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Oie preußische Gewerbesteuer- Noiveror-nung güliLg. Die Entscheidung des Staatsgerichtshofes. Der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich hat die Klage der Fraktionen der Deutschnationalen und der Wirt schaftspartei im Preußischen Landtag auf Ungültigkeits erklärung der Gewerbesteuernolverordnung vom 8. Mai 1929 abgewiesen. Die Gründe für die Ab weisung hat Reichsgerichtspräsident Dr. Bumke als Vor sitzender des Staatsgerichtshofes im wesentlichen wie folgt zusammengefatzt: Die Frage, ob auch wegen eines Steuergesetzes eine Notverordnung erlassen werden kann, ist vom Staats gerichtshof bereits entschieden, und dieser Auffassung hat sich auch in dieser Sache der Staatsgerichtshof ange schlossen. Weiter wurde die Frage erörtert, ob die Ne gierung auch dann eine Notverordnung erlassen könne, wenn die Möglichkeit bestände, daß der Landtag zur Ver abschiedung eines entsprechenden Gesetzes noch zu sammengetreten wäre. Auch diese Frage ist vom Staatsgerichtshof schon in bejahendem Sinne entschieden worden. Dann war die weitere Frage zu prüfen, ob die Notverordnung insofern über das Maß hinausgeht, als sie für ein ganzes Jahr erlassen wurde. Der Staatsgerichtshof hat sich hier den Ausführungen der Vertreter der preußischen Regierung angeschlossen und er klärt, daß aus finanztechnischen Gründen der Erlaß eines Steuergesetzes, für einen Zeitraum von weniger als einem Geschäftsjahr unmöglich sei. Explosionskatastrophe in China. Mehrere Tausend Todesopfer? Londoner Blätter berichten aus Hongkong: Eine große Explosion von Munitionsvorräten hat in Nunnansu in Südchina stattgefunden. Es wird gemeldet, daß die Zahl der Getöteten tausend betrage. Unter den Ausländern sind keine Todesopfer zu beklagen, dagegen ist der britische Konsul schwer verletzt worden. Das britische Konsulat wurde schwer beschädigt, das französische Konsulat völlig zerstört. Auch die französischen Missionen wurden be schädigt. Nach einer anderen Meldung soll die Zahl der Todesopfer sogar mehrere tausend betragen. Ein geheimnisvoller Vorfall. Ein Anschlag auf den englischen Außenminister? In London sprach ein unbekannter Mann in dem St.-Ermines-Hotel in Westminster vor, in dem Außen- minister Henderson und seine Familie wohnen, wenn sie in London weilen. Der Fremde verlangte den Außenminister persönlich zu sprechen. Da er keine zufriedenstellenden Gründe für diesen Wunsch angeben konnte, wurde sein Ersuchen abgelehnt, worauf er aus seiner Tasche einen Revolver hervorzog und, die Waffe spielerisch bewegend, erklärte: „Gut, ich werde ihn später sehen." Eine Stunde später sprach ein anderer Unbekannter vor und verlangte gleichfalls den Außen minister zu sehen. Diesmal wurde das Ersuchen ohne Weiteres abgelehnt. Die englische Geheimpolizei hat daraufhin in der Halle des Hotels eine Wache ausgestellt. Der ganze Vorfall ist vorläufig noch unaufgeklärt und hat beträchtliches Aufsehen erregt. Oer Kampf um die Scholle. Kundgebung holsteinischer Bauern in Pommern. In Stettin trafen sich pommcrsche und holsteinische Bauern zu einer Aussprache, um über die Art und die Ziele ihres Kampfes um die Scholle einig zu werden. Nach Begrüßungsworten des Kreisgruppenvorsitzenden Dittmer er griff als erster Redner Kühl-Husum das Wort. Er führte u. a. aus, der heutige Staat sei eigentlich kein Staat mehr, sondern ein Verwaltungsapparat, denn der Staat habe keine Wehrfreiheit mehr und könne über Verkehrswesen und Währung nicht mehr bestimmen. Nicht einmal die in der Verfassung sestgelegte Gleichheit der Staatsbürger vor dem Gesetz würde gewahrt. Aus diesen Tatsachen heraus hätten die holsteinischen Bauern dem jetzigen Verwaltungsapparat den schärfsten Kampf angesagt. Sie wünschten, daß nur diejenigen Steuern zahlten, die es wirklich könnten. Sie verlangten, daß man endlich den Mut aufbringe, unseren Gläubigern zu erklären, daß wir die aufgezwungenen Lasten nicht aufbringen könnten. Der zweite Redner führte aus. daß nicht im Reichs- und im Landtag das deutsche Schicksal entschieden werde, sondern im Lande selbst. Mit einem dreifachen Hoch auf das Vaterland wurde die Versammlung geschlossen. Wer Hai Kokain geschmuggelt? Afghanistans Pariser Geschäftsträger dementiert. Dieser Tage wurde berichtet, daß der frühere afgha nische Gesandte inParis, der jetzt Gesandter inMos - k a u ist, Rauschgifte, vor allem große Mengen Kokain, in seinem diplomatischen Gepäck über die Grenze schmug geln wollte. Im Zusammenhangs mit dieser Angelegen heit veröffentlicht jetzt der afghanische Geschäftsträger in Paris im Namen der afghanischen Gesandtschaft eine Er klärung, in der er betont, daß weder die afghanische Regie rung, noch die Gesandtschaft, noch deren Personal irgend etwas mit dem Kokainschmuggel zu tun haben. Er weist darauf hin, daß er lange vor Einleitung irgendwelcher Ermittlungen die zuständigen Behörden in einem Briefe darauf aufmerksam gemacht habe, daß die bei der Zoll behörde befindlichen Pakete weder der Regierung, noch dem Könige, noch der Gesandtschaft gehörten. Nun kommt aber der „Matin" mit der Behauptung, daß nicht der frühere Gesandte, sondern der älteste Sohn des Exkönigs Aman Ullah der eigent liche Schuldige sei. Der Kronprinz, der sich zu seiner Erziehung in Paris befand, soll wiederholt Reisen nach Mülhausen im Elsaß, woher die Kokainsendungen stammten, gemacht haben und, als der Skandal öffentlich wurde, nach Moskau abgereift seien. Ein Reichsausschuß für Geflügel- und Eierverweriung. Zur Förderung des deutschen Absatzes. , Im Reichsministerium für Ernährung und Land wirtschaft ist der Reichsausschuß für Geflügel- und Eierverwertung e. V. gegründet worden. Der Rerchsausschuß soll im Interesse der Volksernährung und der Landwirtschaft der Förderung und Zusammenfassung aller Bestrebungen dienen, die auf die Hebung und Ver besserung der Geflügelzucht und -Haltung, der Güte und des Absatzes ihrer Erzeugnisse und auf die Vermehrung des einheimischen Geflügels und deutscher Eier gerichtet sind. Zum Vorsitzenden des Verwaltungsrates wurde Ministerpräsident a. D. Tantzen, zum Stellvertreter der geschäftsführende Vorsitzende des Bundes deutscher Geflügelzüchter, Professor Dr. Schachtzabel, ernannt. Der Ausschuß wird seine Tätigkeit sofort aufnehmen. Das Geddiner Kleinlustschiff. Das erste deutsche Kleinlustschiss, „D. P. N. 28", das die Wasser- und Luftfahrzeug-Gesellschaft in Seddin (Pommern) gebaut hat und das von seinem Heimat hafen Seddin mit einer Zwischenlandung in Stettin nach Berlin geflogen ist, faßt 1400 Kubikmeter. Das Schiff, das einige Tage in Berlin bleibt, um von hier aus weitere Fahrten zu unternehmen, wird von dem Maior a. D. Stellina geführt. Deutsches Reich Das Reichskabinett aus Urlaub. Die Reichsregierung hat endgültig Sommerferien gemacht. Es sind gegenwärtig nur noch die Minister Gröner, Wirth und Severing in Berlin. Irgendwelche Kabinettsberatungen sind daher in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Uber die Internationale Konferenz, die Anfang August beginnen soll, erwartet man nun bald eine Klärung. Man nimmt in Berlin bestimmt an, daß die Regierungen sich für Luzern entscheiden werden. In etwa zehn Tagen dürste dann das Kabinett die ent sprechenden Vorbereitungen sür die Konferenz in Angriff nehmen. Begnadigung politischer Gefangener in Mecklenburg. Wie im Mecklenburgisch-Schwerinschen Landtag mit geteilt wird, beabsichtigt das Staatsministerium die in Mecklenburg in Strafhaft befindlichen, wegen Feme mordes Verurteilten zu begnadigen. Die Begnadigten werden sofort aus der Strafanstalt Dreibergen bei Bützow entlassen werden. Großbritannien Einschränkung des britischen Flottenbauprogramms? Wichtige Änderungen in der Flottenpolitik der Re gierung werden jetzt klar angekündigt. Die Regierung hat, wie verlautet, aus Gründen sowohl der hohen Politik als auch nationaler Ersparnisse beschlossen, eine Revision des Schiffbauprogramms der letzten Regierung durchzu führen. Vielleicht findet sogar eine volle Aufhebung des Bauprogramms für das laufende Jahr statt, das u. a. den Bau von drei Kreuzern, neun Zerstörern und sechs Unterseebooten vorsab. Aus Zn- und Ausland Berlin. Zur Fortführung der seit längerer Zeit unter brochenen Handelsvertragsverhandlungen zwischen Deutsch land und der Tschechoslowakei sind die beiderseitigen Delega tionen in Berlin zu einer kurzen Tagung zusammengetreten. Diese soll dazu dienen, den jetzigen Stand der Erklärungen zu den beiderseitigen Zolltarifwünschen festzustellen. Moskau. Unter militärischen Ehrenbezeugungen wurde die Leiche Lenins in der Nacht nach dem Kreml übergeführt, wo sie bis zur Eröffnung eines neuen Mausoleums aufbewahrt wird. Der Rote Platz war während der Überführung für die Öffentlichkeit abgesperrl. Vtrafantrag im Giinnes-Prozeß Für Stinnes acht Monate Gefängnis. Im Stinnes-Prozetz beantragte der Oberstaatsanwalt Sturm gegen den Angeklagten Hugo Stinnes wegen Betruges eine Gefängnisstrafe von acht Monaten und eine Geldstrafe von 100 000 Mark. Gegen Nothmann, von Waldow, Leo Hirsch und Eugen Hirsch beantragte der Oberstaatsanwalt je sechs Monate, gegen Bela Groß fünf Monate, gegen Joseph Schneidt drei Monate Gefängnis. 900 Fragen an die Geschworenen. Schreckliches aus dem „Menschenfresserprozeß". Wer da glauben mochte, daß der Kaschauer Zigeuner- und Menschenfresserprozeß, von dem man seit Wochen nichts gehört hatte, bereits aufgehört habe und sang- und klanglos versunken sei, der irrt sich. Ganz plötzlich taucht er wieder auf, der Prozeß, und es wird versichert, daß er noch in diesem Monat zu Ende gehen werde. Man ist bereits stark dabei, den unglücklichen Geschworenen die Schuldfragen vorzulegen, und es hat sich herausgestellt, daß es nur neunhundert sind. Nun bestimmt das tschecho slowakische Gesetz, daß die Geschworenen von dem Augen blick an, da sie sich zur Beratung zurückziehen, bis zur Urteilssällung mit keinem anderen Menschen „verkehren" dürfen. Sie werden aus diesem Grunde eingesperrt und aus ihrem Beratungszimmer nicht früher herausgelassen, als bis sie ihr Pensum erledigt haben. Es fragt sich nun, ob die armen Kaschauer Geschworenen die ihnen auf gegebenen 900 Gewissen sf ragen an einem ein zigen Tage werden beantworten können, denn schließlich muß man ja auch ein bißchen beraten und alles auf schreiben. Sollten die Geschworenen mit einer einzigen Tag- und Nachtschicht nicht fertig werden, so werden sie eben mehrere Tage sitzen und im Beratungszimmer auf Feldbetten schlafen müssen. Essen wird ihnen ins Zimmer geschoben. Einige Geschworene sollen sich bereits von ihren Familien für längere Zeit verabschiedet und für alle Fälle ibr Testament aemackt baben. Ich warte auf Dich Roman von Fr. Lehne. 1. Fortsetzung Nachdruck verboten „Dafür wird der Herr Doktor umso mehr erzählen kön nen! Wie waren seine Briefe so interessant und was hat er alles zu sehen bekommen — Rom, Sizilien, Athen, Klein asien, Aegypten, Indien!" Die Pastorin nickte. „Ich hab's dem Jungen ja gegönnt! Es war eine Aus zeichnung für ihn, daß Professor von Baumgarten ihn als seinen Sekretär mitgenommen hatte, sonst wäre Andreas ja nie dahin gekommen, und alte Geschichte und alte Spra chen waren doch immer sein Steckenpferd —" „Wird sich der Herr Doktor jetzt fest anstellen lassen?" fragte Klara leise. „Ich möchte es. Er ist doch nun siebenundzwanzig Jahre. Ach, Klärchen, mein einziger Wunsch wäre: er käme als Leh rer ans Gymnasium hier in seine Vaterstadt! Dann hätte ich doch meinen Jungen immer bei mir und wenn er bald hei ratet, was ich erhoffe, dann hätte ich auch gleich eine liebe Tochter." Lächelnd sah sie auf Klara, die jetzt mit unbegründeter Anstrengung im Kuchenteig rührte, um die heiße Röte er klärlich zu machen, die sie auf ihren Wangen brennen fühlte. „So, fertig! Nun noch den Eierschnee darunter!" Klara machte die Tür zur Brattöhre auf und hielt die Hand hinein. Es ist gleich Backhitze! Hoffentlich gelingt uns der Kuchen." Sie schob noch ein Stück Holz in die Feuerung und begann dann das Eiweiß zu Schnee zu schlagen. „Was soll Ihnen denn nicht gelingen, Kindchen! Wer so tüchtig ist wie Sie —l Der Mann, der Sie bekommt, der kann sich nur freuen — und die Schwiegermutter auch!" Ein heimliches Lachen war in der Stimme der Pastorin und als Klara sie ansah, nickte ihr die alte Dame gerührt zu, daß sie verlegen die Augen niederschlug. „Ja, ja! Gott, Kind — wenn mein Wunsch sich erfüllte, dann brauchte mein Andreas nicht weit zu gehen, und ich brauchte keine Angst um sein Lebensglück zu haben!" Und zärtlich klopfte die Pastorin die heißen Wangen des jungen Mädchens. Sie verstanden sich, ohne weiter ein Wort zu sagen. Klara hatte den Kuchenteig in die Form gefüllt — „so, Frau Pastor, ich denke, in fünfundvierzig Minuten Backzeit ist der Kuchen fertig! — Nun Hetzen Sie sich nicht so ab — Sie haben doch bis heute abend viel Zeit —" „Recht vielen Dank, liebes Kind. Wie soll ich das nur gut machen —" „Nachbarspflicht, Frau Pastor! Der selige Herr Pastor hat mich doch konfirmiert und ist immer so gut gegen die ganze Gemeinde gewesen. Ich bin stolz darauf, daß ich Ihnen etwas sein darf. — Also, guten Tag, und bitte, den Herrn Doktor zu grüßen." Damit nahm Klara ihren Korb und eilte davon. Einen Augenblick stand Frau Pastor Hammerschmidt sin nend da. Ja, die Klara! — Die wäre die richtige Frau für An dreas. Sie ist häuslich, tüchtig, gut, klug und hübsch — und hat auch mal ein schönes Stück Geld zu erwarten. In ihrem praktischen Muttersinn mußte sie damit schon rechnen. Außer ihrer Witwenpension besaß sie nur noch ein winziges Kapital. Ersparnisse hatte sie in ihrer Ehe nicht machen können; denn ihr Mann hatte nach dem Wahlspruch gelebt: Edel sei der Mensch, hilfreich und gut! Von seiner Tür war keiner ungetröstet hinweggegangen — und das trö stende Wort war auch immer von der Tat begleitet gewesen. Aengstliche, mahnende Einwände seiner praktisch denken den Hausfrau hatte er stets zurückgewiesen. „Wir haben noch nicht gehungert, liebe Christine. Was unser ist, gehört auch unseren bedürftigeren Brüdern. Wohl zutun und mitzuteilen vergesset nicht —!" Und er hatte sich auch darin nicht beirren lassen, als die Ausgaben für den Heranwachsenden Sohn größer wurden — als der reichbegabte Jüngling seine Schulzeit überstanden hatte und sich zum Besuch der Universität rüstete. Ein Stipendium und eine Famulusstelle halfen dem jun gen Andreas Hammerschmidt bei seinen bescheidenen An sprüchen gut auskommen. Große Freude war immer, wenn der junge Student in Ferien kam. Die Frau Pastor vergötterte den Einzigen, der so frisch und gesund das ganze Haus mit seinem Frohsinn erfüllte — der ihr auch das Leben noch erträglich sein ließ, als ihr der heißgeliebte Gatte durch einen plötzlichen Tod — verursacht durch Herzschlag — genommen wurde. Und wenn noch etwas sie in diesem schweren Verlust hatte trösten können, so war es die allgemeine Liebe und Verehrung, die der Verstorbene in der Stadt und weit dar über hinaus genossen hatte. Sie verließ das Pfarrhaus und bezog eine kleine Woh nung in einem Hause neben dem Hause des Kolonialwaren händlers Emil Stettner. In rührender Weise waren Stettners um die Frau Pa storin bemüht, die seit vielen Jahren zu ihrer Kundschaft gehörte. Am meisten aber das Klärchen, Stettners einzige Tochter, die alles tat, was sie der verehrten Frau Pastor an den Augen absehen konnte. Und manches Paket mit Lebensmitteln ging von Stettners an den Herrn Studiosus ab, bis er dann, mit dem Studium fertig und mit einem glänzend bestandenen Examen in der Tasche, als Reisebeglei ter und Sekretär des Professors von Baumgarten eine große Studienreise nach Südeuropa, Aegypten und Indien antrat. Klara Stettner hatte als halbes Kind schon für den flotten, fröhlichen Bruder Studio geschwärmt; sie war hoch beglückt gewesen, wenn er in den Laden der Eltern kam, dort manche halbe Stunde verbrachte und mit ihr scherzte und lachte. Und diese Schwärmerei hatte sich zu einer inniger Liebe vertieft, als aus dem Backfisch ein junges Weib g- worden war. ^Fortsetzung folgt.)