Volltext Seite (XML)
Haager KalWageWHe um England gefügig zu machen Haag, 12. August. Neben den fortgesetzten privaten Ver handlungen, in denen sich Frankreich, Belgien und Italien bemü hen, England zum Nachgeben zu bewegen, hat am Montag sich auch der belgische Ministerpräsident betätigt. Zwischen ihm und Mitgliedern der englischen Abordnung sollen am Montag die fi nanziellen Fragen eingehend besprochen worden sein. Von franzö sischer Seite verlautet, daß man jetzt zu gewissen grundsätzlichen Zugeständnissen bereit sei, salls die englische Regierung ihrerseits politische Zugeständnisse machen würde. Offenbar will Frankreich Zugeständnisse von England in der Räumungsfrage erreichen, um die fortgesetzten scharfen Angriffe der französischen Presse gegen Briand wegen seines angeblich zu weit gehenden Entgegenkom mens zu entkräften. Genera? James fall vermittel» Neuyork, 12. August. Den europäischen Meldungen, wo nach der amerikanische Botschafter in London, General Dawes, als geeignete Persönlichkeit bezeichnet wird, um in die Haager Krise als Vermittler einzugreifen, steht man im Washingtoner Staatsdepartement äußerst kühl gegenüber. Amtlich wird mitge teilt, daß das Staatsdepartement keinerlei Grund dafür sähe, den Botschafter Dawes nach dem Haag zu senden. Paris wünscht keine Vermittlung Morgans Paris, 12. August. Die aus London vorliegenden Mel dungen, die von einer Vermittlung Morgans im Haag wissen wollen, finden in Paris eine unfreundliche Aufnahme. Ein Teil der französischen Presse weist darauf hin, daß die Sachverständi gen, deren Plan von den verschiedensten Seiten angegrisfen wer de, vor allem von englischer, nicht die geeigneten Leute seien, um nun als Schiedsrichter aufzutreten. Insbesondere der sozialistische „Soir" ist über diese Aussicht recht empört. Es sei keine finanz technische Frage, die im Haag die Schwierigkeiten mache, so schreibt er, sondern eine politische allerersten Ranges. Das Problem stelle sich folgendermaßen dar: Entweder eine allgemeine europäische Entspannung oder die Krise der Haager Konferenz, die nur der Anfang einer noch viel größeren Krise sein würde. Spannung im Reichskabinett. Die Arbeitslosenfrage. Die Reichsminister Severing und Wisset! trafen Montag vormittag in Begleitung des Reichstags abgeordneten Hertz im Haag ein. Sie wurden von Reichsminister Dr. Wirth und Staatssekretär Pünder vom Bahnhof abgeholt. Die Verhandlungen über die Reform der Arbeitslosenversicherung find bei den Be ratungen der in Berlin anwesenden Mitglieder des Reichskabinetts nicht besonders gefördert worden, da anscheinend stärkere Meinungsverschiedenheiten zutage treten. Reichsarbeitsminister Wissell steht im Gegensatz zur Meinung der Mehrheit der nichtsozialistischen Minister auf dem Standpunkt, daß eine Einschränkung der Vcr- sicherungsleistungen untragbar sei. Die Mehrheit will die Vorlage in wesentlichen Teilen abgeändert wissen, wäh rend Wissell dabei verharrt, daß sie dem Reichstage sofort vorgelegt wird. Severing soll mit Wissell einverstanden sein. Im Haag wird versucht werden, die entstandene Spannung beizulegen. * Deutsche Kabinettssitzung im Haag. Eine Kabinettsvorlage für die Arbeitslosenversicherung. Die Reichsminister Severing und Wissell sind wieder aus dem Haag abgereist, nachdem sie die Frage der Arbeitslosenversicherung mit den hier anwesenden Kabinettsmitgliedern durchgesprochen haben. Die Besprechung ergab die Ansicht, daß die Be ratungen des sozialpolitischen Ausschusses des Reichs tages gefördert werden müssen und daß ihm eine Ka binettsvorlage unterbreitet werden muß. Um dieses Material vorzubereiten, ist eine Besprechung der fünf Fraktionsführer der Koalitionsparteien vorgesehen. Dann wird das Kabinett zusammentreten und eine Vorlage ausarbeiten. Damit das alles in Ruhe geschehen kann, wird der Vorsitzende des Sozialpolitischen Ausschusses, der Vizepräsident des Reichstages, Esser, gebeten, die vor gesehene Sitzung des Ausschusses vom 15. auf den 22. dieses Monats zu vertagen. Konkordaisunterzeichnung Dienstag. Austausch der Ratifikationsurkunden. Im Laufe des Dienstag wird in Berlin der Schluß strich unter das Preußische Konkordat mit der römischen Kurie gezogen. Vormittags tritt das preußische Ka binett zur ersten Vollsitzung nach den Sommerferien zu sammen. Der Kirchcnvertrag wird die Unterschrift aller preußischer Staatsminister erhalten. Um 1 Uhr nach mittags findet der Austausch der Ratifikationsurkunden im Staatsministerium statt, wobei die Kurie durch den päpstlichen Nuntius Pacelli vertreten ist. Von preu ßischer Seite unterzeichnet Ministerpräsident Braun. Es steht noch nicht fest, ob in Rom der Papst selbst oder der Kardinalstaatssekretär die Unterschrift leistet. Im Anschluß an den Ratifikationsaustausch findet im Staatsminifterium ein Frühstück statt. * Verhandlungen mit den evangelischen Kirchen. Ebenfalls am Dienstag soll dem Vernehmen nach eine Sitzung des preußischen Kabinetts stattfinden, in der vor aussichtlich die Richtlinien erörtert werden dürften, die bei den kommenden Verhandlungen mit den evangelischen Kirchen maßgebend sein werden. Von anderer Seite wird behauptet, die Verhandlungen mit den Vertretern der evangelischen Kirchen seien bisher nicht über das Vor stadium hinausgekommen. Vor der Wettfahrt des „Gras Zeppelin". Die Reichsregierung gratuliert Dr. Eckener. ' Im Auftrage des Reichsvcrkehrsministers Dr. Stegerwald begab sich Staatssekretär Dr.-Hng. Gut brod nach Friedrichshafen und überbrachte Dr. Eckener und seiner Besatzuna Glückwünsche zum Gelinacn der Amerikafahrt und Wünsche für den bevorstehenden Welt flug. Dr. Eckener hatte am Sonntag abend die Besatzung des Luftschiffes „Graf Zeppelin" in den festlich geschmück ten Saal der Zeppelinwohlfahrt zu einer Nachfeier seines 61. Geburtstages sowie der glücklich verlaufenen Amerika fahrt eingeladen. Nach dem Festessen hielt er eine kleine Ansprache an die Besatzung. Zu der bevorstehenden Weltfahrt bemerkte er, daß er nicht beabsichtige, eine Re kordfahrt zu machen. Er werde versuchen, während der ganzen Fahrt mit nur vier Motoren zu fliegen, um fest zustellen, ob es möglich sei, mit weniger Maschinenkraft auch größere Fahrten auszuführen. Er wolle jedoch sein Programm innehalten und versuchen, die Fahrt in etwa 27 Tagen abzuwickeln. Die Strecke Friedrichshafen- Tokio wird, je nach der Reiseroute, 10 060 bis 12 000 Kilo meter betragen, so daß man mit einer Reisezeit von etwa fünf Tagen rechnet. Am Donnerstag Start des „Gräf Zeppelin". Friedrichshafen. Das Luftschiff „Graf Zeppelin" wird, wie jetzt endgültig fcststeht, am Donnerstag, den 15. August, frühmorgens, zur Fahrt nach Tokio aufsteigen. Die Stunde der Abfahrt ist noch nicht bekannt. Die überholungsarbeiten, so u. a. an der Hülle und den Motoren des Luftschiffes, sind bis zu dem genannten Tage abgeschlossen. Sie Merschlagllngen im MW» Söngerbnnd Bundespräsident Rechtsanwalt List schwer belastet Aus der Sitzung des Gesamtausschusses im Deutschen Sän gerbund, in der die Unterschlagungen des Bundeskassierers Red - l i n eingehend erörtert wurden, mußten auch dem Bundespräsi denten L i st im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit verschie dene Vorhaltungen gemacht werden. So erregte es große Ver wunderung und Empörung, daß List von Redlin ohne vorherige Befragung des Gesamtausschusses monatlich 100O Mark als Re präsentationsgelder und für die Wiener Festtage im vorigen Jahre außerdem noch eine einmalige Zahlung von 12 000 Mark in Emp fang genommen hat, letztere sogar, obwohl er vollständig Gast der Stadt Wien war. Erst nachträglich hat der Gesamtausschuß dazu seine Zustimmung gegeben. Merkwürdig mußte es weiterhin berühren, daß List neben Redlin seine Unterschrift zu Verträgen gegeben hat, von denen der Gesamtausschuß nichts wußte, zu denen der letztere seine Zu stimmung auch nicht erteilt hat und die teilweise den Bund finan ziell belasten. Vollkommen verständnislos steht man aber der Tat sache gegenüber, daß List trotz vieler Warnungen, denen allerdings kein Tatsachenmaterial, sondern nur Vermutungen zugrunde lagen, nicht den Mut aufgebracht hat, sich von Redlin zu Kennen oder doch für die Zukunft wenigstens größte Vorsicht walten zu lasten. Weiter hat List auf dem Sängertag in Wien auf eine Anfrage, ob der Bund bei der Filmgesellschaft, die den Film „Das deutsche Lied" herausgebracht hat, in irgendeiner Form engagiert sei, be wußt die Unwahrheit gesagt, indem er diese Frage verneinte. List zog aus all diesen Vorwürfen, die ihm in der Sitzung des Gesamtausschusses gemacht, die Konsequenzen und legte sein Amt als Präsident nieder. Als Präsident des Bundes wurde sodann, wie bekannt, der bisherige Stellvertreter Geheimrat Hammerschmidt gewählt, der die Leitung der Sitzung sofort übernahm. Zum Schatzmeister wur de Bürgermeister a. D. Roth, Leipzig, gewählt. Die Unredlichkeiten Redlins wurden aus Anlaß einer Revi sion im Mai aufgedeckt, bei der den Revisoren auffiel, daß ein Posten von 100 000 Mark (Zuschuß des Reiches zum 10. Deut schen Sänzerfest in Wien) wohl im Einnahmebuch eingetragen, aber im Ausgabebuch nicht zu finden war. Auf dringende Vorhal tungen gab er zu. die 100 000 Mark unterschlagen zu haben. Als man ihm an Hand der Bücher weitere Unterschlagungen Nachwei sen konnte, wuchs die Summe auf zunächst 370 OM Mark, die sich schließlich bis auf 900 000 Mark erhöhte. Redkin hat mit Raffi nement gearbeitet. Von den 900 000 Mark sind 300000 bis MO MO Schulden, die der schleunigen Abdeckung durch den Bund harren. Hervorgehoben muß werden, daß die unterschlagenen Gel der in der Hauptsache keine Beiträge der Sänger sind, es handelt sich hierbei vielmehr um Gelder, die dem Bund für Vertrieb von Liederbüchern usw. von zwei Verlagen zufließen. All diese Ein nahmen hatte Redlin verheimlicht, die Frage, wo diese 900 000 Mark geblieben sind, konnte nicht geklärt werden, man nimmt an, daß erhebliche Beträge auf anderslautenden Konten, vielleicht auch im Auslande, stehen. Eine fünfgliedrige Kommission wird, prüfen, ob außer Reblin auch andere Personen an diesen Unter schlagungen beteiligt sind. Die Voruntersuchung gegen Redlin, der sich bekanntlich in Haft befindet, ist abgeschlossen. Die Verhandlungen finden in Berlin am 5- September statt. Rtichsjngendtag der GM in Nürnberg. Beteiligung übertrifft alle Erwartungen / 7000 Jungen und Mädel / Für deutschen Idealismus. In Nürnberg fand der 5. Reichsjugendtag des Gewerkschafts bundes der Angestellten statt. Mit Sonderzügen aus allen Teilen des deutschen Reiches trafen 7000 Lehrlinge und junge Angestell te aus den kaufmännischen, technischen Betrieben und Büros ein. — Am Sonnabend wurde eine Reihe von Sondertagungen abge halten, so eine Bundes-Singestunde, eine Mädelstunde unter Lei tung der Reichsmädelführerin Margarete Rüdiger - Berlin, mit einem Referat „Das Mädchen in der Gegenwart" von Studien direktorin Margarete Schecker-Leipzig; eine Iungangestellten-Son- dertagung mit einem Referat von Max Rößiger-Berlin, Mitglied des R. W. R., über „Der GDA.-Gedanke und die jüngere Gene ration"; eineFührerstunde mit Erlebnisaustausch unter Beteiligung des Bundesvvrstehers Gustav Schneider-Berlin, M. d. R., des Iugendvaters Georg Borchardt-Berlin, des Reichsjugendführers Fritz Mewes-Berlin u. a. Feierabendstunden ,Zenseits der Poli tik" und ein Fackelzug stellten die Fühlung mit der Bevölkerung Nürnbergs her. Die Begrüßung durch die Regierung, den Ober bürgermeister Dr. Luppe Md die Bevölkerung auf dem Haupt markt bildeten den Abschluß des ersten Tages. Den Sonntag eröffneten kirchliche Morgenfeiern. Die Bun- destagsfeier als Höhepunkt der Tagung gab dem Burgberg durch die Tausende festlich gekleideter Teilnehmer ein feierliches Geprä ge. Die Ausführungen des Reichsjugendführers Mewes: „Das Alte ehren, aber das Neue wollen" wurden von Sprechchören und Liedern umrahmt. Ein Festzug führte die Tausende in den Mittagsstunden durch die Straßen der Stadt. — In den Nachmittagsstunden entwickelte sich aus den weiten Flächen des Stadions ein Iugendfest mit Wett spielen, Singe-Wettstreiten, Volkstanzvorführungen und Frei- lichtspielen. Das Reichsmilchgesetz kommt! Berlin. Nachdem es in den Vorbesprechungen im wesent lichen gelungen ist, über das Neichsmilchgesetz eine Einigung mit den Ländern herbeizuführen, wird der Reichsernährunqs- minister in nächster Zeit den Entwurf eines Reichsmilchgesetzes dem Reichskabinett vorlegey. Gesandter z. D Prinz von Hohenleuben P. Berlin. Am 10 d M. ist in Breslau der Gesandte z. D Prinz von Hohenleuben (früher Prinz Heinrich XXXI. Neuß jüngere Linie) im 60 Lebensalter gestorben Ans der Offtzierslaufbahn hervorgegangen, wurde er im Jahre 1895 in das Auswärtige Amt berufen. Ende 1910 wurde er zum Generalkonsul in Kalkutta und 1912 zum Gesandten in Teheran ernannt. Von 1911 ab gehörte er dem Heeresdienst an. 1916 erfolgte seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. Banderolenfälschcr vor Gericht. Berlin. Vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte begann einer der größten Banderolcnprozesse, die bisher ein Gericht beschäftigt haben. Die Verhandlung, deren Dauer auf etwa sechs Wochen veranschlagt wird, richtet sich unter der Be zeichnung „Syrs und Genossen" gegen 30 Personen. Die Angeklagten sind teils Zigarettenfabrikanten, teils Händler oder deren Mittelsleute. Syrs und Genossen werden be schuldigt, in den Jahren 1925 bis 1927 durch Verwendung ge- sälschter Steuerbanderolen und Urkundenfälschungen den Steuerfiskus um enorme Beträge — es soll sich um Millionen handeln — geschädigt zu haben Meuterei auf einem finnischen Dampfer. Kiel. An Bord des finnische» Dampiers „Snud" brach aus der Fahrt durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal eine Meuteret aus. Infolge Versagens der Heizerwache konnte die für den Kanal bestimmte Fahrt nicht innegehalten werden. Durch die Vorhaltungen des Kapitäns des Schiffes aufgebracht, stürmte ein Teil der Wache auf die Kommandobrücke und griff den Kapitän und den Steuermann tätlich an. Beide wehrten den Angriff ab. Hierbei wurde der Kapitän durch Messerstiche in die Brust und in den Rücken schwer verletzt. Der Steuermann erhielt Messerstiche in die Arme. Der Wasserschutz Holtenau, der mit einem Schnellboot herbeiaeeilt war, nahm den Rädels führer fest und brachte ihn nach Kiel. Er soll nach Helsingfors gebracht werden. Das Schiff setzte später seine Fahrt durch den Kanal fort. Deutschlandfahrt englischer Geistlicher. Hamburg. Mit dem Hapagdampser „New Uork" trifft Dienstag eine Abordnung von 18 führenden Geistlichen der englischen Kirche in Hamburg-Kuxhaven ein. Diese Deutsch landfahrt der Abordnung erfolgt auf Einladung der deutschen Gruppe des Weltbundes für Internationale Freundfchafts- arbeit der Kirchen und soll den englischen Theologen einen Ein blick in die deutschen Kirchenverhaltnisse vermitteln Das 33. Todesopfer der Waldenburger Katastrophe. Waldenburg. Im Knappschaftslazarett verschied auch der letzte der bei der Waldenburger Grubenkatastrophe schwerver letzten Bergleute, der Hauer Johann Franz aus Neuenhain. Damit hat die Schlagwetterkatastrophe auf den Schwestern- schächten 33 Bergleuten das Leben gekostet. Ein Feuerwehrauto umgcstürzt. Graz. Ein Feuerwehrauto der Tabakfabrik in Fürstenfeld stürzte zwischen Gleichenberg und Feldbach um und überschlug sich. Von den 18 Insassen wurden ein Oberwerkmeister getötet und vier Personen verletzt. Der Deutsche Kirsch als Erster in Amsterdam gelandet. Amsterdam. Der deutsche Europaflieger Franz Kirsch ;raf auf seinem „Klemm C. 4" Montag um 13.50 Uhr als Erster auf dem Amsterdamer Flughafen ein. Ausstellung einer russischen Armee für den Fernen Osten. Moskau. Es wurde eine besondere Armee für den Fernen Osten aufgestellt, zu deren Oberbefehlshaber der ftttlhcre stellvertretende Kommandeur des ukrainischen Militär- krciseS, Blücher, ernannt wurde. Blücher ist von Charkow nach dem Fernen Osten abgercist. Kus unlerer Heimst Wilsdruff, am 13. August 1929. Merkblatt für den 14. August. Sonnenaufgang 4» !! Mondaufgang 16" Sonnenuntergang 19» js Monduntergang 23»° 1837: Der Dichter Johannes Trojan geb. Sieh da — wieder zu Hause! Auf einmal ist man wieder daheim. Noch hallt das Ohr wi der vom Rauschen der Wetten, noch sieht das Auge die weißen Firne im leuchtenden Abendsonnenschein, noch ist es uns, als trä ten wir eben aus dem Schatten duftiger Tannenwälder — und schon dreht sich knarrend der Schlüssel am Tor der eigenen Woh nung und der Fuß, der wochenlang gewohnt war, durch feinen, weißen Sand zu schreiten, über vertraute Wege in Tälern und auf Höhen zu wandern, betritt zum ersten Male wieder die Schwelle des eigenen Heims. Wo dienstbare Geister nicht den Empfang vorbereitet haben, dort tritt die kofferbeladene Familie in die erdrückende Schwüle der wochenlang verschloßenen Zim mer. Da stehen all die lieben Sachen, die einem so vertraut sind, noch genau so wie vor Wochen. Nun schnell die Jalousien hoch und die Fenster auf! Draußen ist alles wie ehedem. Dort gucken auch Müllers zum Fenster heraus und drüben Lehmanns. Es ist alles dasselbe, wie es vor Wochen war und wie es wieder ein Jahr sein wird, eben so nüchtern und doch — ach so schön, denn es ist zuHause. Schön freilich war wohl noch der Traum, der dazwischen liegt, der Traum von Freiheit und Blumenduft, von wogenden Meeren und ragenden Bergen, vom «süßen Nichtstun in Sonnen licht und Schönheit. Vorbei . Da steht Mutter schon wieder am häuslichen Küchenherd und macht das erste Abendbrot zurecht. Vater öffnet wichtige, geschäftliche Post, Lie schon für ihn bereit liegt und Fritz und Hanne suchen mißmutig die Bücher für die Schule zurecht. Und wenn man dann vereint um den Familien tisch herumsitzt, dann kommt wohl manches Seufzen auf: „Ach ja, wo waren wir doch gestern." Noch schleppen wir in den Schuhen und Taschen den Seesand mit, noch haftet an den Kleidern der