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MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ D«» »^!.^dniffer TagedlattE erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Dezunsvrei»: Bei Abholung in r»«r Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 NM. im Monat, bei Zustellung durch die Dolen 2,3't NM., bei PostbesteUung 2 NM. zuzüglich Aktrag. gebühr. Ernzelnumrnern ^NpfS.AllePostanstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgehend Postboten und unjercAus. trLgrrund Geschäftsstellen ! U — nehmen zu jeder Zeit De- Wellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen befiehl t-e-n Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Nücksendnng eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 20Npfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Neichs- pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. 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Der englische Parlamentarismus ist Leben, ist nicht, wie auf dem Kontinent, wo man ihn ja vielfach nach ahmte, nur Form, nur eine Unzahl von Paragraphen und Bestimmungen, in die das lebendige Leben der Wirklichkeit, der politischen Kräfte eines Polkes wie in einen Schnürleib hineingepreßt wird. Das englische Parlament hat keine geschriebene Geschäftsordnung, bat dafür aber eine jahrhundertalte Tradition, die weit stärkeres Gewicht hat als fein ausgeklügelte Bestim mungen über den Gang der parlamentarischen Verhand lungen. Wobei noch hinzugefügt werden mag, daß Eng land nicht einmal eine Staatsverfassung im Sinne der kontinentalen Länder und Amerikas besitzt. Auch hier ist das Geschriebene ersetzt durch die Tradition. Lebendig und eigenartig wurde insolgedessen auch die Adreßdebatte im Unterhaus nach Verlesung der Thronrede. Diese selbst brachte nichts Unerwartetes, blieb vielmehr vorsichtig zurückhaltend in allen außen- und innenpolitischen Fragen, sprach höchstens mit etwas größerer Wärme von dem Versuch, die zwischen England und Amerika stehende Abrüstungsfrage endlich energisch anznpacken. Wir Deutsche werden aus der Thronrede für die Weiterentwicklung der Reparationsfrage daher ebensowenig entnehmen können, wie unsere Erwartung auch nur einigermaßen erfüllt worden ist, etwas Ge naueres darüber zu erfahren, ob und wann England seine Truppen aus dem besetzten Gebiet heraus führen wird. Was vielmehr Farbe in die erste Sitzung des neu zusammengetretenen Parlaments hineinbrachte, war die Debatte, die, von einer Reihe von Fragen Baldwins aus gehend, einen eingehenden politischen Kommentar Mac donalds zu der Thronrede lieferte. Nicht etwa, daß Baldwin nun dem neuen Premierminister als seinem politischen Gegner mit unbequemen Fragen zu Leibe rückte, sondern es war — in allerdings sehr großem Umfange — die Betätigung eines im Unterhaus durch aus nicht unbekannten Gebrauchs, daß Interpellationen der Opposition, von ihr gestellte Anfragen und dergleichen auf Veranlassung der in der Negierung sitzenden Ver antwortlichen gestellt oder zum mindesten nicht ohne deren Zustimmung eingebracht werden, — wobei Baldwin gleich betonte, er werde im Hinblick aus die bevorstehende Entscheidung national höchst wichtiger Probleme des Britischen Weltreichs die Opposition seiner Partei dämpfen und das Parlament nicht durch Parteizänkcreieu zer reißen lassen, und Macdonald unter stürmischem Beifall des ganzen Hauses erklären konnte, „er brauche ein einiges parteiloses Parlament, um in den Abkommen mit frem den Ländern rücksichtslos nur die Interessen Eng lands zur Geltung bringen zu können". Unter diesem Gesichtswinkel behandelte denn der englische Primierminister auch die Ergebnisse der Pariser Konferenz, deren Kompromißcharaktcr er betont, aber billigt. Freilich ging er nicht über die Ankündigung des englischen Willens, baldmöglichst das Rheinland zu räumen, hinaus, vermied es wieder, irgend einen Termin dafür anzugeben. Ihm liegt mehr daran, zunächst einmal die Konferenz der europäischen Staats männer zusammenzubringen und damit die Frage der Reparationen und der interalliierten Schulden endgültig zu regeln. Wieder wird er dann aber wärmer, wenn er von den Verständigungsabsichten mit Amerika über die Abrüstung spricht und dabei als Ziel durchblicken läßt, den Kellogg-Pakt, der bisher eigentlich nur auf dem Papier steht, durch eine allgemeine Abrüstung in die Wirklichkeit zu überführen. Der englische Ministerpräsident will ja das durch eine direkte persönliche Verhandlung in Washington mit dem neuen amerikanischen Präsidenten erreichen. Richt ganz vorübergchen darf man nun als Deutscher aber auch an Macdonalds innenpolitischen Er klärungen. Hier sind cs zwei Dinge, die die Deutschen besonders interessieren müssen: die Rcformvor- >chk>'M für den notleidenden englischen Bergbau — den Macdonald übrigens als „den rückständigsten in allen modernen Industrieländern" bezeichnet — durch Zu sammenlegung der Betriebe, durch Organisation des Ver laufs und Reform der Arbeitszeit. Irgendein Wort über Sozialisierung Höri man nicht, wohl aber den Hinweis auf die „schwere Konkurrenz, die der englische Bergbau auf dem Weltmarkt aushalten muß" und das Ent scheidende ist bei allen Reformversuchen. Noch wichtiger aber ist die Erklärung Macdonalds, daß die neue Re gierung weitere von den Konservativen vorbereitete In du st rieschutzzölle nicht einführen, außerdem sich Vorbehalten wolle, die bereits eingcführten Jndnstrie- schutzzölle entweder im neuen Haushalt 1930 oder vielleicht schon früher abzubanen. Wie sehr dieser Entschluß, den Macdonald im Parlament hoffentlich auch wird durch setzen können, deutscherseits begrüßt werden muß, erhell! rchon daraus, das; wir noch im Laufe dieses Jahres mi! England in Verhandlungen über den Abschluß eines neuen Handelsvertrages eintreten müssen, da der bis- bcrige Ende dieses Jahres abläust. Hat doch die kon servative englische Hochschutzzollpolitik dem Absatz deutscher Waren in England ganz außerordentliche Schwierigkeiten bereitet und niemals war der deutsche Exporteur davor sicher, plötzlich vor einer unerwarteten und kaum über- Hugust-KonlerenL in Lonckon? Deutschland und die Regiemngs- konferenz. Gegen eine Dreiteilung. Im Anschluß an die Besprechungen zwischen dem deutschen Botschafter in Paris, Herrn von Hoesch, und dem französischen Außenminister Briand sind die Re gierungen in Paris und London in einen neuen Meinungsaustausch über die kommende große politische Konferenz getreten. Bei den Verhandlungen spielt nach wie vor die Frage des Ortes und des Beginns der Kon ferenz die Hauptrolle. Es hat den Anschein, daß Paris seinen Widerstand gegen London als Tagungsort aufgeben will, nachdem Belgien, Italien und Deutsch land Englands Wunsch nach Abhaltung der Konferenz in London unterstützen. Mit Entschiedenheit wendet sich die deutsche Ne gierung gegen den in der französischen Lffentlichkeit ans getauchten Plan, erst eine Konferenz der Negierungen, dann eine solche der Sachverständigen und schließlich wieder eine Konferenz der Regierungen stattfindcn zu lassen. Die deutsche Regierung vertritt die Ansicht, daß Deutschland keine Veranlassung habe, die Aufmachung der kommenden Konferenz anders zu wünschen als die der letzten Londoner Konferenz, die alle Fragen in einem Zuge behandelt hat. Die Absicht Frankreichs, den Zeitpunkt der Konferenz möglichst hinauszuschieben, soll nach der Unterredung Hoesch-Briand fallen gelassen worden sein, so daß man glaubt, daß kein ernsthafter Widerstand mehr gegen den Beginn der Konferenz Anfang August auftreten wird. Deutschland würde es gern sehen, wenn die Besprechungen etwa am 5. August beginnen und am 20. August enden würden. Dann würde der Reichstag noch genügend Zeit haben, sich mit dem Aoung-Plan auseinanderzusetzen, bevor er am 1. Oktober in Kraft treten würde. IlütttbttÄW durch die WldwbmdktWN? Paris, 3. Juli Auch in französischen diplomatischen Krei sen beginnt man sich an den Gedanken zu gewöhnen, daß die poli tische Konferenz zwischen dem 1. und 5. August beginnen dürfte. Für die Konferenz würden, so erklärt man jedoch, nicht mehr als drei Wochen Zeit dis zum Beginn der Genfer Völkerbundsver sammlung bleiben, und da die Franzosen die Konferenz in mehre ren Abschnitten abhalten wollen, schöpfen sie aus der kurzen Zeit spanne von drei Wochen die Hoffnung auf eine Unterbrechung der Konferenz durch die Genfer Tagung und ihre Fortsetzung im Ok tober, eine Hoffnung, die wesentlich der Auffassung nicht nur der Reichsregierung, sondern des gesamten deutschen Volkes wider spricht. steigbaren Erhöhung englischer Zölle zu stehen Und die höchsten unter ihnen zielten gerade auf den deutschen Ex- vort nach England ab. Außenpolitisch kann man von einer Änderung des bisherigen Kurses in England also gewiß nicht reden, aber erfreulich wäre es, wenn die von Macdonald an gekündigte Änderung der englischen Handelsvertrags politik recht bald zur Wirklichkeit werden könnte. Das Kabinett Bünger. Regierungsbildungen in Sachsen haben seit der Re volution immer außerordentliche Schwierigkeiten gemacht, und sie steigerten sich von Fall zu Fall immer mehr, bis sie dieses Mal einen Höhepunkt erreichten, bei dem nie mand zu besorgen braucht, daß er einmal überschritten werden könnte. Noch am Dienstag nachmittag war die Meinung weit verbreitet, daß Dr. Bünger seine Ministerliste überhaupt nicht zustandebringen werde, — aber es ist doch gelungen und in einer Weise sogar, die den bereits in Umlaus gesetzten Spottnamen „Rari tätenkabinett" durchaus nicht rechtfertigt. Ganz kurz nur seien die Tatsachen rekapituliert. Die Große Koalition mit den Sozialdemokraten, die rechnerisch die einfachste Lösung wäre, ist wegen der Hal tung der Sozialdemokraten unmöglich. Infolgedessen braucht man die Nationalsozialisten zur Unter stützung der Regierung. Sie sind dazu bereit, fordern aber, daß die Demokraten weder das Innen- noch das Volksbildungsministerium besetzen. Zur Übernahme eines anderen Ministeriums aber sind die Demokraten nicht be reit und scheiden deshalb aus. Die Altsozialisten wollten unbedingt, obwohl sie nur noch zwei Abgeordnete haben, das Ministerpräsidium behalten, niemand will es ihnen bewilligen. Und so schalten sie sich gleichfalls aus, welche Haltung sie jetzt allerdings mit Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit der Wahl des neuen Minifter- Die Stellung der italienischen Regierung zur europäischen Lage. Berlin, 3. Juli. Die D. A. Z. meldet aus Mailand: Der Popolo de Italia schreibt, der zu erwartende baldige Rückzug der englischen Truppen aus dem Rheinland werde infolge seiner poli tischen Bedeutung die deutsche Forderung auf vollständige Liqui dierung des Krieges unterstützen. Die internationale Lage gestalte sich für Frankreich immer ungünstiger. Der Wahlsieg der Arbei terpartei in England habe der englisch-französischen Solidarität ein Ende gemacht, die sich praktisch zugleich gegen Amerika un- Deutichland gerichtet habe. Die von der englischen arbeiterpartei- lichen Regierung in die Wege geleitete Wiederannäherung Eng lands an Amerika und Deutschland führe zu einer Entspannung; die neue kontinentale Politik England beginne bereits die deutsch- französischen Beziehungen zu beeinflussen. In der Geschichte sei die Einigungspolitik Cavours ermög licht worden, weil eines Tages die englische Regierung die zur Zeit Napoleons III. für die Erhaltung des statuts quo im Kirchen staat und Sizilien eingetreten sei, durch das liberale Ministerium Palmerston ersetzt worden, das die italienische llnabhängigkeitsbe- wegung begünstigt habe. Etwas ähnliches geschehe von der arbei- terparteilichen Regierung Macdonalds gegenüber Deutschland. Damals seien die Ueberbleibsel des Wiener Kongresses aus dem Spiel gewesen, heule stehe der Vertrag von Versailles auf dem Spiel. Amerika lehat ab Neuyork, 3. Juki. Aus Washington wird gemeldet, dass die amerikanische Regierung alle französischen Vorbehalte zum Verenger-Abkommen ablehnen werde, soweit die französischen Schuldenzahlungen an Amerika vom Eingang der deutschen Kriegsentschädioungszahlen abhängig gemacht werden. Die Was hingtoner amtlichen Kreise betrachten Frankreich als das am mei sten blühende Land Europas und lehnen daher jede Armutsprv- paganda ab. Bequemes Soldatenlcben. Neben der Frage der Ratifizierung der Schulden- abkommen steht augenblicklich im Mittelpunkt des Partei streites in Frankreich die Frage der Rheinlandräumung. Besonderes Interesse wird dieser Frage von der Militär verwaltung und allen militärischen Kreisen entgegen gebracht, und zwar weniger aus politischen Gründen als aus der Erwägung heraus, daß für die zahlreichen Offi ziersfamilien, die augenblicklich im Rheinland ein be quemes Leben führen, und auch für die aktiven Truppenteile im besetzten Gebiete in französischen Garni sonen selbst Unterkunft geschaffen werden muß. Wie ver lautet, wurde Außenminister Briand von militärischen Kreisen über die Möglichkeit und den etwaigen Zeitpunkt einer vorzeitigen Rheinlandräumung befragt. Briand weigerte sich aber, irgendeine Auskunft zu geben, da diese Frage den Gegenstand diplomatischer Verhandlungen bilde und aus der kommenden Regicrungskonferenz zur ! Erörterung stehe. Präsidenten begründen. Die Abgeordneten der 'Auf wertungspartei erklären außer dem Minister Dr. v. Fu- metti selbst, daß sie kein Interesse an weiterer aktiver Be teiligung an der Regierung hätten, und deshalb verzichtet man auch auf sie. In letzter Minute, als es praktisch schon zu spät ist, besinnen sie sich allerdings noch einmal anders. Und sie bekunden nun ihre Lust, in die Opposi tion zu gehen. Von den alten Regierungsparteien bleiben also nur noch die Deutsche Volkspartei, die Deutsch nationalen und die Wirtschaftspartei mit zu sammen 32 von 96 oder, wenn man das Landvolk einrechnen will, mit zusammen 37 Abgeordneten übrig. Auf sic allein kann man kaum ein Kabinett gründen. Was war also zu tun? Ministerpräsident Dr. Bünger ist den einzigen Weg gegangen, dcr in dieser Lage noch übrig blieb und der allerdings im Nachkriegsdeutschland nur i höchst selten einmal oder vielleicht auch gar nicht beschrit- ! ten worden ist. Er suchte sich Fachleute heraus, die einen anerkannten Ruf haben, parteipolitisch aber gar nicht hervorgetreten sind. Das gilt für den neuen Justiz minister, den bisherigen Oberlandesgerichtspräsidenten Dr. Mannsfeld, und das gilt auch für den neuen Innen minister, den bisherigen Kreishauptmann Richter von Bautzen. Mindestens unter den parlamentarisch-parteipoliti schen Verhältnissen muß man gerade das Innen- und das Justizministerium als die wichtigsten Ministerien an sehen, die Angriffen am meisten ausgesetzt sind. Um so zweckmäßiger erscheint die jetzt getroffene Lösung. Par teien, die die Opposition nicht um der Opposition willen treiben, können gegen sie nichts einwenden, und deshalb erscheint es kaum möglich, daß die ausgeschicdenen bis herigen Regierungsparteien wegen dieser Ernennung dem sicher von den Sozialdemokraten und Kommunisten kom menden Mißtrauensvotum zustimmcn werden. Aber auch die verbleibenden Minister, DQ Krug v. Nidda — der als