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Wilsdruffer Tageblatt : 19.07.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-07-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192907195
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19290719
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19290719
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-07
- Tag 1929-07-19
-
Monat
1929-07
-
Jahr
1929
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 19.07.1929
- Autor
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!" Nrurs sus stier Äell Schweres Autounglück. Ein folgenschweres Ver kehrsunglück hat sich in Berlin-Steglitz zugetragen. Eine Kraftdroschke stieß mit einem Privatwagen so heftig zusammen, daß der Privatwagen auf den Bürgersteig ge drückt wurde und eine Bank überrannte, auf der mehrere Spaziergänger saßen. Eine Frau wurde getötet, zwei Personen schwer, fünf leicht verletzt. Schwärmerei für Zigeuner. Ein 17jähriges Mäd chen aus Mühlbeck bei Bitterfeld, das seit mehreren Tagen vermißt wurde, ist in der Nähe von Wittenberg bei einer Zigeunertruppe und im Kostüm einer Zigeunerin ge sunden worden. Die Zigeuner behaupten, das Mädchen habe sich ihnen freiwillig angeschlossen. 8600 Mark auf der Landstraße geraubt. Der mit dem Transport von 8000 Mark beauftragte Forstarbeiter Hasse wurde bei der Fahrt von Krakow nach Linstow in Meck lenburg von zwei Männern, die einen großen Baumast quer über den Weg gelegt hatten, gezwungen, sein Motor rad anzuhalten, und unter Bedrohung mit dem Revolver genötigt, das Geld herauszugeben. Ein Sägewerk durch Feuer zerstört. Das Säge werk Koppmann bei Friedland wurde durch Feuer vernichtet. Umfangreiche Holzvorräte sind mitverbrannt. Das Feuer griff auf angrenzende Schuppen über, die ebenso wie das Sägewerk und das Maschinenhaus völlig in Asche gelegt wurden. Die gesamten maschinellen Ein richtungen sind ein Raub der Flammen geworden. Der Sachschaden beträgt 150 000 Mark und ist nur zum Teil durch Versicherung gedeckt. Die Passagiere des „Derffliuger" geborgen. Die 24 Passagiere des bei Tsingtau auf ein Riff aufgelaufenen Lloyddampfers „Derfflinger" sind von dem amerikanischen Torpedobootszerstörer „Paul Jones" übernommen und in Tsingtau an Land gebracht worden. Einen Teil der Besatzung landete die „Blackbauk". Das amerikanische Kanonenboot „Beaver" bleibt zur Hilfeleistung in der Nähe der „Derffliuger". Der dänische Kajakfahrer gerettet. Der Däne Pleß Schmidt hatte am 5. Juli mit einem Kajak von den Färöern aus die Fahrt nach Bergen antreten. Er hoffte, sein Ziel in sechs Tagen zu erreichen. Da jedoch in der Zwischenzeit in dem Teil der Nordsee, den er durchfahren mußte, heftiger Sturm herrschte, und da er bis zum 17. Juli nicht am Ziel eingetrosfen war, glaubte man bereits, daß er ums Leben gekommen sei. Jetzt wird aber aus Oslo berichtet, daß Pleß-Schmidt am 14. Juli auf dem Atlantischen Ozean, etwa 130 Meilen westlich von Aale- sund, von einem norwegischen Fischereifahrzeug an Bord genommen worden sei. Großfeuer in den Magazinen der Nachrichtentruppen in Warschau. Die Magazine des Funkentelegraphen regiments Nr. 1 in Warschau sind durch einen Brand ver nichtet worden. Es besteht der Verdacht der Brandstiftung. Zwei Feuerwehrleute wurden mit schwerer Rauchvergif tung ins Krankenhaus gebracht. Unglücksfall durch ein explodierendes Geschoß. In einer alten, jetzt zur Unterbringung von Obdachlosen ver wendeten Kaserne in Peez in Ungarn wurde durch die Explosion eines Schrapnells eine Person getötet, während acht schwer und einige andere leicht verletzt wurden. Das Geschoß war von einem Lehrling gefunden worden; er hatte daran herumtantiert, um es zu öffnen. Belagerung eines Mörders. In Widdin (Bulgarien) erschoß ein gewisser Nikolow seine Frau und seinen Bru der aus Rache, weil ihn seine Frau verlassen wollte. Als ihn die Polizei verhaften wollte, verbarrikadierte sich der Mörder in seinem Hause und es kam zu einem fünf stündigen Feuergefecht. Die Polizei warf Handgra naten in das Haus. Da sich dies aber als wirkungslos erwies, steckte die Polizei schließlich das Haus in Brand. Als der Mörder sah, daß er sich nicht retten konnte, tötete er sich durch einen Schuß in den Kops. Doübrände in Amerika. Auf Stalen Island entstand ein Brand, durch den drei kleinere Schiffe und ein Trocken dock zerstört wurden. Der Schaden beläuft sich auf eine halbe Million Dollar. Durch eine Feuersbrunst zerstört wurde auch das Union-Pazifik-Dock in Seattle (Washing ton). Der Brand verursachte einen Schaden von einer Million Dollar. Goldscndung im Flugzeug. Auf dem Flugplatz von Le Bourget trafen an Bord zweier Goliath-Flugzeuge 80 Millionen Gold in Pfund Sterlingen aus London ein; sie waren für die Bank von Frankreich bestimmt. Für die Ehe zu schwer. Die Frau des Börsenmaklers Donald L. Samuel in Newyork hat gegen ihren Mann Scheidungsklage eingereicht, weil er sein gegebenes Ver sprechen, diät zu leben, nicht gehalten hat. Man könne von ihr nicht verlangen, mit einem Mann zu leben, der 332 Pfund wiegt und noch zunimmt. Bunte Tagesckronif Wiesbaden. Der Wiesbadener Oberbürgermeister Friedrich Travers ist im Alter von 55 Jahren einer Lungen- und Rippenfellentzündung erlegen. London. Aus der Provinz Bombay werden große Über schwemmungen durch Regenstürme gemeldet. Zwölf Menschen und viel Vieh sind umgekommen. Ganze Landstriche stehen unter Wasser. Warschau. In der Nähe von Lodz ereignete sich eine Autobuskatastrophe, bei der ein Fahrgast getötet wurde und vier Fahrgäste und der Chauffeur schwere Verletzungen er litten. Statistische Erhebungen über Mchproduktwn. Berlin. Das Fehlen von zuverlässigem statistischen Mate rial über Produktions- und Absatzverhältnisse in der deutschen Milchwirtschaft wird seit langem unliebsam empfunden. Um diese Lücke auszufüllen, werden auf Veranlassung des Reichs ministers für Ernährung und Landwirtschaft zurzeit vom Statistischen Reichsamt im Benehmen mit den statistischen Landesämtern Erhebungen über die deutsche Milchproduktion angestellt. Die Ergebnisse der Ermittlungen liegen bereits bis auf wenige Landesteile im Statistischen Retchsamt vor. Es kann damit gerechnet werden, daß das vorhandene Material in Bälde verarbeitet sein wird und alsdann zuverlässige Unter lagen zur Verfügung stehen. In gleicher Weise sind zurzeit Vorarbeiten zur Einführung einer Molkereistatistik, die Material über die Verhältnisse auf dem Gebiete der Milch bearbeitung und -Verarbeitung liefern soll, in Angriff genom men worden. Großfener in der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg. Augsburg. In der Sattlerei der Maschinenfabrik Augs burg-Nürnberg brach Feuer aus, das an vielen leicht brenn baren Stossen reiche Nahrung fand. Infolge der starken Rauch entwicklung war die Tätigkeit der Feuerwehr außerordentlich erschwert. Außer der Berufsfeuerwehr und der Fabikfeuer- wehr sind noch die Wehren der umliegenden Fabriken hinzu gezogen worden. Liebestragödie. Reutlingen. Der Maschinenarbeiter Jopp hat seine Braut, die das Verlöbnis auflösen wollte, weil sie von ihm öfter mißhandelt worden war, in der Wohnung ihrer Eltern überfallen und ihr zahlreiche Messerstiche beigebracht; darauf ging der Täter nach Hause und erschoß sich. Das Mädchen wurde schwer verletzt. „Do. X" über Friedrichshafen. Friedrichshafen. Das Flugschiff „Do. X" ist von der Werft in Altenrhein zu einem neuen Probeflug aufgesttegen, wobei es in größerer Höhe den Bodensee überquerte und längere Zeit über Friedrichshafen kreuzte. Nachdem hier die erste Flugpost aus dem Flugschiff abgeworfen worden war, ging sie „Do. X" vor dem Kurgartenhotel nieder wo die zur Be sichtigung der Riesenmaschine gekommene italienische Luftfahrt kommission unter Führung von Unterstaatssekreiär Balbo den Piloten und die Insassen begrüßte. Großes Schadenfeuer auf einem mecklenburgischen Gute. Güstrow (Mecklenburg). Aus dem 2500 Morgen großen Gute Strieggow kam im Viehhaus Feuer aus, das bald auch aus ven Schafstall und das Maschinenbaus übersprang. Zu gleicher Zeit brach in dem 70 Meter entfernt liegenden Wirt schaftsgebäude ebenfalls ein Brand aus, der jedoch in kurzer Zeit gelöscht werden konnte. Vernichtet sind die gesamte Heu ernte, die Maschinen, die ganze Inneneinrichtung der Milch wirtschaft und die elektrische Zentrale des Gutes. Der Schaden ist erheblich. Es wird Brandstiftung vermutet, da das Feuer gleichzeitig an zwei Stellen zum Ausbruch kam. Moorbrand in Schlesien. Groß-Särchen (Kreis Hoyerswerda) Bei dem Dorfe Groß-Zeißig wütet ein gefährlicher Moorbrand. Das schon stark abgelagerte Torfmoor des Särchener Teiches ist in Brand geraten. Die Löscharbeiten sind mit Schwierigkeiten verbun den, da es erheblich an Wasser mangelt Schweres EtsenbahnungM in Amerika. Newyork. Bei Straton, etwa 160 Kilometer von Denver entfernt, hat sich ein schweres Eisenbahnunglück er eignet. AlS dort einn Personcnzug in voller Fahrt eine Eisen- üahnbrücke passieren wollte, gaben die Brückenpfeiler, Vic an scheinend vom Hochwasser unterwaschen worden waren, nach, und die Brücke stürzte zusammen Vier Wagen des Persoueu- zugcs sowie die Lokomotive mit dem Tender stürzten inS Wasser. Nach den bisher vorliegenden Meldungen sind 20 Personen getötet worden. Vor dem Miett im Stinnes-Prozeß. Berlin. Das Urteil im Stinnes-Prozeß wird voraus sichtlich erst am kommenden Donnerstag verkündet werden. Der Einbrecher auf Reisen. Berlin. Ein Einbrecher, der mit dem Motorrad Ge schäftsreisen zu unternehmen Pflegte, ist hier festgenommen worden. Er wurde in einem Versteck überrascht und sprang, ohne sich zu besinnen, aus dem ersten Stock auf die Straße hinab. Obwohl er sich dabei den Unterarmknochen verletzte, lief er weiter und warf dabet zwei Pistolen weg. Der Verhaftete ist als Otto Pense im Jahre 1924 wegen schweren Diebstahls verurteilt worden. Als Heinrich Marks hat er am 21. Juni die Beamten des Gemeindeamts in Neuschön burg bei Zwickau i. Sa. mit vorgehaltenem Revolver genötigt, ihm die Kasse mit dem Betrage von 1300 Mark auszuhändigen. In Reckenthin bei Pritzwalk hat er auf einem Rittergut Geld und Silbersachen für 4200 Mart erbeutet. In Bollendorf hat er die ganze Schnitterkaserne systematisch untersucht und die Löhne der Schnitter aus ihrem Versteck zutage geföroert. Wie viel er dabei erbeutete, ist nicht festzustellen. Als seine Kom plicen wurden ein gewisser Heckert und ein 35 Jahre alter Ernst Malkowski festgenommen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß der Bande noch eine ganze Reihe von Überfällen und Einbrüchen, besonders in Zweigpostanstalten zur Last fällt. Das Großfeuer im Emdener Hafen. Emden. Im Emdener Außenhafen ist in dem großen fiskalischen, von der Westfälischen Transportakticngesellschaft verwalteten Speicher, in dem sich über 300 Tonnen Hafer und Gerste zweier Bremer Firmen sowie mehrere Maschinen und der Motorcnraum für den Betrieb der Elevatoren befanden, ein Brand ausgebrochen. Das Feuer soll durch Selbstentzündung infolge der seit einigen Tagen anhaltenden starken Hitze ent standen sein. Infolge des Brandes wurden die an der Hasen seite des Speichers vorüberführenden Schiencnstränge, die zur Anßenhafcnmole führen, für den Güterverkehr gesperrt. Explosion in einem Warenhaus. Hammond (Indiana). Durch eine Niesenexplosion wurde ein dreistöckiges Warenhaus im Ausländervienel vollständig zerstört. Der Sachschaden wird auf 300 000 Dollar geschätzt. Durch die Explosion wurden die benachbarten Gebäude be schädigt und die Fensterscheiben in weitem Umkreise zertrüm mert. Durch einen glücklichen Umstand ist niemand verletzt worden. Tödlicher Autounfall. Kolberg. In der Nähe von Kolberg ereignete sich ein schwerer Automobilunfaü, bei dem der in Schlachtensee (bei Berlin) wohnhafte Direktor Pultkammer von der Berliner Bitomulz-Gesellschaft, der sich in seinem Auto auf der Fahrt von Königsberg nach Berlin befand, so schwer verletzt wurde, daß er auf dem Transport in das Kolberger Krankenhaus starb. Die Beisetzung Hugo von Hofmannsthals. Wien. Der Beisetzung des Dichters Hugo von Hofmanns- chal, die in der Rodamer Ortskirche erfolgte, wohnten der deutsche Gesandte Graf Lerchen seid, der italie nische Gesandte, die diplomatischen Vertreter anderer Länder und der Bürgermeister von Wien bei. Gchiffskatastrophe im Schwarzen Meer. Bukarest. Im Hasen von Constanza eingetroffene Dampfer berichten, daß sie nachts S.-O.-S.-Rufe des 2000 Tonnen großen russischen Dampfers „Wolga" empfangen hätten, der am 16. Juli mit Passagieren und Fracht von Nowo rossijsk in See gegangen war. Der Dampfer sei auf eine schwimmende Mine geraten. Er habe um 3 Uhr morgens ge meldet, daß er sinke und daß 17 Mann der Besatzung und l4 Passagiere bereits ertrunken seien. Mliev — MMen Von PeterJens- Andora. Wieder geht es ins Frühjahr, und wieder fangen die Leute zur verkehrten Zeit an, nach Italien zu reisen. Die einen fahren im Februar, frieren, wie sie noch nie zu Haus gefroren, und kehren empört heim. Dann kommt die „Säsong" April, Anfang Mai; England entläßt legionsweife seine alter Schachteln, die mit flatternden Hutschals die Riviera unsicher machen. Die Hotels sind bis aufs Badezimmer besetzt, und, damit einem dringenden Bedürfnis abgeholfen wird, hüllst auch Du Deinen Fiberkoffer in den Schoner und staunst, wie aut man in Italien den Engländer und wie schlecht man Dich behandelt. Hast Du von vornherein keine Lust, Dir das gefallen zu lassen, dann reise erst im Mai. Das ist die herrlichste Zeit hier; die englischen Schachteln haben sich wieder nach ihrer Nebelinsel verzogen, die Züge sind leer, in den Hotels bist Du der gern gesehene Gast, und Himmel und Meer sind blau, nicht nur auf Postkarten. Höre auf mich, denn ich lebe in Italien. Und wenn es nack) mir ainae. kämest Du überhaupt Ich warte auf Dich Roman von Fr. Lehne. 13. Fortsetzung Nachdruck verboten Er hätte doch kein junger, warmempfindender Mann sein müssen, wenn er so viel Liebreiz gegenüber auf die Dauer unempfindlich geblieben wäre. Ob Sylvia ahnte, daß Andreas Hammerschmidt anderes für sie empfand, als ein Lehrer für seine Schülerin? Sinnend, in Gedanken verloren, ruhten oftmals ihre Augen auf seinem belebten, geistvollen Gesicht und dann geschah es, daß, wenn ihre Blicke sich trafen, die seinen oft mals den ihren auswichen. Mit dem feinen Gefühl der Frau empfand sie, daß sie ihrem jungen Lehrer nicht mehr ganz gleichgültig war. Dieses Bewußtsein erfüllte sie mit einer starken Freude. Sie fühlte sich so geborgen darin und wie geschützt vor den heißen Wünschen Viktor Lüdorffs. Mehr als je wich sie dem Grafen aus; es fehlte ihr je doch an Mut, ihn direkt abzuweisen, obwohl sie jetzt ganz genau wußte, daß sie seine Frau nicht werden konnte. Ob zu dieser Erkenntnis ihr Doktor Hammerschmidt auch verhalfen hatte? In Gedanken hatte sie ihn ost mit Lüdorff verglichen — und alles sprach zu seinem Vorteil! Die Kraft und Stärke seiner Erscheinung, das schöne, bedeutende Ge sicht mit den strahlenden Augen, sein umfangreiches Wissen — alles mußte sie bewundern — noch nie war ihr je ein solcher Mann begegnet — sie hatte ihn beinahe angestaunt mit einer gewissen naiven Ursprünglichkeit, die ihrem Wesen eigen. Sie suchte seine Nähe und oft war sie bei den Brü dern, weil sie wußte, daß Doktor Hammerschmidt dann auch nicht weit war — die Unterhaltung mit ihm war ihr unent behrlich geworden. Wenn aber sein Blick den ihren traf, wurde sie unbegründet rot und beschleunigt klopfte ihr Herz. Wie und wann es gekommen, wußten sie beide nicht — mit einemmale war die Unbefangenheit aus ihrem Verkehr gewichen und ein leichter Zwang lag über den Unterrichts stunden. Dennoch ließ Sylvia nicht davon. — „Mama, heute abend machen wir eine Rundfahrt auf dem Darwitzer See!" sagte Karlo beim Abendessen, „du bist hierzu feierlich eingeladen —" „Um Gotteswillen, diese Idee —" Die Baronin war beinahe entsetzt. Sylvia mußte lachen. „Die Mama und Kahnfahren!" Sie zupfte den Bruder am Ohrläppchen. „Karlo, bei dir ists wohl nicht ganz richtig — als ob Mama sich Euch anvertrauen würde." „Warum nicht? Wir wollen der Mama gerade mal etwas bieten — Kahnfahrt und Vollmondzauber! Er ist ja zwar noch nicht da, doch das schadet weiter nichts. Und nun ver zichtet sie. Wie betrübend —" „Dann nehmt mich doch als Ersatz mit," schlug Sylvia vor. Wilm musterte die Schwester. „Nun ja," meinte er gedehnt, „doch wir brauchten eigent lich mehr Ballast — du bist ein bißchen leicht, Sylve!" Alles lachte, auch die Mama. „Also dazu habt Ihr mich ausersehen, Ihr Schelme! Jetzt wird mir Eure schwarze Gesinnung offenbar." „Ich fahre wirklich mit, Mama — es ist so schön heute abend." Sylvia hatte sich gleich den Brüdern erhoben. „Mein Kind, ich sehe es nicht gern —" „Aber, Mama, wo Herr Doktor am Steuer sitzt, da brauchst du keine Angst zu haben," ereiferte sich Wilm. „Lasse Sylvia das Vergnügen, meine Beste," redete der Baron zu, „es ist doch keine Gefahr." „Nein, es ist keine Gefahr," wiederholte Sylvia, und sie sah dabei den jungen Lehrer an, „also kommen Sie, Herr Doktor, Ihrer Führung vertraue ich mich gern an, was bei Max und Moritz vielleicht gefährlicher wäre." „Na, warte, Sylvia, das kostet Strafe! Denkst du fo von uns?" Karlo wollte ihr scherzend zu Leibe gehen, doch lustig lachend eilte sie die Stufen der Veranda hinab und lief nach dem Park, verfolgt von den Brüdern, die sie bald eingeholt hatten. In klagendem Tone sagte die Baronin zu Doktor Ham- , merschmidt, der sich anschickte, den Dreien zu folgen. „Ich brauche Ihnen wohl nicht erst äußerste Vorsicht anzuraten, Herr Doktor?" Er verneigte sich, ein kleines Lächeln wegen dieser Ueber- ängstlichkeit unterdrückend. „Frau Baronin können unbedingt außer Sorge fein." ' Wenige Minuten später schritt er an Sylvias Seite den dämmerigen Parkweg entlang, der nach dem Darwitzer See führte. Es war ein wunderbarer Abend. Am blauen Himmel schwammen rosafarbene Wölkchen, die den letzten Abglanz des scheidenden Tagesgestirns trugen. Der Darwitzer See bildete den Abschluß des Herrschafts parkes; er streckte sich bis zum Anfang des Dorfes hin. Die - flachen Ufer waren mit weit überhängenden Weiden bestan den. Eine leise Schwermut lag über dem stillen Wasser aus gegossen. Karlo und Wilm waren vorausgelaufen, um den Kahn loszumachen, der am Badehaus befestigt war. „Bitte einsteigen, meine Herrschaften!" Doktor Hammerschmidt trat zuerst in den Kahn und reichte dann Sylvia die Hand, ihr behilflich zu sein. Sylvia wollte am Steuer sitzen, doch Karlo behauptete diesen Platz für sich und Wilm wollte rudern. „Wir fahren die Herrschaften spazieren! Sitzt nur still!" Lächelnd gehorchte Doktor Hammerschmidt seinen Schü- lern. Er saß dicht neben Sylvia auf dem schmalen Bänkchen und ihre Gestalten streiften sich bei der leisesten Schwankung des Kahnes. Langsam glitt der Kahn dahin. Die Knaben plauderten und lachten lebhaft. Die Schweigsamkeit der Schwester und des Lehrers fiel ihnen weiter nicht auf. Andreas kostete die Freude, so in der Nähe des heimlich geliebten Mädchens zu sitzen, voll aus. Er wagte aber nicht, Sylvia anzusehen; er hielt sich steif und gerade, den Blick vor sich hin gerichtet. (Fortsetzung folgt.)
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