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MMufferTageblati für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Nr. 188 — 88. Jahrgang Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, -Wil-drufsci Taget»-i»- rr'chcini an allen Werbta -n na».m>llaga 5 Uhr. Brzugsprei«: Bei Abholung in ber «eschSsl-stellc un» Lea Ausgabestellen 2 SiM. im Monal, de> Mfteliun» durch die Boie» 2,3» RM., dclPostbeftelluug 2 «M. ,'>jügi-ck A> ,r. s- ,, . gebühr. Einzelnummer» lSApfg.Alle boi anftaltcn TBoctzbNblatt für Wrrsdrufr u. Umgegend Postboten undunlereBus. IrSgerundGcschastskelic» - - red-neu zu jeder Zen Be- stellungen entgegen. ImFaü, höherer Eewal,. Krieg ober sonstiger Lerriebsftöcungeu besteh- dein-Anspruch aus Liejerupg der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung einges-ndt-r Echnststücke ersolg! nur. wenn Porto b-ilicgt. Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-DreSdeN Postscheck: Dresden 2640 MittwSch, den 14. AUßUst 192S an" o7me b,^ »7rNu:" L^rnsprecher: Amt Wilsdrufs Nr, 6 Klage e-ng.z°gen°.rb«muh oder de-Anftraggeb-rin KonbursgerSt. An,eigen nehmen alleB-,miMu?«sste°en.^.„!? Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Melken des Amts. gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrenlamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. HMM-MmW gegen neue deWe LOr Deutsche Gachlieferungen. Im Haag hat es eine große Debatte über die Sach lieferungen Deutschlands gegeben. Die Angelegenheit wurde sehr energisch durch den Reichswirtschaftsminister Curtius angeschnitten, der die englischen Befürchtun gen und Einwände widerlegte. Der französisch-englische Gegensatz in dieser Angelegenheit und überhaupt in der Frage des Young-Plans, der nach englischer Ansicht Groß britannien zu sehr beeinträchtigt, hätte inzwischen ja bei nahe zu einem Abbruch der ganzen Konferenz geführt. Es spielten dabei weniger sachliche Gegensätze eine Rolle, als vielmehr die Frage, wie der englische Vertreter die Sache seines Landes führte. Die Sache wurde inzwischen durch Kompromiß beigelegt, womit allerdings die ganze Frage noch nicht erledigt ist. Wie sehr den Engländern die deutschen Sachlieferun gen ein Dorn im Auge sind, das haben ja schon die Be ratungen der Sachverständigen in Paris gezeigt. Wenn es nach England gegangen wäre, dann hätte man diese Einrichtung vollständig beseitigt. Wie üblich bei solchen internationalen Verhandlungen, einigte man sich auf ein Kompromiß. Man behielt die Sachlieferungen bei, fchlug aber gleichzeitig Maßregeln vor, die eine stetige Abnahme des Umfanges der Lieferungen zur Folge haben sollten, bis sie dann nach zehn Jahren vollständig aus der Welt geschafft sein würden. Der deutsche Reichswirtschafts minister legte nun im Haag in längeren Ausführungen die Bedeutung der Sachlieferungen für Deutschland klar. Dies ist ihm sicher auch gelungen, und wir werden ab warten, welchen Erfolg sein Vorstoß haben wird. Die Bedeutung der deutschen Sachlieferungen geht schon dar aus hervor, daß allein im letzten Dawes-Jahre für 1156 Millionen Mark Sachlicferungsverträge abgeschlossen sind. Nach dem Young-Plan sollen diese Lieferungen mehr als halbiert werden und im ersten Jahre nur etwa 540 Mil lionen Mark betragen. Der deutsche Minister erkannte die Berechtigung des englischen Widerstandes gegen die Sachlieferungen an sich an. In diplomatischer Vorsicht vermied er es aber, das Kind beim richtigen Namen zu nennen. Wenn schon oft, so treten gerade in dieser Frage die schweren Kon struktionsfehler des Versailler Friedensvertrages, nament lich bei Behandlung des gesamten Reparationskomplexes, besonders grell in die Erscheinung. Im Friedensvertrage ist vorgesehen, daß Deutschland Reparationen in bar und in Sachlieferungen zu leisten hat. Die Staaten der Entente machten von diesem Rechte des Warenbezuges ener gisch Gebrauch. Das lehrt die Vergangenheit. Wie wich tig Frankreich dieses Recht einschätzte und deshalb schon einen kleinen Verzug als einen groben Verstoß des Friedensvertrages ansah, ersehen wir am besten aus der Tatsache, daß Poincarö plötzlich auf diesem Gebiete den fadenscheinigen Vorwand suchte, um seinerzeit in das Ruhrrevier einzudringen. Daß Sachlieferungen, namentlich in solchem Um fange, wie sie Deutschland bisher getätigt hat, den inter nationalen Handel beeinflussen, und so irgend jemand schädigen können, ist selbstverständlich. Daß Englands Kohlenabsatz beschränkt wird, weil ein großer Tei! Europas die deutsche Reparationskohle vorzieht, das läßt sich nicht bestreiten. Aber England selbst ist ja mit der Urheber des Friedensvertrages und sollte sich nun nicht beklagen, wenn dieser ihm selbst schadet. Man hat sich da mals eben gar keine rechte Vorstellung davon gemacht, wie Deutschland die ungeheuren Summen, die man aus ihm herauspressen wollte, aufbringen sollte. Britische Staatsmänner hätten es sich gleich sagen müssen, daß dies größtenteils nur auf dem Wege des Handels ge schehen kann. Entweder man gibt Deutschland die Mög lichkeit, seinen Handel so auszubauen, daß es mit Leich tigkeit aus dem Erlös der Waren zahlen kann, oder man nimmt diese Waren selbst, wenn Deutschland nicht über genug Bargeld verfügt, was wohl kein Mensch bei einem ko ausgepowerten Lande erwarten kann. Muß Deutsch land seinen Handel so ausbauen, wobei natürlich die anderen Länder durch Zollvergünstigungen Entgegen kommen erweisen müssen, daß das nötige Bargeld ein kommt, so dürfen englische Sonderinteressen nicht im Wege stehen. Diese Erwägung zeigt die Kompliziertheit des ganzen Reparationsproblems. Man ersieht, daß es sich um eine wirklich internationale, europäische Angelegenheit handelt, die nur gelöst werden kann, wenn man allseits Bereitwilligkeit zeigt. Vielleicht dienen solchs Erwägungen auch dazu, endlich den richtigen Weg zu fin den und durch schnelle Erledigung der Kriegsschuldenfrage auch die Reparationsfrage aus der Welt zu schaffen. WM-MWe MumeiiMe. Paris, 13. August. Wie der Petit Parisien aus Schanghai meldet, veröffentlicht die chinesische Regierung Mitteilung über eine Reihe von Zwischenfällen an der sibirisch - mandschurischen Grenze, die sich in den letzten Tagen ereigneten und für die von der chinesischen Regierung den Russen die Schuld in die Schuhe geschoben wird. Am Sonntag eröffneten russische Truppen in der Nähe von Suifoni das Feuer mit Maschinengewehren und Feld geschützen. Zwei Chinesen wurden dabei getötet und mehrere ver letzt. Am Montag sei es zu neuen Schießereien gekommen, wobei auf beiden Seiten Verwundete festgestellt wurden. Die Grenze wurde nicht überschritten. Was man sich im Haag erzählt. Reparationen — Sachlieferungen — Räumung. Am Dienstag wurden im Haag keine großen Kon lenzen abgehalten. Dafür war die Tätigkeit in Einzel b^sprechungen und Verhandlungen von Haus zu Haus un so reger. Die Unterredungen hinter den Kulissen zur Her beifuhrung einer Verständigung zwischen England unk Frankreich in der finanziellen Frage wurden mit verstärkte, Energie weitergesührt. Die englisch-französischen Differenzen. Nach Berichten aus französischen Kreisen soll du Übergangslösung, die man mit besonderer Auf merksamkeit prüft, ohne die für die Großmächte vorgesehen- Verteilung zu ändern, darin bestehen, den englische! Anteil zu erhöhen, indem man England eine, großen Teil des Nestes der deutschen Jahresleistungen zu erkennt, die zur Deckung der Bedürfnisse der Hauptmacht, verfügbar geblieben sind. Da der Young-Plan die Zu teilung eines Restbetrages an die übrigen kleinen Macht Rumänien, Südslawien, Griechenland und Portugal vor steht, wird diesen Ländern ein Ausgleich in Form eine, Herabsetzung ihrer Kriegsschulden gegenüber den Gläu bigerstaaten gewährt werden. Mit den Vertretern der inter essierten Mächte haben die Verhandlungen kcbon beaonnen Internationale private Regelung der Sachlieferungen? Der englische Handelsminister Graham machte Dar legungen über den bekannten britischen Standpunkt in der Sachlieferungsfrage. Dabei legte er besonderen Nack druck auf den Rückgang des englischen Kohlenexport- nach Italien und mehreren anderen Ländern, den er au die Konkurrenz der Reparationskohle zurückführte. Er er kannte jedoch an, daß es für Deutschland schwierig sei seinen Reparationsverpflichtungen ohne Sachlieferunger nachzukommen. England sei bereit, auf diese Notwendig keit Deutschlands Rücksicht zu nehmen, doch erscheine ihr der Zeitraum von zehn I a h r e n, der für den Ablau' des Sachlieserungsshstems im Young-Plan vorgesehen sei zu lang. In Beantwortung von Fragen gab Graham wertem zu erkennen, daß der von der deutschen Delegation in dieser Frage eingenommene Standpunkt aus englischer Seite durchaus als korrekt und verständig empfunden werde, und daß sich die britische Regierun g mit dem Gedanken internationaler privater Abmachungen nach Art der für verschiedene Industrien bereits be stehenden internationalen Kartelle außerhalb der Konfc- renzaufgaben oder nach deren Abschluß gern befassei würde. England räumt auf jeden Fall Auf Grund von Auskünften von maßgebender eng lischer Stelle wird mitgeteilt, daß die englischen Truppen unter allen Umständen und unbeschadet des Er gebnisses der Haager Konferenz bis Ende des Jahres aus dem Rheinland zurückgezogen sein werden. Die Zu rückziehung der englischen Truppen werde auch nicht da von abhängig gemacht werden, ob man sich im Haag aui eine besondere Überwachungskommission der entmilitar? sierten Zone einige oder nicht. Wahrscheinlich werde der Außenminister Henderson im Haag selbst einen ent- sprechenden Schritt ünternehmen. Was die gegenwärtig im Haag erörterten drei ver schiedenen Pläne anbelangt: 1. die von Frankreich stam mende Idee der Einsetzung eines F e st st e l l u n ge ll n d A u s g l e i ch s k o m i 1 e e s, 2. die Schaffung einer ständigen Versöhnungskommission in Über einstimmung mit dem deutsch-französischen Schied-- gerichtsvertrag, der dem Locarnopakt beigegeben ist, m-« z. die Errichtung eines Un t e r k o m i t e e s des Völks- bundes, so würde weder Deutschland noch England ein , Lösung annehmen, die aus einer Überwachung deutsche: Gebietes über den 10. Januar 1935 hinaus bestehe. Drr zeitliche Begrenzung des Versailler Vertrages für d': Räumung der dritten Zone des Rheinlandes sei unbe - dingt endgültig. Sie englische MumuiWankündtzung. Ein scharfer Druck auf die Besatzungsmächte. Die englische Erklärung, daß England bereit sei, aus jeden Fall seine Truppen aus dem besetzten Gebiet zürn k- zuziehen, ist geeignet, einen scharfen Druck auf die übrigen Besatzungsmächte auszuüben. Eine Zurück ziehung der englischen Truppen zusammen mit einer A b - berufung des englischen Mitgliedes aus der Rheinlandkommission könnte schwerwiegende recht liche Folgen für die Daseinsberechtigung dieser Kom mission überhaupt nach sich ziehen. Nach einem Rechtsgutachten der englischen Kronjuristen vom Jahre 1923 haben diese die Auffassung vertreten, daß die Zurückziehung des englischen Mitgliedes der Rheinlandkommission die Rechtsgrundlage dieser Kom mission. zerstören würde. Unter Berufung auf dieses Guiacyien unv unter Androhung, alle englischen Mit glieder aus den alliierten Kommissionen zurückzuziehen, d" Allnerten weitere Sanktionen gegen Deutschland verhangen sollten, gelang cs damals Eng land, die Fortsetzung der Sanktionen gegen Deutschland verhindern. Heute könnte eine ähnliche Drohung an läßlich der Naumungsfrage gleichfalls die anderen Be satzungsmächte zum englischen Standpunkt bekehren. Oer Endtermin -er Räumung wirk festgesetzt. Fortschritt in den Haager Räumungsbesprechungene Im Haag hat, wie vorgesehen, eine etwa zweistündig« Besprechung zwischen den Reichsministern Dr. Strese mann und Dr. Wirth und Henderson, Hymans und Briand stattgefundcn. Sic hatte zum Gegenstand erstens die Frage des Endtermins der Räumung also des letzten Tages, bis zu dem noch ein Bcsatzungs soldat im Rheinlande steht, und zweitens die Erledigung der finanziellen Fragen, die mit der Räumung zu sammenhüngen. Dieser zweite Punkt war von der Gegenseite aus geworfen worden. Das wichtigste Ergebnis der Aus spräche dürfte der Verzicht aus die ursprünglich vorgesehen, Einsetzung eines oder mehrerer militärischer und finan zieller Sachverständigenausschüsse zur Räumungsfragi scin, und die Zusage der Besatzungsmächte, inncrhall eines sehr kurzen Zeitraumes, also jedenfalls noch irr Laufe dieser Woche, den Endtermin zu nennen, zu dem die Räumung nach ihrer Auffassung vollzogen sein soll. IeutWM soll siis fiMzicke Rechte verzichten Haag, 13. August. Obwohl die Dinge, was den Räumungs termin anbelangt, eine etwas schnellere Entwicklung zu nehmen scheinen, taucht für die Räumung ein höchst sonderbares neues Hindemis aus. Die Alliierten machen nämlich die Räumung auch noch von der Regelung der Besatzungsschäden abhängig. Es han delt sich bei diesen Schäden um bis 1. September 1929 ausgelau fene Forderungen von Hunderten von rheinischen und pfälzischen Städten und Gemeinden, für die seit Jahren das Reich finanziell eintreten mußte, ohne daß sich die Besatzungsmächte zu ihrer Be gleichung verstanden hätten. Die Schäden belausen sich insgesamt, soweit es sich übersehen läßt, aus eine dreistellige Millionenziffer, da das Reich schon seit Jahren diese Entschädigungen zu tragen hatte. Bei den Alliierten besteht noch immer wenig Neigung, diese Summe zu übernehmen, und um dieser Forderung zu entgehen, stellen sie nunmehr das Ansinnen an das Reich, „eine große Geste zu machen" und entweder teilweise oder ganz auf diese Forderun gen zu verzichten. Davon kann für das Reich natürlich keine Rede sein, da es hieße, neue Lasten zu den Lasten des Youngplanes hin zuzufügen. Auch die Festsetzung einer Gesamtsumme, mit der die Schäden abgegolten werden, kann erst dann ins Auge gefaßt wer den, wenn man weiß, wie lange das Rheinland und das Reich die Besatzungslasten noch zu tragen haben. Die ganzen alliierten Forderungen laufen auf eine finanzielle Leistung für die Räumung hinaus, die von Deutschland jetzt noch einmal mit einer Zusstz- leistung bezahlt werden soll. Vielleicht liegt aber in dieser neuen Pression doch ein gewisser Vorteil, daß nämlich die Engländer und Belgier, die mit der Räumung am 2. September beginnen wollen, gemeinsam aus die Franzosen einen Druck ausüben, sich ebenfalls diesem Termin anzuschließen. Eine zweite, sehr kompli zierte Frage ist die der Bezahlung der Besatzungskosten nach dem 1. September 1929. An diesem Termin schließt bekanntlich der Youngplan die deut'chen Verpflichtungen zur Bezahlung der Be satzungskosten, wie sie der Dawesplan noch enthalten hatte, end gültig aus. Es wird Sache der Alliierten sein, von diesem Zeit punkt an aus den Erträgnissen des Poungplanes selbst die Be- satzungkosten zu bezahlen. Auch hier bestehen von seiten der Alli ierten Versuche, von Deutschland neue Leistungen zu erhalten. Llm -ie Rechtsmäßigkeii -er Kontroll kommission Noch keine Vorschläge des Juristenausschusses. Der Iuristenausschuß der politischen Ko' Mission hielt seine erste Sitzung ab. Der Ausschuß hat ü bekanntlich mit der Frage der sogenannten Festste lungs- und Versöhnungskommissron, o - von Briand gefordert wird, zu befassen. In der erst Sitzung sind, wie verlautet, nur die ersten Vorarbcj ten erledigt worden. Man hat die verschiedenen Be träge, die daraufhin untersucht werden sollen, ob stc n. bereits genügend Möglichkeiten schiedsrichterlicher E- gung enthalten, zunächst einmal provisorisch gepr Irgendwelche Vorschläge, die dem Unterausschuß ei vorgelcgt werden könnten, sind jedoch noch nicht besprüh worden. Der Unterausschuß vertagte sich auf Donne« tag.