starke Reaenfälle bedingten Hochwasserstand des hier mündenden Kaoulflusses zusammen. Die Folge hiervon war ein Rückstau k-rs Kabulslusses, der den Bahnhof von Attock, einen der wichtigsten ganz Asiens, und zahlreiche Ortschaften im Distrikt von Nauschara zerstörte. Die Bevölkerung ist, wenn der Neberwachungsdienst am Shyok funktionierte, sicher rechtzeitig gewarnt worden. Wenn trotzdem Hunderte, anderen Meö düngen zufolge sogar Tausende, dem Fluß zum Opfer fielen, so ist dies auf den schon oft beobachteten Umstand zurück zu führen, daß die Eingeborenen säst nur mit Gewalt zum Ver lassen ihrer Siedelungen veranlaßt werden konnten. Außer dem mag sie der falsche Alarm vom vorigen Jahr den War nungen gegenüber gleichgültig gemacht haben. Um das Unglück zu vervollständigen, traf diese doppelte Flutwelle unterhalb Attock mit dem Hochwasser zusammen, das Nebenflüsse des Indus aus dem Pendschab heranführten. Die größte Gefahr besteht für die Gebiete südlich des Pend schab, weil der Fluß hier weite Strecken zwischen natürlichen eüs mitgeführtem Schlamm aufgebauten Dämmen fließt, so daß sein Spiegel über der Ebene liegt. Eine Sprengung der Dämme würde die Vernichtung weiter Landstriche mii bedeutenden Ortschaften, darunter dem jetzt schon geräumte« großen Dera Ghazi Khan, zur Folge haben. Tritt dieses Ereignis nicht ein, so liegt wiederum — wie die spärlichen Nachrichten auch bestätigen — die Gefahr vor, daß die im Gebiete der Provinz Sind gelegene Felssperre von Sukkur die Wassermassen nicht abflietzen läßt, so daß diese sich sam meln und den im Bau befindlichen Staudamm von Sukkur, die größte derartige Anlage der Erde, zerstört. Das Jndus- gebiet steht deshalb noch längst nicht am Ende der Kata strophe. Es kann ihm nur gewünscht werden, daß es nichi ähnliche Tage erlebt wie 1841 nach dem Bergsturz von Nanga- Parbat, der einen ähnlichen Staudamm wie den am Shyoi i schus und dessen Nachgeben unter anderem 15 000 Sikhkriegern den Wassertod brachte, oder der Bruch des Eisriegels am nämlichen Shyok im Jahre 1857, der das ganze Jndustal verwüstete. Die Ereignisse werden die Engländer lehren, daß noch viel zu tun ist, bevor von der gelegentlich des Sukkur- proMes verkündeten Fesselung des Riesenstromes, der Indien den Namen gab, die Rede sein kann. Der unbeliebte Bergbau. Daß die Klagen des Bergbaues über mangelnde Arbeitskräfte nicht der Berechtigung entbehren, zeigen auch die neuesten Berichte der sächsischen Gewerbeaufsichts beamten. Von Jahr zu Jahr gehen die Zahlen der im sächsischen Bergbau beschäftigten Arbeiter weiter zurück nicht, weil es an Arbeit fehlte, sondern weil sich immer weniger Arbeiter finden wollen, die bereit sind, die gewiß nicht leichte Tätigkeit des Bergmanns auszuüben. Im Jahre 1926 wurden noch 33 909 Arbeiter im ge samten sächsischen Bergbau gezählt. 401 entfielen davon aus den ziemlich bedeutungslos gewordenen Erzbergbau, 8361 auf den Braunkohlen- und 25147 auf den Stein kohlenbergbau. 1928 gab es aber nur noch 292 Arbeiter im Erzbergbau, 7450 im Braunkohlen- und 21484 im Steinkohlenbergbau, zusammen 29 427 Arbeiter. Am stärksten waren die Zahlen im Steinkohlenbergbau ge sunken. So zeigte sich auch 1928 zeitweilig ein empfind licher Arbeitermangel trotz der sonst im ganzen Lande so großen Zahl der Erwerbslosen. Die heimischen Arbeiter suchen nicht nur saft stets zuletzt bei den Stein kohlengruben um Arbeit nach, sondern es zeigt sich auch sofort ein merkbarer Arbeitsabgang, wenn sich Arbeits gelegenheit in der Industrie, bei Bauten usw. bietet. Die Bergarbeit gilt vielen Arbeitern als zu schwer und gefahrvoll, zudem können bei der bedrängten Lage des Steinkohlenbergbaues die Löhne nicht durchgängig ans die Höhe gebracht werden, die der Arbeit und der not wendigen Lebenshaltung der Arbeiter entspricht. Um den Bedarf nur einigermaßen zu decken, warben mehrere größere Werke wieder ausländische Arbeiter an. Sie stammten zumeist aus Schlesien, Österreich und der Tschechoslowakei. Im Zwickauer Revier wurden be sonders slowakische Arbeiter eingestellt. Von den in andere Erwerbszweige abgewanderten Arbeitern kommen zwar M We W dem We MWwg Roman von Anny von Panhuys 58. Fortsetzung Nachdruck verboten „Freuen Sie sich sehr darauf, Ihre Heimat wieder zu sehen?" fragte Paquito Domingo und ihre Frage flatterte zu ihm wie eine lose Blüte, die irgendeine andere Frage verhüllte. Hans Westfal stutzte. Er hatte diese andere Frage deutlich verstanden und er erkannte, daß seine Kollegen, die ihn um die Gunst der sehr hübschen und sehr reichen Mexikanerin beneideten, recht hatten, wenn sie behaupteten, er gefiele ihr. Ihre offen zur Schau getragene Zuneigung war vielleicht Liebe? Er erwiderte ruhig: „Ja, ich freue mich, die Heimat wie derzusehen, die Eltern, unser Dörfchen — aber noch bleibe ich gern. Ich habe Deutschland verlassen, um eine geliebte Frau zu vergessen, aber noch ist es mir nicht gelungen." Die schlanken, ringgeschmückten Hände Paquitas be rührten in unwillkürlicher Bewegung die Saiten der Gitarre. Ein paar unharmonische Töne erwachten zu kurzem Flackerleben, erstorben wie zerfetzt. Paquita Domingo schob ihren Stuhl zurück. „Ich bin heute sehr müde, seien Sie mir nicht böse, wenn ich Sie bitte —" Sie lächelte ihn an. , Er hatte sich bereits ebenfalls erhoben. Buenas noches, Donna Paquita, verzeihen Sie gütigst, wenn ich am Schluß ein bißchen deutschsentimental war. Ihre dunklen Augen blickten ernst. „Es tut mir leid, Sie an Schmerzliches erinnert zu haben." Sie geleitete ihn zur Tür, sah ihm nach, bis seine Gestalt von Dunkelheit verschluckt wurde und dann suchte sie ihr Zimmer auf, kniete vor dem großen Madonnenbild neben ihrem Bett nieder, betete inbrünstig. „Gebenedeite Gottesmutter, die du die schlimmsten Schmerzen der Erdenkinder kennst, gib ihm Vergessen, ihm, den ich liebe. Mutter aller Mütter, deren prächtiger Ster nenmantel unsere irdischen Augen blendet, erbarme dich meines Verlangens, neige sein Herz dem meinen zu. Ich will dix dafür aus demütiger Dankbarkeit einen Altar er richten lassen mit Gold und strahlenden Juwelen, und ein Meister soll dein Bild darüber malen, daß alle tief die Knie beugen müssen vor deiner Holdseligkeit." Sie klingelte ihrer persönlichen Dienerin. Die Mestize kam, half ihr beim Entkleiden und die ewige Lampe unter dem Bilde Marias flackerte leicht hin und her, war wie das Zucken eines wehen Herzens. Am nächsten Morgen stand Paquita Domingo schon ziemlich früh unter den Arbeitern, verfolgte mit regem In teresse alles um sich heru". Zuweilen suchten ihre Augen Hans Westfal und sie dachte an seine Offenheit von gestern abend: Er hatte Deutschland verlassen, um eine geliebte Frau zu vergessen, aber es war ihm bisher noch nicht gelungen. Ob die Frau, um die es sich handelte, schön war? Ob sie schöner war als sie, die in Derakruz, wo sich ihr palast artiges Heim befand, und überall, wo sie hinkam, gefeiert wurde? Ob sie schöner war? Paquitas leidenschaftliches Heerz war von Haß erfüllt gegen eine Unbekannte, der sie Hans Westfals Liebe nicht gönnte. Irgend so eine typisch blonde Deutsche mußte es sein, mit rosigem Gesicht und dicken Gretchenzöpsen. Hans Westfal suchte Vergessen! Vielleicht gelang es ihr, ihm dabei zu helfen. Er tat ihr leid! Ihre Liebe sollte ihn heilen von der Wunde, die ihm eine andere geschlagen. Sie gab sich in ihrem Wesen, wie es auch ihrer Art ent sprach, völlig kameradschaftlich und zuweilen fragte sie ihn um Rat in irgendeiner ihrer vielen geschäftlichen Ange legenheiten. regelmäßig zahlreiche Leute nach einigen Monaten zurück. Die damit verbundenen Schwankungen in der Belegschaft und die Einstellung berufsfremder Arbeiter stören aber natürlich vielfach den geordneten Betrieb und tragen mit dazu bei, daß sich die wirtschaftlichen Ergebnisse un befriedigend gestalten. Bedenklich sehen auch die Zahlen aus, die den Nach wuchs betreffen. 1913 zählte der sächsische Steinkohlen bergbau 509 jugendliche Arbeiter, 1926 waren es 133, im Jahre 1928 aber nur noch 98. Das ist um so bedauerlicher, als gerade ein fester, gut ausgebildeter Stamm von Arbeitern für diesen Bergbau wegen feiner Eigenheiten und Gefahren sehr erwünscht ist. Auch beim Besuch der Bergschule macht sich der Mangel an Nachwuchs schon bemerkbar. Nicht so schlecht ist das Bild im Braun kohlenbergbau, befriedigend liegen die Verhältnisse aber auch hier nicht. Man muß allerdings zugeben, daß die Gefahren des Bergbaues auf viele Arbeiter leicht abschreckend wirken können. Die Zahl der Betriebsunfälle ist immer noch außerordentlich groß. Mit Einschluß der gewöhn lichen, meist also sehr geringfügigen Verletzungen wurden im Jahre 1928 im gesamten Bergbau Sachsens 9166 Un fälle angezeigt, das sind 292 Unfälle auf je 1000 Mann der Belegschaft, im Steinkohlenbergbau allein sogar 331 Unfälle auf 1000 Mann. Die Zahl der tödlichen Unfälle ist dagegen erfreulicherweise fehr viel niedriger. Im Steinkohlenbergbau gab es 42 und im Braunkohlenberg bau 11 Betriebsunfälle mit tödlichem Ausgang, also 1,81 bzw. 1,38 je 1000 Mann Belegschaft. Im allgemeinen war auch dieses Jahr wieder nur ein geringer Prozentsatz der Unfälle schwerer Art. Als entschädigungspflichtig wurden von der Knappschaftsberufsgcnossenschaft 728 Fälle anerkannt. Bessere Beachtung aller Unfallver hütungsvorschriften trägt hoffentlich zur Ver ringerung der Zahl der Unfälle bei, die ganz auszurotteu gerade im Bergbau freilich niemals gelingen wird. Sie Jagd nach der MNionenerbschast oder: Die schöne Krankenschwester. Es klingt wie ein Märchen und beginnt auch so: E 8 war einmal vor mehr als 100 Jahren in Württem berg ein Mann namens Emmerich. Als dieser wegen eines Verbrechens nach Amerika flüchten mußte, kam er dort zu vielem Gelde. Behilflich dabei war ihm ein anderer deutscher Auswanderer, Jakob Astor. Zum Dank für dessen Hilfe vermachte Emmerich den Nachkommen der Familie Astor, die bekanntlich später zu den Milliardären Amerikas zählten, sein ganzes Vermögen auf die Zeit von 90 Jahren. Nach dieser Frist sollte das Geld an die Nach kommen Emmerichs wieder ausgehändigt werden. Aber die Astors dachten gar nicht daran, den überall zerstreut lebenden Emmerichs das inzwischen auf 700 Mil lionen angewachsene Vermögen wieder zurück zugeben. Zwischen den Emmerichs in Deutschland und den Astors in Amerika begann jetzt ein erbitterter Kam"'. Einer der Emmerichs, der Polizeioberwachtmeisier Huber aus Mannheim, gründete die „Badische Erb schaftsvereinigung Emmerich" zum Zweck der Durch führung feiner Ansprüche. Als Huber eines Tages die Krankenschwester Berta Kirchner kennenlernte, erbot sich diese, ihm bei der Verfolgung seines Rechts behilflich zu sein. Sie rühmte sich guter Beziehungen zu einfluß reichen amerikanischen Persönlichkeiten, und Huber, der von Berta Kirchner entzückt war, verlobte sich mit ihr und die Erbschaftsvereinigung übertrug ihr die Geltendmachung ihrer Ansprüche. Hierbei wußte sie durch teilweise wirklich unternommene und teilweise vor gespiegelte Reisen und Besuche bei maßgebenden Persön lichkeiten größere Summen für sich und ihre angeblichen Bemühungen herauszuschlagen, die sie für ein elegantes und luxuriöses Leben verwandte. Aber nicht nur die Erb schaftsvereinigung schädigte sie auf diese Weise, sondern sie lockte auch aus verschiedenen anderen Herren, mit denen sie in Beziehungen trat, größere Geldsummen heraus. Den Schluß dieses phantastischen Traumes bildete eine Gerichtsverhandlung, bei der die schöne Kranken schwester auf der Anklagebank Platz nehmen mußte. Die meisten der von ihr Betrogenen erklärten aber, daß sie sich nicht geschädigt fühlten, und nur ihr ehemaliger Verlobter Huber, dem Berta 4000 Mark abgenommen hatte, fühlte sich betrogen. Das Gericht verurteilte die Angeklagte zu z e h n Monaten Gefängnis und erkannte in den übrigen Fällen auf Freisprechung. Fünf Monate Untersuchungs haft wurden auf die Strafe angerechnet. Wenn sie dann für Tage nach Verakruz zurückkehrte, war es Hans, als ob ihm etwas fehle. Ihre leichtflüssige und doch kluge Unterhaltung war ihm angenehm, ihre Gegenwart brachte eine freudige Note in den stumpf gleichmäßigen Arbeitslürm, an dem die zahl reichen Indianer und Mestizen den größten Anteil hatten. Auch die Mexikaner waren keine stillen Schaffer, obwohl ihnen die Arbeiter, die von der Firma Mannholz aus Deutschland herübergesandt worden waren, mit gutem Bei spiel vorangingen. Sie taten ihre Pflicht ruhig und gleichmäßig, die deut schen Arbeiter, aber sie rechneten täglich aus, wie lange sie noch im fremden, ihnen so wesensfremden Lande zubringen mußten, und sangen alte deutsche Lieder. Dor allem das Lied, das die Deutschen in Heimwehstimmung überall singen: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, daß ich so traurig bin!" Obwohl sie genau wußten, was es bedeuten soll. Daß es bedeuten soll, ihr Herz ist heimwehkrank nach der Luft des deutschen Landes, nach dem Teilchen deutscher Erde, wo ihre Wiege stand, gleichviel, wie dieses Fleckchen Erde heißt. Ob es am breiten Rheinstrom liegt, wo alte Burgen aus stolzer Vergangenheit niederblicken, oder dort, wo die Nord see ungestüm ins Weite strebt, ob es in der rauhen Eifel, ob in der sandigen, sagenumwitterten Mark, ob in der schö nen sächsischen Schweiz oder in den anmutigen grünen Tä lern Thüringens. Hans Westfal dachte in letzter Zeit mehr als zuvor ai? daheim und er sah dann im Geiste nicht nur das Schmiede- Haus, wo Vater und Bruder ihre rauhe Arbeit taten, son dern öfter als je vordem stieg vor ihm aus versponnener Parkwildnis ein kleiner Pavillon auf, mit ein paar wurm stichigen alten Möbeln und dem Bilde des Hofnarren, der sein Ahne, gewesen. Ein schmales Mädchengesicht, beherrscht von übergroßen tiefblauen Augen, ward lebendig, seine Knabenjahre, seine glückliche Studentenzeit grüßten ihn. (Fortsetzung folgt.»