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MsdrufferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, D«« »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und Ausgabestellen 2 NM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 NM., bei Postbestellung 2 «W. zuZÜg^ch Abtrag- . gebühr. Einzelnummern is«ps-.All-^°ult°^ Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend P-ftb°--n „ä«,rund«cich°s-sft-v-n —— !— u »thwtn zu jeder Ztil B«. stellungen entgegen. Im Fallt, höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung l»er Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, Wenn Porto ^eillegt. für Äürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzrt,enPrei»: die 8->Np»ltnie Si<»u»jeile rv Ltpsg., die l gespalt«»« geile der »»tlichen Bekanntmachil.-en 40 Sieicy» psennig, die Sgespaltene Aeklamezeil« in, textlichen Teile I «eichrmar». Rachweisungrgedühr LV «eich»Pfennige, iv.r- geschriebeneEricheinung.» „ tage und Platz»orschrtsten -»erden nach Mö,lichk.it Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berückfichtt,!. «m-i-r»- annadme bis norin. 10 m>r. — Für die Wchti,keii der durch Fernruf übermittelten»!»,ei,en übernehmen wir deine Garantie. Jeder Siadatlanspru ch erlischt, wen» berBeteag dnrch Klagt-eintzezagen »erdenmatz oderderA»ftraggcderiu Konkurs gerät. Anjeigen nchuicu alle Bermilllnr gs stellenentgeoei-. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Rr 173 — 88. Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt WilSdruff-DreS-eN Postscheck: Dresden 2640 SvUNabend, dkN 27. Iutt 1929 «r Bunte Speisekarte. Der unersättliche Regisseur. — Polnische Schimpfkano naden. — Barbarei in Europa. Schulen und Parlamente sind in die Ferien gegangen, aber die unruhigen Weltgeister, die für Abwechslung aufderErdezu sorgen haben, auf daß die Menschen sich nicht langweilen oder gar zu rosten anfangen, gönnen uns keine Atempause, als fürchteten sie, wir könnten sie sonst überhaupt für entbehrlich halten. Ob Amerika sich aufregt wegen der fabelhaft schön gelungenen Rekordfahrt unseres neuen Lloyddampfers „Bremen" und dessen Kajüten stürmt für die erste Rückfahrt nach der Alten Welt —, ob der Deutsche Reichskanzler sich plötzlich von heute aus morgen auf Tod und Leben operieren lassen muß, in einem Zeitpunkt, wo von seiner Regierung höchste Aktivität erwartet werden muß im Angesicht der großen internationalen Konferenz, zu der abermals die Regie rungen aller der Länder, die uns im Weltkriege gegen überstanden, zu rüsten beginnnen —, ob in Berlin ein ganzer Fabrikstadtteil in Gefahr gerät, von explodierenden Azetylenflaschen oder Gasbehältern wegrasiert zuwerden—, ob Dutzende von Menschen in diesen heißen Sommer tagen in den kühlen Wellen ihren Tod statt der gesuchten Erfrischung finden oder ans Autofahrten geköpft oder zer malmt werden — das Rad der Zeitgeschichte rollt in rasendem Tempo über solche Einzelschicksale und -ereig- nisse hinweg, immer neuen Aufregungen entgegen, als wenn ein unersättlicher Regisseur am Werke wäre mit der Aufgabe, die Menschheit nur ja keinen Augenblick zur Be sinnung kommen zu lassen. Die Speisekarte des Lebens kann heutzutage auch schon dem verwöhntesten Geschmack genügen; die Gefahr, daß wir uns den Magen überladen, ist jedenfalls ungleich größer als die Aussicht, etwa vor Langeweile zugrunde zu gehen. Dabei ist die Kunst, von dieser reichbesetzten Tafel nur mit kluger Auswahl zu ge nießen, auf daß unsere Aufnahmefähigkeit sich nicht vor zeitig abnutze, auch nichts weniger als leicht zu üben, da die Tafelfreuden zumeist nur allzu laut angepriesen wer den und die bunte Vielheit der Genüsse verwirrend wirken muß. Etwas weniger wäre auch in diesem Falle gewiß lich mehr* und wir könnten zum wenigsten in der sommerlichen Erholungszeit wieder frische Kräfte sam meln für wer weiß welche neuen Überraschungen, die das Schicksal für uns vielleicht schon in Bereitschaft hält. Aber auf diesem Gebiete scheint niemand für die notwendige Rationalisierung zuständig zu sein, in der man sonst überall das Heil für die kranke Gegenwart zu erblicken glaubt. * Doch ist, Gott sei Dank, für einige Erheiterung auch in diesen schweren und bekümmerten Zeitläuften immerhin gesorgt. Oder soll man nicht schmunzeln bei den spaßigen Kommentaren, mit denen die hauptstädtische Polenpresse die Mitteilung begleitet, daß der in diesen ^agen in Warschau zusammengetretene Internationale Ehirurgenkongreß seine Verhandlungen in Abwesenheit der deutschen Delegierten eröffnen mußte? Diese komischen Deutschen wollen nichts mit Leuten zu tun haben, die lhnen im Jahre 1920 schwarz auf weiß bescheinigten, daß sie durch ihr Verhalten im Weltkriege die Würde der Wissenschaft für ewig verscherzt hätten, und die an dieser ungemein schmeichelhaften Kennzeichnung auch heute noch sesthalten oder sich wenigstens weigern, sie jetzt, nach det Wiederkehr ruhigerer Zeiten, ausdrücklich zurückzu- neymen. Das polnische Regierungsblatt spricht höflich, wie man im Reiche des Herrn Pilsudski nun einmal ist, von deutscher Frechheit und Unverschämtheit und fügt hinzu, daß, wenn man srühcr die deutsche chirurgische Wissenschaft als moralisch unzulänglich und verwerflich gebrandmarkt habe, diese Kennzeichnung heute für die gesamte deutsche Wissenschaft gelten müsse. Wir sind zu rücksichtsvoll, um mit Fragen nach der sittlichen Quali fikation polnischer Professoren und Studenten zu ant worten. Wir dürfen uns mit der Zuversicht trösten, daß die Welt immerhin zwischen deutscher und polnischer Wissenschaft noch wird unterscheiden können, trotz aller Ruhmredigkeit auf der einen und aller Bescheidenheit auf der anderen Seite. . wirklich Spuren von BarbareiinE uropa fcstftcllen mochte, der wnd gewiß zu allerletzt in Deutsch- er in Polen gar nicht weit sie m Hülle nnd Fülle zu finden. Das ist nichts so Unerhörtes, wie es auf den ersten Blick v.ellclcht schemen konnte, wenn man bedenkt, daß sogar dav hochzivttlsnrte England noch beutiaestaas an der selbstgeschaffenen Möglichkeit festhält d?NM Eigentum, fünfzehn >zahre nach seiner völkerrechts widrigen Beschlagnahme 'm Kriege zu liquidieren, als wäre das dre selbstverständlichste und beste Sache von der Welt. Alle unsere früheren Feinde haben sich von dieser Kulturschande bereits wieder losgesagt, so zuletzt auch die belgische Regierung, die sonst nicht gerade den Ehr geiz hatte, in der Abschüttelung der Kriegspsychose vor bildlich zu sein. Einzig und allem mit Polen zieh; Eng land heute in dieser Beziehung an einem Strang. Muß man da nicht wirklich schon sagen: »Es tut mir in der Seele weh, daß ich dich in der Gesellschaft sehn«? Dr. Sy. PMm zmWreten Sturm in der Kammer Paris, 26. Juli. In der französischen Kammer gab es am Freitag abend eine große Ueberraschung, als zum Schluß der Aus sprache der Vorsitzende der Finanzkommission, der Radikalsozialist Malwy, den Antrag stellte, die Regierung sollte sich am kommen den Freitag zur Frage der Steuerermäßigung äußern. Obwohl noch eine Reihe von anderen Anfragen für die nächsten Tage in Aussicht genommen war, u. a. eine sozialistische über eine allge meine Amnestie bestieg Iusüzmimster Barthou die Tribüne und verlas, ohne den Abgeordneten Malwy einer Antwort zu würdi gen, den Erlaß der Regierung, der die Kammer auf Monate in die Fetten schickt. Die Empörung über diesen Gewaltsatt der Regierung, die eine anscheinend unangenehme Aussprache ver meiden will, war allgemein. Ordnungsgemäß mutzte die Kammer nach zehn Minuten erneut zusammentreten, um das Protokoll der letzten Sitzung zu billigen, bevor sie in die Fetten geht. In dieser Sitzung, die eine knappe Viertelstunde dauerte, gab es einen wah ren Sturm. Es hagelte schärfste Angriffe gegen die Regierung. Beschlossen wurde über die Annahme der Protokolls der letzten Sitzung namentlich abzustimmen. Die Abstimmung über das Protokoll der letzten Sitzung in der Kammer hatte ein überraschendes Ergebnis. Es wurde mit 276 gegen 256 Stimmen abgelehnt. Nach Bekanntgabe des Er gebnisses erschollen von zahlreichen Bänken des Hauses Zurufe, die Regierung solle zutticktreten. Der Iustizminister und die übri gen Mitglieder der Regierung hatten die Kammer bereits ver lassen. Der Präsident hob die Sitzung auf und veranlaßte das Skt MW IM Volksbegehrkundgebung gegen den young-plan. Hugenberg und Düsterberg als Redner In Münster fand eine vom Ausschuß für das deutsche Volksbegehren veranstaltete öffentliche Kund gebung statt, an der u. a. auch Studenten teilnahmen. Es sprachen Geheimrat Hugenberg, Oberstleutnant a. D Düsterberg und ein Mitglied des Vereins Deutscher Studenten. Geheimrat Hugenberg betonte in längeren Aus führungen, daß man, um dem deutschen Volke das Unglück des Pariser Tributvertrags fernzuhalten, mii vereinter Kraft alle Mittel aufbieten müßte, auch das Mittel des Volksbegehrens. Die etwaige Annahme des Pariser Tributvertrages iu Verbindung mit der marxistischen Mißwirtschaft des heuti gen Staates werde nur zu bald ungewöhnliche Not iv Deutschland zeitigen. Sie werde Millionen in Deutschland überraschen. Damit dann nicht Unglück über Deutschland komme, werde es gut sein, wenn diejenigen, welche es kom men sehen, sich vorher zusammengefunden haben würden Der zweite Bundesführer des Stahlhelms, Oberst leutnant a. D. D ü ft e r b e r g, verwies auf den Kampf des Stahlhelms um die Vorbereitung des geistigen Bodens für eine nationale Selbsterhaltungs- und Befreiungs politik in Deutschland und kam dann auf den Kamps gegenden Young-Plan zu sprechen. Es sei selbst verständlich gewesen, daß der Stahlhelm sein Volksbegeh ren hinsichtlich einer Verfassungsänderung gegenüber der dringendsten Forderung, die Annahme des Young-Planes zu verhindern, vorläufig zurückstellte. Dank der Vorberei tungen in den letzten Monaten fei es möglich gewesen, eine große Reihe von Parteien und Organisationen zur Bil dung eines Reichsausschusses zusammenzuberufen. Diese Parteien und Organisationen hätten sich zufammengefun- den auf paritätischer Grundlage, um unter Zurückstellung von Sonderausgaben endlich in dieser großen wichtigen Lebensfrage unserer Ration gemeinsam arbeiten zn können. Der Redner verbreitete sich dann eingehend über die finanziellen und wirtschaftlichen Folgen aus dem Young-Plan. England und der young-plan. Schatzkanzler Snowden im Unterhaus. Im Englischen Unterhaus erklärte Schatzkanzlei Snowden: „England ist keineswegs zur Annahme der Anempfehlungen des Young-Planes verpflichtet. Meines Wissens hat bisher keine der interessierten Regie rungen den Bericht angenommen, mindestens keine der Gläubigcrmächtc. Der deutsche Außenminister scheint erklärt zu haben, die deutsche Regierung nehme den Bericht als Grundlage einer Konferenz an. Ich glaube, die Gläubigermächte sind der Meinung, daß es ihnen sreistehe, über den Bericht zu verhandeln. Tatsächlich würde eine Konferenz unmöglich sein, wenn die Regierun gen den Bericht in seiner jetzigen Form annehmen müßten." -WM sein RMchn? I Büro der Kammer, das dem deutschen Aeltenstenrat entspricht, zu- , sammenzutreten und über die Sachlage zu beraten. Nach der Beratung des Kammerbüros trat die Kammer zu einer neuen Sitzung zusammen, in der der Vorsitzende das Haus beschwor, dem Lande kein Beispiel der Anarchie zu geben und das Protokoll der Schlußsitzung, an dem tatsächlich nichts auszu setzen sei, doch noch anzunehmen. Durch Handaufheben wurde das Protokoll schließlich für gut erklärt und die Kammer ging nach diesem lächerlichen Schauspiel in die Fetten. Poineares Rücktritt Paris, 26. Juli. Ministerpräsident Poincare richtete am Freitag abend an den Staatspräsidenten Doumergue ein Schrei ben, in dem er dem Staatspräsidenten den Vorschlag unterbreitet, angesichts seiner Erkrankung und einer notwendig werdenden Ope ration, die ihn für zwei bis drei Monate arbeitsunfähig mache, ihn seines Amtes zu entheben und einen Nachfolger zu ernennen. Hierauf trat sosort ein Kabinettsrat im Außenministerium zu sammen. Der Aabinettsrat, der bis 23 Uhr tagte, erteilte dem stell vertretenden Ministerpräsidenten Iusüzminister Barthou und dem Außenminister Briand den Auftrag, Poincare die Zuneigung und die Sympathie des Kabinetts zum Ausdruck zu bringen und ihn zu ersuchen, nach seiner Wiederherstellung wieder an die Spitze der Regierung zu treten. Barthou und Briand begaben sich daraus zu Poincare, um sich ihres Auftrages zu entledigen. Der für Sonn abend vormittag 9.30 Uhr vorgesehene Ministerrat wird angesichts der Lage erst um 10.30 Uhr zusammentreten. Man erwartet, daß Briand das neue Kabinett bilden wird. kN WlW-PlM Der Schatzkanzler erinnerte dann an verschiedene Sta dien der Verhandlungen der Sachverständigen, und sagte: „Die Regierung hat sich durchaus einverstanden erklärt, mit der Annahme der festgesetzten Annuitäten. Wir haben keinen Wunsch, die Summe der von Deutschland verlang ten Zahlungen zu erhöhen. In diesem einen Punkte sind sich, wie ich glaube, alle Beteiligten einig." Der Schatz kanzler zitierte dann die Ziffern des Annuitätcnschemas und bemerkte: „Von dem unbedingten Teil wird erwariet, daß er unter allen Umständen gezahlt wird außer im Falle des völligen Bankerotts Deutschlands, mit dem aber nicht gerechnet wird. An diesen unbedingten Zahlungen hat Großbritannien keinen wesentlichen An teil. Fünf Sechstel gehen an Frankreich, der Rest an Italien. Unser Anteil an den Annuitäten könnte ver glichen werden mit den gewöhnlichen Aktien eines viel leicht nicht sehr gesunden Konzerns, während die unbe dingten Zahlungen als Schuldverschreibungen erster Klasse betrachtet werden können. Dieses ist die Lage hin sichtlich der Einteilung der Annuitäten in zwei Teile. Wenn die Zahlungen geleistet werden, werden sie sich folgendermaßen verteilen: Wir erhalten 17,5 Millionen Pfund, die Dominions 2,6 Millionen Pfund, Frankreich 52,5 Millionen und Italien nicht ganz 11 Millionen Pfund." Lloyd Georges Kritik an dem Plan. Vor dem Schatzkanzler hatte Lloyd George ge sprochen. Er sagte: „Ich bin erstaunt, daß dieser Bericht dem britischen Schatzamt als eine gerechte Berücksichtigung der britischen Ansprüche unterbreitet worden ist. Ich hoffe, Snowden wird seinen Einfluß benutzen, um sehr beträchtliche Abänderungen an dem Plan durchzusetzen. Meine Bedenken richten sich nicht dagegen, daß die deutschen Zahlungen herabgesetzt werden. Aber ich erhebe Widerspruch dagegen, daß die Gesamtheit der Opfer in der Hauptsache von Groß britannien getragen werden soll. Wenn es eine Herab setzung geben mußte, dann hätte sie gerecht auf alle Gläubigerstaaten verteilt werden müssen. Ich vermag keinen Grund für eins Abänderung des Repa- rationsverteilungsplans von 1920 zu entdecken. Die Regierung darf ihre Unterschrift nicht unter einen Bericht setzen, der nicht nur ein Rückschritt, sondern eine Demütigung für uns ist." Nach der Rede Snowdens vertagte sich das Unter haus bis zum 29. Oktober. Regierungskonferenz in Holland. Ernste Erkrankung Poinearös. Der Streit um den Ort, in dem die große Regierungs- konfercnz im August zusammentreten soll, ist nunmehr beigelegt. Die Entscheidung ist auf die Hauptstadt Hol lands, den Haag, gefallen. Bis zuletzt Hal sich nament lich Belgien gegen den Haag als Konferenzort gewandt, da die Brüsseler Regieruna infolae der Verökkentlickuna ae-